Landgericht Braunschweig
Urt. v. 15.11.2017, Az.: 3 O 429/17

Abgasskandal; Neulieferung

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
15.11.2017
Aktenzeichen
3 O 429/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53767
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Aus den bindenden Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) im bestandskräftigen Rückrufbescheid vom 15.10.2015 und der sich darauf beziehenden Freigabebestätigung ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung, dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten, zu beseitigenden unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt und dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist.

2. Die Nachlieferung eines Neufahrzeugs wäre gegenüber dem geringen Aufwand der Nachbesserung durch das Software-Update unverhältnismäßig, weshalb sich der Anspruch des Käufers gem. § 439 Abs. 3 BGB auf die Mangelbeseitigung beschränkt.

3. Auf unerlaubte Handlung kann das Neulieferungsverlangen nicht gestützt werden, weil solche Schadensersatzansprüche gem. § 249 BGB auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet sind und die Parteien ohne die unzulässige Abschalteinrichtung keinen anderen, sondern denselben Vertrag geschlossen hätten.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Wertstufe bis 30.000,00 €.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal die Lieferung eines Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des bei der Beklagten gekauften Autos.

Der Kläger erwarb durch Bestellung vom 11.04.2014 und Auftragsbestätigung vom 21.04.2014 (Anlage K 1) über das Autohaus xxx, das für die Beklagte handelte, einen neuen Pkw xxx zu einem rabattierten Kaufpreis von 28.009,80 €, welcher ihm am 30.06.2014 übergeben wurde.

Der Abschluss des Kaufvertrages erfolgte unter Einbeziehung der Neuwagen-Verkaufsbedingungen der Beklagten, die unter Ziffer IV. folgende Klausel enthalten:

„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“

Der streitgegenständliche Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet, dessen Herstellerin die Beklagte ist. Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - xxx - (Anlage B 7) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.

Der Kläger forderte die Beklagte vor diesem Hintergrund mit Anwaltsschreiben vom 18.07.2016 (Anlage K 2) auf, bis zum 29.08.2016 einen nach aktuellen Vorschriften zulassungsfähigen, mangelfreien und vertragsgemäßen Neuwagen zu liefern. Die Beklagte verwies den Kläger in ihrem Antwortschreiben vom 29.08.2016 (Anlage K 2a) auf die mit dem KBA abzustimmende technische Lösung durch ein Software-Update, verzichtete bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede und bat um Verständnis, dass ein Austausch des Fahrzeugs nicht möglich sei.

Bereits mit Schreiben vom 01.06.2016 (Anlage B 1) hatte das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid xxx vom 15.10.2015 (bei der Datumsangabe 14.10.2015 handelt es sich um einen offenbaren Übertragungsfehler) bestätigt, dass für die betroffenen Fahrzeugtypen aus xxx 6 (Verkaufsbezeichnungen: u. a. xxx) der geforderte Nachweis inzwischen geführt worden und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Die Beklagte informierte den Kläger davon mit Klageerwiderung vom 06.06.2017 und teilte ihm des Weiteren mit, dass er sein Fahrzeug bei einem Vertragshändler seiner Wahl auf ihre Kosten überarbeiten lassen könne. Davon hat der Kläger, der das Fahrzeug weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, keinen Gebrauch gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe mangelbedingt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Lieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion. Er stützt diese Forderung in erster Linie auf kaufrechtliche Gewährleistung, in zweiter Linie auf Prospekt-, Vertrauens- bzw. Garantiehaftung und schließlich auf unerlaubte Handlung.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihm ein mangelfreies fabrikneues typengleiches Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug xxx Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs xxx, nachzuliefern;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeugs in Verzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.077,74 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es liege schon kein Sachmangel vor. Selbst wenn ein solcher gegeben sei, wäre eine Neulieferung gegenüber der von ihr angebotenen Nachbesserung unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs zu, und zwar weder aus §§ 434, 437 Nr. 1, 439 BGB (1.) noch aus Prospekthaftung (2.), Verschulden bei Vertragsschluss bzw. Garantie (3.), aber auch nicht aus § 823 Abs. 2 oder § 826 BGB (4.). Mangels Begründetheit der Hauptforderung können auch die Klageanträge zu 2. und 3. keinen Erfolg haben.

1. Das streitgegenständliche Fahrzeug war zwar bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet, weil es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet war, die aufgrund des Bescheides des KBA vom 15.10.2015 zu beseitigen ist, womit dem Kläger die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eröffnet sind (a). Doch kann er von der Beklagten keine Nachlieferung verlangen, weil sich sein Anspruch gem. § 439 Abs. 3 BGB auf die von der Beklagten angebotene Nachbesserung beschränkt (b).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.). Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und dessen Freigabebestätigung vom 01.06.2016 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;

dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;

dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;

dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat: keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr, vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig, Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.

Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung, dass

es sich bei der unzulässigen, zu beseitigenden Abschalteinrichtung um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt und

dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist (so im Ergebnis auch OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16 -, juris Rn. 37).

b) Die vom Kläger geforderte Neulieferung wäre demgegenüber nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich. § 439 Abs. 3 BGB ist richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen, dass nur die Berufung auf die relative Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten Art der Nachlieferung statthaft ist (vgl. OLG Hamm, a. a. O., Rn. 34 m. w. N.). Zu vergleichen sind daher die voraussichtlichen Kosten der von der Beklagten angebotenen Nachbesserung auf der einen Seite mit denen der vom Kläger geforderten Nachlieferung auf der anderen Seite. Bei der dafür vorzunehmenden Gesamtabwägung sind gem. § 439 Abs. 3 S. 2 BGB der Wert des Fahrzeugs in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die von der Beklagten angebotene Nachbesserung ohne erhebliche Nachteile für den Kläger zurückgegriffen werden kann.

Die Bedeutung des Mangels ist für den Kläger selbst gering, weil er das Fahrzeug unstreitig weiterhin ohne Gebrauchseinschränkungen nutzt. Dass sich durch die von der Beklagten angebotene Mangelbeseitigung keine Nachteile hinsichtlich der Einhaltung von Grenzwerten und anderen Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen, der ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchswerte und CO2-Emissionen, der bisherigen Motorleistung, dem maximalen Drehmoment und der bisherigen Geräuschemissionswerte ergeben, hat das KBA in seiner Freigabebestätigung vom 01.06.2016 ausdrücklich festgestellt.

Soweit der Kläger darüber hinaus eine Lebenszeitverkürzung von Motorbauteilen infolge des Software-Updates befürchtet, hat die Beklagte dem Kläger bei Abschluss des Kaufvertrages keine Zusagen betreffend die Lebensdauer von Motorbauteilen gemacht, die darüber hinausgehen, dass auftretende Mängel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beseitigt werden. Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers kann aber nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. Eine Verkürzung der Lebensdauer von Motorbauteilen wird der Kläger daher erst im Falle deren Realisierung im Umfang noch bestehender Gewährleistungsansprüche geltend machen können.

Soweit der Kläger des Weiteren den Verbleib eines merkantilen Minderwertes behauptet, ist sein Vorbringen gegenüber dem qualifizierten Bestreiten der Beklagten nicht hinreichend substantiiert.

Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23; Urteil vom 07.06.2006 - VIII ZR 209/05 -, juris Rn. 17). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem Abgasskandal an einer vergleichbaren am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt.

Der Kläger hätte deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, konkret darlegen müssen. Das wäre ihm, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

Ferner ist entgegen der Ansicht des Klägers weder die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen noch droht deren Entziehung. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis - in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug - zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit aber nur Veränderungen am Fahrzeug gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“. (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, Rn. 117 ff., 137 ff.).

Auch droht keine Entziehung der Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.

Die Beklagte hat die Kosten der von ihr angebotenen Mängelbeseitigung mit ca. 35,00 € netto (40 Zeiteinheiten, d. h. 24 Minuten Arbeitszeit für die Software-Installation x durchschnittlicher Lohnstundensatz im xxx-Service Markt Deutschland von 87,00 € netto = 34,80 €) beziffert sowie die Kosten einer Nachlieferung mit mindestens 3.495,65 € (23.537,65 € Kaufpreis netto - 20.042 € Wert des zurückgegebenen Fahrzeugs netto noch ohne Berücksichtigung der Laufleistung). Danach würden die Nachlieferungs- die Nachbesserungskosten um das 98(!)-fache übersteigen. Auch wenn der Kläger diese Berechnung im Einzelnen bestritten hat, bedarf es auch insoweit keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil die voraussichtlichen Kosten ohnehin zu schätzen (vgl. Palandt-Weidenkaff, a. a. O., § 439 Rn. 16a), mithin auch einer richterlichen Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO zugänglich sind und es auf der Hand liegt, dass sich die Lieferung eines Neufahrzeugs gegen Rücknahme eines inzwischen fast drei Jahre und drei Monate lang gefahrenen Gebrauchtwagens gegenüber dem geringen Aufwand für die technische Überarbeitung mittels eines Software-Updates als evident unverhältnismäßig darstellt. Anders als der Kläger meint, würde auch die Einbeziehung der Software-Entwicklungskosten nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil diese auf die Gesamtzahl der betroffenen Fahrzeuge „umgelegt“ werden müssten. So hat die Beklagte diese Entwicklungskosten mit insgesamt auf höchstens ca. 70 Mio. € für 10 Mio. Fahrzeuge veranschlagt, so dass pro Fahrzeug lediglich weitere Kosten von 7,00 € brutto zu berücksichtigen wären.

Nach alledem beschränkt sich der Anspruch des Klägers gem. § 439 Abs. 3 BGB auf die von der Beklagten angebotene Mängelbeseitigung. Das hat allerdings auch zur Folge, dass dem Kläger im Falle des Fehlschlagen der Nachbesserung gem. § 440 S. 2 BGB die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB weiter zustehen.

2. Für einen Anspruch aus den von der Rechtsprechung zur Prospekthaftung entwickelten Grundsätzen ist beim Autokauf neben dem Gewährleistungsecht, das ohnehin schon durch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB Prospektangaben zur Beschaffenheit zählt, kein Raum. Die Prospekthaftung hat ihre Grundlage in dem nicht gesetzlich regulierten und organisierten sog. Grauen Kapitalmarkt. Sie fußt maßgeblich auf dem Umstand, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig sind, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilten und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen. Anders als bei Kapitalanlagen steht für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Der Kaufinteressent kann sich etwa in diversen Autotest- und Fachzeitschriften sowie im Internet über das jeweilige Fahrzeug informieren und ein ihn interessierendes Fahrzeug anschauen und sogar probefahren (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O. Rn. 56).

3. Aus der EG-Übereinstimmungsbescheinigung für das streitgegenständliche Fahrzeug kann der Kläger schon deshalb keine Ansprüche aus §§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB bzw. § 443 BGB gegen die Beklagte herleiten, weil die Übereinstimmungsbescheinigung nicht von der Beklagten, sondern von der AUDI AG als Fahrzeugherstellerin auszustellen war und auch ausgestellt worden, dem Kläger im Übrigen auch erst nach Vertragsschluss in Erfüllung dessen übergeben worden ist.

4. Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung aus § 823 Abs. 2 bzw. § 826 BGB scheiden unabhängig von den dazu vorgebrachten Schutzgesetzen (§ 263 StGB, § 4 Nr. 11 UWG a. F., 16 UWG, §§ 6, 27 EG-FGV) hier schon deshalb aus, weil solche Schadensersatzansprüche gem. § 249 BGB auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet sind (vgl. Palandt-Sprau, a. a. O., vor § 823 Rn. 24), der Kläger mit der begehrten Lieferung eines Neufahrzeugs aber das Erfüllungsinteresse beansprucht. Nur wenn feststeht, dass bei Unterbleiben der unerlaubten Handlung der Vertrag mit einem anderen Inhalt zustande gekommen wäre, kann der Geschädigte auch die Herstellung des Zustandes verlangen, der bei Abschluss dieses Vertrages gegeben wäre, im Ergebnis also das Erfüllungsinteresse verlangen (vgl. Palandt-Sprau, a. a. O.). Ohne die unzulässige Abschalteinrichtung hätten die Parteien aber keinen anderen, sondern denselben Vertrag geschlossen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

III.

Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.