Landgericht Braunschweig
Urt. v. 27.10.2017, Az.: 3 O 296/17
Abgasskandal; Schadensersatz gegen Motorenhersteller
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 27.10.2017
- Aktenzeichen
- 3 O 296/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53765
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 823 Abs 2 BGB
- § 826 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Dem Käufer eines bei einem Händler gekauften, vom sog Abgasskandal betroffenen Pkws der Marke Skoda steht gegen die Volkswagen AG als Herstellerin des Motors ein Schadensersatzanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Streitwert
bis 26.09.2017: Wertstufe bis 25.000,00 €
seit 27.09.2017: Wertstufe bis 30.000,00 €
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten als Herstellerin des Motors im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung seines bei einem Autohändler gekauften Pkws, der vom sog. Abgasskandal betroffen ist.
Der Kläger kaufte am 14.01.2010 bei der XXX GmbH, XXX, einen neuen XXX zum Preis von 27.900,00 € (Anlage K 1), der ihm im März 2010 übergeben wurde.
Dieser Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet, dessen Herstellerin die Beklagte ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - 400-52.V/001#018 - (Anlage B 6) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.
Vor diesem Hintergrund machte der Kläger bereits mit Anwaltsschreiben seiner heutigen Prozessbevollmächtigten vom 22.12.2015 Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend. Mit Antwortschreiben vom 14.01.2016 (Anlage K 2) lud die Beklagte die Kläger-Vertreter zu einem persönlichen Gespräch am 27.01.2016 ein und wies darauf hin, dass zum jetzigen Zeitpunkt in einem solchen Treffen keine verbindlichen Entscheidungen über einen etwaigen finanziellen Ausgleich für den Kläger getroffen werden könnten, dass die technischen Maßnahmen an den betroffenen Fahrzeugen zeitnah durchgeführt würden und dass sie bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichte.
Mit Schreiben vom 05.05.2017 (Anlage B 1) bestätigte die für die Fahrzeuge der Marke XXX zuständige britische Typgenehmigungsbehörde, die Vehicle Certification Agency (VCA), in englischer Sprache, dass es die von der XXX. vorgeschlagenen technischen Maßnahmen, die erforderlich seien, um den EA 189-Motor wieder in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu bringen, überprüft habe. Es sei ein umfangreiches Testprogramm durchgeführt worden um festzustellen, dass keine Zykluserkennungssoftware mehr vorhanden sei. Das Programm habe auch die Übereinstimmung hinsichtlich emissionsmindernder Einrichtungen, Kraftstoffverbrauch, CO2, Fahrgeräusch und Motorleistung festgestellt. Die XXX. habe bestätigt, dass sie sich mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in Verbindung setzen werde, um zu vereinbaren, wie die technischen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Übereinstimmung umgesetzt werden können. Diesem Schreiben war eine - ebenfalls englischsprachige - Anlage 1 („Annex 1“) mit den Ergebnissen der Überprüfung beigefügt. Mit weiteren Schreiben in englischer Sprache vom selben Tag bescheinigte die VCA für einzelne, aufgelistete Fahrzeugtypen, u. a. den hier streitgegenständlichen XXX, dass sie den spezifischen Vorschlag für diese Fahrzeuge akzeptiert habe (Anlage B 1).
Von dieser Freigabebestätigung informierte die Beklagte den Kläger mit ihrer Klageerwiderung vom 17.05.2017 und teilte ihm des Weiteren mit, dass die Umsetzung der technischen Maßnahme durch ein Software-Update auf Kosten der XXX. entsprechend dem mit dem KBA abgestimmten Zeit- und Maßnahmenplan bereits begonnen habe und der Kläger sein Fahrzeug bei einem Servicepartner der XXX. seiner Wahl kostenlos überarbeiten lassen könne. Der Kläger, der sein Auto weiterhin ohne Gebrauchseinschränkungen nutzt, hat davon bislang keinen Gebrauch gemacht.
Der Kläger meint, er habe wegen der Manipulation am Motor seines Pkw einen auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gerichteten Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte aus Prospekt-, Vertrauens- und Garantiehaftung sowie aus unerlaubter Handlung. Nachdem er zunächst einen entsprechenden Feststellungantrag angekündigt hatte, hat er seine Klageanträge in der mündlichen Verhandlung auf Hinweis der Kammer mit Zustimmung der Beklagten geändert und beantragt nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 27.900,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs XXX mit der FIN: XXX und Zahlung einer von der Beklagten darzulegenden Nutzungsentschädigung;
2. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des unter 1. bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, die ihm aus der Manipulation des unter 1. bezeichneten Fahrzeugs durch die Beklagte resultieren;
4. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.077,74 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, den Kläger durch die Verwendung der streitgegenständlichen, durch ein Update zu beseitigenden Software vorsätzlich getäuscht und geschädigt zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch weder aus Prospekt- (1.), Vertrauens- (2.) oder Garantiehaftung (3.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (4.), i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV (5.), i. V. m. § 16 UWG (6.) oder i. V. m. § 4 Nr. 11 UWG a. F. (7.) und auch nicht aus § 826 BGB (8.) oder § 831 BGB (9.) zu. Mangels Begründetheit der Klageanträge zu 1. und 3. können auch die Nebenforderungen zu 2. und 4. keinen Erfolg haben.
1. Die von der Rechtsprechung für den nicht gesetzlich regulierten und organisierten sog. Grauen Kapitalmarkt entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung gehen davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 - VII ZR 340/88 -, juris Rn. 14). Anders als bei Kapitalanlagen steht für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Der Kaufinteressent kann sich etwa in diversen Autotest- und Fachzeitschriften sowie im Internet über das jeweilige Fahrzeug informieren und ein ihn interessierendes Fahrzeug anschauen und sogar probefahren, weshalb die Grundsätze der Prospekthaftung für Ansprüche des Käufers im Zusammenhang mit einem Autokauf von vornherein nicht übertragbar sind (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, juris Rn. 56).
Vorliegend kommt hinzu, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, inwieweit die Beklagte - die XXX - dem Kläger gegenüber hinsichtlich des streitgegenständlichen Fahrzeugs - einem XXX - mit Prospektangaben aufgetreten sein sollte.
2. Nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis zwischen Nicht-Vertragsparteien insbesondere dann, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Das ist bei der Beklagten nicht der Fall. Sie war weder unmittelbar noch mittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt noch hatte sie als Herstellerin des Motors ein über ihr allgemeines - durch die Lieferung des Motors an die XXX ohnehin befriedigtes - Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Vertragsabschluss mit dem Kläger.
Auch die am 09.12.2009 ausgestellte EG-Übereinstimmungsbescheinigung für das streitgegenständliche Fahrzeug (Anlage R 22a) scheidet als vertrauensbegründende Maßnahme im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages aus, weil sie nicht von der Beklagten, sondern von der XXX als Fahrzeugherstellerin ausgestellt worden und zudem erst nach dem Vertragsschluss in Erfüllung desselben zusammen mit dem Fahrzeug übergeben worden ist.
3. Aus den gleichen Gründen konnte durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung auch keine Garantie i. S. von § 443 BGB zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits zustande kommen.
4. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung des Klägers. Hinreichend dargetan hat der Kläger eine Täuschung über das streitgegenständliche Fahrzeug - einen XXX - durch die Beklagte - die XXX - allein hinsichtlich der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Es steht zwar fest, dass die Beklagte das Motorsteuergerät des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen hat (a). Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung, für die es an einer Garantenstellung der Beklagten i. S. von § 13 Abs. 1 StGB fehlt (b).
a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.), der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend. Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und die Freigabebestätigung der VCA vom 05.05.2017 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,
dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;
dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;
dass für die betroffenen Fahrzeuge der XXX dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der XXX vorgeschlagenen technischen Maßnahmen geeignet sind, die betreffenden Motoren wieder in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu bringen;
dass die technische Lösung von der VCA mit folgenden Ergebnissen überprüft worden ist (Anlage 1 zur Freigabebestätigung, übersetzt aus der englischen Sprache): Nichtvorhandensein von Zykluserkennungseinrichtungen (gemeint sind unzulässige Abschalteinrichtungen i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007) bestätigt, Abgasemissionen und Haltbarkeit emissionsmindernder Einrichtungen entsprechen den gesetzlichen Vorschriften, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen unverändert, Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert, Geräuschemissionswerte unverändert.
b) Eine Täuschung durch Unterlassen setzt gem. § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolges einzustehen hat. Soweit es um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 - 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Für die Beklagte - die XXX - muss das in der vorliegenden Konstellation, in der sie nur Lieferantin des Motors an die Fahrzeugherstellerin - die XXX - ist, die das Fahrzeug an die XXX GmbH verkauft hat, welche es wiederum an den Kläger weiterverkauft hat, mithin vom Kläger denkbar weit entfernt ist, erst recht gelten.
Eine Aufklärungspflicht der Beklagten würde gleichwohl dann bestehen, wenn, wie der Kläger meint, infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit aber nur Veränderungen am Fahrzeug gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“ (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a O., Rn. 117 ff., 137 ff.).
Auch droht keine Entziehung der Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.
Dass aber die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein von der VCA freigegebenes Software-Update zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Soweit der Kläger einen verbleibenden merkantilen Minderwert behauptet und sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Minderwert von Unfallwagen beruft (Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23), ist diese Rechtsprechung auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Deren Hintergrund ist die über Jahrzehnte gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil des Publikums, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris, Rn. 4). Für den sog. Abgasskandal fehlt es aber an einer vergleichbaren Erfahrung auf dem Gebrauchtwagenmarkt.
Der Kläger müsste deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, schon konkret darlegen. Das wäre ihm, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.
Eine Garantenpflicht zugunsten des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.
Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.
5. Entsprechendes gilt für § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage vom 09.04.2015 - VII ZR 36/15 -, juris Rn. 20, 23) ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die - wie hier die EG-FGV - Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie - hier der Richtlinie 2007/46/EG - an.
Den Erwägungsgründen 2, 4 und 23 zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen (Erwägungsgrund 2 der Richtlinie). Weder an diesen Stellen noch unter den anderen Erwägungsgründen der Richtlinie lässt sich demgegenüber ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (Seite 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 189 ff.)
6. Soweit der Kläger seine Schadensersatzforderung auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG stützt, dient § 16 UWG zwar ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers. Der Kläger hat aber schon eine werbende Äußerung der Beklagten - der XXX - betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug - einem XXX - nicht dargelegt.
7. Ob auch § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 ZPO darstellt, ist fraglich. Jedenfalls aber ist nicht die Beklagte als Herstellerin des Motors, sondern die XXX. nach den Vorschriften der Pkw-EnVKV verpflichtet.
8. Für eine Haftung aus § 826 BGB reicht allein der - feststehende - Verstoß der Beklagten gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden kann. Aus den Erwägungsgründen der verletzten EG-Verordnung ergibt sich aber, wie bereits ausgeführt (siehe oben I. 4. b), dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient.
Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20 m. w. N.). Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung im Rahmen von § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB ausgeführt (siehe oben I. 4. b), trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.
9. Mangels erfüllter deliktischer Haftungstatbestände vermag schließlich auch § 831 BGB die Klageanträge zu 1. und 3. nicht zu begründen.
II.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
III.
Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.