Landgericht Braunschweig
Urt. v. 09.10.2017, Az.: 11 O 3836/16
Abgasskandal; Anfechtung; Rücktritt; Fristsetzung zur Nacherfüllung
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 09.10.2017
- Aktenzeichen
- 11 O 3836/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53753
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 123 BGB
- § 433 BGB
- § 434 Abs 1 BGB
- § 437 Nr 2 BGB
- § 440 BGB
- § 323 BGB
- § 326 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (Motorsteuerungssoftware) versehenen Kfz kann ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung nicht vom Kaufvertrag zurücktreten.
2. Auch ein Anfechtungsrecht steht ihm nicht zu.
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 25.000,- € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw xxx.
Die Klägerin kaufte mit Bestellung vom 28.04.2010 von der durch einen Vertragshändler vertretenen Beklagten einen Pkw xxx mit der Fahrzeugidentifikationsnummer (FIN): xxxx zum Gesamtbetrag laut Rechnung vom 11.11.2010 von 23.108,05 €.
Herstellerin des Fahrzeugs ist laut der EG-Übereinstimmungsbescheinigung (Anlage R 24a) die Beklagte.
In dem Fahrzeug ist ein Motor der Baureihe EA 189 verbaut. In der EG-Übereinstimmungsbescheinigung wird als Abgasnorm EURO 5 bescheinigt. Die Einhaltung der dafür nach der EG-Verordnung maßgeblichen Grenzwerte für Stickoxide hängt davon ab, in welchem Ausmaß Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden. Im streitgegenständlichen Fahrzeug lässt die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgerätes eine Abgasrückführung im zur Einhaltung der Grenzwerte nötigen Umfang unter den Bedingungen des zur Erlangung der Typgenehmigung durchgeführten gesetzlich vorgeschriebenen Testlaufs zu. Bewegt sich das Fahrzeug nicht in diesem eng vorgegebenen Geschwindigkeitsmuster, erkennt die Software dies und verringert die Abgasrückführung im Verhältnis zur Fahrt auf dem Prüfstand, wodurch sich die Stickoxidemissionen erhöhen.
Das Kraftfahrbundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und ordnete einen Rückruf an.
Mit Schreiben vom 13.05.2016 erklärte die Klägerin gegenüber der Beklagten die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den unmittelbaren Rücktritt vom Kaufvertrag (Anlage K 2).
Unter dem 19.05.2016 verwies die Beklagte auf ein auch für das klägerische Fahrzeug in Absprache mit dem KBA vorgesehenes Software-Update und verweigerte die Rücknahme des klägerischen Fahrzeugs (Anlage K 2 a).
Laut EG-Übereinstimmungsbescheinigung hat der Pkw einen Kraftstoffverbrauch von innerorts 5,7 l auf 100 Kilometer Fahrtstrecke, außerorts von 3,9 l auf 100 Kilometer Fahrtstrecke und kombiniert von 4,5 l auf 100 Kilometer Fahrtstrecke.
Die Klägerin behauptet, sie habe schnell feststellen müssen, dass ihr Fahrzeug einen tatsächlichen Kraftstoffverbrauch von bis zu 8 l auf 100 Kilometer Fahrstrecke innerorts aufweise.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, ihr stehe wegen der Motorsteuerungssoftware sowie des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs ein Recht zur Anfechtung wegen arglistiger Täuschung zu, außerdem habe sie, ohne dass sie der Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung habe setzen müssen, aufgrund der Motorsteuerungssoftware sowie aufgrund des tatsächlichen Kraftstoffverbrauchs ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag.
Die Klägerin beantragte zuletzt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei € 23.108,05 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.05.2016 zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW xxx, FIN: xxx und Zug-um-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus € 23.108,05 seit dem 11.11.2010 bis zum 19.05.2016 zu bezahlen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klagantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 1.899,24 freizustellen.
Die Beklagte beantragte:
Klagabweisung.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass der Klägerin mangels Täuschung der Klägerin durch die Beklagte ein Recht zur Anfechtung nicht zustehe und dass der Klägerin schon bereits aufgrund fehlenden Sachmangels des Fahrzeuges, jedenfalls aber mangels notwendiger Fristsetzung zur Nacherfüllung kein Recht zum Rücktritt zustehe.
Es fand mündliche Verhandlung statt am 29.08.2017.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
A.
Die Klägerin konnte ihre auf den Abschluss eines Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung nicht gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechten und zwar weder unter dem Gesichtspunkt der Motorsteuerungssoftware noch unter dem Gesichtspunkt der klägerischen Behauptung zum tatsächlichen Kraftstoffverbrauch, so dass der Klagantrag Ziffer 1. nicht aus den §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1, 142 Abs. 1, 123 Abs. 1 BGB begründet ist.
I. Motorsteuerungssoftware:
1. Eine aktive Täuschungshandlung der Beklagten gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Motorsteuerungssoftware wird seitens der Klägerin nicht behauptet.
2. Auch ein eventuelles Unterlassen der Aufklärung über die Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware durch die Beklagte gegenüber der Klägerin stellt hier keine nach § 123 BGB relevante Täuschung dar. Hierfür fehlt es an einer entsprechenden Aufklärungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht des Verkäufers gegenüber dem Käufer über Mängel der Kaufsache: Eine solche kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn im konkreten Falle entweder wertbildende Faktoren von erheblichem Gewicht in Rede stehen oder wenn die Verwendbarkeit der Kaufsache für den beabsichtigten Zweck in Frage steht.
a. Die seitens der Klägerin bemängelten Einstellungen der Motorsteuerungssoftware stellen aber keinen wertbildenden Faktor von erheblichem Gewicht dar, der eine Offenbarungspflicht eines Verkäufers begründen würde: Zwar führt die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 10.05.2017 Punkt VI. aus, der Pkw habe durch die Motorsteuerungssoftware einen wesentlichen Wertverlust erlitten. Dies aber stellt keine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung dar. Hier würde eine Beweiserhebung zum Thema Wertminderung eine unzulässige Ausforschung darstellen. Der Gebrauchtwagenmarkt ist derart transparent, dass die Klägerin konkrete Anknüpfungstatsachen zu einer etwaigen Wertminderung des von ihr erworbenen Fahrzeugs aufgrund der Motorsteuerungssoftware vortragen müsste. Inwieweit die Klägerin mit einer Nacherhebung von Kraftfahrzeugsteuern zu rechnen haben sollte, ist nicht ersichtlich.
b. Eine Offenbarungspflicht für die Beklagte folgt auch nicht aus einer eingeschränkten Verwendbarkeit des Fahrzeugs zu seinem Zwecke: Die Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht gemäß § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen, da diese Vorschrift nicht für Abweichungen vom genehmigten Typ vor Inverkehrbringen gilt. § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO sieht ein - automatisches - Erlöschen der Typgenehmigung nur für den Fall vor, dass an einem Fahrzeug Veränderungen vorgenommen werden. Als § 19 Abs. 2 StVZO neu gefasst wurde, stellte der Gesetzgeber klar, dass diese Vorschrift nur für bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge gilt (vgl. BR-Drs 629/93 S. 15 - 16). Anderenfalls würde auch die später in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs.3 Nr. 2 EG-FGV leer laufen, die den Widerruf (nicht etwa das automatische Erlöschen) der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht, wobei diese Entscheidung zudem in das Ermessen der Behörde gestellt ist.
Die Typgenehmigung ist auch nicht analog § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke, sondern § 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-FGV stellt die Ermessensvorschrift dar, nach der eine Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen werden kann, wenn es an der Übereinstimmung eines Fahrzeugs mit dem genehmigten Typ fehlt.
Es droht auch kein Widerruf der Typgenehmigung mit Wirkung für alle Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs. Das KBA als zuständige Behörde hat das ihm zustehende Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt, eine Entziehung der Typgenehmigung in die Wege zu leiten. Es ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen.
Die Beklagte traf gegenüber der Klägerin daher keine Offenbarungspflicht über die Motorsteuerungssoftware, so dass eine Täuschung durch Unterlassen nicht vorliegt.
II.
Insoweit als die Klägerin einen gegenüber den Herstellerangaben erhöhten Kraftstoffverbrauch behauptet, kann in den Herstellerangaben in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung bereits tatbestandlich keine Täuschung gemäß § 123 BGB liegen: Die Beklagte als Hersteller des Pkw ist gemäß Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung (Pkw-EnVKV) verpflichtet, die im Testzyklus gemessenen Werte anzugeben. Dass die Beklagte dies in ihren Veröffentlichungen oder der EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht getan hätte, ist nicht vereinzelt dargetan. Insoweit dürfte die unter dem 13.05.2016 erklärte Anfechtung auch nicht mehr fristgerecht nach § 124 BGB sein, da die Klägerin selbst ausführt, den von ihr behaupteten erhöhten Kraftstoffverbrauch „schnell“ festgestellt zu haben und der Erwerb des Fahrzeugs im Jahre 2010 stattfand (Schriftsatz vom 10.05.2017 Punkt VIII.).
B.
Die Klägerin konnte auch nicht gemäß §§ 433, 434 Abs. 1, 437 Ziffer 2., 440, 323, 326 Abs. 5 BGB vom Kaufvertrag mit der Beklagten zurücktreten und zwar weder unter dem Gesichtspunkt der Motorsteuerungssoftware noch unter dem Gesichtspunkt der klägerischen Behauptung zum tatsächlichen Kraftstoffverbrauch, so dass der Klagantrag Ziffer 1 auch nicht aus § 346 BGB begründet ist. Seitens der Klägerin wurde keine Frist zur Nacherfüllung gesetzt, deren erfolgloser Ablauf jedoch im hier zu entscheidenden Falle die Voraussetzung eines Rechts zum Rücktritt vom Kaufvertrag gewesen wäre.
III. Motorsteuerungssoftware:
Zwar war das verfahrensgegenständliche Fahrzeug im maßgeblichen Zeitpunkt des Gefahrübergangs mangelhaft und das alleine schon deswegen, weil die Klägerin aufgrund der streitgegenständlichen Software verpflichtet ist, an einer Rückrufaktion teilzunehmen, um eine ansonsten etwaig drohende Betriebsuntersagung auszuschließen.
Indes hat die Klägerin nicht dargelegt, dass eine Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich war:
1. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB entbehrlich, weil der Beklagten eine Nacherfüllung im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 13.05.2016 unmöglich gewesen wäre. Eine Leistung ist gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 275, Rn. 14). Dabei kann eine nur vorübergehende Unmöglichkeit einer dauerhaften Unmöglichkeit gleichstehen, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zuzumuten ist (Paland/Grünberg, a. a. O., § 275, Rn. 11, m. w. N.). Eine Situation der vorbeschriebenen Art bestand vorliegend nicht: Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung war eine Softwarelösung für die Motorsteuerungssoftware bereits durch die Beklagte entwickelt, dem KBA vorgelegt und durch das KBA im Grundsatz bestätigt worden (Anlage K 2 a). Auch wenn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch keine Aufforderung zur Nacherfüllung durch ein Software-Update durch die Beklagte an die Klägerin ergangen war und auch die Freigabeerklärung des KBA vom 03.11.2016 für den Fahrzeugtyp der Klägerin noch nicht erteilt worden war (Anlage B 1), so liegt hierin mangels Gefährdung des Geschäftszwecks des Kaufvertrages oder Unzumutbarkeit noch keine Unmöglichkeit, denn die Klägerin konnte das erworbene Fahrzeug jederzeit ohne tatsächliche oder rechtliche Einschränkungen benutzen.
2. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war auch nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB entbehrlich, weil das Fahrzeug mit einem merkantilen Minderwert behaftet bleibt:
Für den Fall eines sogenannten Unfallwagens ist anerkannt, dass ein Rücktritt auch ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB möglich ist, weil der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (BGH, Urteil vom 10.10.2007, VIII ZR 330/06, zit. nach juris, Rn. 23; BGH, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05, zit. nach juris, Rn. 17). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958, VI ZR 82/57, zit nach juris, Rn. 4).
Diese Rechtsprechung jedoch ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, da eine vergleichbare am Markt gewonnene Erfahrung, dass sich die ursprüngliche Motorsteuerungssoftware auch nach ihrem Entfernen zwangsläufig preismindernd auswirkt, fehlt.
3. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war auch nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Es lagen keine besonderen Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den Rücktritt vor Ablauf einer angemessenen Frist gerechtfertigt hätten:
a. Unter vorgenanntem Gesichtspunkt war eine Fristsetzung vorliegend zunächst nicht deshalb entbehrlich, weil die Nacherfüllung zwingend durch die Beklagte, damit aber denjenigen durchgeführt werden muss, der den beim Verkauf vorhandenen Mangel nicht mitgeteilt hat. Selbst das arglistige Verschweigen eines Mangels führt nämlich nur in der Regel dazu, dass die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage entfällt und damit keine Veranlassung besteht, dem Verkäufer nach Entdecken des Mangels durch den Käufer eine zweite Möglichkeit der Erfüllung zu gewähren (BGH, Urteil vom 09.01.2008, VIII ZR 210/08, zit. nach juris, Rn. 19). Ein arglistiges Verschweigen der Verantwortlichen der Beklagten unterstellt, führt vorliegend der Umstand, dass die Nacherfüllung in Absprache und unter Aufsicht des KBA erfolgt, dazu, dass eine Ausnahme vom vorgenannten Grundsatz anzunehmen ist: Die Klägerin muss sich bei der Nacherfüllung eben nicht alleine auf die Beklagte verlassen, deren Nacherfüllung ja behördlich geprüft und freigegeben wurde.
b. Eine Fristsetzung war auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung befürchtete, dass das zur Nacherfüllung vorgesehene Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde. Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass auch nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet vorliegend nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Die Möglichkeit, dass auch nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder entstehen, hat der Gesetzgeber in § 440 S. 2 BGB vorhergesehen, wonach eine Nachbesserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt. Die Klägerin hat dieses Risiko also zunächst hinzunehmen. Der Rücktritt vom Kaufvertrag bleibt ihr für den Fall, dass die durchgeführte Nacherfüllung fehlschlagen sollte, unbenommen (Vgl. LG Münster, Urteil vom 05.04.2017, 10 O 359/16, zit. nach juris, Rn. 118. Im Ergebnis unter dem Stichwort „Vorrang der Nacherfüllung“ LG Düsseldorf, Urteil vom (24.10.2016, 21 O 10/16, zit. nach juris, Rn. 33.).
IV. Kraftstoffverbrauch:
Eine Entbehrlichkeit der Fristsetzung zur Nacherfüllung folgt auch nicht aus dem klägerischen Vortrag in dem Schriftsatz vom 10.05.2017 zum behaupteten tatsächlichen Kraftstoffverbrauch:
Es ist nicht ersichtlich, warum dieser Mangel - so er denn vorläge - nicht durch die Beklagte behoben werden könnte, so dass ein Fall der §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB klägerseitig zwar in den Raum gestellt wird, jedoch keine tatsächlich vereinzelte Grundlage im klägerischen Sachvortrag findet. Auch ein entsprechender Erfahrungssatz besteht nicht. Die Rechtsprechung zur Darlegungslast bei behauptetem Mehrverbrauch eines Fahrzeugs befreit nicht vom Erfordernis einer Fristsetzung zur Nacherfüllung, sondern bezieht sich nur auf den Sachvortrag zum Mangel als solchen.
Im Hinblick auf den behaupteten erhöhten Kraftstoffverbrauch wird klägerseitig bereits nichts dazu vorgetragen, warum hier ein Fall der §§ 323 Absatz 2 oder 440 BGB vorliegen sollte: Selbst wenn die in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte die Kaufentscheidung der Klägerin bestimmt haben sollten und diese unzutreffend - weil zu niedrig angesetzt - sein sollten, so ist nicht ersichtlich, warum es ihr unzumutbar sein sollte, der Beklagten zur Behebung dieses Mangels eine Frist zur Nacherfüllung zu setzen.
C.
Bereits mangels Fristsetzung zur Nacherfüllung kann auch der von der Klägerin behauptete Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (Klageschrift III.) keinen Erfolg haben
D.
Auch die weiteren seitens der Klägerin ins Feld geführten Anspruchsgrundlagen vermögen dem Klagantrag Ziffer 1. nicht zum Erfolg zu verhelfen, da diese - ungeachtet der Rechtsfolgenseite - bereits dem Grunde nach nicht erfüllt sind:
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB:
Die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Prospekthaftung sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Prospekthaftung im Bereich der Kapitalanlagen geht davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen. Anders als bei Kapitalanlagen gibt es für Fahrzeuge jedoch zahlreiche allgemein zugängliche Quellen, um sich vor der Kaufentscheidung über ein bestimmtes Modell zu informieren.
2. Die Klägerin kann gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Garantie gemäß § 443 BGB stützen:
Mit der Ausstellung der EG-Übereinstimmungserklärung gibt die Beklagte als - auch - Herstellerin des Fahrzeugs dem jeweiligen Halter des Pkw dasjenige Dokument an die Hand, welches er benötigt, um sein Fahrzeug bei der zuständigen Straßenverkehrsbehörde zuzulassen. In der Erfüllung dieser Verpflichtung gemäß § 6 EG-FGV kann kein garantieartiger Einstandswille für etwaige Sach- und Rechtsmängel gegenüber sämtlichen späteren Haltern des Fahrzeugs gesehen werden.
3. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB:
a. Soweit die Klägerin darauf abstellt, dass die Beklagte sie unter den nachgenannten Gesichtspunkten aktiv getäuscht habe, ist dies tatsächlich nicht der Fall bzw. nicht hinreichend vereinzelt dargelegt:
aa. Typgenehmigung:
Das Fahrzeug unterfällt der für den Typ bestehenden Typgenehmigung. Diese ist entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin nicht kraft Gesetzes erloschen:
Die Typgenehmigung ist nicht (beschränkt auf das streitgegenständliche Fahrzeug, denn weiter würde die Wirkung der Vorschriften selbst im Falle ihres Eingreifens nicht gehen) gem. §§ 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Die genannten Vorschriften gelten nämlich nicht für den hier allenfalls vorliegenden Fall, dass ein Fahrzeug schon vor Inverkehrbringen durch den Hersteller nicht der maßgeblichen Typgenehmigung entspricht. Aus der Begründung zur damaligen Neufassung des § 19 Abs. 2 StVZO - vgl. BR-Drucksache 629/93, dort S. 15, 16 - folgt nämlich, dass diese Vorschrift nur Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen erfassen sollte, denn nur insoweit wurde eine Regelungskompetenz erkannt. Hierfür spricht auch eine systematische Betrachtung: So sieht § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 7 StVZO ein Erlöschen der Typgenehmigung für den Fall vor, dass an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die bereits eine einfache Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Gälte dies auch für Änderungen vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch den Hersteller, so hätte die zeitlich nachfolgend in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, welche den Widerruf der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht und welche der Behörde zudem ein Ermessen einräumt, keinen Anwendungsbereich.
Die Typgenehmigung ist auch nicht analog §§ 19 Abs. 2, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Angesicht der Regelung des § 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-FGV besteht keine Regelungslücke.
bb. Zulassung nach Euro 5/Angaben zu Grenzwerten:
Die Zulassung nach Euro 5 besteht entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin fort. Konkrete Angaben der Beklagten, dass das streitgegenständliche Fahrzeug im realen Straßenverkehr die Emissionsgrenzwerte nach Euro 5 einhalte oder die Messung auf dem Rollenprüfstand nach dem NEFZ den Schadstoffausstoß im Realbetrieb wenigstens annähernd abbilde, hat die Klägerin nicht dargelegt.
cc. Falsche Angaben zum Stickoxidausstoß:
Konkret falsche Angaben der Beklagten zum Stickoxidausstoß des streitgegenständlichen Fahrzeugs hat die Klägerin nicht dargelegt.
b. Auch ein eventuelles Unterlassen der Aufklärung über die Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware durch die Beklagte gegenüber der Klägerin stellt hier keine strafrechtlich relevante Täuschung über Tatsachen dar. Hierfür fehlt es an einer Garantenstellung der Beklagten gegenüber der Klägerin, wofür auf die Ausführungen unter A I. 2 verwiesen wird.
c. Auch aus pflichtwidrigem Vorverhalten folgt hier keine Garantenstellung der Beklagten. Eine Pflichtwidrigkeit löst nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des betroffenen Rechtgutes dient. Die vorliegend seitens der Klägerin allein geltend gemachten Vermögensinteressen fallen jedoch nicht in den Schutzbereich derjenigen europarechtlichen Normen, die bei der Typgenehmigung den Einsatz von Abschalteinrichtungen verbieten - Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der EU-Verordnung VO 715/2007; EU Richtlinie 2007/46/EG. Diese dienen der Harmonisierung des Binnenmarktes (Erwägungsgrund 2 der Richtlinie) und zielen auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung (Erwägungsgrund 3 der Richtlinie) ab. Interessen der einzelnen Fahrzeugkäufer könnten hierdurch allenfalls in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit der von ihnen erworbenen Fahrzeuge geschützt sein. Diesbezüglich macht die Klägerin aber keinen Schaden geltend.
4. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 16 UWG:
Die Beklagte hat nicht in der Absicht gehandelt, ein besonders günstiges Angebot abzugeben. Nach den Vorstellungen des Täters muss die Entscheidung des Adressaten für das Erwerbsgeschäft von dem angepriesenen - besonderen - Vorteil, der tatsächlich nicht gegeben ist, beeinflusst werden (Hart-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, UWG, 3. Aufl., § 16, Rn. 31, 32; für § 4 UWG aF auch BGHSt 27, 293 - 295, zit. nach juris, Rn. 6, 7). Falls die Beklagte tatsächlich in Werbeunterlagen bezüglich des von der Klägerin erworbenen Pkw falsche Informationen durch Prospekte und Broschüren verbreitet haben sollte, würde darin mit bestimmten Leistungswerten unter Einhaltung der Euro 5 Norm kein - besonderer - Vorteil des streitgegenständlichen Fahrzeugs angepriesen. Die Grenzwerte der Euro 5 Norm mussten schließlich alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten, um die Typgenehmigung zu erlangen.
5. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 (im Folgenden § 4 Nr.11 UWG a.F.):
Es ist bereits fraglich, ob § 4 Nr.11 UWG a.F. überhaupt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.2 BGB darstellt. Jedenfalls hat die Beklagte hier nicht gegen Vor-schriften verstoßen, deren Einhaltung § 4 Nr.11 a.F. schützt. §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoff-verbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr.5, Nr.6 Pkw-EnVKV). Die Klägerin selbst bezweifelt nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren (Fahrkurven des NEFZ) erzielt wurden.
6. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs.2 BGB i.V.m. Art.12, Art.18 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG und §§ 4, 6, 25 EG-FGV:
Bei Ansprüchen aus unerlaubter Handlung ist die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt, die in den Schutzbereich der verletzten Norm fallen: Weder die Richtlinie Nr. 2007/46/EG noch die EG-FGV aber dienen dem Schutz des Vermögens von Käufern eines Fahrzeugs: Die Richtlinie Nr. 2007/46/EG dient der Harmonisierung des Binnenmarktes (Erwägungsgrund 2 der Richtlinie) und zielt auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung (Erwägungsgrund 3 der Richtlinie) ab. Die EG-FGV setzt diese Richtlinie und weitere Richtlinien mit entsprechendem Regelungszweck in deutsches Recht um.
7. Die Klägerin hat keinen Anspruch aus § 826 BGB:
a. Der Einbau der Motorsteuerungssoftware begründet keinen Anspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung der Vermögensinteressen der Klägerin.
Bei der Prüfung, ob sich eine Handlung im Verhältnis zu den geltend gemachten Interessen des Anspruchstellers als vorsätzlich sittenwidrige Schädigung darstellt, ist eine zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck der Handlung sowie ihrer Folgen vorzunehmen. Auch im Rahmen des § 826 BGB gilt wie bei allen Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Der Verstoß muss in Beziehung zu den (Vermögens-)Interessen der Parteien gesetzt werden, um zu beurteilen, ob sich die Schädigung als sittenwidrig darstellt.
Hier kommt ein Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen aus Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der EU-Verordnung VO 715/2007 in Betracht. Den Vermögensinteressen des einzelnen Pkw-Käufers ist der Hersteller nach dieser Norm aber nicht verpflichtet. Die Richtlinie 2007/46/EG und die Verordnung VO 715/2007 dienen der Harmonisierung des Binnenmarktes und zielen auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung ab. Interessen der einzelnen Fahrzeugkäufer können durch die Verordnung als Einzelrechtsakt im gemeinschaftlichen Typgenehmigungssystem allenfalls in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs geschützt werden. Solche Schäden macht die Klägerin hier aber nicht geltend.
b. Die Beklagte hat die Klägerin auch nicht durch eine arglistige Täuschung bezüglich der Schadstoffemission vorsätzlich sittenwidrig geschädigt. Aussagen die zur Typgenehmigung oder zu Werten in der Übereinstimmungsbescheinigung getroffen werden, beziehen sich immer auf die Emissionen im NEFZ. Nur diesbezüglich sind die Wertangaben in etwaigen Prospekten miteinander vergleichbar.
c. Auch das Verschweigen der Motorsteuerungssoftware führt nicht zu einem Anspruch der Klägerin wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Ein Verschweigen kann nur dann sittenwidrig sein, wenn eine entsprechende Offenbarungspflicht besteht. Eine solche kommt bei Kaufverträgen bezüglich erheblicher wertbildender Faktoren oder der Verwendbarkeit des Kaufgegenstandes zu seinem Zweck in Betracht, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist (s.o. A. I. 2.).
8. Da die Beklagte der Klägerin bereits dem Grunde nach nicht aus dem Recht der unerlaubten Handlungen zum Schadensersatze verpflichtet ist, vermag auch der klägerische Verweis auf § 831 BGB im Schriftsatz vom 15.08.2017 der Klage nicht zum Erfolg zu verhelfen.
E.
Da der Klagantrag Ziffer 1. nicht zuzusprechen war, konnten auch der Klagantrag Ziffer 2. auf Zinszahlung, der Klagantrag Ziffer 3. auf Feststellung des Annahmeverzugs und der Klagantrag Ziffer 4. auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten keinen Erfolg haben.
F.
Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 06.09.2017 gab keine Veranlassung, erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten, §§ 296a, 156 ZPO.
G.
Die Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 91, 709 ZPO.
H.
Der Streitwert folgt den §§ 48 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1 ZPO.