Landgericht Braunschweig
Urt. v. 16.06.2017, Az.: 11 O 211/17
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 16.06.2017
- Aktenzeichen
- 11 O 211/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53606
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 v.H. des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
und beschlossen:
Der Streitwert wird auf die Wertstufe bis 6.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über Schadensersatzansprüche.
Im September des Jahres 2015 informierte die Beklagte die Öffentlichkeit darüber, dass in von der Beklagten hergestellten Dieselmotoren des Typs EA 189 eine das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgerätes verbaut war, welche zur Folge hatte, dass die zum Erhalt der jeweiligen Typgenehmigung nach Vorgabe der VO (EU) Nr. 715/2007 einzuhaltenden NOX-Grenzwerte nur in den im normalen Straßenbetrieb niemals vorkommenden Bedingungen des zur Erlangung der Typengenehmigung durchgeführten gesetzlich vorgeschriebenen Testlaufs, der aus fünf exakt vorgegebenen synthetischen Fahrkurven besteht, eingehalten und folglich im normalen Straßenbetrieb überschritten werden. Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) erkannte in dieser Software eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und forderte von der Beklagten, dass für Fahrzeuge mit Motoren des Typs EA 189 eine technische Lösung erarbeitet werde, die dafür sorgt, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Am 22.03.2016 erwarb der Kläger von einem Dritten durch Kaufvertrag ein gebrauchtes Kfz der Marke xxx, dessen Hersteller die Beklagte ist und in welchem ein Dieselmotor des Typs EA 189 mit der genannten Software verbaut ist. Mit Bescheid vom 20.06.2016 gab das KBA die von der Beklagten erarbeitete technische Lösung - eine Änderung der Applikationsdaten - frei und bestätigte, dass keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt worden sei sowie, dass die ursprünglich angegebenen Verbrauchs- und Leistungswerte weiterhin eingehalten würden. Im August 2016 wurde der Kläger von der Beklagten angeschrieben, dass er sich umgehend an einen autorisierten Vertragshändler zwecks kostenloser Umprogrammierung des Motorsteuerungsgerätes seines Fahrzeugs wenden möge. In der Folge ließ der Kläger diese Umprogrammierung durchführen. Der Kläger fuhr das Fahrzeug weiterhin und fährt es auch bis heute im öffentlichen Straßenverkehr. Mit Schreiben vom 16.12.2016 forderte der Kläger die Beklagte zur Anerkennung ihrer Schadensersatzpflicht auf. Die Beklagte lehnte dies unter dem 11.01.2017 ab.
Der Kläger behauptet im Wesentlichen, die Beklagte sei ihm zum Schadensersatz verpflichtet, da sein Fahrzeug eine mögliche verringerte Energie, einen höheren Verbrauch und eine veränderte Geräuschentwicklung aufweise und eine Wertminderung erlitten habe.
Der Kläger beantragte zuletzt
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger infolge des durch die Fahrzeugmanipulation erlittenen Wertverlustes an seinem Fahrzeug der Marke xxx mit der Fahrzeug-Identnummer xxx einen Schadensersatz von 6.000,00 € nebst Zinsen von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit 06.01.2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragte
Klagabweisung.
Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, der Kläger habe das Fahrzeug in Kenntnis der darin verbauten Software erworben, auch sei ihm kein Schaden entstanden.
Es fand mündliche Verhandlung statt am 26.05.2017.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
Mangels vertraglicher Bindung im Sinne des § 311 Absatz 1 BGB zwischen den Parteien des Rechtsstreits kommen als Anspruchsgrundlagen für einen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte lediglich deliktische Haftungsnormen (§§ 823 Absatz 2, 826 BGB) in Betracht. Auf diese jedoch kann sich der Kläger bereits deshalb nicht berufen, weil er zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrages mit dem nicht als Dritten am Rechtsstreit beteiligten Verkäufer am 22.03.2016 Kenntnis vom Vorhandensein der das Abgasrückführungsventil steuernden Software des Motorsteuerungsgerätes hatte. Es ist gerichtsbekannt, dass der Verbau dieser Software in von der Beklagten hergestellten Motoren des Typs EA 189 in den Monaten ab September 2015 eine die Medienöffentlichkeit nicht nur in Deutschland beherrschende Berichterstattung ausgelöst hat. Das Gericht ist mithin mit der von § 286 ZPO geforderten Gewissheit davon überzeugt, dass auch der im Jahre 1969 geborene Kläger, der aktiv am Straßenverkehr und damit auch am öffentlichen Leben in Deutschland teilnimmt, hiervon Kenntnis hatte. Damit aber wären die - im Falle kaufrechtlicher Mängelgewährleistung vorrangig zu prüfenden - Mängelgewährleistungsrechte des Klägers als Käufer gegen den Verkäufer nach §§ 433, 434 Absatz 1, 437 BGB gemäß § 442 Absatz 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Bereits aus diesem Gesichtspunkte mangelnder Schutzbedürftigkeit des Klägers ist ihm auch die deliktische Inanspruchnahme der Beklagten als Herstellerin des Fahrzeugs zu versagen, denn es stellte einen Wertungswiderspruch dar, könnte der Käufer in diesem Falle eines Ausschlusses seiner kaufrechtlichen Mängelgewährleistungsrechte gegen den Verkäufer stattdessen oder wahlweise aus Delikt den Hersteller in Anspruch nehmen
Unabhängig von dieser systematischen Überlegung aber sind auch die Tatbestände der in Betracht kommenden deliktischen Haftungsnormen selber nicht erfüllt: Die Kenntnis des Klägers vom Vorhandensein der das Abgasrückführungsventil steuernden Software des Motorsteuerungsgerätes bei Erwerb des Fahrzeugs steht sowohl der Annahme eines Irrtums des Klägers entgegen, was aber Voraussetzung eines deliktischen Anspruches aus §§ 823 Absatz 2 BGB, § 263 StGB wäre, als auch der Annahme eines Sittenwidrigkeitsvorwurfes im Verhältnis zwischen Kläger und Beklagter, was aber Voraussetzung einer Haftung der Beklagten nach § 826 BGB wäre - volenti non fit iniuria - zumal die seitens des Klägers vorgetragene Befürchtung einer verringerten Energie, eines höheren Kraftstoffverbrauches und einer veränderten Geräuschentwicklung keinen hinreichend vereinzelten Tatsachenvortrag zum Tatbestandsmerkmal des Schadens darstellt.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 91 Absatz 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO, 48 Absatz 1 GKG, 3, 4 Absatz 1 ZPO.