Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.11.2023, Az.: 4 LA 163/21

FFH-Gebiet; FFH-Verträglichkeitsprüfung; FFH-Vorprüfung; Screening; Verträglichkeitsprüfung; Voraussetzungen einer Pflicht zur Durchführung einer FFH; Verträglichkeitsprüfung i.S.d. § 34 Abs. 1 BNatSchG; inhaltliche Anforderungen an die FFH

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
10.11.2023
Aktenzeichen
4 LA 163/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 42468
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1110.4LA163.21.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 15.06.2021 - AZ: 3 A 135/19

Fundstellen

  • DÖV 2024, 205
  • NordÖR 2024, 81-87
  • NuR 2024, 61-65

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Bei Zugrundlegung des weiten, wirkungsbezogenen Begriffsverständnisses liegt ein Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG bzw. des Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) dann vor, wenn die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass die eingreifende Tätigkeit - einzeln oder in Zusammenwirken mit anderen Plänen und Projekten - das betreffende Natura-2000-Gebiet erheblich beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips ist der notwendige Grad der Wahrscheinlichkeit dann erreicht, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass das jeweilige Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 - C-418/04 -, juris Rn. 226; Urt. v. 7.9.2004 - C-127/02 -, juris Rn. 45).

  2. 2.

    Eine Einordnung einer bereits seit langem ausgeübten Tätigkeit als ein- und dasselber Projekt i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie mit der Folge, dass für dieses Projekt keine erneute Verträglichkeitsprüfung erforderlich ist, kommt nur dann in Betracht, wenn es sich um die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit handelt und insbesondere die Orte und Umstände der Ausführung dieselben bleiben (vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.2018 - C-293/17 u.a. -, juris Rn. 83; Urt. v. 14.1.2010 - C-226/08 -, juris Rn. 47).

  3. 3.

    Ob ein Projekt aufgrund einer geringen Flächeninanspruchnahme etwa von Lebensraumtypflächen als nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets führend angesehen werden kann, kann regelmäßig nicht bereits in der lediglich summarisch vorzunehmenden Vorprüfung ("Screening"), sondern vielmehr erst im Rahmen der eigentlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung beurteilt werden.

  4. 4.

    Im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung ist nach einer sorgfältigen Bestandserfassung und -bewertung der für die Erreichung der Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets gemäß dem Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" eine dem vorgenannten Standard entsprechende Erfassung und Bewertung projektbedingter Auswirkungen auf die maßgeblichen Gebietsbestandteile durchzuführen (vgl. nur BVerwG, Urt. v. 6.4.2017 - 4 A 16.16 -, juris Rn. 34 m.w.N.). Dabei kann es sich um bau-, anlage- und betriebsbedingte Wirkungen handeln, die von Einfluss auf die maßgeblichen Bestandteile sein können. Neben direkten Flächenverlusten durch Überbauung oder Versiegelung ist dabei etwa auch an Veränderungen der Wasserverhältnisse, an Barrierewirkungen und Individuenverluste bzw. an die Vergrämung geschützter Arten zu denken.

Tenor:

Auf den Antrag des Beklagten wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 3. Kammer - vom 15. Juni 2021 zugelassen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Gründe

I.

Der Beklagte hat mit Verordnung vom 18. Juni 2018 den in der Stadt E-Stadt gelegenen Darnsee mitsamt angrenzender Ufer- und Waldbereiche zum Naturschutzgebiet "Darnsee" erklärt und zugleich mit dem Inkrafttreten der Verordnung am 1. Juli 2018 das Außerkrafttreten einer vorherigen Naturschutzgebietsverordnung aus dem Jahr 1937 angeordnet. Die Unterschutzstellung dient dem Schutz des FFH-Gebiets Nr. 318 "Darnsee", welches mit dem ausgewiesenen Naturschutzgebiet flächengleich ist.

Die für das Naturschutzgebiet geltenden Verbote finden sich in § 3 der NSG-VO. Unter anderem ist es danach verboten, wild lebenden Tieren und deren Entwicklungsstadien nachzustellen, sie zu stören, zu beunruhigen, zu fangen oder zu töten (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 NSG-VO). Weiter ist es verboten, Pflanzen zu beschädigen, auszureißen, auszugraben oder Teile davon abzupflücken, abzuschneiden oder abzureißen (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 NSG-VO). Zudem darf gemäß § 3 Abs. 2 NSG-VO das Naturschutzgebiet außerhalb der Wege nicht betreten oder auf sonstige Weise aufgesucht werden, wobei Rückegassen und Trampelpfade nicht als Wege gelten. In § 4 der NSG-VO werden eine Reihe von Freistellungen zu diesen Verboten geregelt, unter anderem gemäß § 4 Abs. 5 NSG-VO hinsichtlich der fischereilichen Nutzung des Gewässers. Im Wesentlichen ist hiernach die fischereiliche Nutzung auf das Angeln in einem in der Verordnungskarte dargestellten Bereich am nord-ost-südlichen Ufer des Darnsees beschränkt; dort darf vom Ufer bzw. von sieben vorhandenen Stegen aus geangelt werden. In diesem Bereich können mit Zustimmung der Naturschutzbehörde auch bis zu fünf Stege neu errichtet und fischereilich genutzt werden (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 NSG-VO). Zusätzlich ist das Angeln von fünf in der Verordnungskarte aus dargestellten Stellen aus zulässig, die sich am Westufer des Sees befinden (vgl. § 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 NSG-VO). Gemäß § 4 Abs. 5 Satz 3 NSG-VO kann die Naturschutzbehörde weitere Ausnahmen zulassen, sofern dies nicht dem Schutzzweck der Verordnung zuwiderläuft.

Mit am 20. Dezember 2018 erteilter mündlicher Zustimmung erlaubte der Beklagte dem Beigeladenen die Errichtung von Angelstegen sowie von zu diesen führenden Brücken am Westufer des Darnsees. Der Umfang der erlaubten Baumaßnahmen ist einer im Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenen Karte zu entnehmen.

Nachdem der Kläger am 16. Februar 2019 den Beginn der durch den Beigeladenen ausgeführten Baumaßnahmen bemerkte, legte er Widerspruch gegen die mündlich erteilte Zustimmung des Beklagten ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. August 2019 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Auf die vom Kläger hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 15. Juni 2021 - - die mündliche Zustimmung des Beklagten vom 20. Dezember 2018 zur fischereilichen Nutzung unter Neubau von Brücken und Stegen innerhalb des Naturschutzgebiets Darnsee in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2019 aufgehoben. Darüber hinaus hat es auf den entsprechenden Antrag des Klägers hin den Beklagten verpflichtet, dem Beigeladenen gegenüber die Beseitigung der aufgrund der Zustimmung errichteten Brücken und Stege gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG anzuordnen. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass wegen der durch die angefochtene Genehmigung zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensraumtypen 91D0* (Moorwälder) und 7210 (Sümpfe und Röhrichte mit Schneide) eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich gewesen sei, an der es jedoch fehle. Bei der genehmigten Errichtung bzw. Erneuerung der Steganlagen mitsamt der Schaffung einer neuen Wegeverbindung sowie einzelner Brückenverbindungen handele es sich um ein Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 BNatSchG. Dieses könne nicht als Fortsetzung des "Dauerprojekts" "Angeln am Darnsee" angesehen werden. Dass das Projekt geeignet sei, die Bagatellschwelle überschreitende erhebliche Beeinträchtigungen der Lebensraumtypen 91D0* und 7210 hervorzurufen, folge bereits aus der Begründung zur NSG-VO, in der explizit auf die Notwendigkeit einer vollständigen Beruhigung des Westufers durch eine Betretensregelung hingewiesen werde, da bereits erhebliche Schäden an der Vegetation durch das Betreten festgestellt worden seien. Der Beklagte habe eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erst nach Zulassung des Vorhabens im Widerspruchsbescheid vorgenommen und habe den Kläger hierbei nicht beteiligt. Unabhängig davon genüge die Prüfung ersichtlich nicht den Dokumentationsanforderungen sowie den übrigen Anforderungen an die Ermittlung und Bewertung der Auswirkungen. Eine fehlende Beeinträchtigung des FFH-Gebiets könne auch nicht mit einer insgesamt verbesserten Eingriffsbilanz aufgrund des Abbaus bereits bestehender Stege und Wegeverbindungen begründet werden. Kompensations- bzw. Ausgleichsmaßnahmen seien im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht zu berücksichtigen. Für die Erteilung einer Abweichungsgenehmigung (§ 34 Abs. 3 BNatSchG) sei mangels zwingender Gründe des Allgemeinwohls bzw. angesichts zumutbarer Alternativen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen, kein Raum. Die streitgegenständliche Genehmigung verstoße auch gegen die Verbote der NSG-VO. Zwar befänden sich die nun geplanten bzw. teilweise schon errichteten Stege an den in der Verordnungskarte ausgewiesenen Stellen i.S.d. § 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 NSG-VO. Zulässig sei dort nach dem eindeutigen Wortlaut jedoch nur das Angeln, nicht aber die Errichtung baulicher Anlagen wie der Stege, geschweige denn von Brückenverbindungen und einem Zugangstor. Die Zulassung einer weiteren Ausnahme nach § 4 Abs. 5 Satz 3 NSG-VO komme nicht in Betracht, da die Zulässigkeit von Steganlagen sowie die Nutzung des Westufers zu Angelzwecken bereits abschließend in § 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 und 3 NSG-VO geregelt seien. Eine Umdeutung der Genehmigung in eine Befreiung von den Verboten der NSG-VO komme ebenfalls nicht in Betracht. Eine Befreiung zur Realisierung von Plänen und Projekten komme nach § 5 Abs. 2 NSG-VO nur nach einer den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden FFH-Verträglichkeitsprüfung in Betracht. Eine Nachholung bzw. Ergänzung der FFH-Verträglichkeitsprüfung im Wege eines ergänzenden Verfahrens und damit eine mögliche Heilung nach § 7 Abs. 4 UmwRG sei ausgeschlossen, da das FFH-Gebiet wie ausgeführt erhebliche Beeinträchtigungen durch das Vorhaben erfahre und das Westufer des Sees auch ausweislich der Einschätzung des Beklagten von der Errichtung und Nutzung von Steganlagen freigehalten werden solle. Der Kläger habe auch einen Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten, dem Beigeladenen gegenüber gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG die Beseitigung der aufgrund der Zustimmung errichteten Brücken und Stege anzuordnen. Das Ermessen zum Einschreiten sei angesichts des Ausmaßes der Beeinträchtigung des ausweislich der Verordnungsbegründung besonders geschützten Westufers auf null reduziert, weshalb der Beklagte zum Einschreiten verpflichtet sei. Eine bloße Nutzungsuntersagung als milderes Mittel komme schon deshalb nicht in Betracht, weil durch die Verordnung die Errichtung von Steganlagen am Westufer des Sees ausgeschlossen sei.

Hiergegen richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung des Beklagten.

II.

Der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts Osnabrück bestehen.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.7.2021 - 1 BvR 2237/14, 1 BvR 2422/17 -, juris Rn. 230 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9; Senatsbeschl. v. 10.2.2014 - 4 LA 217/12 -, juris Rn. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1. Soweit das Verwaltungsgericht zunächst festgestellt hat, bei der mit der Zustimmung vom 20. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2019 genehmigten Errichtung und teilweisen Erneuerung von Steganlagen am Westufer des Darnsees mitsamt Schaffung einzelner Brückenverbindungen handele es sich um ein Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 BNatSchG, für welches eine FFH-Verträglichkeitsprüfung nach dieser Vorschrift durchzuführen gewesen sei, ist dies entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu beanstanden.

Gegenstand der mündlich erteilten Zustimmung des Beklagten vom 20. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2019 ist die "fischereiliche Nutzung unter Neubau von Brücken und Stegen" am Westufer des Darnsees durch den Beigeladenen. Gemäß der im Verwaltungsvorgang des Beklagten enthaltenen Karte (Bl. 11a des Verwaltungsvorgangs), die auch dem Widerspruchsbescheid vom 30. August 2019 als Anlage 1 beigefügt worden ist, umfasst die Zustimmung in Einzelnen den Neubau von vier Angelstegen (an den Angelplätzen A1, A3, A4 und A5), die Instandsetzung eines weiteren Angelstegs (am Angelplatz A2), den Neubau einer Pontonbrücke (NB1) sowie die Instandsetzung von drei weiteren Brücken (IB1, IB2 und IB3). Hierdurch sollen zwei alleinige Zuwegungen (in der Karte als rote Linien eingezeichnet) zu den Angelstegen etabliert werden. Daneben sieht der Lageplan den Rückbau dreier alter Angelstege und zweier Brücken, den Rückbau von Bohlenwegen sowie den Verschluss einer früheren Zuwegung vor.

Bei den vorgesehenen Maßnahmen im Naturschutzgebiet "Darnsee" und somit innerhalb des FFH-Gebiets Nr. 318 "Darnsee" handelt es sich um ein Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 3 der Richtlinie 92/43/EWG (FFH-Richtlinie).

Zwar wird der Begriff des "Projekts" i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG weder im BNatSchG noch in der FFH-Richtlinie definiert. Zur Bestimmung des habitatschutzrechtlichen Projektbegriffs kann jedoch zunächst auf die Begriffsbestimmung eines "Projekts" im Sinne des Rechts der Umweltverträglichkeitsprüfung zurückgegriffen werden (vgl. EuGH, Urt. v. 14.1.2010 - C-226/08 -, juris Rn. 38; Urt. v. 7.9.2004 - C-127/02 -, juris Rn. 26). Nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2011/92/EU (UVP-Richtlinie) sind als Projekte die Errichtung von baulichen oder sonstigen Arten bzw. sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft, einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen, anzusehen. Tätigkeiten, die unter diese Begriffsbestimmung fallen, sind daher auch als Projekte i.S.d. FFH-Richtlinie anzusehen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.11.2018 - C-293/17 u.a. -, juris Rn. 65 m.w.N.). Allerdings ist der habitatschutzrechtliche Projektbegriff nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs noch weiter gefasst und nicht vorhabenbezogen, sondern wirkungsbezogen zu verstehen (vgl. EuGH, Urt. v. 10.11.2022 - C-278/21 -, juris Rn. 34; Urt. v. 7.11.2018 - C-293/17 u.a. -, juris Rn. 66 ff.; BVerwG, Urt. v. 12.11.2014 - 4 C 34.13 -, juris Rn. 29; Senatsurt. v. 3.3.2015 - 4 LC 39/13 -, juris Rn. 75). Entscheidend für das Vorliegen eines Projekts i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG bzw. Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie ist es, ob die eingreifende Tätigkeit - einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Projekten und Plänen - ein Schutzgebiet erheblich beeinträchtigen kann, d. h. die Wahrscheinlichkeit oder die Gefahr besteht, dass dieser Plan oder dieses Projekt das betreffende Gebiet erheblich beeinträchtigt. Unter Berücksichtigung insbesondere des Vorsorgeprinzips ist der notwendige Grad der Wahrscheinlichkeit dann erreicht, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass der jeweilige Plan oder das jeweilige Projekt das fragliche Gebiet erheblich beeinträchtigt (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.2007 - C-418/04 - juris Rn. 226; Urt. v. 7.9.2004 - C-127/02 -, juris Rn. 45).

Hiervon ausgehend ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die mit dem Bescheid vom 20. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2019 genehmigte fischereiliche Nutzung am Westufer des Darnsees unter Errichtung neuer bzw. Instandsetzung bereits vorhandener Angelstege und Brücken mitsamt der Schaffung einer neuen Wegeverbindung im FFH-Gebiet Nr. 318 "Darnsee" als Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG anzusehen ist (vgl. Urteilsabdruck, S. 18 f.). Die genehmigte Maßnahme beinhaltet zunächst die Errichtung baulicher Anlagen. Zudem ging die Errichtung der Angelstege und Brücken mit sonstigen Eingriffen in Natur und Landschaft wie etwa dem Fällen einzelner Bäume einher (vgl. etwa Lichtbild auf Bl. 25 des Verwaltungsvorgangs). Von daher ist bereits der Projektbegriff nach Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der UVP-Richtlinie erfüllt. Soweit das Verwaltungsgericht darüber hinaus auch die mit der Maßnahme intendierte Schaffung einer neuen Wegeverbindung (vgl. hierzu erneut Karte auf Bl. 11a des Verwaltungsvorgangs) als Teil des Projekts i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG angesehen hat, ist dies vor dem Hintergrund des weiten, wirkungsbezogenen Projektbegriffs im Habitatschutzrecht ebenfalls nicht zu beanstanden, da bei der Nutzung der neuen Wegeverbindung jedenfalls eine Beeinträchtigung des dort vorhandenen prioritären Lebensraumtyps 91D0* "Moorwald" (vgl. zur Lage des Vorkommens der einzelnen Lebensraumtypen im FFH-Gebiet "Darnsee" Bl. 61-63 der Gerichtsakte), etwa durch Trittschäden, nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann. Als Teil des Projekts ist auch die beabsichtigte Ausübung des Angelns von den neu errichteten bzw. instandgesetzten Stegen aus zu sehen, da dieser Tätigkeit eine andere Qualität als die mit der Freistellungsregelung in § 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 NSG-VO allein erlaubte Angelnutzung von (Ufer-)Stellen aus zukommen kann.

Der Einwand des Beklagten, das Verwaltungsgericht verkenne den Projekt- und Vorhabenbegriff, vermag demgegenüber nicht zu verfangen. Der Beklagte meint insofern, die Errichtung der Angelstege auf der einen Seite und die Errichtung von Wegeverbindungen durch Brücken auf der anderen Seite seien nach der Rechtsprechung zum Vorhabenbegriff nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) als getrennte Vorhaben anzusehen, da die Maßnahmen unterschiedliche Ziele verfolgten und unabhängig voneinander verwirklicht werden könnten.

Mit seinem Vorbringen verkennt der Beklagte, dass der habitatschutzrechtliche Projektbegriff nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG gerade nicht mit dem Projekt- bzw. Vorhabenbegriff nach dem Recht der Umweltverträglichkeitsprüfung identisch ist. Vielmehr umfasst der habitatschutzrechtliche Projektbegriff, wie ausgeführt, zwar diejenigen Tätigkeiten, die als Projekte nach der UVP-Richtlinie anzusehen sind, geht im Übrigen aber aufgrund des nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof zugrunde zu legenden weiten Begriffsverständnisses hierüber hinaus und ist in erster Linie wirkungsbezogen und nicht vorhabenbezogen zu verstehen. Vor diesem Hintergrund spricht bereits die Tatsache, dass die fraglichen Baumaßnahmen (Neubau und Instandsetzung von Angelstegen, Neubau und Instandsetzung von Brücken, Etablierung neuer Zuwegungen und Rückbau alter Stege und Brücken) in einem einheitlichen behördlichen Akt genehmigt worden sind, dafür, sie als einheitliches Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG zu betrachten. Bei einer wirkungsbezogenen Betrachtungsweise ist zudem zu berücksichtigen, dass die genehmigte Gesamtmaßnahme in einem Bereich des FFH-Gebiets durchgeführt werden soll, in welchem der Lebensraumtyp 3150 "Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbissgesellschaften" bzw. der prioritären Lebensraumtyps 91D0* "Moorwald" vorhanden ist, so dass mögliche Beeinträchtigungen der auf diese Lebensraumtypen bezogenen Erhaltungsziele unter Berücksichtigung des Vorsorgeprinzips nicht von vornherein anhand objektiver Umstände auszuschließen sind. Zudem stehen sämtliche genehmigte Einzelmaßnahmen in einem engen funktionalen und zeitlichen Zusammenhang und dienen der Ermöglichung des Angels von Angelstegen aus am Westufer des Darnsees durch Mitglieder des Beigeladenen.

Soweit der Beklagte vorträgt, die weitere Gewährleistung bzw. Ertüchtigung der Wegeführung (einschließlich des Neubaus und der Instandsetzung von Brücken) sei aufgrund des vorhandenen Vertrauensschutzes keiner Prüfung nach § 34 BNatSchG zu unterziehen, vermag er hiermit die Projekteigenschaft der mit der Zustimmung vom 20. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2019 genehmigten Maßnahmen nicht in Frage zu stellen. Selbst wenn man entgegen den vorstehenden Ausführungen den Neubau und die Instandsetzung der Brücken mitsamt der Schaffung einer neuen Wegeführung als ein von der Errichtung der Angelstege getrenntes Projekt betrachten würde, käme unter diesem Gesichtspunkt eine Verneinung der Projekteigenschaft i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG nicht in Frage. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kommt eine Einordnung einer bereits seit langem ausgeübten Tätigkeit als ein- und dasselbe Projekt i.S.d. Art. 6 Abs. 3 FFH-Richtlinie mit der Folge, dass für diese Tätigkeit keine erneute Verträglichkeitsprüfung im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist, nur dann in Betracht, wenn es sich um die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit handelt und insbesondere die Orte und Umstände ihrer Ausführung dieselben bleiben (EuGH, Urt. v. 7.11.2018 - C-293/17 u.a. -, juris Rn. 83; Urt. v. 14.1.2010 - C-226/08 -, juris Rn. 47). Eine (erneute) FFH-Verträglichkeitsprüfung ist demgegenüber stets erforderlich, wenn eine Umgestaltung oder auch nur Modernisierung bzw. eine Kapazitätserhöhung erfolgt (EuGH, Urt. v. 29.7.2019 - C-411/17 -, juris Rn. 131 f.; Frenz, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 34 Rn. 36). So liegt der Fall hier aufgrund der Errichtung einer Pontonbrücke an einem gänzlich neuen Standort bzw. der "Instandsetzung" von bisher bereits vorhandenen Brücken, bei welcher es sich nach den vorliegenden Fotos eher um Ersatzneubauten handelt (vgl. Bl. 24 f. des Verwaltungsvorgangs) hier. Auch die intendierte Veränderung der Wegeführung führt dazu, dass jedenfalls die Orte und Umstände der bisherigen Wegenutzung nicht mehr dieselben bleiben.

Für das mit der mündlichen Zustimmung vom 20. Dezember 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2019 genehmigte Projekt ist gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG vor der Zulassung oder Durchführung eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen, da es zumindest als geeignet anzusehen ist, einzeln oder in Zusammenwirken mit anderen Projekten und Plänen das FFH-Gebiet erheblich zu beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung durch die Errichtung und Instandsetzung der Angelstege und Brücken sowie deren spätere Nutzung kann nämlich schon deshalb nicht als von vornherein offensichtlich ausgeschlossen angesehen werden, weil sich die fraglichen Anlagen und die von diesen aus geplante Angelnutzung - wie bereits ausgeführt - im Bereich des prioritären Lebensraumtyps 91D0* "Moorwald" bzw. im Uferbereich des in dem FFH-Gebiet vorhandenen Lebensraumtyps 3150 "Natürliche und naturnahe nährstoffreiche Stillgewässer mit Laichkraut- oder Froschbissgesellschaften" befinden.

Der Einwand des Beklagten, wonach Errichtung der Angelstege und Brücken nicht zu erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets führen könne, da sich die davon ausgelösten Flächenverluste hinsichtlich des Lebensraumtyps 91D0* (Moorwald) auf weniger als 50 qm beschränken würde, weshalb sie unterhalb einer insofern anzulegenden Bagatellschwelle einzuordnen seien und auch die Inanspruchnahme der Seefläche (Lebensraumtyp 3150) durch die Angelstege unterhalb der Bagatellgrenze liege, vermag dies die Erforderlichkeit der Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht in Frage zu stellen. Denn bei der Prüfung, ob ein Projekt i.S.d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG einzeln oder im Zusammenhang mit anderen Plänen und Projekten als geeignet anzusehen ist, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen, handelt es sich allein um eine Vorprüfung ("Screening") dahingehend, ob überhaupt eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen ist. Hiervon zu trennen ist die eigentliche FFH-Verträglichkeitsprüfung selbst, bei welcher gemäß § 34 Abs. 2 BNatSchG zu prüfen ist, ob ein Projekt tatsächlich zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann. Im Rahmen der Vorprüfung können lediglich solche Projekte von der Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung ausgenommen werden, bei denen von vornherein offensichtlich ist, dass es zu keinen erheblichen Beeinträchtigungen des FFH-Gebiets kommt (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 9 A 20.05 -, juris Rn. 60; Senatsurt. v. 3.3.2015 - 4 LC 39/13 -, juris Rn. 81). Bei Zweifeln in Bezug auf das Fehlen erheblicher Auswirkungen ist demgegenüber eine Verträglichkeitsprüfung durchzuführen (vgl. EuGH, Urt. v. 7.9.2004 - C-127/02 -, juris Rn. 44).

Ob ein Projekt aufgrund einer geringen Flächeninanspruchnahme etwa von Lebensraumtypflächen als nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines FFH-Gebiets führend angesehen werden kann, kann regelmäßig aber nicht bereits in der lediglich summarisch vorzunehmenden Vorprüfung, sondern vielmehr erst im Rahmen der eigentlichen FFH-Verträglichkeitsprüfung beurteilt werden (vgl. Frenz, in: Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 3. Aufl. 2021, § 34 Rn. 68). Im Rahmen dieser Prüfung ist zudem nicht allein der räumliche Umfang einer Flächeninspruchnahme auschlaggebend, sondern es sind auch weitere Faktoren wie etwa die Art der Beeinträchtigung, die konkrete Ausprägung der Wertigkeit der betroffenen Flächen, die Dauer, Intensität und der Zeitpunkt von Beeinträchtigungen sowie mögliche kumulative Auswirkungen mit anderen Einwirkungen sowie die Anfälligkeit der betroffenen Lebensräume und Arten zu betrachten (vgl. Vermerk der EU-Kommission, Natura 2000 - Gebietsmanagement, Die Vorgaben des Artikels 6 der Habitat-Richtlinie 92/43/EWG vom 21.11.2018, S. 49). Ein offensichtlicher Fall, in dem bereits im Rahmen einer überschlägigen Beurteilung in der Vorprüfung eine erhebliche Beeinträchtigung der betroffenen Lebensraumtypen und Arten in dem FFH-Gebiet Nr. 318 "Darnsee" als ausgeschlossen angesehen werden kann, liegt hier jedoch nicht vor.

2. Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass die vom Beklagten im Rahmen des Widerspruchsbescheids vom 30. August 2018 (nach Zulassung des Projekts) durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung fehlerhaft war (Urteilsabdruck, S. 20), ist entgegen dem Vorbringen des Beklagten ebenfalls nicht zu beanstanden.

Zwar existieren zu den einzelnen im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführenden Verfahrensschritten keine gesetzlich festgelegten Vorgaben, wie dies etwa für die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (vgl. §§ 15 ff. UVPG) oder einer Strategischen Umweltprüfung (vgl. §§ 38 ff. UVPG) der Fall ist. Die wesentlichen Verfahrensschritte und -erfordernisse im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung ergeben sich jedoch aus der hierzu ergangenen Rechtsprechung. So ist zunächst eine sorgfältige Bestandserfassung und -bewertung der für die Erreichung der Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets erforderlich, die es zulässt, die Einwirkungen des Projekts zu bestimmen und zu bewerten. Die Methode der Bestandsaufnahme ist dabei nicht normativ festgelegt, sie muss aber dem für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standard der "besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse" einhalten (std. Rspr. des BVerwG, vgl. nur Urt. v. 7.7.2022 - 9 A 1.21 -, juris Rn. 53; Urt. v. 3.11.2020 - 9 A 12.19 -, juris Rn. 364; Urt. v. 6.4.2017 - 4 A 16.16 -, juris Rn. 28 und Urt. v. 6.11.2013 - 9 A 14.12 -, juris Rn. 45 jeweils m.w.N.). Nach der Bestandserfassung muss die Verträglichkeitsprüfung eine dem vorgenannten Standard entsprechende Erfassung und Bewertung projektbedingter Auswirkungen auf die maßgeblichen Gebietsbestandsteile umfassen (std. Rspr. des BVerwG, vgl. nur Urt. v. 6.4.2017 - 4 A 16.16 -, juris Rn. 34 m.w.N.). Dabei kann es sich um bau-, anlage- und betriebsbedingte Wirkungen handeln, die von Einfluss auf maßgebliche Bestandteile sein können. Neben direkten Flächenverlusten durch Überbauung oder Versiegelung ist dabei etwa auch an Veränderungen der Wasserverhältnisse, an Barrierewirkungen und Individuenverluste bzw. an die Vergrämung von Exemplaren geschützter Arten zu denken (Gellermann, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand 99. EL Sept. 2022, § 34 BNatSchG Rn. 22). Ob ein Projekt hiernach zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist anhand seiner Auswirkungen auf den Erhaltungszustand der maßgeblichen Gebietsbestandteile zu beurteilen. Ein günstiger Erhaltungszustand muss trotz Durchführung des Vorhabens stabil bleiben, ein bestehender schlechter Erhaltungszustand darf jedenfalls nicht noch weiter verschlechtert werden. Für die Verträglichkeitsprüfung gilt hierbei ein strenger Prüfungsmaßstab. Ein Projekt ist danach nur dann zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung aus wissenschaftlicher Sicht kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden (vgl. EuGH, Urt. v. 7.9.2004 - C-127/02 -, juris Rn. 59, 61; BVerwG, Urt. v. 7.7.2022 - 9 A 1.21 -, juris Rn. 53; Urt. v. 3.11.2020 - 9 A 12.19 -, juris Rn. 364 und Urt. v. 6.4.2017 - 4 A 16.16 -, juris Rn. 33 jeweils m.w.N.). Bei der Beurteilung der Erheblichkeit sind Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung der Beeinträchtigung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 7.7.2022 - 9 A 1.21 -, juris Rn. 53 und Urt. v. 3.11.2020 - 9 A 12.19 -, juris Rn. 364 m.w.N.; Schumacher/Fischer-Hüftle, BNatSchG, 3. Aufl., § 34 Rn 101 ff.) Schließlich müssen die im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung gewonnenen Erkenntnisse dokumentiert werden, weil nur auf diesem Wege der Nachweis geführt werden kann, dass die erreichbaren wissenschaftlichen Erkenntnisquellen vollen Umfangs ausgeschöpft wurden und die Bewertungen den besten wissenschaftlichen Standard erreicht haben (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2007 - 9 A 20.05 -, juris Rn. 70 m.w.N.).

Ausgehend von diesem Maßstab genügt die vom Beklagten nach mündlicher Zulassung des Projekts vom 20. Dezember 2018 durchgeführte FFH-Verträglichkeitsprüfung nicht den inhaltlichen Anforderungen an die Bestanderfassung und -bewertung und die Erfassung und Bewertung projektbedingter Auswirkungen auf die maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets 318 "Darnsee", und die diesbezüglichen Dokumentationspflichten sind nicht vollständig eingehalten worden . Die entsprechenden Ausführungen im Vermerk des Beklagten über die Abhilfeprüfung vom 1. August 2018 (Bl. 72 ff. des Verwaltungsvorgangs) beschränken sich im Wesentlichen darauf, dass eine Prüfung des Stege- und Brückenbaus nach § 34 BNatSchG erfolgt sei, dass sich die Stege und Brücken an vergleichsweise unsensibleren Stellen des Westufers befänden und dass es im Vergleich zur vorherigen Situation mit diffusen Wegeverbindungen in der Gesamtschau zu einer deutlichen Beruhigung des sensiblen Inselbereichs mit Moorwäldern samt seiner charakteristischen Arten komme. Aufgrund des Rückbaus zweier Stege könnten sich zudem die Bereiche des Cladiums ungestört entwickeln. Auch die charakteristischen Wasser- und Waldvogelarten seien bisher Störungen ausgesetzt gewesen, die nun entfallen würden. Die auf die Durchführung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung bezogenen Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 30. August 2019 (vgl. S. 6 f. des Widerspruchbescheids) stimmen hiermit überein. Selbst wenn man aufgrund der im Rahmen des vorhergehenden Verfahrens zur Ausweisung des Naturschutzgebiets "Darnsee" erfolgten Erfassung und Bewertung der im FFH-Gebiet "Darnsee" vorhandenen Lebensraumtypen und ihrer charakteristischen Tier- und Pflanzenarten hinsichtlich der Bestandserfassung und -bewertung von verminderten Dokumentationsanforderungen im Rahmen der für das fragliche Projekt durchzuführenden FFH-Verträglichkeitsprüfung ausgeht, fehlt es an einer hinreichenden Erfassung und Bewertung aller projektbedingten Auswirkungen. Dieser Mangel ist auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren nicht geheilt worden. Soweit der Beklagte im Zulassungsverfahren weitere Ausführungen zu den durch die Errichtung der Stege und Brücken eintretenden Flächenverlusten innerhalb der Lebensraumtypen 91D0* und 3150 sowie zum Umfang der im Rahmen der Baumaßnahmen durchgeführten Entfernung von Gehölzen gemacht hat (vgl. Vermerke des Beklagten vom 1.9.2021 sowie vom 13.12.2021), betreffen diese lediglich einen Teilaspekt der im Rahmen der FFH-Verträglichkeitsprüfung zu betrachtenden Auswirkungen eines Projekts. Wie ausgeführt sind nämlich neben bau- und anlagebedingten Wirkungen eines Projekts auch betriebsbedingte Auswirkungen zu prüfen. Von besonderer Relevanz dürften insofern vorliegend, worauf der Kläger bereits im Verwaltungsverfahren zutreffend hingewiesen hat, die Auswirkungen der Nutzung der Angelstege auf die charakteristischen Arten der betroffenen Lebensraumtypen wie etwa dem Teichrohrsänger und dem Haubentaucher sein. Insofern fehlt es aber nach wie vor an einer ausreichenden Erfassung und Bewertung der Projektauswirkungen bzw. einer diesbezüglichen Dokumentation.

3. Soweit das Verwaltungsgericht zu dem Schluss gekommen ist, dass eine Nachholung einer ordnungsgemäßen FFH-Verträglichkeitsprüfung mit einem für die Zulassung des Projekts des Beigeladenen positiven Ergebnis im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens (vgl. §§ 4 Abs. 1b, 7 Abs. 5 UmwRG) von Vornherein nicht in Betracht kommt (Urteilsabdruck, S. 24), sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung anzunehmen.

Eine Nachholbarkeit einer ordnungsgemäßen FFH-Verträglichkeitsprüfung hinsichtlich der Auswirkungen des Projekts des Beigeladenen auf die maßgeblichen Bestandteile des FFH-Gebiets 318 "Darnsee" erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen. Zwar ist die FFH-Verträglichkeitsprüfung nach § 34 BNatSchG vor der Genehmigung des Vorhabens durchzuführen, weshalb nachfolgende Prüfungen grundsätzlich unbeachtlich sind (EuGH, Urt. v. 24.11.2011 - C-404/09 -, juris Rn. 99, 104). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist allerdings wie bei Fehlern einer vorher durchzuführenden Umweltverträglichkeitsprüfung grundsätzlich eine Behebung des Mangels einer nicht ordnungsgemäß durchgeführten FFH-Verträglichkeitsprüfung in einem nach Abschluss des Rechtsstreits stattfindenden ergänzenden Verfahren dann nicht ausgeschlossen, wenn dadurch nicht die Möglichkeit eröffnet wird, das Unionsrecht zu umgehen oder nicht anzuwenden und wenn die nachträgliche Legalisierung die Ausnahme bleibt. Die Beachtung des Unionsrechts kann hierbei durch die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit einer Erlaubnis im Rahmen einer Anwendung von § 7 Abs. 5 Satz 1 UmwRG gewährleistet werden. Die Bestimmungen des § 34 Abs. 2 und 3 BNatSchG stellen zudem sicher, dass die nachträgliche Fehlerheilung auf Ausnahmesituationen beschränkt bleibt (vgl. BVerwG, Urt. v. 13.6.2019 - 7 B 23.18 -, juris Rn. 6; Urt. v. 29.5.2018 - 7 C 18.17, juris Rn. 30 ff.).

Die Begründung des Verwaltungsgerichts dafür, dass nach seiner Ansicht eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit der Entscheidung unter Ermöglichung eines ergänzenden Verfahrens ausgeschlossen gewesen ist, da von vornherein feststehe, dass das FFH-Gebiet erhebliche Beeinträchtigungen durch das Projekt erfahre, begegnet durchgreifenden Bedenken. Das Verwaltungsgericht verweist insofern darauf, dass nach der Einschätzung des Beklagten das Westufer des Sees von der Errichtung und Nutzung von Steganlagen freigehalten werden soll (Urteilsabdruck, S. 25). Soweit das Verwaltungsgericht hiermit offenbar auf die Begründung zur Verordnung über das Naturschutzgebiet "Darnsee" in der Fassung der öffentlichen Auslegung (Stand: 25. Januar 2015) verweist (vgl. Urteilsabdruck S. 19 f., Verwaltungsvorgang S. 55), wonach in den Moorwäldern im Westen (Lebensraumtyp 91D0*) und im Bereich der Schneidenröhrichte (Lebensraumtyp 7210*) erhebliche Schäden an der Vegetation durch das Betreten dieser hochgradig empfindlichen Standorte festgestellt worden sind, weshalb eine vollständige Beruhigung des Westufers einschließlich der Insellage durch eine Betretungsregelung unumgänglich sei, ist zu beachten, dass die nach 4 Abs. 5 Satz 2 Nr. 3 NSG-VO erlaubte Ausübung des Angelns von fünf in der Verordnungskarte eingezeichneten Stellen am Westufer des Darnsees aus erst nach dem öffentlichen Auslegungsverfahren in den Text der Verordnung eingefügt worden ist. Im Zuge dessen ist auch die Verordnungsbegründung dahingehend angepasst worden, dass eine Beruhigung der sensiblen Bereiche unumgänglich sei. Beschränkungen des Betretens müssten konsequent durchgesetzt werden. Unter den gegebenen Umständen solle die Angelnutzung auf festgelegte Angelstellen beschränkt werden (vgl. Verordnungsbegründung in der Endfassung, S. 9, abrufbar im Bürgerinformationssystem des Beklagten unter https://kis.lkos.de/bi/vo020.asp?VOLFDNR=1198). Das Verwaltungsgericht nimmt somit auf eine vorherige Fassung der Verordnungsbegründung Bezug, die nicht Gegenstand der Beschlussfassung im Kreistag des Beklagten am 18. Juni 2018 gewesen ist. Im Übrigen erweisen sich diese Ausführungen aber auch nicht als ausreichend für die Beurteilung der Frage, ob im Rahmen einer FFH-Verträglichkeitsprüfung eine Feststellung einer Gebietsverträglichkeit des Projekts des Beigeladenen von vornherein als ausgeschlossen angesehen werden muss. Wie der Beklagte insofern nachvollziehbar ausführt, erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass eine Verträglichkeit des Projekts etwa durch weitere Vermeidungs- oder Minderungsmaßnahmen wie beispielsweise eine unterbleibende Nutzung von Stegen während der Brutzeiten von charakteristischen Vogelarten sichergestellt werden könnte. Auch die NSG-VO steht einer Zulassung des Projekts entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts jedenfalls nicht von Vornherein entgegen. Insofern wäre zu prüfen, ob nach Vorliegen eines gegebenenfalls positiven Ergebnisses einer ordnungsgemäßen FFH-Verträglichkeitsprüfung die Zulassung einer weiteren Ausnahme in Rahmen der Freistellungsvorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 3 NSG-VO in Betracht käme. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zulassung der Ausnahme dem Schutzzweck der Verordnung nicht zuwiderlaufen würde, was bei einer festgestellten FFH-Verträglichkeit eines Projekts gegebenenfalls angenommen werden könnte. Die vom Verwaltungsgericht vertretene Auffassung, die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 3 NSG-VO könne nicht auf die Zulässigkeit von Steganlagen und die Nutzung des Westufers zu Angelzwecken angewendet werden, da insofern in § 4 Abs. 5 Satz 2 NSG-VO schon eine abschließende Regelung getroffen worden sei, begegnet aus Sicht des Senats Bedenken, da dann ein praktisch relevanter Anwendungsbereich der Freistellungsregelung in § 4 Abs. 5 Satz 3 NSG-VO nicht mehr ersichtlich wäre. Im Übrigen käme bei einem positiven Ergebnis einer FFH-Verträglichkeitsprüfung auch eine Befreiung von den Verboten der NSG-VO auf der Grundlage des § 5 Abs. 2 NSG-VO in Betracht.

4. Aus dem vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass auch ernstliche Zweifel an der Feststellung des Verwaltungsgerichts bestehen, dass dem Kläger ein Anspruch auf Verpflichtung des Beklagten zusteht, dem Beigeladenen gegenüber die Beseitigung der aufgrund der Zustimmung errichteten Brücken und Stege gemäß § 3 Abs. 2 BNatSchG anzuordnen. Denn auch insofern erweist sich die Begründung des Verwaltungsgerichts, eine bloße Nutzungsuntersagung bis zur Nachholung einer FFH-Verträglichkeitsprüfung als milderes Mittel im Rahmen des Auswahlermessen sei allein deshalb ausgeschlossen, weil die Errichtung von Steganlagen im Bereich des Westufers durch die NSG-VO ausgeschlossen sei (Urteilsabdruck, S. 26), nach dem Vorstehenden als nicht tragfähig.

Das Zulassungsverfahren wird als Berufungsverfahren fortgeführt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht. Die Berufung ist innerhalb eines Monats zu begründen. Die Begründung ist bei dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg einzureichen.

Das Aktenzeichen des Berufungsverfahrens wird den Beteiligten noch gesondert mitgeteilt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).