Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 22.05.2003, Az.: 13 Verg 9/03

Auswirkungen der Ausschreibung von letztlich nicht gewollten Leistungen im Vergabeverfahren; Beschaffung von definierten Leistungen als Zweck des Wettbewerbs im Vergabeverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
22.05.2003
Aktenzeichen
13 Verg 9/03
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2003, 31208
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2003:0522.13VERG9.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VK Lüneburg - 19.03.2003 - AZ: 203-VgK-01/2003

Fundstellen

  • BauR 2003, 1452 (Kurzinformation)
  • EUK 2003, 103
  • IBR 2003, 371
  • NZBau 2004, 464 (amtl. Leitsatz)
  • OLGReport Gerichtsort 2003, 352-353
  • VergabeR 2003, 455-456 (Volltext mit amtl. LS)
  • WuW 2004, 127-128
  • ZfBR 2003, 615 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Eine Vergabestelle kann nicht durch Entscheidung der Vergabekammer oder des Vergabesenates gezwungen werden, eine Leistung zu vergeben, die sie zwar bei Ausschreibung, später jeodch keinesfalls mehr beschaffen will. Schadensersatzansprüche wegen einer damit verbundenen Aufhebung des Vergabeverfahrens bleiben unberührt.

In der Vergabesache
...
hat der Vergabesenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 6. Mai 2003
durch
die Richter ......., ....... und .......
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer der Bezirksregierung Lüneburg - 203 - VgK - 01/2003 - vom 19. März 2003 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

Wert: 25.342,30 Euro.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeberin schrieb die Bauteilleistung "Küchentechnik" für ihr Reha-Zentrum .... aus. Dabei bezeichnete sie Küchenmaschinen im Wert von ca. 58.000 EUR brutto als Bedarfspositionen.

2

Sie beabsichtigte, den Zuschlag der Beigeladenen auf deren Gebot von 419.000 EUR zu erteilen, wobei sie jedoch nunmehr auch weitere Kücheneinrichtungsgegenstände im Wert von weiteren ca. 45.000 EUR als Bedarfsgegenstände bezeichnete.

3

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Vergabekammer das Vergabeverfahren insgesamt aufgehoben, weil die Auftraggeberin von der ursprünglichen Ausschreibung abgewichen sei, das Verfahren intransparent sei, weil es u.a. an einem ordnungsgemäßen Vergabevermerk fehle und im Übrigen die Anzeige nach § 13 VgV bereits vor der endgültig dokumentierten Entscheidung erfolgt sei. Dieser Anordnung ist die Auftraggeberin inzwischen gefolgt.

4

Mit ihrer sofortigen Beschwerde macht die Antragstellerin geltend, die Vergabekammer habe mit dem angefochtenen Beschluss gegen § 114 Abs. 1 GWB verstoßen, weil die Aufhebung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens nicht notwendig gewesen sei. Es hätte genügt, die Auftraggeberin zu verpflichten, entsprechend der ursprünglichen Ausschreibung zu entscheiden und zu vergeben. Der Vergabevermerk hätte nachgeholt, die Anzeige nunmehr rechtzeitig erfolgen können. Dann, so meint die Beschwerdeführerin, würde sie den Zuschlag erhalten.

5

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den angefochtenen Beschluss zu ändern, soweit die Auftraggeberin verpflichtet wurde, das Vergabeverfahren aufzuheben.

und

die Auftraggeberin zu verpflichten, ein erneutes Wertungsverfahren durchzuführen.

6

Die Auftraggeberin beantragt,

die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

7

Sie habe das Vergabeverfahren aufgehoben und werde neu ausschreiben. Dabei werde sie sicher nicht wie ursprünglich Bedarfspositionen von ca. 58.000 EUR brutto angeben. Vielmehr sei beabsichtigt, ein Leistungsverzeichnis ohne Bedarfspositionen der Ausschreibung zu Grunde zu legen.

8

II.

A.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.

9

1.

Die Vergabeverstöße der Auftraggeberin sind außer Streit. Diese können entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht anders als durch die Aufhebung des Vergabeverfahrens beseitigt werden. Das hat die Vergabekammer zu Recht so erkannt.

10

a)

Die Auftraggeberin hat Leistungen ausgeschrieben, die sie letztlich gar nicht haben wollte. Die ausgeschriebene Leistung bestand in einer Kücheneinrichtung mit Bedarfspositionen im Wert von ca. 58.000 EUR brutto. Tatsächlich wollte sich die Auftraggeberin aber die Leistung einer Kücheneinrichtung mit Bedarfspositionen im Wert von ca. 100.000 EUR brutto verschaffen, wie sich im Einzelnen aus dem angefochtenen Beschluss der Vergabekammer ergibt.

11

b)

Der Wettbewerb im Vergabeverfahren dient der Beschaffung von definierten Leistungen, nicht von solchen, die sich im Laufe des Vergabeverfahrens als beschaffenswert erweisen. Eben dies hat aber die Auftraggeberin mit ihrem Vergabeverfahren verfolgt und durchgeführt. Dieser Fehler betrifft das gesamte Vergabeverfahren. Das Vergabeverfahren kann deshalb nicht anders geheilt werden als dadurch, dass es aufgehoben und eine erneute Vergabe unter Berücksichtigung der Regel des § 97 GWB durchgeführt wird.

12

Anderes könnte nur dann gelten, wenn die Auftraggeberin sich inzwischen entschieden hätte oder noch entscheiden wollte, die Leistungen entsprechend ihrer ursprünglichen Ausschreibung zu beschaffen. Das hat sie jedoch ausgeschlossen. Keinesfalls werde eine Ausschreibung erfolgen und ein Auftrag erteilt, die noch Bedarfspositionen enthalte, hat der Vertreter der Auftraggeberin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mitgeteilt. Darauf, ob in diesem Verhalten ein Schadensersatzansprüche auslösendes Fehlverhalten der Auftraggeberin zu sehen ist, kommt es hier nicht an.

13

2.

Wollte man das Vergabeverfahren entsprechend dem Begehren der Beschwerdeführerin ohne Änderung der Ausschreibung durchführen und statt seiner Aufhebung die Auftraggeberin zwingen, sich heute nicht mehr gewünschte Leistungen zu beschaffen, so würde dies auf einen Kontrahierungszwang der Auftraggeberin für bestimmte, von ihr nicht mehr gewünschte Leistungen mit bestimmten Bietern hinauslaufen. Das ist nicht der Zweck des Vergabeverfahrens. Der Bundesgerichtshof (BGHZ 139, 259, 268 f[BGH 08.09.1998 - X ZR 48/97]; ZfBR 2003, 194 [BGH 05.11.2002 - X ZR 232/00]) hat mehrfach darauf hingewiesen, dass aus Gründen des allgemeinen Vertragsrechts aus dem Umstand der Ausschreibung nicht abgeleitet werden kann, dass ein Ausschreibender, der nach den maßgeblichen Vergabevorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat, gezwungen werden kann und darf, einen der Ausschreibung entsprechenden Auftrag an einen geeigneten Bieter zu erteilen, wenn er dieses nicht mehr will. Deshalb liegt es nicht in der Kompetenz der Vergabekammer im Rahmen des § 97 GWB zur Beseitigung einer Rechtsverletzung eine Maßnahme zu treffen, die für einen öffentlichen Auftraggeber, der trotz Einleitung eines Vergabeverfahrens einen Auftrag nicht mehr erteilen will, einen rechtlichen oder tatsächlichen Zwang bedeutet, sich doch vertraglich so zu binden. Ebenso liegt der Fall hier. Die Auftraggeberin will die ausgeschriebene Leistung keinesfalls mehr vergeben. Sie kann dazu nicht im Vergabenachprüfungsverfahren oder im Verfahren über die Vergabebeschwerde gezwungen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2003 - X ZB 43/02).

14

B.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Festsetzung des Streitwerts auf der Grundlage des Gebotes der Beschwerdeführerin und Antragstellerin auf § 12 a GKG.