Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.11.2023, Az.: 5 LB 78/21
21. Lebensjahr; Besoldungsdienstaltersstufe; Erfahrungsstufe; Besoldung (Festsetzung des Beginns der 1. Erfahrungsstufe)
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.11.2023
- Aktenzeichen
- 5 LB 78/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 44828
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:1122.5LB78.21.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 22.10.2019 - AZ: 3 A 109/18
Rechtsgrundlagen
- NbesG § 25 Abs. 1 Satz 1, 2, 3
- NbesG § 72 Abs. 1 und 2
Fundstellen
- NordÖR 2024, 150
- ZBR 2024, 137-140
Amtlicher Leitsatz
Die Sonderregelungen für Bestandsbeamte in § 72 Abs. 1 und 2 NBesG gelten nicht für Beamte, die am Stichtag 1. September 2011 in einem Beamtenverhältnis standen, die aber aufgrund dessen, dass sie noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hatten, zu diesem Zeitpunkt noch keiner Besoldungsdienstaltersstufe zugeordnet worden waren. Für sie ist auf die Grundnorm in § 25 Abs. 1 NBesG zurückzugreifen.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 22. Oktober 2019 wird mit folgender Maßgabe zurückgewiesen:
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 22. Oktober 2019 wird geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 28. Juli 2011 verpflichtet, den Kläger hinsichtlich seiner Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 6 zum 1. September 2011 der Erfahrungsstufe 1 zuzuordnen und den Beginn der Laufzeit auf den 1. August 2011 festzusetzen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Festsetzung der Erfahrungsstufe des Klägers aufgrund seiner Zuordnung in das Erfahrungsstufensystem des aktuell geltenden niedersächsischen Besoldungsrechts.
Der am ... 1993 geborene Kläger war vom 1. August 2009 bis zum 31. Juli 2011 Steueranwärter im Beamtenverhältnis auf Widerruf beim Finanzamt G.. Er wurde mit Wirkung vom 1. August 2011 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Steuersekretär (Besoldungsgruppe A 6) ernannt. Mit Wirkung vom 1. August 2015 wurde er zum Steuerobersekretär (Besoldungsgruppe A 7) befördert. Seit dem 1. August 2018 hat er das Amt eines Steuerhauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) inne.
Die Oberfinanzdirektion (OFD) Niedersachsen - die Funktionsvorgängerin des Beklagten - setzte mit Bescheid vom 28. Juli 2011 das Besoldungsdienstalter des Klägers nach § 28 Abs. 1 BBesG in der in Niedersachsen zum Stand 31. August 2006 geltenden Fassung (BBesG a. F.) mit Wirkung vom 1. August 2011 (Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe) auf den 1. Juni 2014 (Erster des Monats, in dem das 21. Lebensjahr vollendet wird) fest. Im Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Mai 2014 bezog der Kläger gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BBesG a. F. das Anfangsgrundgehalt seiner Besoldungsgruppe (= Grundgehalt aus der 1. Stufe).
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308, ber. Nds. GVBl. 2017 S. 64) wurde das Niedersächsische Besoldungsrecht grundlegend geändert, indem das bisherige Besoldungsdienstalters- bzw. Besoldungslebensalterssystem durch ein System der Erfahrungsstufen ersetzt wurde. Ausgangspunkt für den Einstieg in das Grundgehalt ist fortan nicht mehr das Lebensalter, sondern die erstmalige Ernennung eines Beamten der Besoldungsordnung A oder Richters der Besoldungsgruppe R 1 und R 2 bei einem niedersächsischen Dienstherrn bzw. dem Land selbst, gegebenenfalls unter Anerkennung von Erfahrungszeiten; der weitere Stufenaufstieg erfolgt nach der beruflichen Erfahrung, für die pauschalierend bestimmte Zeiträume festgelegt sind. Das Niedersächsische Besoldungsgesetz in der Neufassung vom 20. Dezember 2016 ist am 1. Januar 2017 in Kraft getreten; für einzelne Bestimmungen dieses Gesetzes ist eine Rückwirkung zum 1. September 2011 vorgesehen.
Mit E-Mail vom 9. April 2017 bat der Kläger den Beklagten um Mitteilung, wann mit einer Umsetzung des neuen Besoldungsgesetzes und der damit verbundenen Nachzahlung gerechnet werden könne.
Daraufhin teilte ihm der Beklagte mit E-Mail vom 13. April 2017 mit, die am 31. August 2011 bereits vorhandenen Beamten würden rückwirkend ab 1. September 2011 der Erfahrungsstufe zugeordnet, die der nach bisherigem Recht zustehenden Stufe entspreche. Für ihn als am 31. August 2011 bereits vorhandenen Besoldungsempfänger ändere sich mit der Einführung von Erfahrungsstufen weder die bisher erreichte Stufe noch der Steigerungsrhythmus der Stufen.
Mit E-Mail vom 18. April 2017 wies der Kläger den Beklagten darauf hin, dass nach § 28 Abs. 1 BBesG a. F. das Besoldungsdienstalter erst mit Vollendung des 21. Lebensjahres begonnen habe, sodass seine "erste Altersstufe" erst mit Vollendung des 23. Lebensjahres, d. h. im Juni 2016, begonnen habe. Nach neuem Recht hätte dies bereits im Juni 2013 passieren sollen.
Noch am selben Tag teilte der Beklagte dem Kläger mit, nach der Neuregelung in § 72 Abs. 1 NBesG seien Beamte der Besoldungsordnung A, die am 31. August 2011 und darüber hinaus in einem Beamtenverhältnis zum Land Niedersachsen gestanden hätten, mit Wirkung vom 1. September 2011 der Erfahrungsstufe neu zugeordnet, die der Stufe entspreche, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht am 1. September 2011 zugeordnet gewesen seien. Die Günstigkeitsprüfung nach § 72 Abs. 2 NBesG beschränke sich auf die Fälle von Beamten, die in der Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 ein Besoldungsdienstalter erhalten hätten, dessen Rechtsgrundlage mit Europarecht nicht im Einklang stehe und in denen deshalb die Neuberechnung bzw. Günstigkeitsprüfung der Erfahrungsstufe notwendig sei.
Nachdem der Kläger mit E-Mail vom 19. April 2017 erneut die rückwirkende Anpassung seiner Besoldung ab August 2011 beantragt und hilfsweise Widerspruch gegen seine Besoldung eingelegt hatte, teilte ihm der Beklagte mit E-Mail vom 3. Mai 2017 mit, eine Rücksprache mit dem Niedersächsischen Finanzministerium habe ergeben, dass er ab dem 1. Januar 2017 der Erfahrungsstufe zugeordnet sei, die der Stufe entspreche, der er nach dem bis zum 31. August 2011 geltendem Recht zugeordnet gewesen sei. Sein Besoldungsdienstalter sei auf den 1. Juni 2014 festgesetzt worden. Am 1. August 2011 habe er sich noch in keiner Besoldungsdienstaltersstufe befunden. Ihm sei im Zeitraum vom 1. August 2011 bis zum 31. Mai 2014 lediglich ein Grundgehalt aus der 1. Stufe gezahlt worden, weil gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BBesG a. F. mindestens das Anfangsgrundgehalt der jeweiligen Besoldungsgruppe zu zahlen gewesen sei. Die neuen Erfahrungsstufen-Laufzeiten entsprächen damit denjenigen seines bisherigen Besoldungsdienstalters. Die von ihm begehrte rückwirkende Anpassung der Besoldung ab August 2011 könne daher nicht erfolgen. Falls er in dieser Sache einen Bescheid benötige, müsse er die rückwirkende Anpassung seiner Besoldung schriftlich (mit Unterschrift) beantragen.
Daraufhin teilte der Kläger mit dem Beklagten am 11. Mai 2017 zugegangenem (undatierten) Schreiben mit, es liege insbesondere eine altersdiskriminierende Besoldung bei allen Beamten vor, die ihre Ausbildung vor der Vollendung ihres 21. Lebensjahres vollendet hätten. Er bat den Beklagten um Erlass eines rechtsmittelfähigen Bescheides. Mit am 9. Juni 2017 dem Beklagten zugegangenem (undatierten) Schreiben wiederholte er seinen Vortrag und seine Bitte.
Mit Schreiben vom 20. Juni 2017 teilte der Beklagte dem Kläger mit, sein "Widerspruch" habe sich durch das am 1. Januar 2017 in Kraft getretene Niedersächsische Besoldungsgesetz vom 20. Dezember 2016 erledigt, weil rückwirkend ein Erfahrungsstufensystem eingeführt worden sei. Da bereits "diverse parallele Gerichtsverfahren" anhängig seien, werde die Bescheidung seines Widerspruchs unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zu dem rechtskräftigen Abschluss dieser Verfahren zurückgestellt. Eine jährliche Wiederholung des Antrags bzw. Widerspruchs sei - abweichend von § 4 Abs. 7 NBesG - nicht erforderlich.
Der Kläger forderte den Beklagten mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 17. Juli 2017 zum Erlass eines rechtsmittelfähigen Widerspruchsbescheides bzw. zur Abhilfe auf.
Mit Schreiben vom selben Tage teilte der Beklagte mit, dass er an seiner Absicht festhalte, angesichts der anhängigen Gerichtsverfahren keinen Widerspruchsbescheid zu erlassen. Er sei zu dieser Verfahrensweise angewiesen worden.
Der Kläger setzte dem Beklagten mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 21. Juli 2017 erfolglos eine Frist zur Bescheidung des Widerspruchs bis zum 20. September 2017.
Daraufhin hat der Kläger am 10. April 2018 Klage bei dem Verwaltungsgericht Oldenburg erhoben. Das Verwaltungsgericht Oldenburg hat sich mit Beschluss vom 14. Mai 2018 (6 A 1682/18) für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht Osnabrück verwiesen.
Der Kläger hat die Ansicht vertreten, er habe einen Anspruch auf rückwirkende Anpassung seiner Besoldung, da das Besoldungsdienstalter dem neuen Besoldungsgesetz zufolge nicht mehr erst mit dem 21. Lebensjahr beginne. Es gälten nun ausschließlich Erfahrungsstufen, so dass seine ersten Dienstjahre berücksichtigt werden müssten. Am 1. September 2011 hätte er gemäß § 72 Abs. 1 NBesG der Erfahrungsstufe 1 der Besoldungsgruppe A 6 zugeordnet und sein Besoldungsdienstalter auf den 1. August 2011 festgesetzt werden müssen, um § 72 Abs. 3 NBesG Rechnung zu tragen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, ihn ab dem 1. September 2011 unter Berücksichtigung einer Erfahrungszeit ab dem 1. August 2011 aus der Besoldungsgruppe A 6, 1. Stufe und dann fortlaufend seiner jeweiligen Erfahrungsstufe und Besoldungsgruppe entsprechend zu besolden.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Ansicht vertreten, die vor September 2011 eingestellten Beamten seien mit Wirkung vom 1. September 2011 der Erfahrungsstufe zugeordnet worden, die der nach bisherigem Recht zustehenden Stufe entspreche mit der Folge, dass seit diesem Zeitpunkt keine Altersdiskriminierung mehr vorliege. Dies gelte grundsätzlich auch für den Kläger, selbst wenn er zu diesem Zeitpunkt ein Grundgehalt aus der 1. Stufe gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BBesG a. F. erhalten habe. Gründe, nicht auf die bisherige Festsetzung des Besoldungsdienstalters, sondern auf das gezahlte Stufen-Grundgehalt abzustellen, womit gegebenenfalls ein verbesserter vorzeitiger Stufenaufstieg verbunden wäre, könnten aus Sinn und Zweck der Regelungen des § 72 NBesG nicht abgeleitet werden.
Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat mit Urteil vom 22. Oktober 2019 den Beklagten verurteilt, den Kläger ab dem 1. September 2011 unter Berücksichtigung einer Erfahrungszeit ab dem 1. August 2011 aus der Besoldungsgruppe A 6, 1. Stufe und dann fortlaufend seiner jeweiligen Erfahrungsstufe und Besoldungsgruppe entsprechend zu besolden. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit der Stichtagsregelung 1. September 2011 ändere nichts daran, dass der Kläger den begehrten Anspruch auf die höhere Besoldung unter Einordnung in die Erfahrungsstufe ab dem 1. August 2011 habe. Die Konstellation des Klägers, die auch den Gesetzesmaterialien zufolge mutmaßlich wegen der geringen Zahl der Anwendungsfälle und damit einhergehenden mangelnden Problembewusstseins keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsverfahren gefunden habe, werfe die Frage nach der Notwendigkeit einer ergänzenden Auslegung des § 72 Abs. 1, 3 NBesG infolge einer etwaigen Regelungslücke auf. § 72 Abs. 1, 3 NBesG sei zur Vermeidung von Ungleichbehandlungen unionsrechtskonform so auszulegen, dass die "Stufe" in § 72 Abs. 1 NBesG auch die nunmehr nicht mehr vorhandene "Grundstufe" umfasse und der Kläger daher ab dem 1. September 2011 in die 1. Erfahrungsstufe unter Berücksichtigung einer Erfahrungszeit ab dem 1. August 2011 einzuordnen sei und einen Anspruch auf die entsprechende Besoldung habe. Im Unionsrecht bestehe auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 3 Satz 2 EUV das allgemeine Gebot, das mitgliedsstaatliche Recht unionsrechtskonform auszulegen. Der Wortlaut des § 72 Abs. 1 und 3 NBesG lasse sowohl eine Auslegung des Wortes "Stufe" im engeren Sinne - ohne die "Grundstufe" zu umfassen - als auch eine die "Grundstufe" umfassende weite Auslegung zu, so dass im Falle des Klägers eine unionsrechtskonforme Auslegung erforderlich sei. Eine Auslegung im Einklang mit der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (sog. Gleichbehandlungsrichtlinie) führe dazu, dass der Begriff der "Stufe" in § 72 Abs. 1 NBesG derart ausgelegt werden müsse, dass er auch die "Grundstufe", in der sich der Kläger zum Stichtag 1. September 2011 befunden habe, umfasse, und der Kläger damit der 1. Erfahrungsstufe zugeordnet werden müsse. Anderenfalls würde der Kläger allein wegen seines Alters schlechter besoldet als andere Beamte mit weniger Berufserfahrung und wäre so doch von der altersdiskriminierenden Wirkung des (eigentlich abgeschafften) Besoldungsdienstalters betroffen. Diese bei einem Ausschluss der Grundstufe aus der Überleitungsvorschrift des § 72 Abs. 1 NBesG erfolgende Altersdiskriminierung wäre auch mit Blick auf Art. 6 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie nicht gerechtfertigt. Sowohl die Motive der Kostenneutralität als auch die Besitzstandswahrung und der Schutz des berechtigten Vertrauens der vom alten System begünstigten Beamten in Bezug auf ihre Besoldung stellten legitime Ziele der Beschäftigungspolitik und des Arbeitsmarktes dar, die die Beibehaltung der bisherigen Vergütungen und somit einer Ungleichbehandlung wegen des Alters während eines Übergangszeitraums rechtfertigen könnten. Die genannten Ziele könnten jedoch keine Maßnahme rechtfertigen, mit der - sei es auch nur wie im Fall des Klägers für bestimmte Personen - eine Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festgeschrieben werde, die durch die Reform, zu der diese Maßnahme gehöre, beseitigt werden solle. Eine solche Maßnahme sei nicht geeignet, für die benachteiligte Personengruppe ein diskriminierungsfreies System zu schaffen.
Auf den dagegen gerichteten Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat der erkennende Senat mit Beschluss vom 8. Juni 2021 (5 LA 193/19) die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, die Regelung in § 72 Abs. 1 NBesG verleihe nach ihrem Wortlaut keinen Anspruch auf quasi "vorzeitige" Zuordnung zu der 1. Erfahrungsstufe für Beamte, die zwar am 31. August 2011 in einem Beamtenverhältnis gestanden hätten, aber am 1. September 2011 noch keiner Besoldungsdienstaltersstufe zugeordnet gewesen seien. Eine Rechtsgrundlage dafür könne aufgrund des eindeutigen Wortlauts der Norm auch nicht durch Auslegung ermittelt werden. § 72 Abs. 1 NBesG nehme die Stufen nach dem bisherigen Recht und die Erfahrungsstufen nach dem neuen Recht in Bezug. Zu den Stufen nach dem bisherigen Recht habe die Zeit vor Beginn der 1. Besoldungsdienstaltersstufe jedoch nicht gezählt. Diese vom Verwaltungsgericht als "Grundstufe" bezeichnete Zeit sei - neben der 1. Bundesdienstaltersstufe - keine formale, rechtlich definierte Einheit gewesen, die der 1. Erfahrungsstufe nach neuem Recht gegenüberstehe. Eine entsprechende Auslegung sei auch nicht zur Durchsetzung der Anforderungen der Gleichbehandlungsrichtlinie geboten. Zwar sei der Kläger, der bereits vor der Vollendung seines 21. Lebensjahres in einem Beamtenverhältnis Dienst geleistet habe, im Hinblick auf die Stufenlaufzeiten schlechter gestellt, als ein Beamter, der erst nach der Vollendung seines 21. Lebensjahres in ein Beamtenverhältnis berufen und dessen Diensttätigkeit von Anfang an bei der Stufenlaufzeit berücksichtigt worden sei. Dies sei jedoch nach Art. 6 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie gerechtfertigt, da sie als Folge der Überleitung der Bestandsbeamten in die neue Besoldungssystematik eine angemessene und erforderliche Maßnahme zur Verfolgung des legitimen Ziels, deren Besitzstand zu schützen und einen übermäßigen Verwaltungsaufwand für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten zu vermeiden, darstelle. Der Europäische Gerichtshof habe ausdrücklich die Perpetuierung der altersdiskriminierenden Wirkung des bisherigen Besoldungssystems durch eine daran anknüpfende Überleitung in ein neues Besoldungssystem bestätigt. Auf die niedersächsischen Überleitungsvorschriften träfen die der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris) als maßgeblich zugrunde liegenden Annahmen zu. Mit Ablauf der Zeit würden die Besoldungsunterschiede zwischen den vormals begünstigten und benachteiligten Besoldungsempfängern entfallen. Der Prüfungsaufwand um frühere Erfahrungszeiten im Nachhinein und individuell festzustellen wäre für das Land Niedersachsen noch größer als der Europäische Gerichtshof ihn für das Land Berlin angesetzt habe. Die Auswirkungen einer Übertragung der neuen Besoldungssystematik auf die Bestandsfälle hätte voraussichtlich zu einer Verschlechterung der Besoldungssituation geführt. Das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris) und das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris) hätten bezogen auf die Überleitungsregelungen des sächsischen Besoldungsrechts die rückwirkende Überleitung der Bestandsbeamten zu einem bestimmten Stichtag, so wie sie auch § 72 NBesG vorsehe, bestätigt. Die Intention des Gesetzgebers bei der Schaffung des § 72 Abs. 1 NBesG sei gewesen, für die am 31. August 2011 vorhandenen Besoldungsempfänger zum Zwecke der Besitzstandwahrung das alte Besoldungsrecht bzw. ihren darauf beruhenden Stand im Besoldungsstufensystem fortzuführen. Eine Differenzierung zwischen den Beamten, die wie der Kläger zum Stichtag am 1. September 2011 noch nicht einer Besoldungsdienstaltersstufe zugeordnet gewesen seien und denjenigen, die sich bereits in einer solchen Stufe befunden hätten, sei rechtlich nicht begründbar. Auch in der letzteren Gruppe hätten sich Beamte befunden, die vor Vollendung des 21. Lebensjahres Dienst geleistet hätten, der in ihrer Stufenlaufzeit nicht berücksichtigt worden sei, was bei der Überleitung in das neue Recht dauerhaft fortwirke. Ihnen gegenüber würde es eine ungerechtfertigte Besserstellung der am 1. September 2011 noch nicht in einer Besoldungsdienstaltersstufe befindlichen Besoldungsempfänger bedeuten, wenn diese quasi vorzeitig zu diesem Zeitpunkt in die 1. Erfahrungsstufe eingeordnet würden.
Der Kläger hat zunächst beantragt,
die der Berufung zugrunde liegende Klage zu ändern und nunmehr den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides der Oberfinanzdirektion Niedersachsen vom 28. Juli 2011 zu verpflichten, die dem Kläger zum 1. September 2011 zuzuordnende Erfahrungsstufe auf die Stufe 1 und den Beginn der Laufzeit dieser Stufe auf den 1. August 2011 festzusetzen.
Der Beklagte hat dieser Klageänderung zugestimmt und er beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 22. Oktober 2019- - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das erstinstanzliche Urteil und ist weiterhin der Ansicht, der Begriff der "Stufe" in § 72 Abs. 1 NBesG sei unionsrechtskonform dahin gehend auszulegen, dass er auch die "Grundstufe", in der er sich am Stichtag 1. September 2011 befunden habe, umfasse und er damit der 1. Erfahrungsstufe zuzuordnen sei. § 72 Abs. 1 NBesG schaffe für ihn eine Ungleichbehandlung wegen des Alters. Würde er, der zum Stichtag noch keiner Besoldungsdienstaltersstufe zugeordnet gewesen sei, nicht der 1. Erfahrungsstufe zugeordnet werden, wäre er weiterhin von der altersdiskriminierenden Wirkung des eigentlich abgeschafften Besoldungsdienstalters betroffen. Die fortbestehende Altersdiskriminierung sei nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Stichtag 1. September 2011 gewählt worden sei. Eine enge Auslegung des Begriffs der "Stufe" in § 72 Abs. 1 NBesG sei weder zur Wahrung des Besitzstandes noch des Vertrauensschutzes erforderlich. Jedenfalls werde aber durch § 72 Abs. 1 NBesG weder ein diskriminierungsfreies System für Bestandsbeamte, die wie er noch keiner Besoldungsdienstaltersstufe zugeordnet gewesen seien, geschaffen, noch liege eine Ungleichbehandlung nur während eines Übergangszeitraums vor. Seine Besoldung möge letztlich die höchste Stufe erreichen, aber der hierfür erforderliche Zeitraum verlängere sich für ihn um mehrere Jahre, in denen er gegenüber begünstigten Beamten schlechter gestellt sei, und schreibe damit die Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig fest. Für ihn ließe sich auch ohne weiteren Verwaltungsaufwand eine diskriminierungsfreie Besoldung herbeiführen. Zudem ergebe sich für sich betrachtet bereits aus § 25 Abs. 1 Satz 2 NBesG, dass er ab dem 1. September 2011 in der 1. Erfahrungsstufe unter Berücksichtigung der Erfahrungszeit ab dem 1. August 2011 einzuordnen sei. Die "Grundstufe", in der er sich nach dem alten System befunden habe, entspreche letztlich nach dem neuen System gerade der 1. Erfahrungsstufe, denn in diese wäre er zu Beginn des Beamtenverhältnisses eingestuft worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Beklagten hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Aufgrund der Einwilligung des Beklagten ist die Änderung der Klage dahin gehend, den Beklagten zu verpflichten, den Kläger hinsichtlich seiner Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 6 zum 1. September 2011 der Erfahrungsstufe 1 zuzuordnen und den Beginn der Laufzeit auf den 1. August 2011 festzusetzen, zulässig (vgl. §§ 91 Abs. 1, 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Nach der Neuregelung des niedersächsischen Besoldungsrechts hat der Kläger einen Anspruch darauf, ihn hinsichtlich seiner Besoldung zum 1. September 2011 der Erfahrungsstufe 1 der Besoldungsgruppe A 6 zuzuordnen und den Beginn der Laufzeit auf den 1. August 2011 festzusetzen mit der Folge, dass sich sein weiterer Aufstieg entsprechend fortsetzt.
I. Der niedersächsische Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) u. a. das Recht der Besoldung der Beamten und Richter des Landes neu geregelt. Art. 1 dieses Gesetzes fasst das Niedersächsische Besoldungsgesetz neu. Teile des neuen Niedersächsischen Besoldungsgesetzes, insbesondere § 7 (Höhe des Grundgehaltes), § 25 (Erfahrungsstufen der Besoldungsordnung A, Erfahrungszeit), § 71 (Grundgehaltssätze für Beamte der Besoldungsordnungen A und C sowie für Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2) und § 72 (Zuordnung der vorhandenen Beamten der Besoldungsordnungen A und C sowie der vorhandenen Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 1 und R 2 zu den Erfahrungsstufen und Ableistung der Erfahrungszeit) sind mit Wirkung vom 1. September 2011 in Kraft getreten (Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des o. a. Gesetzes vom 20. Dezember 2016). Eine solche rückwirkende Inkraftsetzung von Besoldungsregelungen ist grundsätzlich zulässig (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28.9.2022 - 5 LC 208/17 -, juris Rn. 125 ff. m. w. N.). Der vom Niedersächsischen Gesetzgeber gewählte Stichtag 1. September 2011 ist sachlich vertretbar und unterliegt keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Nds. OVG, Urteile vom 28.9.2022 - u. a. 5 LC 208/17 -, juris Rn. 129 ff. m. w. N.).
Gemäß § 7 Abs. 1 NBesG bestimmt sich das Grundgehalt des Beamten nach der Besoldungsgruppe, der das ihm verliehene Amt zugeordnet ist, soweit sich aus § 8 NBesG nichts anderes ergibt, und bei einem Beamten der Besoldungsordnung A nach der Erfahrungsstufe, der er zugeordnet ist. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 NBesG richtet sich die Zuordnung eines Beamten der Besoldungsordnung A zu einer Erfahrungsstufe nach der Dauer seiner dienstlichen Erfahrung (Erfahrungszeit). Der Beamte ist zu Beginn des Beamtenverhältnisses mit einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren der 1. Erfahrungsstufe zugeordnet, in der für seine Besoldungsgruppe in Anlage 5 ein Grundgehaltssatz ausgewiesen ist, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 NBesG). Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 NBesG beginnt die Ableistung der Erfahrungszeit mit dem ersten Tag des Monats, in dem das Beamtenverhältnis des Beamten mit einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren beginnt. Die Erfahrungsstufen und die in jeder Erfahrungsstufe vor dem Aufstieg in die nächsthöhere Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit sind in Anlage 5 geregelt (§ 25 Abs. 1 Satz 4 NBesG) ebenso wie der Grundgehaltssatz (§ 7 Abs. 2 NBesG). Danach beträgt die Erfahrungszeit der Erfahrungsstufen 1 bis 4 je Stufe zwei Jahre, der Erfahrungsstufen 5 bis 8 je Stufe drei Jahre und der Erfahrungsstufen 9 bis 12 je Stufe vier Jahre. Da je nach Besoldungsgruppe die Erfahrungszeit in unterschiedlichen Erfahrungsstufen beginnt, differiert die Zeitspanne bis zum Erreichen des Endgrundgehalts von (vormals) 14 Jahren (Besoldungsgruppe A 2 bis A 4) bis 28 Jahren (Besoldungsgruppe A 11). In § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 9 NBesG sind vor Beginn des Beamtenverhältnisses zu einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren verbrachte und (ausnahmsweise) als Erfahrungszeit anzuerkennende Zeiten normiert. Weiterhin besteht im Ermessenswege die Möglichkeit, bestimmte hauptberufliche Tätigkeiten, soweit sie für die Verwendung förderlich sind, als Erfahrungszeit anzuerkennen (§ 25 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 NBesG). Die Vorschrift des § 25 Abs. 3 NBesG trifft eine Regelung zur Erfahrungszeit im Beförderungsamt.
Demnach bemisst sich immer dann, wenn keine berücksichtigungsfähigen Zeiten vorliegen, das Grundgehalt nach der ersten, mit einem Betrag versehenen Erfahrungsstufe. In diesem Fall beginnt die erste maßgebliche - also mit einem Betrag versehene - Erfahrungsstufe am Ersten desjenigen Monats zu laufen, in dem das Dienstverhältnis beginnt; dieser Zeitpunkt ist also Anknüpfungspunkt für den Stufenaufstieg. Werden hingegen Zeiten nach § 25 Abs. 2 NBesG als Erfahrungszeiten anerkannt, bemisst sich das Grundgehalt danach, als wären die Erfahrungszeiten in einem Dienstverhältnis erbracht worden (vgl. Blissenbach, Besoldungsrecht Niedersachsen, Stand: April 2023, Bd. 1, § 25 NBesG Rn. 29). Der Laufzeitbeginn der ersten maßgeblichen Erfahrungsstufe wird also fiktiv "vorverlagert" mit der Folge, dass ein Beamter zum Zeitpunkt seiner Einstellung (aufgrund eines in dieser Weise fingierten Stufenaufstiegs) bereits das Grundgehalt einer höheren Erfahrungsstufe erhalten kann als derjenigen, für die erstmals ein Grundgehaltssatz ausgewiesen ist; jedenfalls aber steigt ein Beamter bei Anerkennung von Erfahrungszeiten früher in die nächsthöhere Erfahrungsstufe auf als ein Beamter, bei dem keinerlei Erfahrungszeit zu berücksichtigen ist (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12.9.2023 - 5 LC 156/20 -, juris Rn. 43).
Mit diesen Bestimmungen ist gewährleistet, dass maßgeblicher Anknüpfungspunkt für die Besoldung nicht mehr das Lebensalter, sondern die berufliche Erfahrung des Beamten ist. Dabei wird zunehmende Berufserfahrung durch das neue niedersächsische Erfahrungsstufensystem honoriert. Angesichts des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers hinsichtlich der Struktur und Höhe der Besoldung bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die konkrete Ausgestaltung (Stufenabstände, unterschiedliche Stufenzahlen je Besoldungsgruppe) des niedersächsischen Erfahrungsstufensystems (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28.9.2022 - 5 LC 208/17 -, juris; bestätigt durch BVerwG, Beschluss vom 27.7.2023 - BVerwG 2 B 47.22 -, juris Rn. 10 ff.).
Zwar haben die vorgenannten Regelungen des § 25 NBesG primär Stufenzuordnungen ab dem 1. Januar 2017 im Blick, wenn ab diesem Zeitpunkt Dienstverhältnisse begonnen haben. Sie sind jedoch aufgrund dessen, dass sie mit Wirkung vom 1. September 2011 rückwirkend in Kraft getreten sind, ebenso in Fällen von Bestandbeamten wie dem Kläger anwendbar, sofern sich nicht aus den Überleitungsregelungen in §§ 70 ff. NBesG etwas anderes ergibt (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12.9.2023 - 5 LC 156/20 -, juris Rn. 44 f.).
II. Der Kläger hat gemäß § 25 Abs. 1 NBesG einen Anspruch darauf, dass er hinsichtlich seiner Besoldung zum 1. September 2011 der Erfahrungsstufe 1 der Besoldungsgruppe A 6 zugeordnet und der Beginn der Laufzeit auf den 1. August 2011 festgesetzt wird.
Als Beamter der Besoldungsordnung A bestimmt sich das Grundgehalt des Klägers gemäß § 7 Abs. 1 NBesG zum einen nach der Besoldungsgruppe, der das ihm verliehene Amt zugeordnet ist - hier zunächst das Amt eines Steuersekretärs (Besoldungsgruppe A 6), ab 1. August 2015 das Amt eines Steuerobersekretärs (Besoldungsgruppe A 7) und seit dem 1. August 2018 das Amt eines Steuerhauptsekretärs (Besoldungsgruppe A 8) -, und zum anderen nach der Erfahrungsstufe, der er zugeordnet ist.
Seine Zuordnung zu einer Erfahrungsstufe richtet sich gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 NBesG nach der Dauer seiner dienstlichen Erfahrung (Erfahrungszeit). Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 NBesG ist ein Beamter wie der Kläger zu Beginn des Beamtenverhältnisses mit einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren der 1. Erfahrungsstufe zugeordnet, in der für seine Besoldungsgruppe in Anlage 5 ein Grundgehaltssatz ausgewiesen ist, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt. Wie bereits ausgeführt, sind diese Regelungen des § 25 Abs. 1 NBesG aufgrund ihrer rückwirkenden Inkraftsetzung durch den Niedersächsischen Gesetzgeber seit dem 1. September 2011 anwendbar. Das Beamtenverhältnis des Klägers mit dem Land Niedersachsen, einem in § 1 Nr. 1 NBesG benannten Dienstherrn, hat am 1. August 2011 zu laufen begonnen. An diesem Tag wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Steuersekretär beim Finanzamt G. ernannt. Dieses ihm verliehene Amt eines Steuersekretärs ist gemäß Anlage 1 zu § 5 Abs. 3 NBesG der Besoldungsgruppe A 6 zugeordnet. In der hier maßgeblichen Zeit vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 gilt die Anlage 2 in der durch § 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG modifizierten Fassung (vgl. dazu Nds. OVG, Urteil vom 12.9.2023 - 5 LC 156/20 -, juris 45 ff.). In dieser modifizierten Fassung der Anlage 2 NBesG a. F. war für die Besoldungsgruppe A 6 ein Grundgehaltssatz bei der 1. Erfahrungsstufe ausgewiesen mit der Folge, dass der Kläger - entsprechend seines Klageantrags - hinsichtlich seiner Besoldung zum 1. September 2011 der Erfahrungsstufe 1 der Besoldungsgruppe A 6 zuzuordnen ist.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 NBesG beginnt die Ableistung der Erfahrungszeit mit dem ersten Tag des Monats, in dem das Beamtenverhältnis des Beamten mit einem der in § 1 genannten Dienstherren beginnt. Das Beamtenverhältnis des Klägers mit dem Land Niedersachsen hat mit seiner Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe am 1. August 2011 begonnen. Seit diesem Zeitpunkt hat die Ableistung der Erfahrungszeit in der 1. Erfahrungsstufe der Besoldungsgruppe A 6 begonnen mit der Folge, dass der Beginn der Laufzeit dieser 1. Stufe auf den 1. August 2011 festzusetzen ist. Die nachfolgenden Erfahrungsstufen und die in jeder Erfahrungsstufe vor dem Aufstieg in die nächsthöhere Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit des Klägers haben sich bis zum 31. Dezember 2016 nach der modifizierten Anlage 2 gerichtet und richten sich seit dem 1. Januar 2017 nach der Anlage 5.
III. Etwas anderes ergibt sich für den vorliegenden Fall nicht aus den Überleitungsregelungen in §§ 70 ff. NBesG.
Aus dem Regelungszusammenhang der durch Art. 1 und 20 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 zum 1. September 2011 rückwirkend in Kraft getretenen Regelungen der §§ 7 Abs. 1, 25, 71 bis 73 NBesG ist zu schließen, dass der Niedersächsische Gesetzgeber mit der Einführung des Erfahrungsstufensystems bei der Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A geregelt hat, dass diesen stets eine Erfahrungsstufe zuzuordnen ist. Während grundsätzlich in § 25 NBesG eine solche Zuordnung bei Neueinstellungen seit dem 1. Januar 2017, aber auch rückwirkend zum 1. September 2011, geregelt ist, sind in § 72 Abs. 1 und 2 NBesG Sonderregelungen für die Zuordnung von Bestandsbeamten zu den Erfahrungsstufen normiert.
Die Sonderregelungen für Bestandsbeamte in § 72 Abs. 1 und 2 NBesG sind vorliegend nicht einschlägig mit der Folge, dass sich die Erfahrungsstufen des Kläger - wie unter II. dargelegt - nach der Grundregelung des § 25 Abs. 1 NBesG bestimmen.
Ein Anwendungsfall des § 72 Abs. 2 NBesG liegt erkennbar nicht vor, denn diese Regelung betrifft allein Beamte der Besoldungsordnungen A und C sowie Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2, für die im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 ein Beamten- oder Richterverhältnis zu einem der in § 1 genannten Dienstherren begann. Das Beamtenverhältnis des Klägers hat bereits zuvor, nämlich mit seiner Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe und Ernennung zum Steuersekretär am 1. August 2011 begonnen.
Nach § 72 Abs. 1 NBesG sind Beamte der Besoldungsordnungen A und C sowie Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2, die am 31. August 2011 und darüber hinaus in einem Beamten- oder Richterverhältnis zu einem der in § 1 genannten Dienstherren standen, mit Wirkung vom 1. September 2011 der Erfahrungsstufe neu zugeordnet, die der Stufe entspricht, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht am 1. September 2011 zugeordnet waren. Der Kläger gehört zwar zu der von § 72 Abs. 1 NBesG erfassten Personengruppe, denn er stand als Beamter der Besoldungsgruppe A 6 am 31. August 2011 und darüber hinaus in einem Beamtenverhältnis zum Land Niedersachsen. Weitere Voraussetzung des § 72 Abs. 1 NBesG ist indes, dass diese Bestandsbeamten am 1. September 2011 nach dem bis dahin geltenden Besoldungsrecht einer "Stufe" zugeordnet waren. Daran fehlt es hier.
Nach § 28 Abs. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes in der am 31. August 2006 geltenden Fassung (BBesG a. F.), der auch nach der sogenannten Föderalismusreform zunächst weiter anwendbar war (vgl. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 [BGBl I S. 2034]) in Niedersachsen gemäß § 1 Abs. 1, 3 NBesG a. F.), begann das Besoldungsdienstalter am Ersten des Monats, in dem der Beamte das 21. Lebensjahr vollendet hatte, zu laufen. Beamte, die das 21. Lebensjahr - wie der Kläger - noch nicht vollendet hatten, befanden sich noch nicht in einer Besoldungsdienstaltersstufe. Sie bezogen deshalb lediglich gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BBesG a. F. das Anfangsgrundgehalt ihrer jeweiligen Besoldungsgruppe. Die Festsetzung einer "Grundgehaltsstufe" erfolgte dabei nicht. Entsprechend § 27 Abs. 1 Satz 3 BBesG a. F. bezog der Kläger im Zeitraum vom 1. August 2011 (Beginn des Beamtenverhältnisses) bis zum 31. Mai 2014 das Grundgehalt aus der 1. Stufe der Besoldungsgruppe A 6. Die OFD Niedersachsen setzte mit Bescheid vom 28. Juli 2011 das Besoldungsdienstalter des Klägers gemäß § 28 Abs. 1 BBesG a. F. auf den 1. Juni 2014 fest, also auf den Monat, in dem der am ... 1993 geborene Kläger das 21. Lebensjahr vollendet hat. Zum maßgeblichen Stichtag, dem 1. September 2011, war der Kläger demnach keiner Stufe nach dem bis dahin geltenden Recht zugeordnet worden. Diese nach dem eindeutigen Wortlaut des § 72 Abs. 1 NBesG erforderliche Voraussetzung liegt nicht vor.
Ferner scheidet eine analoge Anwendung des § 72 Abs. 1 NBesG dahingehend, dass auch für Beamte, für die - wie für den Kläger - erst nach dem Stichtag 1. September 2011 für den Monat der Vollendung ihres 21. Lebensjahres das Besoldungsdienstalter gemäß § 28 Abs. 1 BBesG a. F. festgesetzt worden ist, "alles beim Alten" bleibt, in dem Sinne, dass die 1. Erfahrungsstufe erst seit diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen hat, aus.
Die analoge Anwendung der von einer Norm angeordneten Rechtsfolge auf Sachverhalte, die dieser Norm nicht unterfallen, setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Der Anwendungsbereich der Norm muss wegen eines versehentlichen, mit dem Normzweck unvereinbaren Regelungsversäumnisses des Normgebers unvollständig sein. Eine derartige Lücke darf von den Gerichten im Wege der Analogie geschlossen werden, wenn sich aufgrund der gesamten Umstände feststellen lässt, dass der Normgeber die von ihm angeordnete Rechtsfolge auch auf den nicht erfassten Sachverhalt erstreckt hätte, wenn er diesen bedacht hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2014 - BVerwG 2 C 2.13 -, juris Rn. 17 m. w. N.). Im Regelungsbereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts sind einer analogen Anwendung aber enge Grenzen gesetzt. Nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG) unterliegen Besoldungsleistungen dem Vorbehalt des Gesetzes. Sie dürfen grundsätzlich nur zugesprochen werden, wenn und soweit sie gesetzlich vorgesehen sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2014 - BVerwG 2 C 2.13 -, juris Rn. 18; BVerwG, Beschluss vom 22.6.2023 - BVerwG 2 C 4.22 -, juris Rn. 32 sowie § 3 Abs. 1 NBesG und § 2 Abs. 1 BBesG). Die Erweiterung des Anwendungsbereichs besoldungsrechtlicher Normen im Wege der Analogie kommt nur in Betracht, wenn der erkennbare Wille des Gesetzgebers in den gesetzlichen Vorschriften nur unvollkommen Ausdruck gefunden hat, wie etwa im Falle eines Redaktionsversehens (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.3.2014 - BVerwG 2 C 2.13 -, juris Rn 23).
Ausgehend hiervon steht der von dem Beklagten sinngemäß begehrten analogen Anwendung des § 72 Abs. 1 NBesG dahingehend, dass den Beamten, die am 1. September 2011 (weiterhin) in einem Beamtenverhältnis standen, aber - wie der Kläger - keine 21 Jahre alt waren, erst ab dem späteren Zeitpunkt der Festsetzung des Besoldungsdienstalters (= Erster des Monats der Vollendung des 21. Lebensjahres) eine entsprechende Erfahrungsstufe zuzuordnen ist, der in den Gesetzgebungsmaterialien unmissverständlich zum Ausdruck gebrachte Wille des Niedersächsischen Gesetzgebers und dessen Umsetzung in § 25 Abs. 1 NBesG entgegen.
Der Gesetzgeber hat bei der Schaffung des neuen niedersächsischen Erfahrungsstufensystems vor allem beabsichtigt, rückwirkend zum 1. September 2011 ein diskriminierungsfreies Erfahrungsstufensystem für alle Beamten der Besoldungsordnungen A und C, Richter und Staatsanwälte einzuführen. Zugleich war Intention des Gesetzgebers, bei der Schaffung der Überleitungsvorschriften in §§ 70 ff. NBesG für Bestandsbeamte den bisherigen Besitzstand zu wahren (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 113 ff.; siehe auch Nds. OVG, Urteil vom 28.9.2022 - 5 LC 208/17 -, juris Rn. 125 ff.). Im Falle einer analogen Anwendung des § 72 Abs. 1 NBesG dahin gehend, dass für Beamte, die am 1. September 2011 (weiterhin) in einem Beamtenverhältnis standen, aber keine 21 Jahre alt waren, erst ab dem späteren Zeitpunkt der Festsetzung des Besoldungsdienstalters (= Erster des Monats der Vollendung des 21. Lebensjahres) eine entsprechende Erfahrungsstufe zuzuordnen ist, wäre für solche Beamte entgegen des Willens des Niedersächsischen Gesetzgebers weder eine Erfahrungsstufe für die Zeit zwischen Inkrafttreten dieser gesetzlichen Regelung am 1. September 2011 und dem Monat vor Vollendung des 21. Lebensjahres festgesetzt worden noch würde ihr Besitzstand hinsichtlich ihres Anspruchs auf Besoldung im vorgenannten Zeitraum gewahrt. Im Falle des Klägers hätte dies zur Folge, dass er erst ab dem 1. Juni 2014 der 1. Erfahrungsstufe seiner damaligen Besoldungsgruppe A 6 (neu) zugeordnet worden wäre und deshalb im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Mai 2014 mangels einer Zuordnung zu einer Erfahrungsstufe letztlich keinen Anspruch auf Besoldung hätte. Ein solches Ergebnis stünde im Widerspruch zur Intention des Niedersächsischen Gesetzgebers.
Abgesehen davon fehlt es vorliegend bereits an einer Regelungslücke, so dass schon deshalb eine analoge Anwendung des § 72 Abs. 1 NBesG ausscheidet. Wie oben dargelegt, handelt es sich bei den Überleitungsvorschriften in §§ 70 ff. NBesG um von § 25 NBesG abweichende Sondervorschriften. Kommen diese aufgrund ihres eindeutigen Wortlautes - wie hier § 72 Abs. 1 NBesG für Beamte ohne "Stufe" am 1. September 2011 - nicht zur Anwendung, besteht keine Regelungslücke, sondern es ist auf die Grundnorm in § 25 Abs. 1 NBesG zurückzugreifen. Wie unter II. ausgeführt, hat der Kläger gemäß § 25 Abs. 1 NBesG einen Anspruch darauf, ihn hinsichtlich seiner Besoldung nach der Besoldungsgruppe A 6 zum 1. September 2011 der Erfahrungsstufe 1 zuzuordnen und den Beginn der Laufzeit dieser Erfahrungsstufe auf den 1. August 2011 festzusetzen.
IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG, § 127 BRRG liegen nicht vor. Insbesondere ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ersichtlich. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist (BVerwG, Beschluss vom 13.1.2021 - BVerwG 2 B 21.20 -, juris Rn. 14). Die Frage, ob die Regelung in § 72 Abs. 1 NBesG auf Beamte, die zum maßgeblichen Stichtag "1. September 2011" aufgrund dessen, dass sie das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, noch keiner Beamtendienstaltersstufe zugeordnet waren, analog anzuwenden oder für solche Beamte auf die Grundregelung in § 25 Abs. 1 NBesG, die rückwirkend zum 1. September 2011 in Kraft trat, abzustellen ist, betrifft bereits nur Übergangsrecht, hat also nur eine vorübergehende Bedeutung. Der Senat kann nicht feststellen, dass diese Übergangsproblematik eine Vielzahl von Beamten betrifft, denn dies ist von den Beteiligten weder vorgetragen noch sonst ersichtlich (vgl. auch Nds. OVG, Urteile vom 12.9.2023 - u. a. 5 LC 156/20 -, juris Rn. 76).