Landgericht Braunschweig
Urt. v. 14.07.2017, Az.: 11 O 3835/16

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
14.07.2017
Aktenzeichen
11 O 3835/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53619
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 30.000 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Lieferung eines Neufahrzeugs Zug-um-Zug gegen Rückgabe des ursprünglich von der Beklagten erworbenen Fahrzeugs.

Aufgrund eines am 07.03.2014 zwischen der Klägerin als Käuferin  und der durch einen Vertragshändler vertretenen Beklagten als Verkäuferin und Herstellerin des Fahrzeugs geschlossenen Kaufvertrages erwarb die Klägerin einen PKW XXX der ersten Modellgeneration 2,0 l TDI 103 kW (140 PS) zum Kaufpreis von 29.354,75 €. Der Kaufpreis wurde nachfolgend unter Inzahlungnahme eines Gebrauchtfahrzeuges gezahlt, das Fahrzeug an die Klägerin ausgeliefert und zugelassen.

Der Abschluss des Kaufvertrages erfolgte unter Einbeziehung folgender Klausel:

„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“

Das Fahrzeug verfügt über eine Typgenehmigung nach EU 5. Die Einhaltung der maßgeblichen NOX-Emissionswerte hängt davon ab, in welchem Ausmaß Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden. Im verfahrensgegenständlichen Fahrzeug lässt die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgeräts eine Abgasrückführung im notwendigen Umfang nur unter den im normalen Straßenbetrieb niemals vorkommenden Bedingungen des zur Erlangung der Typengenehmigung durchgeführten gesetzlich vorgeschriebenen Testlaufs, der aus fünf exakt vorgegebenen synthetischen Fahrkurven besteht, zu.

Das Modell XXX der ersten Modellgeneration 2,0 l TDI 103 kW (140 PS) wird nicht mehr hergestellt. Es wurde ersetzt durch eine neue, zweite Modellgeneration, die unter demselben Namen verkauft wird, jedoch über eine Typgenehmigung nach EU 6 verfügt, stärker motorisiert ist sowie, anders als die erste Modellgeneration, nach dem sogenannten „Modularen Querbaukasten“ des XXX aufgebaut ist.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass sie mangelbedingt einen Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs der neuen Modellgeneration habe, welche von der von ihr gekauften Modellgeneration nur unwesentlich abweiche. Dieser Anspruch ergebe sich aus kaufrechtlicher Gewährleistung, nach den Grundsätzen der Prospekthaftung und der Vertrauenshaftung, aus Garantiehaftung vor dem Hintergrund der EG-Übereinstimmungsbescheinigung sowie aus deliktischer Haftung.

Die Klägerin beantragte zuletzt:

1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klägerpartei ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug XXX 2,0 l TDI, FIN: XXX Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs XXX 2,0 l TDI, FIN: XXX nachzuliefern.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei mit der Rücknahme des im Klagantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet.

3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.077,74  freizustellen.

Die Beklagte beantragte:

Klagabweisung

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, der Klägerin bereits mangels Sachmangels, jedenfalls aber aufgrund Unmöglichkeit nicht aus kaufrechtlicher Gewährleistung zur Nachlieferung verpflichtet zu sein; auch weitere Ansprüche insbesondere aus Delikt bestünden nicht, da die Beklagte die Klägerin insbesondere nicht getäuscht habe. Auch sei der Klägerin kein Schaden entstanden.

Es fand mündliche Verhandlung statt am 27.06.2017.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

A.) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Lieferung eines typengleichen Ersatzfahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers:

Die Klägerin begehrt als „Nachlieferung“ im Sinne des § 439 BGB ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das von ihr erworbene Fahrzeug XXX 2,0 l TDI 103 kW (140 PS).

1. Die Klägerin kann keinen Pkw XXX 2,0 l TDI aus der aktuellen Serienproduktion als Nacherfüllung im Sinne des § 439 BGB verlangen:

Fahrzeuge aus der aktuellen XXX Serienproduktion sind vom ursprünglichen Erfüllungsanspruch nicht erfasst. Der Nacherfüllungsanspruch kann nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. Der Verkäufer schuldet nochmals die Übergabe des Besitzes und die Verschaffung des Eigentums einer mangelfreien Sache - nicht weniger, aber auch nicht mehr (BGH, Urteil vom 17.12.2012, VIII ZR 226/11, juris, Rn 24). Die Fahrzeuge aus der aktuellen XXX Serienproduktion unterscheiden sich von dem laut Kaufvertrag geschuldeten Fahrzeug (Anlagenkonvolut K 1): Die Motorleistung ist höher und weitere technische Weiterentwicklungen haben unter anderem zur Erlangung der Typgenehmigung nach der Euro 6 Norm geführt. Die Fahrzeuge der aktuellen Serienproduktion halten also wesentlich geringere Schadstoffgrenzwerte ein (vgl. Verordnung 715/2007/EG mit Ergänzungs-Verordnungen).

Auch unter Berücksichtigung des durch Auslegung zu ermittelnden Willens der Parteien bei Vertragsschluss folgt aus dem Kaufvertrag kein Anspruch der Klägerin auf die Lieferung eines XXX der zweiten Modellgeneration (zur Erforderlichkeit der Vertragsauslegung vgl. BGH, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05, juris, Rn 23). Dem Willen der Verkäuferin entsprach es - auch und gerade bei Berücksichtigung von Ziffer IV.6. der einbezogenen Neuwagen-Verkaufsbedingungen - nicht, bei eventuellen Mängeln ein Fahrzeug aus einer neuen Modellreihe zu liefern. Diese Klausel stellt ihrem Wortlaut nach ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht (§ 315 BGB) der Verkäuferin dar. Sie erweitert einseitig die Rechte der Verkäuferin, wobei bezüglich der Rechte des Käufers nur eine Billigkeitskontrolle auf Zumutbarkeit stattfindet. Dieser Charakter der Klausel verbietet es, sie im Wege der Vertragsauslegung zur Begründung einer Benachteiligung der Verkäuferseite bei gleichzeitiger Erweiterung der Rechte der Käuferin heranzuziehen.

2. Eine etwaig begehrte Nachlieferung eines Fahrzeugs im Sinne des § 439 BGB ist gemäß § 275 BGB ausgeschlossen:

Das von der Klägerin erworbene Modell XXX 2,0 l TDI 103 kW (140 PS) wird nicht mehr hergestellt. Aus der aktuellen Serienproduktion der Herstellerin gibt es kein Fahrzeug, das nach den Vorstellungen beider Parteien noch gleichartig und gleichwertig im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH zum Stückkauf/Gebrauchtwagenkauf, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05, juris, Rn 23) wäre.

3. Anspruch aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB:

Ein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeuges ist auch unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung gem. §§ 311, 241 Abs. 2 BGB nicht schlüssig dargelegt. Eine Haftung im vorgenannten Sinne wurde von der Rechtsprechung für den sog. „grauen“, nicht organisierten Kapitalmarkt vor dem Hintergrund entwickelt, dass in jenem Markt der Emissionsprospekt die einzige Informationsquelle für den interessierten Kapitalanleger darstellt. Nur wenn die dortigen Angaben vollständig und richtig sind, kann der Interessent die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und vor allem sein Anlagerisiko richtig einschätzen (vgl. BGHZ 111, 114 ff.). Im vorliegenden Fall eines Autokaufs ist die Grundsituation gänzlich anders. Der Kaufinteressent kann sich nicht nur aus Verkaufsprospekten, sondern auch aus allgemein öffentlich zugänglichen Quellen, wie etwa Testberichten einer Vielzahl einschlägiger Zeitschriften, informieren.

4. Ansprüche im Zusammenhang mit einer unwirksamen EG-Übereinstimmungsbe-scheinigung:

Der geltend gemachte Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs steht der Klägerin auch nicht unter dem Blickwinkel des Vorliegens einer - weil das Fahrzeug nicht allen maßgeblichen Vorschriften entspricht - unwirksamen EG-Übereinstimmungsbescheinigung zu:

a) Es ist bereits fraglich, ob die EG-Übereinstimmungsbescheinigung überhaupt die Erklärung enthält, dass das Fahrzeug allen maßgeblichen Vorschriften entspricht. Zwar soll sie nach der Legaldefinition in Art. 3 Ziff. 36 der Richtlinie 2007/46/EG und der ähnlich formulierten Zielbeschreibung in der VO (EG) 385/2009 eine Erklärung im vorgenannten Sinne darstellen. Das eigentliche Muster enthält eine solche Erklärung dann aber - jedenfalls ausdrücklich - doch nicht.

b) Sollte die EG-Übereinstimmungsbescheinigung eine Erklärung im vorgenannten Sinne tatsächlich enthalten, ist es fraglich, ob die inhaltliche Unrichtigkeit der Erklärung zur Ungültigkeit der Bescheinigung führt. Die (auch nach den nationalen Vorschriften) maßgebliche Vorschrift über den Inhalt der EG-Übereinstimmungsbescheinigung - Art. 18 der Richtlinie 2007/46/EG - enthält nämlich lediglich eine Anzahl einzuhaltender Kriterien formaler Natur. Eine Regelung betreffend die inhaltliche Richtigkeit der Bescheinigung über die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften fehlt, könnte sich allenfalls aus der Legaldefinition  in Art. 3 Ziff. 36 der Richtlinie 2007/46/EG oder der Zielbestimmung der VO (EG) 385/2009 ergeben. Aus einer Legaldefinition bzw. Zielbestimmung Rechtsfolgen herzuleiten, ist aber gesetzessystematisch mindestens bedenklich.

Dafür, dass die EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht materiell unwirksam ist, wenn das betroffene Fahrzeug nicht allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, spricht auch eine Auslegung der Richtlinie selbst:

Nach Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG werden der Verkauf und die Inbetriebnahme von Bauteilen ausdrücklich auch davon abhängig gemacht, dass diese den einschlägigen Rechtsakten entsprechen. Der komplette Fahrzeuge betreffende Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG enthält eine entsprechende Regelung jedenfalls seinem Wortlaut nach nicht. Weiter könnte zwar die Voraussetzung, dass (auch) ein Fahrzeug den einschlägigen Rechtsakten entsprechen muss, in Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG durch das - in Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie nicht vorkommende -  Wort „gültig“ in Verbindung mit der Legaldefinition der Übereinstimmungsbescheinigung in Art. 3 Ziff. 36 der Richtlinie 2007/46/EG zum Ausdruck gebracht worden sein, zumal zunächst nicht recht ersichtlich sein könnte, aus welchem Grund der europäische Gesetzgeber bei Fahrzeugen anders als bei Bauteilen auf diese Voraussetzung verzichten haben sollte. Zu beachten ist gleichzeitig aber die sprachliche Fassung des Art. 28 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG: Die besondere Betonung der Voraussetzungen „dann und nur dann“ - zum Vergleich heißt es in Art. 26 Abs. 1 der Richtlinie 2007/46/EG, insofern schwächer, „nur dann“- legt nahe, dass es dem Gesetzgeber klar war, dass in Art. 28 im Vergleich zu Art. 26 Abs. 1 Richtlinie 2007/46/EG erhöhte Anforderungen erhoben werden. Ein Grund für die unterschiedliche Behandlung von kompletten Fahrzeugen und Bauteilen könnte gleichzeitig darin liegen, dass Adressat der Umsetzung von Art. 28 der Richtlinie 2007/46/EG nicht die  Mitgliedstaaten selbst sind: Art. 28 regelt nur den Verkauf und die Inbetriebnahme von Bauteilen. Adressat von Art. 26 der Richtlinie 2007/46/EG sind bei dessen Umsetzung dagegen auch die Mitgliedstaaten selbst, da sie für die dort - auch - geregelte Zulassung der Fahrzeuge zuständig sind. Würde Art. 26 der Richtlinie voraussetzen, dass die Fahrzeuge nur zugelassen werden könnten, wenn sie allen rechtlichen Akten entsprechen, weil nur dann die EG-Übereinstimmungserklärung gültig wäre, würde dies unter Umständen erneute Prüfungspflichten begründen, was dem Ziel der Richtlinie, die Zulassung von Fahrzeugen zu vereinfachen, widersprechen würde.

Weiter dürfte aus der Auslegung der die Richtlinie 2007/46/EG umsetzenden nationalen Vorschriften folgen, dass jedenfalls der nationale Gesetzgeber davon ausging, dass Unregelmäßigkeiten im Typgenehmigungsverfahren, wodurch der genehmigte Fahrzeugtyp nicht allen maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften entspricht, nicht zur Unwirksamkeit der EG-Übereinstimmungsbescheinigung führen:

Der Gesetzgeber hat den Fall vorhergesehen, dass bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge nicht vorschriftsmäßig sind: Er ermächtigt das KBA für diesen Fall in § 25 Abs. 2 EG-FGV, die Typgenehmigung nachträglich mit Nebenbestimmungen zu versehen. Betreffend die EG-Übereinstimmungserklärung fehlt eine entsprechende Regelung. Dies lässt den Schluss darauf zu, dass der Umstand, dass ein bereits im Verkehr befindliches Fahrzeug nicht vorschriftsmäßig ist, keine Auswirkungen auf die EG-Übereinstimmungsbescheinigung haben sollte.

Weiter: Nach § 37 EG-FGV handelt ordnungswidrig, wer ein Fahrzeug entgegen § 27 EG-FGV ohne eine „gültige“ Übereinstimmungsbescheinigung anbietet oder in Umlauf bringt. Mit § 37 EG-FGV wollte der Gesetzgeber „die in § 27 EG-FGV enthaltenen Anforderungen besser durchsetzen“, ging gleichzeitig aber davon aus, dass „bestimmte Verstöße im Rahmen des Genehmigungsverfahrens wie die Vorlage gefälschter Prüfergebnisse oder technischer Spezifikationen oder sonstige unrichtige oder unvollständige Erklärungen“ bereits anderweitig sanktioniert werden und damit keiner Ahndung durch § 37 EG-FGV bedurften (vgl. BR-Drucksache 190/09, S. 57). Verstöße im Rahmen des Typgenehmigungsverfahrens sollen danach nicht § 37 EG-FGV unterfallen, also keinen Verstoß gegen § 27 EG-FGV darstellen, also die Gültigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne von § 27 EG-FGV nicht berühren.

c) Letztendlich dürfte die vorgenannte Frage aber dahinstehen können. Selbst wenn die EG-Übereinstimmungsbescheinigung unwirksam sein sollte, weil das Fahrzeug nicht allen maßgeblichen Rechtsakten entspricht, ergeben sich daraus keine Ansprüche der Klägerin:

 (1) Die EG-Übereinstimmungsbescheinigung stellt zunächst keine Garantieerklärung dar:

Nach der in der VO (EG) 385/2009 gewählten Formulierung stellt die Bescheinigung zwar eine „Versicherung“ des Herstellers da, was für einen verpflichtenden Charakter sprechen könnte. Im Muster und damit in der eigentlichen Bescheinigung selbst ist aber wiederum nur von „Bestätigung“ die Rede, was bereits weniger verpflichtend klingt. Weitere Anhaltspunkte dafür, dass der Hersteller die ihn schon nicht treffende (so er denn nicht ausnahmsweise gegenüber dem Verbraucher als Verkäufer auftritt) übliche Gewährleistung verstärken und ergänzen wollte, enthält die EG-Übereinstim-mungsbescheinigung nicht.

Weiter ist davon auszugehen, dass auch der Verordnungsgeber mit der Richtlinie 2007/46/EG und der diese Richtlinie konkretisierenden Verordnung VO (EG) 385/2009 nicht einen neuen/neuartigen Anspruch des Käufers schaffen wollte, indem die Übereinstimmungsbescheinigung eine Garantieerklärung darstellen sollte. Ein solcher neuer/neuartiger Anspruch würde nämlich eine Sanktionierung von Regelverstößen des Herstellers darstellen. Die Schaffung von Sanktionen bei Regelverstößen des Herstellers sollte aber gem. Art. 46 der Richtlinie 2007/46/EG ausdrücklich dem nationalen Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

(2) Als vertrauensbegründende Maßnahme, aus der sich entsprechende Ansprüche ergeben könnten, dürfte die EG-Übereinstimmungsbescheinigung weiter schon deshalb ausscheiden, weil sie zeitlich erst nach Abschluss des Kaufvertrages erstellt wird und in Erfüllung desselben zusammen mit dem Fahrzeug zu übergeben ist. Dafür, dass die EG-Übereinstimmungsbescheinigung nicht vertrauensbegründend wirken soll, dürfte ferner auch sprechen, dass sie nach Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2007/46EG noch nicht einmal zwingend in einer vom konkreten Verbraucher beherrschten Sprache formuliert werden muss.

(3) Letztlich können die vorgenannten Fragen aber ohnehin allesamt dahinstehen, denn: Die Richtlinie 2007/46/EG und die sie konkretisierende  VO (EG) 385/2009 dienen ausweislich ihrer Gründe ausschließlich gesamtgesellschaftlichen Zielen, nämlich der Weiterentwicklung des Binnenmarktes und der Sicherstellung eines hohen Sicherheits- und Umweltschutzniveaus (Entsprechend für die die Richtlinie umsetzende EG-FGV: BR-Drucksache 190/09, A. Problem und Ziel, ferner S. 36, 49.), was der Anerkennung von sich aus der EG-Übereinstimmungserklärung ergebenden individualrechtlichen Ansprüchen, wie dem vorliegend geltend gemachten, insgesamt entgegensteht.

5. Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB:

Ein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeuges ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB, 249 Abs. 1 BGB. Als schädigendes Ereignis kommt nach der Darstellung der Klägerin allein der Abschluss des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrages in Betracht. Der Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB aber ist auf Naturalrestitution gem. § 249 Abs. 1 BGB gerichtet, d.h. darauf, den Geschädigten so zu stellen, wie er ohne das schädigende Ereignis stehen würde. Ohne Abschluss des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrages aber hätte die Klägerin auch kein Fahrzeug erhalten.

6. Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 4 Nr. 11 UWG, 1, 5 Pkw-EnVKV:

Ein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeuges folgt auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 4 Nr. 11 UWG aF, 1, 5 Pkw-ENVKV.

Es ist bereits fraglich, ob § 4 Nr. 11 UWG überhaupt Schutzgesetzcharakter hat (ausdrücklich ablehnend LG Limburg, Urteil vom 21.11.2014, 5 O 18/14, zit. nach juris, Rn. 29; wohl auch BGH, Urteil vom 30.05.2008, 1 StR 166/07, zit. nach juris, Rn. 87).

Jedenfalls ist gegen die Vorschriften der §§ 1, 4 PKW-EnVKV gar nicht verstoßen worden. Diese gebieten - im Sinne einer Formalvorschrift - lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren (vgl. § 2 Nr. 5, Nr. 6 Pkw-EnVKV) erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind, was auch die Klägerin nicht in Zweifel stellt.

7. Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 16 UWG:

Ein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeuges ergibt sich auch nicht aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 16 UWG.

Die Klägerin hat zunächst keine einzige Werbemaßnahme der Beklagten konkret dargelegt.

Auch kann wegen der Verletzung eines Schutzgesetzes Schadensersatz nur insoweit verlangt werden, als der entstandene Schaden in den funktionellen Schutzbereich der Norm fällt (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 823, Rn. 59). § 16 UWG dient zwar (u.a.) dem Schutz des Verbrauchers, aber nur in dem Sinne, dass er vor Abschluss von Verträgen aufgrund unlauterer Werbung geschützt werden soll, nicht also dem hier geltend gemachten Erfüllungsinteresse.

Weiter hat die Klägerin nicht dargelegt, dass die Beklagte im Sinne von § 16 Abs. 1 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Dem Täter des § 16 Abs. 1 UWG muss es darum gehen, das der Verkehr die Leistung, die er tatsächlich anbietet, für besonders günstig hält, weil die Leistung in Bezug auf Qualität und Preis - besonders - vorteilhaft ist und/oder die Bedürfnisse des angesprochenen Verkehrs in Bezug auf das angebotene Produkt aus anderen Gründen - besonders - befriedigt, was tatsächlich nicht der Fall ist. Nach den Vorstellungen des Täters muss die Entscheidung des Adressaten für das Erwerbsgeschäft von dem angepriesenen - besonderen - Vorteil, der tatsächlich nicht gegeben ist, beeinflusst werden (Hart-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, UWG, 3. Aufl., § 16, Rn. 31, 32; für § 4 UWG aF auch BGHSt 27, 293 - 295, zit. nach juris Rn. 6, 7). Vorliegend geht die Darlegung der Klägerin allenfalls - und auch insoweit nicht hinreichend vereinzelt - dahin, dass mit der - tatsächlich nicht gegebenen - Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Schadstoffwerte nach EU 5 geworben wurde, die damals alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten mussten. Damit wurde also kein - besonderer - Vorteil angepriesen, auf den sich die Absicht der Verantwortlichen der Beklagten bezogen haben könnte.

8. Anspruch aus § 826 BGB:

Ein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs ergibt sich schließlich auch nicht aus § 826 BGB. Als ihn schädigendes Verhalten beruft sich die Klägerin auf die sittenwidrige Herbeiführung des verfahrensgegenständlichen Kaufvertrags. Besteht der im Sinne von § 826 BGB geltend gemachte Schaden in der sittenwidrigen Herbeiführung eines Vertrages, richtet sich der Anspruch indes allein auf Ersatz des negativen Interesses und nicht des vorliegend geltend gemachten Erfüllungsinteresses (Palandt/Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826, Rn. 15).

B. Feststellung Annahmeverzug:

Soweit die Klägerin die Feststellung begehrt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des ursprünglich gelieferten Fahrzeugs im Verzug befindet, ist die Klage ebenfalls nicht begründet, weil bereits nicht schlüssig. Die Beklagte befindet sich nicht im genannten Sinne im Annahmeverzug, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Produktion hat.

C. Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten:

Ein Anspruch auf Erstattung ihrer vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin mangels begründeter Hauptforderung ebenfalls nicht zu.

D. Prozessuale Nebenentscheidungen:

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO, 48 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1 ZPO.