Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.11.2023, Az.: 7 ME 87/23

Firmenjubiläum; herausragendes Ereignis; Sonntagsöffnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.11.2023
Aktenzeichen
7 ME 87/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 41790
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1109.7ME87.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 03.11.2023 - AZ: 1 B 95/23

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Zur Frage, ob ein 25-jähriges Firmenjubiläum ein herausragendes Ereignis im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 NLöffVZG darstellt.

  2. 2.

    Befinden sich mehrere Verkaufsstellen innerhalb desselben Gebäudes und sind baulich nicht derart voneinander getrennt, dass ein Kundenzugang ohne größeren Aufwand auf nur diejenige Verkaufsstelle beschränkt werden kann, für die die Zulassung einer Sonntagsöffnung gemäß § 5 Abs. 4 Satz 1 NLöffVZG möglich ist, gestattet dies nicht eine Erstreckung der Sonntagsöffnung auf die übrigen im Gebäude befindlichen Verkaufsstellen.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 1. Kammer - vom 3. November 2023 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück vom 3. November 2023, mit dem dieses dem Antrag der Antragstellerin, einer Dienstleistungsgewerkschaft, auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Zulassung einer Sonntagsöffnung gemäß § 5 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten (NLöffVZG) entsprochen hat. Die Zulassung war von der Beigeladenen vor dem Hintergrund deren 25-jährigen Firmenjubiläums beantragt worden. Sie umfasst eine Zulassung der Öffnung nicht nur der Verkaufsstelle der Beigeladenen - des "G." in der H.straße in I. -, sondern darüber hinaus auch der zwei weiteren in dem gleichen Gebäude ansässigen Verkaufsstellen, des Modehauses J. und des Schuhhauses K.. Hintergrund ist, dass die drei Verkaufsstellen nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragsgegnerin nur über einen gemeinsamen Zugang erreichbar sind und eine bauliche Trennung der Verkaufsstellen innerhalb des Gebäudes - die Verkaufsstelle der Beigeladenen befindet sich im ersten Obergeschoss - nicht besteht.

II.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen die Zulassung der Antragsgegnerin vom 4. September 2023, für sofort vollziehbar erklärt und berichtigt durch Bescheid vom 12. Oktober 2023, zu Recht wiederhergestellt. Das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Senat - hinsichtlich der gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sprechenden Gründe (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.11.2004 - 8 S 1870/04 -, NVwZ-RR 2006, 75 [VGH Baden-Württemberg 25.11.2004 - 8 S 1870/04]) - nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gebietet es nicht, den angefochtenen Beschluss zu ändern.

1. Mit der Antragsgegnerin geht der Senat zwar davon aus, dass die vom Verwaltungsgericht in nicht zu beanstandender Weise offengelassene Frage, ob ein 25-jähriges Firmenjubiläum einen herausragenden Anlass im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 NLöffVZG darstellt, voraussichtlich zu bejahen sein wird. Gegen die im Runderlass des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung zum Vollzug des NLöffVZG (MBl. 2021, 894) in Nr. 2.3 zum Ausdruck gebrachte gleichlautende Einschätzung ist nichts zu erinnern; insbesondere lässt sich der Begründung des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Gesetzes über Ladenöffnungs- und Verkaufszeiten vom 15. Mai 2019 (GVBl. S. 80) kein entgegenstehender gesetzgeberischer Wille daraus entnehmen, dass neben 50-, 75-, und 100-jährigen Jubiläen nicht auch 25-jährige Jubiläen Erwähnung finden (LT-Drs. 18/2461, S. 10). Die Aufzählung ist exemplarisch und erhebt nicht den Anspruch, abschließend zu sein. Gleiches gilt für die von der Antragstellerin zitierte Passage des Beschlusses des Senats vom 29. Dezember 2021 (7 ME 194/21, juris).

Der Antragstellerin ist zwar zuzugeben, dass eine Sonntagsöffnung gemäß § 5 Abs. 4 NLöffVZG aufgrund des erforderlichen Vorliegens eines "herausragenden Ereignisses" nur unter im Vergleich zu § 5 Abs. 1 NLöffVZG, der das Bestehen eines "besonderen Anlasses" voraussetzt, qualifizierten Anforderungen möglich ist. Diese hält der Senat allerdings - anders als die Antragstellerin - im Falle eines 25-jährigen Firmenjubiläums für erfüllt und geht nicht davon aus, dass ein solches mit einer Häufigkeit zu erwarten ist, die ihm den "herausragenden" Charakter nimmt. Die Ausführungen der Antragstellerin dazu, dass der Gesetzgeber auch durch die Unterscheidung zwischen einem Anlass (§ 5 Abs. 1 NLöffVZG) und einem Ereignis (§ 5 Abs. 4 NLöffVZG) eine Qualifizierung für eine Sonntagsöffnung nach § 5 Abs. 4 NLöffVZG habe regeln wollen, vermag der Senat nicht nachzuvollziehen.

2. Zutreffend verneint das Verwaltungsgericht jedoch das Vorliegen eines herausragenden Ereignisses im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 NLöffVZG für die Verkaufsstellen des Modehauses J. und des Schuhhauses K.. Eine wie auch immer geartete Erstreckungswirkung des für die Verkaufsstelle der Beigeladenen vorliegenden herausragenden Ereignisses auf die zwei weiteren Verkaufsstellen im Gebäude besteht nicht. Der Senat verweist insoweit auf den angegriffenen Beschluss und macht sich diesen zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Entgegen der Beschwerde lässt die bauliche Situation - das Fehlen gesonderter Zugänge zu den einzelnen Verkaufsstellen - eine die zwei weiteren Verkaufsstellen einbeziehende Zulassung nicht unter Ermessensgesichtspunkten zu oder gebietet eine solche gar. Unbeschadet des Umstandes, dass mangels Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Ermessensspielraum für die Antragsgegnerin nicht eröffnet ist, verhält es sich nicht so, dass es der Beigeladenen tatsächlich unmöglich gemacht würde, für (nur) ihre Verkaufsstelle eine Sonntagsöffnung auf Grundlage von § 5 Abs. 4 NLÖffVZG durchzuführen. Denkbar wäre insbesondere, Kunden durch Absperrbänder oder -gitter und/oder Sicherheitspersonal am Betreten der weiteren - geschlossenen - Verkaufsstellen zu hindern. Dass die Beigeladene ein solches Vorgehen für unwirtschaftlich hält, berührt nicht die grundsätzliche Möglichkeit einer nur auf ihre Verkaufsstelle bezogenen Sonntagsöffnung. Letztlich kann dies allerdings dahinstehen: Ergeben sich aus der (Wahl der) Lage der konkreten Verkaufsstelle Härten für deren Betrieb, erwächst hieraus nicht ohne Weiteres ein Anspruch auf ein behördliches Handeln oder - bezogen auf die vorliegende prozessuale Situation - die Möglichkeit eines behördlichen Handelns zugunsten des Verkaufsstellenbetreibers, durch das die Realisierung solcher Härten vermieden wird.

Soweit die Beschwerde meint, die Rechte der Antragstellerin würden durch die in Rede stehende Zulassung äußerst selten und zudem nur geringfügig betroffen, da die Öffnung "ein einmaliges Ereignis in 25 Jahren" sei, ist dem entgegenzutreten. Abgesehen davon, dass dieser Gesichtspunkt aus den vorgenannten Gründen keine Berücksichtigung finden kann, ist er unzutreffend: Im vorliegenden Falle wäre bei drei Verkaufsstellen und einer Sonntagsöffnung anlässlich eines 25-jährigen Firmenjubiläums eine Sonntagsöffnung rechnerisch in Abständen von etwas mehr als acht Jahren möglich. Mit zunehmender Anzahl an Verkaufsstellen verkürzten sich nicht nur die rechnerischen Abstände der Öffnungen, sondern es könnte - da Firmenjubiläen naturgemäß vom Zeitpunkt der Firmengründung abhängen und Jubiläen verschiedener Firmen daher untereinander kein zeitliches Abhängigkeitsverhältnis aufweisen - gar dazu kommen, dass innerhalb eines Gebäudes und innerhalb eines Jahres eine Anzahl von Sonntagsöffnungen durchgeführt wird, die der Anzahl der dort untergebrachten Verkaufsstellen entspricht.

3. An der Erfüllung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 1 NLöffVZG fehlt es darüber hinaus, wie die Antragstellerin mit Recht rügt, auch deshalb, weil die Beigeladene mit Blick auf die zwei weiteren im Gebäude befindlichen Verkaufsstellen nicht antragsbefugt ist: Nach der Norm kann die Behörde "auf Antrag einer Verkaufsstelle zulassen, dass diese" (Hervorhebung durch den Senat) an einem Sonntag öffnen kann. Soweit die Zulassung sich auf das Modehaus J. und das Schuhhaus K. bezieht, liegt mithin auch ein Verstoß gegen § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG i.V.m. § 1 NVwVfG vor.

4. Eine teilweise - nur auf die Verkaufsstelle der Beigeladenen - bezogene Abänderung des angegriffenen Beschlusses ist nicht auszusprechen. Die Antragsgegnerin hat trotz der in diese Richtung gehenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts mit der Beschwerde ein entsprechendes Interesse nicht geäußert. Vor diesem Hintergrund ist eine Modifikation der im Ermessen der Antragsgegnerin stehenden Zulassungsentscheidung, zu der eine teilweise Änderung des Beschlusses faktisch führen würde, nicht angezeigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, weil sie dem Begehren der Antragstellerin und dem Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht entgegengetreten ist und sich einem Kostenrisiko daher nicht ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung gründet auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11) und der Annahme, dass durch das vorliegende Verfahren die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen wird.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).