Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 09.05.2017, Az.: 8 T 25/17

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
09.05.2017
Aktenzeichen
8 T 25/17
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 53630
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 15.12.2016 - AZ: 9 XIV 1/16

Tenor:

1. Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Wolfenbüttel vom 15.12.2016 den Beschwerdeführer ab dem 2.1.2017 bis zum 19.1.2017 in seinen Rechten verletzt hat.

2. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

3. Dem Beschwerdeführer wird  unter Beiordnung  des Rechtsanwalts G. Verfahrenskostenhilfe bewilligt.

4. Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben; die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen für alle Instanzen werden zu 1/2  dem Beschwerdegegner auferlegt. Im Übrigen findet eine Kostenausgleichung nicht statt.

Beschwerdewert: 5000 €.

Gründe

I.

Am 12.1.2015 reiste der Betroffene, der kosovarischer Staatsangehöriger und ledig ist, als unbegleiteter Minderjähriger in das Gebiet der Bundesrepublik ein. Am 10.2.2015 wurde er zunächst in einer Jugendhilfeeinrichtung durch das Jugendamt Braunschweig untergebracht, er wechselte am 26.3.2015 in eine Jugendhilfeeinrichtung nach XXX im Landkreis XXX. Der Vormund stellte am 2.4.2015 einen Asylantrag. Die Vormundschaft wurde mit Volljährigkeit des Betroffenen zum 21.5.2015 beendet. Der Betroffene lebte weiterhin in der Jugendhilfeeinrichtung.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge lehnte mit Bescheid vom 22.3.2016 den Asylantrag des Betroffenen als offensichtlich unbegründet ab, der Betroffene wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Ihm wurde die Abschiebung in Aussicht gestellt, falls die Ausreisefrist nicht eingehalten würde. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid Bezug genommen. Am 26.3.2016 wurde der Bescheid unter der Wohnanschrift des Betroffenen zugestellt. Am 5.4.2016 erhob der Betroffene beim Verwaltungsgericht Braunschweig Klage, mit unanfechtbarem Beschluss vom 13.4.2016 wurde die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt.

Der Betroffene wurde zu einem Ausreisegespräch am 28.4.2016 in die Ausländerbehörde bestellt, einen Termin vom 20. April hatte er nicht wahrgenommen. Am 28.4.2016 wurde er über die Möglichkeit der freiwilligen Ausreise aufgeklärt, ihm wurde eine Frist bis zum 3.5.2016 eingeräumt. Bei dem Anschlusstermin am 3.5.2016 erklärte der Betroffene, er sei zu einer freiwilligen Ausreise nicht bereit. Ihm wurde erläutert, dass die Abschiebung eingeleitet werde, die Abschiebung müsse nicht mehr angekündigt werden. Das LKA wurde am 11.5.2016 erstmals wegen der Einleitung der Abschiebung kontaktiert. Die Abschiebung wurde zurückgestellt, weil der Aufenthalt des Betroffenen nicht bekannt war. Das Jugendamt teilte mit, der Betroffene halte sich in seiner eigenen Wohnung nicht auf, sondern lebe bei seiner Freundin, über diese sei  Näheres nicht bekannt. Er arbeite bei einem Friseur in Braunschweig. Am 19. 5. 2016 gab die Freundin des Betroffenen den Wohnungsschlüssel ab, die Samtgemeinde meldete den Betroffenen von Amts wegen am 31.5.2016 nach unbekannt ab.

Mit Urteil vom 1.7.2016 wurde die Klage des Betroffenen abgewiesen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge ist seit dem 19.8.2016 rechtskräftig. Am 26. 8. 2016 wurde der Betroffene an  seiner Arbeitsstelle angetroffen, am 29.8.2016 sprach er beim Amt für Ausländerangelegenheiten des Landkreises Wolfenbüttel vor. Er wurde über die Konsequenzen eines nicht angezeigten Ortswechsels belehrt. Ihm wurde eine bis zum 19.9.2016 befristete Duldung  erteilt. Er nahm wieder Wohnung in der Samtgemeinde XXX und meldete sich wöchentlich. Am 19.9.2016 wurde die Duldung bis zum 26.9.2016 verlängert, der Betroffene wurde erneut über die Möglichkeit der Sicherungshaft belehrt, weil in der vorhergehenden Belehrung eine Rechtsgrundlage unrichtig aufgeführt war. Auf die Möglichkeit, sich an die niedersächsische Härtefallkommission zu wenden wurde er am 26. September hingewiesen ebenso darauf, dass eine Eingabe spätestens bis zum 24. Oktober erfolgen müsse.

Mitte Oktober teilte die Samtgemeinde XXX mit, der Betroffene halte sich nicht in der ihm zugewiesenen Wohnung auf. Die Wohnung erscheine unbewohnt. Als der Betroffene am 24.10.2016 einem Termin in der Behörde darauf angesprochen wurde, gab er zu, bei Freunden zu schlafen. Die Duldung wurde bis zum 31. Oktober, danach in mehreren Etappen bis schließlich zum 21.11.2016 verlängert. Am 14. November wurde der Betroffene nochmals schriftlich über die Pflicht zur Wohnsitzname in der Samtgemeinde XXX belehrt. Die Härtefallkommission teilte am 1.12.2016 mit, die Eingabe des Betroffenen seien nicht zur Beratung angenommen worden. Die Samtgemeinde XXX bat den Betroffenen, am 2.12.2016 in der Ausländerbehörde vorzusprechen. Der Betroffene meldete  sich am 2.12.2016 an und bat, wegen einer Erkältung erst am Montag kommen zu können. Am Montag meldete sich der Betroffene und ließ sich ein weiteres Mal entschuldigen. Der Besprechungstermin wurde auf den 6.12.2016 verlegt. 3 Stunden vor dem Termin rief die Freundin des Betroffenen an und wollte den Termin erneut absagen, der Betroffene hätte Fieber und würde sich erbrechen. Der Freundin wurde erläutert, dass der Betroffene entweder um 14:00 Uhr zum Termin zu erscheinen oder bis dahin ein Attest vorzulegen habe. Der Betroffene hat den Termin nicht wahrgenommen, ein Attest wurde nicht vorgelegt. Der Betroffene war telefonisch nicht zu erreichen, nach Auskunft seiner Freundin hatte diese keine Kenntnis über seinen Aufenthalt. Die Wohnung des Betroffenen wurde am 8.12.2016 verlassen vorgefunden. Nach einer Ausschreibung zur Fahndung vereinbarte der Betroffene über seine Freundin einen Termin am 15.12.2016 bei der Ausländerbehörde.  Am 12.12.2016 meldete sich das Standesamt Braunschweig und teilte mit, die Freundin des Betroffenen habe dort vorgesprochen und sich nach den Voraussetzungen für eine Eheschließung  erkundigt. Die Freundin des Betroffenen vereinbarte am 13.12.2016 einen Termin für das Erscheinen des Betroffenen bei der Ausländerbehörde am 15.12.2016. Der Betroffene erschien am 15.12.2016 bei der Ausländerbehörde, diese stellte am selben Tag den Antrag auf Anordnung der Sicherungshaft. Auf den Antrag wird Bezug genommen. Am 15.12.2016 wurde der Betroffene angehört. Auf den Anhörungsvermerk wird Bezug genommen. Mit Beschluss vom selben Tage ordnete das Amtsgericht Sicherungshaft bis einschließlich zum  26.1 2017 an. Auf den Beschluss wird Bezug genommen. Der Beschluss ging am 19.12.2016 beim Beschwerdegegner ein, die Aufnahmemitteilung am 20.12.2016.

Für den Betroffenen meldete sich der Verfahrensbevollmächtigte und legte mit Schriftsatz vom 31.12.2016 Beschwerde ein. Gleichzeitig stellte er den Antrag, festzustellen, dass der angefochtene Beschluss den Betroffenen in seinen Rechten verletzt habe und beantragte, neben Akteneinsicht, Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Zur Begründung der Beschwerde wird ausgeführt, der Betroffene sei aufgetaucht aber nicht untergetaucht. Er beabsichtige seine Freundin zu heiraten. Die Anordnung sei unverhältnismäßig, weil der Betroffene freiwillig habe ausreisen wollen. Der Betroffene ist am 19.1.2017 nach Pristina abgeschoben worden. Der Beschwerdeführer rügt, dass gegen den  Beschleunigungsgrundsatz  verstoßen worden sei, die Möglichkeit, den Betroffenen mit einem Linienflug vor dem 19.1.2017  abzuschieben, hätte bestanden.

Mit Schriftsatz vom 11.1.2017 beantragte der Verfahrensbevollmächtigte, die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehung für den Zeitraum von der Festnahme bis zum Erlass des Beschlusses festzustellen und auch für diesen Antrag Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Über diesen Antrag hat das Amtsgericht  noch nicht entschieden.

Das Amtsgericht hat die Akten mit einer Nichtabhilfeentscheidung der Kammer vorgelegt.

Der Verfahrensbevollmächtigte beantragt nunmehr,

die Rechtswidrigkeit des Beschlusses vom 15.12.2016 festzustellen

und

Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen.

Die Kammer hat der Ausländerbehörde Gelegenheit gegeben, zur Beschwerdebegründung Stellung zu nehmen. Die Ausländerbehörde hat ausgeführt, ein Verstoß gegen das Beschleunigungsverbot sei nicht zu erkennen, weil die gerichtlich angeordnete Frist eingehalten worden sei.

Die Kammer hat durch eine Anfrage beim LKA geklärt, aus welchem Grund die Abschiebung am 19.1.2017 erfolgt ist. Das LKA hat mit Schreiben vom 6.3.2017 mitgeteilt, das Abschiebungsersuchen sei am 27.12.2016  mit dem Haftbeschluss beim LKA eingegangen. Es sei, nach Rücksprache mit dem Beschwerdegegner, nicht auszuschließen gewesen, dass der Betroffene sich seiner Abschiebung widersetzen würde und eine solche nur mit Sicherheitsbegleitung erfolgen könne. Vor der ersten  Kalenderwoche 2017 wäre eine Abschiebemaßnahme wegen der personellen Ressourcen bei der Bundespolizei und der Landesaufnahmebehörde   nicht durchführbar gewesen. Für den 19.1.2017 sei eine Rückführungsmaßnahme der EU-Agentur Frontex in den Westbalkan vom Flughafen Hannover-Langenhagen aus vorgesehen gewesen, bei einer solchen seien immer Sicherheitsbegleitung und medizinische Begleitung vorgesehen. Unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgrundsatzes einerseits, der Erwartungshaltung der Bundespolizei, Frontex Maßnahmen zu bedienen und zur Vermeidung unnötiger Sach- und Personalkosten sei der Abschiebetermin vom 19.1.2017 als verhältnismäßig eingestuft worden. Der Beschwerdegegner hat am 6.3.2017,26.4. und 27.4.2017 ergänzend Stellung genommen. Er weist darauf hin, dass sich bei einem Charterflug Sicherheitspersonal und ärztliche Begleitung an Bord befänden. Unter dem Aspekt, dass der Betroffene nachhaltig untergetaucht sei, sei ein begleiteter Charterflug erforderlich gewesen um die Durchführung der Abschiebung sicherstellen zu können. Der Beschwerdegegner verweist insbesondere darauf, dass der Betroffene und seine Freundin Erkrankungen vorgeschoben hätten. Der früheste Charterflug sei am 19.1.2017 gegangen.

Auf die genannten Schreiben des Landeskriminalamtes und des Beschwerdegegners wird wegen der Einzelheiten Bezug genommen.

Wegen der weiteren  Einzelheiten wird auf die Verfahrensakte und die Ablichtung der Ausländerakte Bezug genommen. Die Richtigkeit der Angaben zum Sachverhalt wird durch die vom Gericht eingesehene Ausländerakte, die dem Gericht  als Zweitakte vorgelegen hat, bestätigt.

II.

Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet.

1. a. Das Amtsgericht hat zutreffend den Haftgrund des § 62 Abs. 3 Satz 1 Nummer 2 AufenthG bejaht.

Der Asylantrag des Betroffenen ist abgelehnt worden, die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wurde durch das Verwaltungsgericht abgelehnt. Der Betroffene war vollziehbar ausreisepflichtig. Die Ausreisefrist zum 3.5.2016 ist abgelaufen. Nach Ablauf der Frist ist der Betroffene zur Überzeugung der Kammer untergetaucht.

Aus dem Gesamtverhalten des Betroffenen folgt, dass er immer wieder untergetaucht ist, um sich der Abschiebung zu entziehen. Er hat am 3.5.2016 erklärt, nicht freiwillig ausreisen zu wollen, diese Ankündigung hat er umgesetzt. Er hat seine ursprüngliche Wohnung aufgegeben, und ist am 30.5.2016 nach unbekannt abgemeldet worden. Erst am 26.8.2016 wurde er an seiner Arbeitsstelle angetroffen und sprach am 29.8.2016 beim Ausländeramt vor. Danach nahm er wieder Wohnung in der Samtgemeinde XXX und meldete sich wöchentlich. Mitte Oktober war der Betroffene unter der Wohnanschrift in der Samtgemeinde XXX nicht mehr anzutreffen. Er räumte gegenüber der Ausländerbehörde selbst ein, bei Freunden zu schlafen.

Nachdem die Härtefallkommission seine Eingabe nicht zur Beratung angenommen hat, hat der Betroffene sich mehrfach einer Unterredung mit der Ausländerbehörde entzogen und unter anderem erklärt, er sei krank. Ein Attest wurde jedoch nicht vorgelegt. Das Verhalten des Betroffenen begründet die Überzeugung der Kammer, dass dieser den Kontakt mit den Ausländerbehörden nur so lange aufrecht erhalten hat, wie eine Möglichkeit bestanden hat, ein Bleiberecht zu erlangen. Nachdem die Härtefallkommission seine Eingabe abgelehnt hat, hat er sich der Besprechung mit der Ausländerbehörde entzogen. Die Nichtvorlage des Attestes belegt zur Überzeugung der Kammer, dass die behauptete Erkrankung lediglich vorgeschoben war. Nach diesem Zeitpunkt war der Betroffene erneut für die Ausländerbehörde nicht greifbar, seine Wohnung wurde verlassen vorgefunden, er war telefonisch nicht zu erreichen, seine Freundin hat angegeben, keine Kenntnis über seinen Aufenthalt zu haben. Der Betroffene war somit bereits ein zweites  Mal untergetaucht und für die Ausländerbehörde nicht greifbar.

Der Umstand, dass der Betroffene nach der Ausschreibung zur Fahndung zu einem Termin bei der Ausländerbehörde am 15.12.2016 erschienen ist, beruht zur Überzeugung der Kammer darauf, dass er zu diesem Zeitpunkt die Hoffnung hatte, die Eheschließung mit seiner Freundin vornehmen zu können. Diese hatte am 12.12.2016 beim Standesamt vorgesprochen und sich nach den Voraussetzungen für eine Eheschließung mit dem Betroffenen erkundigt. Sie hat auch bei der Ausländerbehörde angerufen und die Terminabsprache für den 15.12.2016 getroffen. Daher kann das Erscheinen des Betroffenen am 15.12.2016 nicht entkräften, dass der Betroffene wiederholt untergetaucht war und zur Überzeugung der Kammer auch weiterhin untergetaucht wäre wenn seine Chancen auf Erlangung des Bleiberechts sich erneut zerschlagen hätten.

Angesichts des Verhaltens des Betroffenen war ein milderes Mittel als die Abschiebehaft nicht möglich. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist somit gewahrt. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betroffene, wie er im Rahmen der richterlichen Anhörung erklärt hat, freiwillig ausgereist wäre. Sein in der Vergangenheit gezeigtes Verhalten belegt zur Überzeugung der Kammer das Gegenteil.

b. Auch die Haftdauer von 6 Wochen ist nicht zu lang bemessen.

Der Beschwerdegegner hat ausgeführt, dass ab Mitte Januar wieder Charterflüge in den Kosovo gebucht werden konnten, unter Umständen könne auch die Buchung eines Linienfluges geprüft werden. Da dem Amtsgericht  die Einzelheiten der Flugverfügbarkeiten nicht bekannt sein konnten, durfte es in diesem Fall und unter Berücksichtigung des Jahreswechsels und der damit verbunden personellen und organisatorischen Schwierigkeiten eine Haftdauer von 6 Wochen für erforderlich halten.

c. Der Beschleunigungsgrundsatz ist jedoch nicht in vollem Umfang  gewahrt. Etwaige Verzögerungen bei der Umsetzung der Abschiebung  muss  sich der Beschwerdegegner zurechnen lassen.

Das Beschleunigungsgebot verpflichtet die Behörden, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, damit der Vollzug der Haft auf eine möglichst kurze Zeit beschränkt werden kann (BGH, Beschluss vom 11. Juli 1996 - V ZB 14/96, BGHZ 133, 235, 239). Die Gerichte müssen, wenn sie auf Grund eines Rechtsmittels oder eines Aufhebungsantrags mit einer nach § 62 Abs. 2 AufenthG erlassenen Haftanordnung befasst sind, stets prüfen, ob die Behörde die Zurück- oder Abschiebung des Ausländers ernstlich und mit der größtmöglichen Beschleunigung betreibt (BGH, Beschlüsse vom 10. Juni 2010 - V ZB 204/09, NVwZ 2010, 1172, 1173Rn. 21 und vom 18. August 2010 - V ZB 119/10, Rn. 18, juris). Hierbei sind jedoch  organisatorische Spielräume zu berücksichtigen.

aa. Für den Betroffenen ist, weil ein gültiger Pass nicht vorlag, ein Laissez-Passer ausgestellt worden. Eine zeitaufwändige Beschaffung von Personaldokumenten entfiel damit.

bb. Soweit der Beschwerdeführer rügt, es erschließe sich nicht, aus welchem Grund die Unterlagen erst am 27.12. 2016 beim Landeskriminalamt eingegangen seien, kann die Kammer insoweit bei einer streng einzelfallbezogenen Bewertung der Gesamtumstände eine Verletzung des Beschleunigungsgrundsatzes nicht erkennen. Insoweit ist darauf zu verweisen, dass die Ausländerakte Unterlagen zur konkreten Abwicklung nicht enthält.

Maßgeblich ist jedoch, dass die Unterlagen erst ab dem 19.Dezember zusammengestellt werden konnten. Eine Gesamtpostlaufzeit von 7 Tagen ist, unter Berücksichtigung der Feiertage, die sich vom Samstag, 24.12.2016 bis Montag, 26.12.2016 erstreckten, nicht zu beanstanden. Auch dem Landeskriminalamt muss ab dem  27.12.2016 eine angemessene Frist zur Organisation der erforderlichen Maßnahmen zugebilligt werden.

cc. Das für die Organisation der Abschiebung zuständige Landeskriminalamt hat in seiner Stellungnahme vom 6.3.2017 darauf verwiesen, nach Rücksprache mit dem Landkreis sei die Einschätzung erfolgt, dass der Betroffene versuchen könne, die Flugabschiebung scheitern zu lassen. Dass diese Information vom Landkreis erteilt worden ist, ergibt sich aus der o.g. Stellungnahme.

Die Auskunft des Landkreises an das Landeskriminalamt zeigt, dass sich die Einschätzung  des Landkreises seit der Antragstellung verändert hat. Die Kammer folgt aber der letzten Einschätzung, weil die Ausländerakte belegt, dass der Betroffenen nicht nur mehrmals untergetaucht ist, sondern auch, unter Vorspiegelung einer Erkrankung, einen Termin bei Beschwerdegegner nicht wahrgenommen hat. Das trägt die Einschätzung, dass der Betroffene auch im Rahmen der Durchführung der Abschiebung alle Mittel ergreifen würde, um die Abschiebung zu verhindern.

Ausgehend  hiervon und  der - zutreffenden- Auskunft des  Beschwerdegegner an das Landeskriminalamt ist die Entscheidung,  einen begleiteten Flug zu wählen, nicht zu beanstanden.

Die Entscheidung, den begleiteten Frontex-Flug zu wählen, würde dem Beschleunigungsgrundsatz jedoch nur dann Rechnung tragen, wenn es eine frühere Möglichkeit zur begleiteten Abschiebung des Betroffenen nicht gegeben hätte.  Das lässt sich mit der nötigen Sicherheit nicht feststellen.

Das Landeskriminalamt führt, nach Darlegung der Abschiebungsbedingungen, aus, eine Abschiebung hätte realistisch in der ersten  Kalenderwoche des Januar 2017 erfolgen können. Es ist nicht hinreichend begründet worden, aus welchem Grund diese Möglichkeit nicht genutzt worden ist.

Abschiebungen richten sich nach nationalem Recht. Die EU-Grenzbehörde Frontex finanziert und organisiert Abschiebeflüge.

Auf der  Frontex Website heißt es hierzu:

Gemeinsame Rückführungen – Frontex entwickelt optimale Verfahren zur Rückführung von Migranten und koordiniert gemeinsame Rückführungsaktionen (wer zurückgeführt werden sollte, entscheiden jedoch die einzelnen Länder). Frontex verfügt nicht über eigene Ausrüstung oder Grenzschutzbeamte. Bei der Koordinierung einer gemeinsamen Aktion ist die Agentur auf die Bereitstellung von Grenzschutzbeamten, Schiffen, Flugzeugen und sonstigen Ressourcen durch die EU-Länder angewiesen.

Frontex erstattet die Kosten des Einsatzes von Grenzschutzbeamten, Transport- und Kraftstoffkosten sowie den Aufwand für die Grundinstandhaltung der Ausrüstung während des Einsatzes.

Die  Frontex-Flüge somit sind ein Angebot der EU, ihre Nutzung ist erwünscht, aber nicht zwingend, insbesondere nicht gesetzlich vorgeschrieben. Sie lassen damit eine Einzelfallprüfung, ob eine Abschiebung schneller erfolgen kann, nicht entfallen.

Die notwendigen Anknüpfungstatsachen, dass vor dem 19.1.2017 eine frühere begleitete Abschiebung nicht erfolgen konnte,  sind nicht sicher feststellbar vorgetragen.

Der Beschwerdeführer führt aus, dass es sich bei einem Linienflug um eine normale Passagiermaschine einer beliebigen Airline handelt und die Bundespolizei im Vorfeld am Flughafen die Entscheidung trifft, ob die abzuschieben Person an Bord gehen darf. Auch der Pilot könne die Mitnahme der Person verweigern. Das steht im Widerspruch zur Stellungnahme des Landeskriminalamts. Das Landeskriminalamt geht  in seiner Stellungnahme vom 6.3.2017 zunächst darauf ein, aus welchem Grund es von der Notwendigkeit eines begleiteten Fluges ausgegangen ist. Danach wird ausgeführt, dass erfahrungsgemäß eine Abschiebemaßnahme nicht vor der ersten Kalenderwoche 2017 durchführbar gewesen wäre. Die Kammer  muss diese Stellungnahme so werten, dass bereits vor dem 19.1.2017, nämlich in der ersten Kalenderwoche 2017, die Möglichkeit einer begleiteten Abschiebung bestanden hätte. Die Angaben im Schreiben vom 27.4.2017, dass der erste Charterflug im Januar 2017 am 19.1.2017 stattgefunden habe, ist  nicht überprüfbar und mit der o.g. Stellungnahme nicht in Übereinstimmung zu bringen.

Die Kammer kann daher nicht erkennen, dass andere Möglichkeiten, die zu einer schnelleren Abschiebung geführt hätten, erwogen und mit zutreffenden Erwägungen abgelehnt worden sind. Die Beschwerdegegner ist wiederholt Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden, die vorstehend genannten Widersprüche sind dabei nicht geklärt worden. Die Feststellungslast  trifft den Beschwerdegegner.

2. Verfahrenskostenhilfe war  in diesem Einzelfall insgesamt zu bewilligen, weil das Teilunterliegen nicht maßgeblich ins Gewicht fällt. Die teilweise Feststellung der Rechtswidrigkeit war erst nach umfangreicher weiterer Sachverhaltsaufklärung möglich.

3. Über den weitergehenden Antrag, die Rechtswidrigkeit für den Zeitraum ab Ergreifen bis zum Erlass des Beschlusses vom 15.12.2017 festzustellen, hat das Amtsgericht  noch nicht entschieden. Daher ist die Sache insoweit bei der Kammer noch nicht angefallen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 83 Abs. 2,81 Abs. 1,430 FamFG. Unter Berücksichtigung der Regelung in Art. 5 Absatz 5 EMRK entspricht es billigem Ermessen, der Ausländerbehörde zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu verpflichten (vergleiche zur Kostenentscheidung BGH Beschluss vom 22.7.2012 V ZB 28/10). Zur Quotenbildung wird auf BGH V ZB 127/13 verwiesen.