Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 29.11.2023, Az.: 14 KN 24/22

Rechtmäßigkeit von § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021 i.d.F. der Änderung durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021; Dynamische Verweisung auf die durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundeministerium des Innern, für Bau und Heimat eingestuften und durch das Robert Koch-Institut veröffentlichten Risikogebiete i.S.d. § 2 Nr. 17 IfSG a.F.

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.11.2023
Aktenzeichen
14 KN 24/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 46602
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1129.14KN24.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021 in der Fassung der Änderung durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021 beruhte in ihrem Geltungszeitraum auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage, war formell rechtmäßig, inhaltlich hinreichend bestimmt, mit dem Rechtsstaatsgebot vereinbar und auch im Übrigen materiell rechtmäßig.

  2. 2.

    Es verstieß nicht gegen das Rechtsstaatsgebot, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021 eine dynamische Verweisung auf die durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundeministerium des Innern, für Bau und Heimat eingestuften und durch das Robert Koch-Institut veröffentlichten Risikogebiete i.S.d. § 2 Nr. 17 IfSG a.F. enthielt.

  3. 3.

    Personen, die aus einem als Risikogebiet qualifizierten Staat oder einer solchen Region in das Land Niedersachsen einreisten, waren als ansteckungsverdächtig im Sinne des § 2 Nr. 7 IfSG hinsichtlich des SARS-CoV-2-Virus anzusehen.

  4. 4.

    Die Gruppe der Reiserückkehrer aus ausländischen Risikogebieten sowie die Gruppe der Personen, die sich im Inland in einem Gebiet mit erhöhter Inzidenz aufgehalten hatten, waren aus infektionsschutzrechtlicher Sicht bereits keine vergleichbaren Gruppen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Selbst wenn eine Vergleichbarkeit dieser Personengruppen angenommen würde, wäre die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Absonderungspflicht aus infektionsschutzrechtlichen Gründen gerechtfertigt gewesen.

Tenor:

Der Normenkontrollantrag wird hinsichtlich des Hauptantrags verworfen und hinsichtlich des Hilfsantrags abgelehnt.

Die Kosten des Normenkontrollverfahren trägt der Antragsteller.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Antragsteller ist Rechtsanwalt und Projektentwickler im Bereich von Freiflächen-Solaranlagen. Im Rahmen der letztgenannten Tätigkeit fallen auch beruflich veranlasste Reisen ins Ausland an.

Mit seinem Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass die Pflicht zur Absonderung von Einreisenden aus Risikogebieten gemäß § 1 Abs. 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Eindämmung der Corona-Pandemie ((2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung) in der Fassung vom 16. April 2021 bzw. - hilfsweise - vom 6. März 2021 unwirksam war.

Am 6. November 2020 erließ das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung - handelnd durch die damalige Ministerin - die Niedersächsische Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Eindämmung des Corona-Virus (Niedersächsische Quarantäne-Verordnung, Nds. GVBl. S. 380). Die Verordnung trat am 9. November 2020 in Kraft und wurde in der Folgezeit mehrfach geändert (durch Art. 2 der Verordnung vom 27. November 2020, Nds. GVBl. S. 408; durch Art. 2 der Verordnung vom 11. Dezember 2020, Nds. GVBl. S. 456; durch Art. 2 der Verordnung vom 18. Dezember 2020, Nds. GVBl. S. 561; durch Art. 2 der Verordnung vom 8. Januar 2021, Nds. GVBl. S. 3).

Die Verordnung wurde zum 23. Januar 2021 durch die Niedersächsische Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Eindämmung der Corona-Pandemie ((2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung; Nds. GVBl. S. 16) vom 22. Januar 2021 ersetzt. Auch diese Verordnung wurde in der Folgezeit mehrfach geändert (durch Art. 2 der Verordnung vom 12. Februar 2021, Nds. GVBl. S. 55; durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, Nds. GVBl. S. 93; durch Art. 2 der Verordnung vom 27. März 2021, Nds. GVBl. S. 166; durch Art. 2 der Verordnung vom 16. April 2021, Nds. GVBl. S. 191; durch Art. 2 der Verordnung vom 8. Mai 2021, Nds. GVBl. S. 253).

Vom Antragsteller zur Überprüfung gestellt wird vorrangig § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 16. April 2021. Diese Verordnung trat gemäß § 4 Abs. 1 mit Ablauf des 9. Mai 2021 außer Kraft.

§ 1 - Ein- und Rückreisende - der Verordnung in dieser Fassung hatte auszugsweise folgenden Wortlaut:

(1) 1Personen, die auf dem Land-, See- oder Luftweg aus dem Ausland nach Niedersachsen einreisen und sich zu einem beliebigen Zeitpunkt innerhalb von 14 Tagen vor ihrer Einreise in einem Risikogebiet im Sinne des § 2 Nr. 17 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), das mit einem erhöhten Risiko für eine Infektion mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 eingestuft ist (Risikogebiet), aufgehalten haben, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach der Einreise auf direktem Weg in die eigene Wohnung, an den Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder in eine andere geeignete Unterkunft zu begeben und sich für einen Zeitraum von 14 Tagen nach ihrer Einreise ständig dort abzusondern. 2Satz 1 gilt auch für Personen, die zunächst in ein anderes Land der Bundesrepublik Deutschland eingereist sind. 3Den nach Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 2, verpflichteten Personen ist es in diesem Zeitraum nicht gestattet, Besuch von Personen zu empfangen, die nicht ihrem eigenen Hausstand angehören.

(2) Die von Absatz 1 erfassten Personen sind verpflichtet, bei Krankheitssymptomen, die innerhalb von 14 Tagen nach der Einreise auftreten und die auf eine Erkrankung mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 im Sinne der dafür jeweils aktuellen Kriterien des Robert Koch-Instituts hinweisen, die zuständige Behörde hierüber unverzüglich zu informieren.

(3) Für die Zeit der Absonderung unterliegen die von Absatz 1 erfassten Personen der Beobachtung durch die zuständige Behörde.

(4) Die Ausnahmen nach Absatz 5 Nr. 2 Buchst. c und d und die Absätze 6 bis 8 gelten nicht für Einreisende, die sich in den letzten 14 Tagen vor ihrer Einreise in einem Virusvarianten-Gebiet im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 der Coronavirus-Einreiseverordnung (CoronaEinreiseV) vom 13. Januar 2021 (BAnz AT 13.01.2021 V1) in der jeweils geltenden Fassung, in dem bestimmte Varianten des Coronavirus SARS-CoV-2 verbreitet aufgetreten sind, aufgehalten haben.

(5) (...)

(6) Von Absatz 1 nicht erfasst sind

1. Personen, die

(...)

b) über eine den Anforderungen des § 22 Abs. 1 IfSG entsprechende Impfdokumentation über eine mindestens 15 Tage vor Einreise bei ihnen vollständig abgeschlossene Schutzimpfung gegen das Corona-Virus SARS-CoV-2 mit einem in der Europäischen Union zugelassenen Impfstoff verfügen,

(...)

(7) 1Von Absatz 1 nicht erfasst sind

1. Personen, deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung

(...)

d) der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege,

(...)

unabdingbar ist, wobei die zwingende Notwendigkeit durch den Dienstherrn, die Arbeitgeberin, den Arbeitgeber, die Auftraggeberin oder den Auftraggeber zu bescheinigen ist,

(...)

2Satz 1 gilt nur, soweit die Personen die für sie geltenden Pflichten nach § 3 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 CoronaEinreiseV erfüllt haben und über ein ärztliches Zeugnis oder ein Testergebnis in Bezug auf das Nichtvorliegen einer Infektion mit dem Corona-Virus SARS-CoV-2 in Papierform oder in einem elektronischen Dokument in deutscher, englischer oder französischer Sprache verfügen und sie dieses innerhalb von 14 Tagen nach der Einreise der zuständigen Behörde auf Verlangen unverzüglich vorlegen. 3Die zugrunde liegende Testung darf entweder höchstens 48 Stunden vor der Einreise vorgenommen worden sein oder muss bei der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland vorgenommen werden. 4Der dem ärztlichen Zeugnis oder dem Testergebnis nach Satz 2 zugrunde liegende Test muss die Anforderungen des Robert Koch-Instituts, die im Internet unter der Internetadresse https://www.rki.de/covid-19-tests veröffentlicht sind, erfüllen. 5Das ärztliche Zeugnis oder das Testergebnis nach Satz 2 ist für mindestens 14 Tage nach der Einreise aufzubewahren.

(9) Die zuständige Behörde kann in begründeten Einzelfällen auf Antrag Befreiungen von Absatz 1 zulassen, soweit dies unter Abwägung aller betroffenen Belange vertretbar ist.

(...)."

§ 2 der Verordnung regelte die Verkürzung der Absonderungsdauer auf fünf Tage bei Vorliegen eines negativen Testergebnisses.

Hilfsweise stellt der Antragsteller zudem § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, zur Überprüfung. § 1 in dieser Fassung unterscheidet sich lediglich in Abs. 6 Nr. 1. Dieser hatte seinerzeit noch folgenden Wortlaut:

"(6) Von Absatz 1 nicht erfasst sind

1. Personen, die sich im Rahmen des Grenzverkehrs mit Nachbarstaaten weniger als 24 Stunden in einem Risikogebiet aufgehalten haben oder für bis zu 24 Stunden in das Bundesgebiet einreisen,"

Es fehlte also die Ausnahmeregelung für geimpfte Personen.

Die (2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung wurde schließlich durch die Verordnung zur Änderung der Niedersächsischen Corona-Verordnung und zur Aufhebung der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 21. Mai 2021 (Nds. GVBl. S. 288) zum 22. Mai 2021 aufgehoben, da bereits ab dem 13. Mai 2021 die neue Verordnung zum Schutz vor einreisebedingten Infektionsgefahren in Bezug auf das Coronavirus SARS-VoV-2 nach Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite durch den Deutschen Bundestag (Coronavirus-Einreiseverordnung) vom 12. Mai 2021 des Bundesministeriums für Gesundheit galt (BAnz AT 12.05.2021 V1 S. 1-11), die bundesweit einheitlich die Absonderungspflicht nach Einreise regelte.

Bereits am 21. November 2020 hatte der Antragsteller einen Normenkontrollantrag mit dem Antrag gestellt, § 1 Abs. 1 bis 4 der (1.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 6. November 2020 für unwirksam zu erklären. Diesen Antrag hat der Antragsteller in der Folgezeit mehrfach umgestellt und an die aktuell geltenden Verordnungsregelungen der (1.) und später der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung angepasst. Schließlich hatte er mit Schriftsatz vom 17. März 2021 beantragt, § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 12. Februar 2021 und durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021 für unwirksam zu erklären.

Nach Außerkrafttreten auch der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung zum 22. Mai 2021 hat der Antragsteller seinen Antrag mit Schriftsatz vom 25. Mai 2021 auf einen Feststellungsantrag umgestellt und mit Schriftsatz vom 29. Juni 2021 um den Hilfsantrag ergänzt.

Zur Begründung führt der Kläger im Wesentlichen aus: Der Normenkontrollantrag sei zulässig. Er sei antragsbefugt. Die angegriffene Regelung, die Pflicht zur Absonderung nach Rückkehr aus einem Risikogebiet, habe ihn in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 3 Abs. 2 sowie Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Er habe im maßgeblichen Zeitraum von beruflichen und privaten Reisen in das Ausland im Wesentlichen Abstand genommen, weil ihm nicht klar gewesen sei, ob er sich danach in Quarantäne hätte begeben müssen bzw. ob er sich hätte leisten können, sich in Quarantäne zu begeben. Auch habe er für den nach Außerkrafttreten der Norm nunmehr gestellten Feststellungsantrag ein hinreichendes Interesse an der Feststellung der Unwirksamkeit, zum einen wegen eines schweren Grundrechtseingriffs, zum anderen wegen der konkreten Wiederholungsgefahr. Mit dem Feststellungsantrag könne er die (2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 16. April 2021 (Nds. GVBl. S. 191) zur Überprüfung stellen, auch wenn er seinen Normenkontrollantrag während der Geltung der Verordnung auf diese und die vorherige Änderung nicht mehr umgestellt habe. Sein Interesse sei es stets gewesen, den Kern der Regelung, der während der gesamten Dauer der "Stammregelung" unverändert geblieben sei, überprüfen zu lassen. Dass er seine Anträge zuletzt nicht mehr aktualisiert habe, lasse nicht den Schluss zu, dass sich sein Antrag nicht mehr gegen die neuste Fassung gerichtet habe, zumal die Änderungen marginal gewesen seien und sich im Wesentlichen in der Verlängerung der Regelung erschöpft hätten.

Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Die (2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung beruhe bereits nicht auf einer verfassungskonformen Rechtsgrundlage. Die Rechtsgrundlage des § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG - ein Rückgriff auf § 28a Abs. 1, § 28 Abs. 1 IfSG scheide aus - normiere eine Freiheitsentziehung nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG i.V.m. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und verstoße insoweit gegen das Zitiergebot.

Die maßgebliche Regelung in § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäneverordnung verstoße zudem gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie behandele Rückreisende aus dem Ausland gegenüber Personen, die in Deutschland geblieben seien, ungleich, obwohl angesichts der seinerzeitigen Pandemielage die Inzidenz in Deutschland in weiten Landesteilen ebenso hoch oder höher gewesen sei als im als Risikogebiet eingestuften Ausland.

Im Übrigen sei auch der pauschale Verweis auf die Begriffsdefinition des Risikogebietes in § 2 Nr. 17 IfSG unzulässig. Der Einstufung als Risikogebiet kämen einschneidende Rechtsfolgen zu. Aufgrund der dynamischen Verweisung in § 1 Abs. 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung erfolge diese Einstufung automatisch, ohne dass es nochmals einer behördlichen Entscheidung, insbesondere einer Ermessensausübung bedürfe. Wenn aber an diese Einstufung derartige Einschränkungen geknüpft seien, so seien an deren Transparenz hohe Ansprüche zu stellen. Insbesondere müsse die Einstufung als Risikogebiet voll gerichtlich überprüfbar sein. Dies sei gerade nicht der Fall, da nirgends offengelegt sei, wie die Einstufungen vorgenommen würden. Ohne handfeste Kriterien sei eine Überprüfung nicht möglich.

Jedenfalls folge aus der Annahme eines Risikogebietes kein pauschaler Ansteckungsverdacht. Unklar sei zudem, was unter einem Virusvariantengebiet zu verstehen sei.

Die Regelung sei zudem auch unverhältnismäßig, weil sie nicht geeignet sei, einen nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Corona-Pandemie zu leisten, wenn in den Gebieten des jeweiligen Aufenthalts kein höheres Ansteckungsrisiko als in Niedersachsen bestehe.

Zudem dürfte die Lage auf den Intensivstationen in Deutschland falsch eingeschätzt worden sein. Die Zahl der belegten Intensivbetten sei während der gesamten zweiten Welle nicht sichtbar gestiegen. Dass die Zahl der gemeldeten freien Intensivbetten gemäß DIVI-Register dennoch gesunken sei, habe andere Ursachen gehabt, insbesondere - wie auch der Bundesrechnungshof in einem Bericht ausgeführt habe - habe das System der Ausgleichszahlungen unerwünschte Mitnahmeeffekte eröffnet. Nach dem Bericht des Bundesrechnungshofs habe auch das Robert Koch-Institut (RKI) die Vermutung geäußert, dass manche Krankenhäuser absichtlich niedrigere Zahlen freier Intensivbetten meldeten, um Ausgleichszahlungen zu erhalten. Als milderes Mittel hätte der Antragsgegner gegen diese Ursachen vorgehen müssen.

Zudem sei die (2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung im Hinblick auf ihre umfassenden Ausnahmen auch inkohärent.

Die Regelung verstoße schließlich gegen die in Art. 21 AEUV normierte Grundfreiheit der Freizügigkeit.

Der Kläger beantragt,

festzustellen, dass § 1 Abs. 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 22. Januar 2021 (Nds. GVBl. S. 16), geändert durch

  • Artikel 2 der Verordnung vom 12. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 91)

  • Artikel 2 der Verordnung vom 6. März 2021 (Nds. GVBl. S. 91)

  • Artikel 2 der Verordnung vom 27. März 2021 (GVBl. S. 166)

  • Artikel 2 der Verordnung vom 16. April 2021 (GVBl. S. 191)

    unwirksam war,

hilfsweise,

festzustellen, dass § 1 Abs. 1 bis 3 der Niedersächsischen Verordnung zu Quarantänemaßnahmen für Ein- und Rückreisende zur Eindämmung der Corona-Pandemie vom 22. Januar 2021 (Nds. GVBl. S. 16), geändert durch

  • Artikel 2 der Verordnung vom 12. Februar 2021 (Nds. GVBl. S. 55)

  • Artikel 2 der Verordnung vom 6. März 2021 (Nds. GVBl. S. 91)

    unwirksam war.

Der Beklagte beantragt

den Antrag abzulehnen.

Er trägt im Wesentlichen vor, nach Außerkrafttreten der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung sei der Normenkontrollantrag unzulässig. Der Antragsteller stelle nunmehr die Verordnung in einer Fassung zur Überprüfung, die er während ihrer Gültigkeit nicht angegriffen habe. Zudem sei ein Feststellungsinteresse nicht ersichtlich. Jedenfalls sei der Normenkontrollantrag unbegründet. Die Verordnung beruhe auf einer verfassungsmäßigen Ermächtigungsgrundlage, deren tatbestandliche Voraussetzungen vorgelegen hätten. Auch habe die (2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung angesichts des starken Anstiegs der Infektionszahlen, des Rückgangs an verfügbaren Intensivbetten und der Gefahr von neuen, gefährlicheren Virus-Mutationen, die gerade durch Reiserückkehrer aus dem Ausland in Deutschland hätten verbreitet werden können, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt und nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

Der vom postulationsfähigen (§ 67 Abs. 4 Sätze 1, 3 und 8, Abs. 2 Satz 1 VwGO) Antragsteller nach verschiedenen Antragsänderungen (§ 91 Abs. 1 VwGO) aufrechterhaltene Normenkontrollantrag ist hinsichtlich des Hauptantrags unzulässig (I.) und hinsichtlich des Hilfsantrags unbegründet (II.).

I. Der Hauptantrag, der sich nach der Antragserweiterung auf § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 16. April 2021 bezieht, ist mangels Antragsbefugnis unzulässig.

Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag stellen, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO von dem Regelfall einer noch gültigen Norm als Gegenstand des Normenkontrollverfahrens ausgeht. Ein Normenkontrollantrag kann allerdings auch gegen eine bereits außer Kraft getretene Rechtsnorm zulässig sein, wenn sie weiterhin Rechtswirkungen entfaltet, weil in der Vergangenheit liegende Sachverhalte noch nach ihr zu entscheiden sind. Darüber hinaus kann ein Normenkontrollantrag gegen eine nicht mehr gültige Rechtsnorm zulässig sein, wenn sie während seiner Anhängigkeit außer Kraft getreten ist und der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder ihre Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein; zusätzlich muss der Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Norm unwirksam war (stRspr, vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.7.2022 - 3 BN 8/21 -, juris Rn. 6 m.w.N.; vgl. ausführlich bereits NdsOVG, Beschl. v. 9. Juni 2021 - 13 KN 127/20 -, juris Rn. 53 ff.).

Unter Anwendung dieses Maßstabs ist der Normenkontrollantrag gegen § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021 in der Fassung der Änderung vom 16. April 2021 unzulässig. Der gegen diese Verordnungsregelung gerichtete Normenkontrollantrag wurde vom Antragsteller erst mit Schriftsatz vom 25. Mai 2022 und folglich nach dem endgültigen Außerkrafttreten der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung gestellt.

Die Auffassung des Antragstellers, dass es sich bei den Änderungen durch Art. 2 der Verordnung vom 16. April 2021 im Wesentlichen um eine Verlängerung der Geltungsdauer der bis dahin geltenden Regelungen handele, trifft nicht zu. Mit Art. 2 der Verordnung vom 16. April 2021 ist in § 1 Abs. 6 Nr. 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung eine Ausnahme von der Absonderungspflicht für Geimpfte aufgenommen worden. Von dieser Ausnahme konnten zahlreiche - bereits geimpfte - Menschen profitieren, sie änderte den Anwendungsbereich der angegriffenen Regelung und die mit ihr verbundenen Einschränkungen somit erheblich. Sofern der Antragsteller auch diese maßgeblich veränderte Vorschrift zur Überprüfung hätte stellen wollen, hätte er während ihrer Geltungsdauer seinen Normenkontrollantrag ausdrücklich auf sie erstrecken müssen. Es kann daher offen bleiben, ob bzw. unter welchen Umständen eine Norm nach einer bloßen Verlängerung ihrer Geltungsdauer vor ihrem Außerkrafttreten erneut mit einem Normenkontrollantrag angegriffen werden muss, um ihre (nachträgliche) Überprüfung auch für den verlängerten Zeitraum zu ermöglichen. Jedenfalls dann, wenn sich die zugrundeliegende Sachlage, z.B. das Infektionsgeschehen, grundlegend geändert hat, spricht einiges dafür, dass die in ihrer Geltungsdauer verlängerte Regelung ausdrücklich zur Überprüfung gestellt werden muss (insofern unterscheidet sich die Verlängerung der Geltungsdauer einer infektionsschutzrechtlichen Norm von der bloßen Verlängerung einer Veränderungssperre, vgl. dazu Giesberts, in: BeckOK, VwGO, Stand: 1.7.2023, § 47 Rn. 47 und 47.1 m.w.N.).

II. Der Hilfsantrag, der sich auf § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021 bezieht, ist zulässig (1.), aber unbegründet (2.).

1. Der Normenkontrollantrag ist zulässig.

a) Der Antrag ist nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO und § 75 NJG statthaft. Die vom Antragsteller angegriffene Verordnungsregelung ist eine im Range unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 75 NJG (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: NdsOVG, Beschl. v. 31.1.2019 - 13 KN 510/18 -, juris Rn. 16 ff.).

b) Der Antragsteller ist auch antragsbefugt.

Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Antrag eine natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung sind die gleichen Maßstäbe anzulegen wie bei der Klagebefugnis im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 22.8.2005 - BVerwG 6 BN 1.05 -, juris Rn. 3 ff., insbes. 7; Urt. v. 26.2.1999 - BVerwG 4 CN 6.98 -, juris Rn. 9). Ausreichend, aber auch erforderlich ist es daher, dass der jeweilige Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch den zur Prüfung gestellten Rechtssatz in seinen subjektiven Rechten verletzt wird. Die Antragsbefugnis fehlt, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise subjektive Rechte des Antragstellers verletzt sein können (vgl. BVerwG, Urt. v. 17.1.2001 - BVerwG 6 CN 4.00 -, juris Rn. 10; grundlegend: Urt. v. 24.9.1998 - BVerwG 4 CN 2.98 -, juris Rn. 8; NdsOVG, Beschl. v. 22.5.2020 - 13 MN 158/20 -, juris Rn. 8; NdsOVG, Urt. v. 20.12.2017 - 13 KN 67/14 -, juris Rn. 65).

Dies zugrunde gelegt, ist der Antragsteller nur antragsbefugt, soweit sich sein Antrag gegen Verordnungsregelungen richtet, die ge- oder verbietend an ihn adressiert waren, die zu ihn betreffenden belastenden Verwaltungs- oder Realakten ermächtigten oder die sonst wie eine ihn belastende Wirkung entfalten konnten. Diese Voraussetzungen erachtet der Senat hinsichtlich der angegriffenen Regelung für gegeben. Nach dem Vortrag des Antragstellers erscheint es möglich, dass er durch die Absonderungspflicht nach § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Corona-Verordnung, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, die ihn grundsätzlich verpflichtete, sich unverzüglich nach der Einreise aus einem Risikogebiet für einen Zeitraum von vierzehn Tagen abzusondern und die ihn für diese Zeit unter Beobachtung stellte, jedenfalls in seiner Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und der Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 GG verletzt sein kann. Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar vorgetragen, dass er sich auch während der Geltungsdauer der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, die mit Ablauf des 28. März 2021 außer Kraft getreten war, durch die Absonderungspflicht daran gehindert sah, beruflich oder privat ins Ausland zu reisen.

Der Antragsteller war auch nicht gemäß § 1 Abs. 7 Nr. 1d) der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung generell von der Quarantänepflicht ausgenommen. Nach dieser Regelung waren von Absatz 1 nicht erfasst Personen, deren Tätigkeit für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Rechtspflege unabdingbar war, wobei die zwingende Notwendigkeit durch den Dienstherrn, die Arbeitgeberin, den Arbeitgeber, die Auftraggeberin oder den Auftraggeber zu bescheinigen war. Diese Regelung befreite allerdings Rechtsanwälte und Rechtsanwältinnen als Organe der Rechtspflege nicht generell von der Absonderungspflicht, sondern es war im Einzelfall zu prüfen, ob gerade im konkreten Zeitraum die von ihnen zu erbringende Tätigkeit unabdingbar für die Aufrechterhaltung der Rechtspflege war (a.A. VG Frankfurt, Beschl. v. 8.1.2021 - 5 L 24/21.F -, juris Rn. 27: Der Gesetzgeber habe im Falle von Rechtsanwälten mit § 1 BRAO bereits eine Wertentscheidung hinsichtlich der zwingenden Notwendigkeit der Tätigkeit von Rechtsanwälten für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege getroffen.). Für dieses Verständnis der Ausnahmevorschrift sprechen ihr Wortlaut, der gerade auf eine unabdingbare Tätigkeit abstellt, sowie der Sinn und Zweck der Regelung, die Funktionsfähigkeit - und nur diese - der Rechtspflege aufrecht zu erhalten. Dies zugrunde gelegt, ist es für die Frage der Antragsbefugnis auch ohne Belang, dass sich der Antragsteller, gestützt auf die Ausnahmeregelung, nach einer Urlaubsreise nach Schweden im Mai 2021 selbst bescheinigt hat, dass seine Tätigkeit für die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege unabdingbar sei, und er auf dieser Grundlage damals seine Absonderung bereits nach einem Tag wieder beendet hat. Ob diese Bescheinigung rechtmäßig war und insbesondere im Einklang mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 Nr. 1d) der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung stand, bedarf keiner Klärung. Jedenfalls gibt es keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller im gesamten hier relevanten Zeitraum in Anwendung des § 1 Abs. 7 Nr. 1d) der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung nicht der Absonderungspflicht nach § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Corona-Verordnung unterlag. Unerheblich ist es schließlich, dass der Antragsteller im maßgeblichen Zeitraum tatsächlich nicht verreist ist, denn eine Rechtsbeeinträchtigung kann auch dann vorliegen, wenn wegen einer drohenden Absonderungspflicht von einer Reise abgesehen wird (vgl. BayVGH, Urt. v. 2.8.2023 - 20 N 20.2861 -, juris Rn. 40).

Der Zulässigkeit des Normenkontrollantrags steht nicht entgegen, dass die streitgegenständliche Regelung mittlerweile außer Kraft getreten ist. Zwar ist ein Normenkontrollantrag nur gegen eine erlassene Rechtsvorschrift zulässig (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 145/21 -, juris Rn. 108) und dies grundsätzlich nur solange, wie die mit ihm angegriffene Rechtsvorschrift gültig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.7.2022 - 3 BN 8.21 -, juris Rn. 6; Urt. v. 19.2.2004 - 7 CN 1.03 -, juris Rn. 13; Urt. v. 29.6.2001 - 6 CN 1.01 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, juris Rn. 8; Beschl. v. 14.7.1978 - 7 N 1.78 -, juris Rn. 11). Von diesem Grundsatz werden aber in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Ausnahmen gemacht, bei denen die Aufhebung oder das Außerkrafttreten nach Ablauf der Geltungsdauer einer Rechtsvorschrift die Zulässigkeit eines Normenkontrollantrags nicht beeinflusst (vgl. hierzu den Überblick von Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 71 ff. m.w.N.). Ein gestellter Normenkontrollantrag kann u.a. trotz Aufhebung oder Außerkrafttretens nach Ablauf der Geltungsdauer der angegriffenen Rechtsvorschrift zulässig bleiben, wenn die Vorschrift während der Anhängigkeit eines zulässigerweise gestellten Normenkontrollantrags aufgehoben wird oder außer Kraft tritt. Die Aufhebung oder das Außerkrafttreten der Norm allein lässt den zulässig gestellten Normenkontrollantrag nicht ohne Weiteres zu einem unzulässigen Antrag werden, wenn die Voraussetzung der Zulässigkeit nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO fortbesteht, mithin der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Dies folgt unmittelbar aus § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Einer entsprechenden Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO bedarf es nicht. Erforderlich ist in diesen Fallgestaltungen aber, dass ein berechtigtes individuelles Interesse an der begehrten Feststellung, die bereits außer Kraft getretene Rechtsvorschrift sei unwirksam gewesen, besteht (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.7.2022 - 3 BN 8.21 -, juris Rn. 6; Urt. v. 19.2.2004 - 7 CN 1.03 -, juris Rn. 13; Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, juris Rn. 9 ff.). Ein berechtigtes individuelles Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens kann sich u.a. ergeben zur Rechtsklärung bei schwerwiegenden Beeinträchtigungen grundrechtlich geschützter Freiheiten eines Antragstellers durch die angegriffene Rechtsvorschrift, insbesondere dann, wenn die Rechtsvorschrift typischerweise auf kurze Geltung angelegt ist mit der Folge, dass sie regelmäßig außer Kraft tritt, bevor ihre Rechtmäßigkeit in einem Normenkontrollverfahren abschließend gerichtlich geklärt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 3.6.2020 - 1 BvR 990/20 -, juris Rn. 8; BVerwG, Urt. v. 29.6.2001 - 6 CN 1.01 -, juris Rn. 10; Beschl. v. 2.9.1983 - 4 N 1.83 -, juris Rn. 9; vgl. hierzu auch Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 113 Rn. 111 und 122 f.). Auch eine Wiederholungsgefahr kann grundsätzlich ein solches Feststellungsinteresse begründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.8.2018 - 3 BN 1.18 -, juris Rn. 4). Schließlich kann sich ein berechtigtes individuelles Interesse an der Fortführung des Normenkontrollverfahrens aus der präjudiziellen Wirkung einer Entscheidung im Normenkontrollverfahren für die Frage der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines auf die angegriffene Rechtsvorschrift gestützten behördlichen Verhaltens und daran anknüpfende Entschädigungs- oder Schadensersatzansprüche, deren Durchsetzung der Antragsteller ernsthaft beabsichtigt, ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 19.2.2004 - BVerwG 7 CN 1.03 -, juris Rn. 14; Beschl. v. 2.9.1983 - BVerwG 4 N 1.83 -, BVerwGE 68, 12, 15 -, juris Rn. 11 f.; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 48 ff.).

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung - wie schon zuvor der 13. Senat des erkennenden Gerichts (vgl. Beschl. v. 9.6.2021 - 13 KN 127/20 -, juris Rn. 60 ff.) - aus eigener Überzeugung an (vgl. bereits Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 49). Auch das Bundesverfassungsgericht hat auf die in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten Ausnahmefälle verwiesen, wonach "ein Normenkontrollantrag auch gegen eine bereits aufgehobene Rechtsnorm zulässig sein kann, wenn während des Normenkontrollverfahrens eine auf kurzfristige Geltung angelegte Norm etwa wegen Zeitablaufs außer Kraft getreten ist", und lediglich klargestellt, dass eine solche Überprüfung auch bei den infektionsschutzrechtlichen Verordnungen während der Corona-Pandemie angesichts deren kurzer Geltungsdauer und häufig schwerwiegender Grundrechtsbeeinträchtigungen naheliege (vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.7.2020 - 1 BvR 1630/20 -, juris Rn. 9; Beschl. v. 3.6.2020 - 1 BvR 990/20 -, juris Rn. 8; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 49).

Daran gemessen ist der Antragsteller trotz des zwischenzeitlichen Außerkrafttretens der angegriffenen Norm antragsbefugt. Die zur Überprüfung gestellte Norm hatte eine kurze Geltungsdauer (7. März 2021 bis 28. März 2021), innerhalb derer gerichtlicher Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren nicht erlangt werden konnte. Zudem macht der Antragsteller Beeinträchtigungen seiner grundrechtlichen Freiheiten geltend, die ein Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelungen rechtfertigt. Nach seinem nachvollziehbaren Vorbringen haben die Maßnahmen erheblich in die Gestaltung seines Berufs- und Privatlebens eingegriffen.

Ob der Antragsteller sein besonderes Interesse an der nachträglichen Feststellung der Unwirksamkeit der Norm darüber hinaus auch mit Erfolg auf eine zu erwartende Wiederholungsgefahr stützen kann, kann danach offenbleiben.

3. Der Antrag ist zutreffend gegen das Land Niedersachsen als normerlassende Körperschaft im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO gerichtet. Das Land Niedersachsen wird durch das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Gleichstellung, vertreten (vgl. Nr. II. des Gemeinsamen Runderlasses der Staatskanzlei und sämtlicher Ministerien, Vertretung des Landes Niedersachsen v. 12.7.2012 (Nds. MBl. S. 578), zuletzt geändert am 3.6.2021 (Nds. MBl. S. 1020), in Verbindung mit Nr. 4.22 des Beschlusses der Landesregierung, Geschäftsverteilung der Niedersächsischen Landesregierung, v. 17.7.2012 (Nds. MBl. S. 610), zuletzt geändert durch Beschluss der Landesregierung vom 26. September 2023 (Nds. MBl. S. 758)).

4. Die Antragsfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO, wonach der Normenkontrollantrag innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift zu stellen ist, ist gewahrt.

II. Der Normenkontrollantrag ist jedoch unbegründet.

Der Antragsteller kann die begehrte Feststellung, dass § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021 in der Fassung der Änderung durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021 unwirksam war, nicht beanspruchen.

Die streitgegenständliche Regelung beruhte in ihrem Geltungszeitraum auf einer tragfähigen Rechtsgrundlage (1.), sie ist formell rechtmäßig (2.), inhaltlich hinreichend bestimmt und mit dem Rechtsstaatsgebot vereinbar (3.) und auch im Übrigen materiell rechtmäßig (4.). Sie verstieß schließlich nicht gegen Art. 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV).

1. Rechtsgrundlage der angegriffenen Verordnungsbestimmungen des § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 6. März 2021 sind § 32 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 und § 28 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - IfSG a.F.) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), in der hier maßgeblichen zuletzt durch das Gesetz über eine einmalige Sonderzahlung aus Anlass der Covid-19-Pandemie an Besoldungs- und Wehrsoldempfänger vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3136) geänderten Fassung.

Durch § 32 Satz 1 IfSG a.F. wurden die Landesregierungen ermächtigt, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 IfSG a.F. maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Ge- und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Nach Satz 2 der Vorschrift können sie die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf andere Stellen übertragen.

§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. lautete folgendermaßen:

"Werden Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt oder ergibt sich, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, so trifft die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den § 28a Absatz 1 und §§ 29 bis 31 genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Unter den Voraussetzungen von Satz 1 kann die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Eine Heilbehandlung darf nicht angeordnet werden. Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit (Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes), der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Abs. 1 des Grundgesetzes) werden insoweit eingeschränkt."

§ 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG a.F. bestimmte, dass bei Kranken sowie Krankheitsverdächtigen, Ansteckungsverdächtigen und Ausscheidern, die nicht an Lungenpest und hämorrhagischem Fieber leiden, durch die zuständige Behörde angeordnet werden kann, dass sie in einem geeigneten Krankenhaus oder in sonst geeigneter Weise abgesondert werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen, befolgen können oder befolgen würden und dadurch ihre Umgebung gefährden.

Für die hier angegriffene Regelung der Absonderung müssen insbesondere auch die Voraussetzungen des § 30 IfSG a.F. vorliegen. Sie kann nicht allein auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG gestützt werden, weil § 30 IfSG demgegenüber lex specialis ist (BVerwG, Beschl. v. 31.3.2022 - 1 WB 37.21 -, juris Rn. 31; BayVGH, Urt. v. 2.8.2023 - 20 N 20.2861 -, juris Rn. 55 ff.; Urt. v. 26.7.2022 - 20 B 22.29, 20 B 22.30 -, juris; ThürOVG, Beschl. v. 5.5.2021 - 3 EN 251/21 -, juris Rn. 78; BayVGH, Beschl. v. 3.12.2020 - 20 NE 20.2749 -, juris Rn. 32 ff.; OVG NRW, Beschl. v. 5.6.2020 - 13 B 776/20.NE -, juris Rn. 25 ff.; NdsOVG, Beschl. v. 11.5.2020 - 13 MN 143/20 -, juris Rn. 33; vgl. auch Gerhardt, IfSG, 6. Aufl. 2022, § 30 Rn. 23a; Kießling, IfSG, 3. Aufl. 2022, § 30 Rn. 20; Sangs in Sangs/Eibenstein, IfSG, 1. Aufl. 2022, § 30 Rn. 2; Poscher in Huster/Kingreen (Hrsg.), Hdb. Infektionsschutzrecht, 2. Aufl. 2022, Kap. 4 Rn. 76, 104; Stach, NJW 2021, 10/11; i.E. auch Folger/Wolff, VerwArch 2023, 297/306; a.A. OVG SH, Beschl. v. 7.4.2020 - 3 MB 13/20 -, juris Rn. 10).

Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme, dass es sich bei § 32 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 und § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. um eine den verfassungsmäßigen Anforderungen genügende Verordnungsermächtigung für die Anordnung einer häuslichen Absonderung handelte.

Insbesondere verstieß § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG a.F. nicht gegen den Richtervorbehalt im Sinne von Art. 104 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, weil die häusliche Absonderung die "Freiwilligkeit" des Betroffenen voraussetzt und deshalb mangels physischer Zwangswirkungen keinen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit begründet (vgl. OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 26.4.2021 - 11 S 61/21 -, juris Rn. 23 f. m.w.N.; OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 63; OVG NRW, Beschl. v. 13.7.2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 41 f. m.w.N.; BT-Drs. 14/2530, S. 75). Soweit ein Verstoß gegen die Absonderungspflicht gemäß § 1 Abs. 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung in der Fassung der Änderungsverordnung vom 6. März 2021 bußgeldbewehrt ist, kann dies zwar eine psychische Zwangswirkung auf die Betroffenen ausüben. Die Verpflichtung wird aber nicht durch weitere Vorkehrungen begleitet, die einen zur Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG erforderlichen physischen Zwang bewirken könnten (vgl. OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 26.4.2021 - 11 S 61/21 -, juris Rn. 23 f. m.w.N.; OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 63; OVG NRW, Beschl. v. 13.7.2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 43 f. m.w.N.; zu Affenpocken: VG München, Beschl. v. 6.7.2022 - M 26b S 22.3317 -, juris Rn. 28 m.w.N.; vgl. auch: NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 48; a.M. VG B-Stadt, Beschl. v. 13.5.2020 - 15 E 1967/20 -, juris Rn. 35). Auch ein Verstoß gegen das Zitiergebot, wie vom Antragsteller gerügt, ist nicht ersichtlich. In § 28 Abs. 1 Satz 3 IfSG a.F. wurde auf die Einschränkung des Grundrechts der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG) ausdrücklich hingewiesen.

Eine Verfassungswidrigkeit von § 28 IfSG a.F., insbesondere mit Blick auf die Bestimmtheit der getroffenen Regelungen und deren Vereinbarkeit mit dem Vorbehalt des Gesetzes, nimmt der Senat in seiner Spruchpraxis nicht an (vgl. bspw. die Urteile des Senats v. 17.8.2023 - 14 KN 48/22 -, juris Rn. 99 und v. 17.8.2023 - 14 KN 22/22 -, juris Rn. 158 ff.).

2. Anhaltspunkte für eine formelle Rechtswidrigkeit der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, bestehen nicht.

Anstelle der nach § 32 Satz 1 IfSG ermächtigten Landesregierung war aufgrund der nach § 32 Satz 2 IfSG gestatteten und durch § 3 Nr. 1 der Verordnung zur Übertragung von Ermächtigungen aufgrund bundesgesetzlicher Vorschriften (Subdelegationsverordnung) vom 9. Dezember 2011 (Nds. GVBl. S. 487), zuletzt geändert durch die Verordnung vom 4. August 2020 (Nds. GVBl. S. 266), betätigten Subdelegation das Niedersächsische Ministerium für Gesundheit, Soziales und Gleichstellung zum Erlass der Verordnung zuständig.

Gemäß Art. 45 Abs. 1 Satz 2 NV ist die Verordnung von der das Ministerium seinerzeit vertretenden Ministerin ausgefertigt und ordnungsgemäß im Internet verkündet worden (vgl. zur Wirksamkeit der Verkündung NdsOVG, Beschl. v. 24.3.2021 - 13 MN 130/21 -, juris Rn. 10 ff.).

3. § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, genügte dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) verankerten verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (a)) und verstieß nicht gegen das Rechtsstaatsgebot (b)).

a) Rechtsverordnungen müssen sich - ebenso wie Gesetze - so bestimmt ausdrücken, dass ihr Inhalt und ihre Tragweite klar erkennbar sind und aus ihnen zu ersehen ist, welche Handlungen geboten oder verboten sind. Der Rechtsunterworfene muss die Möglichkeit haben, ohne größere Schwierigkeiten und demgemäß aus der Veröffentlichung selbst oder aus ihr in Verbindung mit anderen Veröffentlichungen zu erkennen, welche Vorschriften gelten sollen, damit er sein Verhalten entsprechend einrichten kann (vgl. BayVGH, Urt. v. 13.2.2019 - 19 N 15.420 -, juris Rn. 125 m.w.N.). Die Anforderungen an die Bestimmtheit erhöhen sich mit der Intensität, mit der auf der Grundlage der betreffenden Regelung in grundrechtlich geschützte Bereiche eingegriffen werden kann. Dies hat jedoch nicht zur Folge, dass die Norm überhaupt keine Auslegungsprobleme aufwerfen darf. Angesichts der Vielgestaltigkeit und Kompliziertheit der zu erfassenden Vorgänge gelingt es nicht immer, einen Tatbestand mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Es ist dann Sache der Verwaltungsbehörden und der Verwaltungsgerichte, die verbleibenden Zweifelsfragen mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregeln zu beantworten. Dem Bestimmtheitserfordernis ist genügt, wenn die Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 27.11.1990 - 1 BvR 402/87 -, juris Rn. 45; BVerwG, Urt. v. 12.7.2006 - 10 C 9/05 -, juris Rn. 29; Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 30/22 -, juris Rn. 65). Die Anforderungen an die Bestimmtheit werden überdies dadurch verschärft, dass Verstöße gegen die Absonderungspflicht zudem nach § 3 Abs. 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, bußgeldbewehrt war (vgl. SächsOVG, Beschl. v. 30.3.2021 - 3 B 83/21 -, juris Rn. 58).

Diesen Voraussetzungen genügen die angegriffenen Regelungen in § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021. Auch hinsichtlich der in den folgenden Absätzen der Vorschrift normierten Ausnahmetatbestände drängt sich eine Unbestimmtheit zumindest nicht auf. Ihre Reichweite lässt sich jedenfalls durch Auslegung, insbesondere unter Heranziehung der Verordnungsbegründung, ermitteln. Da der Antragsteller diesbezüglich im Übrigen nichts vorträgt, sieht der Senat auch keinen Anlass, ungefragt auf Fehlersuche zu gehen (vgl. z.B. BVerwG, Urt. v. 17.4.2002 - 9 CN 1/01 -, juris Rn. 43 m.w.N.). Dem Antragsteller geht es erkennbar mit der Normenkontrolle nicht um die Gültigkeit der Ausnahmevorschriften, er greift vielmehr lediglich die Absätze 1 bis 3 der Vorschrift an.

b) Es verstößt nicht gegen das Rechtsstaatsgebot, dass § 1 Abs. 1 Satz 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, in der Fassung der Änderung durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, eine dynamische Verweisung auf die durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundeministerium des Innern, für Bau und Heimat eingestuften und durch das Robert Koch-Institut veröffentlichten Risikogebiete i.S.d. § 2 Nr. 17 IfSG a.F. enthält.

In der Rechtsprechung ist im Ausgangspunkt geklärt, dass ein Normgeber nicht nur auf eigene, sondern auch auf Regelungen anderer Normgeber verweisen darf. Dies schließt grundsätzlich auch dynamische Verweisungen ein, sofern sie sich in dem durch die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit, der Demokratie und der Bundesstaatlichkeit gesetzten Rahmen bewegen (BVerfG, Beschl. v. 17.2.2016 - 1 BvL 8/10 -, juris Rn. 75; Beschl. v. 25.2.1988 - 2 BvL 26/84 -, juris Rn. 16; BVerwG, Urt. v. 26.3.2015 - 5 C 9.14 -, juris Rn. 24 und 5 C 8.14 -, juris Rn. 25). Für die Beurteilung kommt es in diesem Zusammenhang maßgeblich darauf an, ob der Verweisungsumfang "eng bemessen" ist, weil insoweit davon ausgegangen werden kann, dass der verweisende Normgeber die in Bezug genommenen Regelungen im Blick behält, sodass er auf den vorgegebenen Rahmen sprengende oder von ihm nicht gewünschte Änderungen umgehend reagieren kann (vgl. BVerfG, Beschl. v. 25.2.1988 - 2 BvL 26/84 -, juris Rn. 16; Beschl. v. 14.6.1983 - 2 BvR 488/80 -, juris Rn. 25; BVerwG, Urt. v. 26.3.2015 - 5 C 8.14 -, juris Rn. 25 und v. 27.6.2013 - 3 C 21.12 -, juris Rn. 44 m.w.N.; vgl. zum Vorstehenden bereits: Senatsbeschl. v. 14.3.2022 - 14 ME 175/22 -, juris Rn. 42 m.w.N.).

Ist dem Normgeber unter diesen Voraussetzungen sogar eine dynamische Verweisung auf Rechtsnormen eines anderen Normgebers nicht verwehrt, hat dies erst Recht für die hier im Streit stehende dynamische Bezugnahme auf die allein nach fachlichen Kriterien erfolgende Einstufung und Ausweisung von Risikogebieten zu gelten, unabhängig davon, welchen Rechtscharakter sie hat (für einen Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung: BayVGH, Urt. v. 2.8.2023 - 20 N 20.2861 -, juris Rn. 89; sonst offen gelassen). Für den Senat ist nicht ersichtlich, dass der Verordnungsgeber den so gezogenen rechtlichen Rahmen überschritten haben könnte. Insbesondere normierte § 2 Nr. 17 IfSG a.F. für die genannten Bundesbehörden ausdrücklich die Befugnis zur Feststellung von Risikogebieten (anders insoweit der Sachverhalt, der dem Urteil des BayVGH vom 2.8.2023 - 20 N 20.2861 -, juris Rn. 83 ff., zugrunde lag); rechtliche Bedenken gegen diese Norm, insbesondere die durch sie eröffneten Wertungen hat der Senat angesichts des bei der Festlegung von Risikogebieten gegebenen hochkomplexen, fachlichen und politischen Entscheidungsprozesses nicht.

Der Umfang der Verweisung in § 1 Abs. 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung war zudem sachlich und zeitlich eng begrenzt. Es ist davon auszugehen, dass dem Verordnungsgeber bei Erlass der Regelung die - auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts beschriebene - Einstufungspraxis durch die vorbenannten Bundesbehörden bekannt war und er diese Vorgehensweise in seinen Willen aufgenommen hatte. Durch die Veröffentlichung der Risikogebiete sowie der Bewertungskriterien auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts war zudem für alle Betroffenen erkennbar, ob und unter welchen Voraussetzungen die Absonderungsverpflichtung galt. Überdies war durch die eng befristete Geltungsdauer der Verordnung von nur zwei Wochen normativ sichergestellt, dass der Verordnungsgeber jedenfalls bei ihrer Verlängerung gezwungen war zu überprüfen, ob die (ggf. geänderte) Einstufungspraxis noch seinem gesetzgeberischen Willen entsprach (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 13.7.2020 - 13 B 968/20.NE - , juris Rn. 96).

Nicht zu beanstanden ist schließlich die dynamische Verweisung auf eine Internet-Veröffentlichung einer Bundesbehörde. Hierin liegt kein Verstoß gegen das Publizitäts- und Bestimmtheitsgebot aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die genaue Internetadresse wird im Verordnungstext angegeben (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 19.11.2021 - 1 BvR 781/21 u.a. -, juris Rn. 163 zur Regelung in § 28b Abs. 1 Sätze 1 und 2 IfSG in der Fassung des Vierten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 22. April 2021, durch die zur Bestimmung der Erreichung der vom Gesetzgeber selbst festgelegten Schwellenwerte der jeweiligen sog. "Sieben-Tage-Inzidenz" auf die vom Robert Koch-Institut im Internet unter https://www.rki.de/inzidenzen veröffentlichte Anzahl der Neuinfektionen Bezug genommen wurde: "Soweit die Verpflichtung zur Bekanntmachung auch durch die bloße Veröffentlichung im Internet erfolgen konnte, stößt dies auf keine durchgreifenden Bedenken. So werden etwa auch Rechtsverordnungen des Bundes auf Grundlage des Art. 82 Abs. 1 Satz 2 GG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 des Gesetzes über die Verkündung von Rechtsverordnungen und Bekanntmachungen im Bundesanzeiger ausschließlich elektronisch verkündet (von Lewinski, in: Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, Art. 82 Rn. 263, 270 (Juli 2013)"). Dass die in § 2 Nr. 17 IfSG a.F. benannte Internetseite zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr erreichbar war, lässt schon im Ansatz keine Rückschlüsse auf die Erreichbarkeit im März 2021 zu.

4. Die zur Überprüfung gestellten Vorschriften sind auch im Übrigen materiell rechtmäßig. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. (a)) sowie des § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG (b)) waren erfüllt, die zur Überprüfung gestellte Absonderungspflicht für Reiserückkehrer war zudem verhältnismäßig (c)) und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar (d)).

a) Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG a.F. waren im maßgeblichen Zeitraum vom 7. März 2021 bis zum 28. März 2021 insoweit erfüllt, als im ganzen Bundesgebiet und damit auch in Niedersachsen nach der Einschätzung des vom Gesetzgeber durch § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 1 IfSG hierzu vorrangig berufenen Robert Koch-Instituts (RKI) fortwährend Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider festgestellt wurden:

Die Situation stellte sich Anfang März 2021 - mithin zu dem Zeitpunkt, zu dem die hier streitbefangene Änderung der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung beschlossen wurde - wie folgt dar (nachfolgend auszugsweise zitiert aus dem Situationsbericht des Robert Koch-Instituts vom 7.3.2021):

"Nach wie vor ist eine hohe Anzahl an Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Gestern wurden 8.103 neue Fälle und 96 neue Todesfälle übermittelt. Die Inzidenz der letzten 7 Tage liegt deutschlandweit bei 66 Fällen pro 100.000 Einwohner (EW). In Sachsen und Sachsen-Anhalt liegt diese leicht, und in Thüringen deutlich über der Gesamtinzidenz. Aktuell weisen 263/412 Kreise eine hohe 7-Tage-Inzidenz von >50 auf. Die 7-Tage-Inzidenz liegt in 62 Kreisen bei >100 Fällen/100.000 EW, davon in vier Kreisen bei >250 Fällen/100.000 EW. Die 7-Tage-Inzidenz bei Personen 60-79 Jahre liegt aktuell bei 44 und bei Personen ≥ 80 Jahre bei 52 Fällen/100.000 EW. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht. Am 7.3.2021 (12:15) befanden sich 2.786 COVID-19-Fälle in intensivmedizinischer Behandlung (+35 zum Vortag). Seit dem Vortag erfolgten +170 Neuaufnahmen von COVID-19-Fällen auf eine Intensivstation. +44 COVID-19-Fälle sind seit dem Vortag verstorben. Seit dem 26.12.20 wurden insgesamt 4.915.868 Personen mindestens einmal (Impfquote 5,9%) und 2.410.230 zwei Mal (Impfquote 2,9%) gegen COVID-19 geimpft [...]

Mit Stand 7.3.2021 (12:15 Uhr) beteiligten sich 1.279 Krankenhaus-Standorte an der Datenerhebung. Insgesamt wurden 23.934 Intensivbetten (Low- und High-Care) als betreibbar gemeldet für Erwachsene, wovon 19.652 (82%) belegt sind. 4.282 (18%) Erwachsenen-ITS-Betten werden als aktuell frei und betreibbar angegeben."

Der Situationsbericht des Robert Koch-Instituts vom 27. März 2021 beschreibt zudem die damalige, sich nunmehr erneut verschlechternde Situation wie folgt:

"Die Zahl der Übertragungen von COVID-19 in der Bevölkerung nimmt in Deutschland deutlich zu. Das RKI schätzt die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland insgesamt als sehr hoch ein. Gestern wurden 20.472 neue Fälle und 157 neue Todesfälle übermittelt. Die Inzidenz der letzten 7 Tage liegt deutschlandweit bei 125 Fällen pro 100.000 Einwohner (EW). In Bayern, Brandenburg und Hessen liegt diese leicht, in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen deutlich über der Gesamtinzidenz. Aktuell weisen 390/412 Kreise eine hohe 7-Tage-Inzidenz von >50 auf. Die 7-Tage-Inzidenz liegt in 260 Kreisen bei >100 Fällen/100.000 EW, davon in 23 Kreis bei >250 Fällen/100.000 EW. Die 7-Tage-Inzidenz bei Personen 60-79 Jahre liegt aktuell bei 78 und bei Personen ≥ 80 Jahre bei 65 Fällen/100.000 EW. Die hohen bundesweiten Fallzahlen werden durch zumeist diffuse Geschehen mit zahlreichen Häufungen insbesondere in Haushalten, im beruflichen Umfeld und in Alten- und Pflegeheimen verursacht. [...] Die drei besorgniserregenden Virusvarianten [...] der Linie B.1.1.7 (erstmals nachgewiesen in Großbritannien), der Linie B.1.351 (erstmals nachgewiesen in Südafrika) und der Linie P.1 (zirkuliert hauptsächlich im brasilianischen Bundesstaat Amazonas) werden mit verstärkter Probensequenzierung und Datenerfassung im Deutschen elektronischen Sequenzdaten-Hub [...] im Rahmen der Integrierten Molekularen Surveillance [...] intensiv beobachtet. Die zunehmende Verbreitung und Dominanz der wesentlich übertragbareren Variante B 1.1.7 in Deutschland vermindert die Wirksamkeit der bislang erprobten Infektionsschutzmaßnahmen erheblich. [...] Die Virusvariante B.1.1.7 wird aktuell bei > 70 % der untersuchten positiven Proben in Deutschland gefunden. Das ist besorgniserregend, weil die Variante B.1.1.7 nach bisherigen Erkenntnissen deutlich ansteckender ist und vermutlich schwerere Krankheitsverläufe verursacht als andere Varianten. Der Anstieg der Fallzahlen insgesamt und der Infektionen durch die Variante B 1.1.7. werden zu deutlich ansteigenden Hospitalisierungen führen. Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen sehr gut vor einer Erkrankung durch die in Deutschland hauptsächlich zirkulierende Variante B.1.1.7, und sie schützen auch vor schweren Erkrankungen durch die anderen Varianten. Nicht notwendige Reisen sollten weiterhin, insbesondere aufgrund der zunehmenden Verbreitung der besorgniserregenden Virusvarianten, unbedingt vermieden werden. Mit deutlich sichtbaren Erfolgen der Impfkampagne ist erst in einigen Wochen zu rechnen. Gesamtgesellschaftliche Infektionsschutzmaßnahmen sind daher nötig, um die Infektionsdynamik zu bremsen."

Die Inzidenz der letzten sieben Tage lag am 7. März 2021 niedersachsenweit bei 59 Fällen und am 27. März 2021 bei 103 Fällen; sie hatte sich somit in diesem Zeitraum nahezu verdoppelt. Parallel zu dieser Entwicklung stieg die Anzahl derjenigen Personen, die an COVID erkrankten und sich in intensivmedizinischer Behandlung befanden, zunächst von 2.786 Personen am 7. März 2021 (vgl. Situationsbericht des Robert Koch-Instituts vom 7.3.2021) auf 3.334 COVID-19-Fälle am 26. März 2021 (vgl. Situationsbericht des Robert Koch-Instituts vom 26.3.2021); von den in Niedersachsen insgesamt betreibbaren 1958 Intensivbetten waren am 25. März 2021 insgesamt 1640 belegt (vgl. Begründung der damaligen Änderungsverordnung; Nds. GVBl. 2021, S. 172).

Die zuständige Behörde musste daher die notwendigen Schutzmaßnahmen treffen.

Soweit der Antragsteller meint, die Zahl der freien Intensivbetten sei von den Krankenhäusern in erheblichem Umfang in betrügerischer Absicht zu niedrig gemeldet worden, um Freihaltepauschalen für Intensivbetten zu kassieren, vermag dies an der kritischen Entwicklung der Infektionslage nichts zu ändern. Allenfalls wären die Intensivbetten erst etwas später knapp geworden. Davon abgesehen konnte der Verdacht auf betrügerische Machenschaften nicht erhärtet werden. So schrieb beispielsweise das Handelsblatt am 27.6.2023 (vgl. https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/zew-mannheim-haben-kliniken-betrogen-um-an-coronahilfen-zu-kommen-studie-gibt-klare-antwort/29226532.html):

"Der Verdacht hält sich bis heute hartnäckig: Kliniken hätten während der Coronapandemie im großen Stil die Zahl der belegten Intensivbetten manipuliert, um sich Coronahilfen der Bundesregierung zu erschleichen. Forscher des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim sind diesem Verdacht nun in einer umfangreichen, noch unveröffentlichten Studie nachgegangen. Sie liegt dem Handelsblatt vor.

Auf 39 Seiten befassen sich die Autoren Simon Reif und Sabrina Schubert mit möglichen Hinweisen auf einen Betrug - und kommen zu einem klaren Ergebnis. "Es gibt keine Belege dafür, dass Kliniken systematisch die Zahl der belegten Intensivbetten manipuliert haben, um an Hilfszahlungen zu kommen", sagt Schubert dem Handelsblatt. "Der damals geäußerte Verdacht lässt sich in den Daten also nicht bestätigen."

So hatte der Bundesrechnungshof im Sommer 2021 in einem Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestags unter anderem mögliche Fehlanreize durch Coronazahlungen an Krankenhäuser kritisiert. Kliniken erhielten unter bestimmten Voraussetzungen finanzielle Hilfen, die der frühere Gesundheitsminister Jens Spahn(CDU) aufgesetzt hatte.

Dazu zählte, dass sie in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt liegen, in der 25 Prozent oder weniger der Intensivbetten frei sind. Zudem musste die Sieben-Tage-Inzidenz über dem Wert von 70 liegen - später wurde dieser Wert auf 50 angepasst. Insgesamt flossen bis März 2023 gemeinsam mit weiteren Coronahilfsmaßnahmen bundesweit mehr als 22 Milliarden Euro an die Kliniken. Sie waren Teil einer ganzen Reihe von unbürokratischen, schnellen Unterstützungsmaßnahmen in der Pandemie.

Denn viele Krankenhäuser gerieten in dieser Zeit an ihre finanziellen Grenzen und liefen Gefahr pleitezugehen. Zum einen sank die Zahl der Krankheitsfälle, da viele Menschen aus Sorge vor einer Ansteckung mit Corona ihre Behandlungen verschoben oder gar nicht erst in Anspruch nahmen. Zum anderen sollten Kliniken auch Kapazitäten für die Behandlung von Covidpatienten freihalten.

Die ZEW-Forscher untersuchten, wie die Krankenhäuser auf Hilfszahlungen der Bundesregierung während der zweiten und dritten Coronawelle von November 2020 bis April 2021 reagierten. Dazu nutzten sie öffentlich verfügbare Daten unter anderem aus dem Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) sowie Informationen aus der Krankenhausstatistik der statistischen Ämter von Bund und Ländern.

Um an Hilfszahlungen zu kommen, hätten die Kliniken die Zahl der freien Intensivbetten vor allem dann anpassen müssen, wenn die Coronainzidenz über den Grenzwerten lag, argumentiert Schubert. "Es lässt sich allerdings keine signifikante Änderung in der Anzahl der gemeldeten freien Betten feststellen."

Die Ergebnisse würden nahelegen, dass die Verknappung der Intensivkapazitäten während der zweiten und dritten Coronawelle eine direkte Folge der Erkrankungslast - und eben keine strategischen Meldungen waren. Nicht ausschließen können die Autoren allerdings, dass es zumindest in Einzelfällen dazu kam. Grund dafür ist die beschränkte Datenlage.

Der Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft DKG, Gerald Gaß, sieht sich von dem Ergebnis bestätigt. "Diese Untersuchung belegt klar und deutlich: Krankenhäuser haben während der Coronapandemie alle ihre Möglichkeiten zum Schutz der Bevölkerung eingesetzt", sagte er dem Handelsblatt. "Der immer wiederholte Vorwurf der Manipulation und Bereicherung bei den vom Bund ausgezahlten Coronahilfen hat sich auch bei Analyse nicht bestätigt."

b) Der sachliche Anwendungsbereich des § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG war grundsätzlich eröffnet. Eine übertragbare Krankheit, die nicht von § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG erfasst wurde, mit einer erheblichen Anzahl von Erkrankungen mit teilweise letalem Ausgang war durch das Aufkommen und die Verbreitung des Coronavirus und der dadurch verursachten Krankheit Covid-19 festgestellt (vgl. bereits unter a)).

Zudem war im Falle von aus Risikogebieten einreisenden Personen auch der persönliche Anwendungsbereich der Regelung eröffnet. Anders als im Fall der Anwendung der infektionsschutzrechtlichen Generalermächtigung zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten nach § 28 Abs. 1 IfSG ist der Kreis der Adressaten der Absonderungsanordnung begrenzt auf Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige und Ausscheider.

Ansteckungsverdächtig ist gemäß § 2 Nr. 7 IfSG a.F. eine Person, von der anzunehmen ist, dass sie Krankheitserreger aufgenommen hat, ohne krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider zu sein. Die Aufnahme von Krankheitserregern ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts anzunehmen, wenn der Betroffene mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Kontakt zu einer infizierten Person oder einem infizierten Gegenstand hatte. Die Vermutung, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, muss naheliegen. Eine bloß entfernte Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Demzufolge ist die Annahme eines Ansteckungsverdachts einerseits nicht schon gerechtfertigt, wenn die Aufnahme von Krankheitserregern nicht auszuschließen ist (anders die abweichende Formulierung in § 1 Abs. 2 Nr. 7 des Tierseuchengesetzes - TierSG - zur Legaldefinition des ansteckungsverdächtigen Tieres). Andererseits ist auch nicht zu verlangen, dass sich die Annahme geradezu aufdrängt. Erforderlich und ausreichend ist, dass die Annahme, der Betroffene habe Krankheitserreger aufgenommen, wahrscheinlicher ist als das Gegenteil (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - BVerwG 3 C 16.11 -, juris Rn. 31 m.w.N.; vgl. NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 30; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 26.4.2021 - OVG 11 S 61/21 -, juris Rn. 20).

Bei der Bewertung, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Ansteckungsgefahr vorliegt, ist kein einheitlicher Maßstab anzuwenden. Vielmehr gilt der allgemeine polizei- und ordnungsrechtliche Grundsatz, wonach an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts umso geringere Anforderungen zu stellen sind, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist. Dafür sprechen das Ziel des Infektionsschutzgesetzes, eine effektive Gefahrenabwehr zu ermöglichen (§ 1 Abs. 1, § 28 Abs. 1 IfSG), sowie der Umstand, dass die betroffenen Krankheiten nach ihrem Ansteckungsrisiko und ihren Auswirkungen auf die Gesundheit des Menschen unterschiedlich gefährlich sind. Im Falle eines hochansteckenden Krankheitserregers, der bei einer Infektion mit großer Wahrscheinlichkeit zu einer tödlich verlaufenden Erkrankung führen würde, drängt sich angesichts der schwerwiegenden Folgen auf, dass die vergleichsweise geringe Wahrscheinlichkeit eines infektionsrelevanten Kontakts genügen kann. Erforderlich ist daher die Anlegung eines flexiblen Maßstabs, der den Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung und dessen Ausbreitungsweise einbezieht. Das Beispiel zeigt, dass es sachgerecht ist, einen am Gefährdungsgrad der jeweiligen Erkrankung orientierten, "flexiblen" Maßstab für die hinreichende (einfache) Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - 3 C 16.11 -, Rn. 32 m.w.N.; vgl. NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 31; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 26.4.2021 - OVG 11 S 61/21 -, juris Rn. 21).

Ob gemessen daran ein Ansteckungsverdacht im Sinne von § 2 Nr. 7 IfSG zu bejahen ist, beurteilt sich unter Berücksichtigung der Eigenheiten der jeweiligen Krankheit und der verfügbaren epidemiologischen Erkenntnisse und Wertungen sowie anhand der Erkenntnisse über Zeitpunkt, Art und Umfang der möglichen Exposition der betreffenden Person und über deren Empfänglichkeit für die Krankheit. Es ist erforderlich, dass das zugrundeliegende Erkenntnismaterial belastbar und grundsätzlich auch auf den konkreten Fall bezogen ist. Die Feststellung eines Ansteckungsverdachts setzt voraus, dass die Behörde zuvor Ermittlungen zu infektionsrelevanten Kontakten des Betroffenen angestellt hat; denn ohne aussagekräftige Tatsachengrundlage lässt sich nicht zuverlässig bewerten, ob eine Aufnahme von Krankheitserregern anzunehmen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.3.2012 - 3 C 16/11 -, juris Rn. 33). Allerdings hat der Gesetzgeber in § 32 Satz 1 IfSG den Erlass von Rechtsverordnungen und damit von abstrakt-generellen Regelungen vorgesehen. Eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Ermittlungstätigkeit kann vom Verordnungsgeber infolgedessen nicht erwartet werden. Wohl aber hat er seine Regelungen, die nur "unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen nach den §§ 28 bis 31 maßgebend sind", erlassen werden können, auf konkret nachvollziehbare und belastbare tatsächliche Grundlagen zu stützen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 32; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 26.4.2021 - OVG 11 S 61/21 -, juris Rn. 21).

Dies zugrunde gelegt waren im maßgeblichen Zeitraum Personen, die aus einem als Risikogebiet qualifizierten Staat oder einer solchen Region in das Land Niedersachsen einreisten, als ansteckungsverdächtig hinsichtlich des SARS-CoV-2-Virus anzusehen.

Den Begriff des Risikogebiets hatte der Gesetzgeber mit dem Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 18. November 2020 (BGBl. S. 2397) in dem neu eingefügten § 2 Nr. 17 IfSG a.F. legaldefiniert als ein Gebiet außerhalb der Bundesrepublik Deutschland, für das vom Bundesministerium für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit einer bestimmten bedrohlichen übertragbaren Krankheit festgestellt wurde. Die Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 3. November 2020 nennt als Kriterien, die zur Festlegung eines Risikogebietes führen, epidemiologische, wie insbesondere Inzidenzzahlen, Ausbruchsgeschwindigkeit, Pathogenität und Letalität der bedrohlichen übertragbaren Krankheit (vgl. BT-Drs. 19/23944 S. 24). Auch wenn die Schwelle des erhöhten Infektionsrisikos i.S.d. § 2 Nr. 17 IfSG a.F. möglicherweise nicht bei jeder Erkrankung mit der Schwelle für einen Ansteckungsverdacht i.S.d. § 2 Nr. 7 IfSG gleichzusetzen ist, führte jedenfalls die konkrete Ausweisung der SARS-CoV-2-Risikogebiete im maßgeblichen Zeitraum dazu, dass Reiserückkehrer als Ansteckungsverdächtige i.S.d. § 2 Nr. 17 IfSG a.F. anzusehen waren (a.A. BayVGH, Urt. v. 2.8.2023 - 20 N 20.2861 -, juris Rn. 62 ff., der annimmt, dass die in § 2 Nr. 17 IfSG a.F. normierte Schwelle des erhöhten Infektionsrisikos stets niedriger sei, als die des Ansteckungsverdachts).

Nach den Informationen des Robert Koch-Instituts erfolgte die Einstufung als SARS-CoV-2-Risikogebiet

"nach gemeinsamer Analyse und Entscheidung durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Die Einstufung als Risikogebiet basiert auf einer zweistufigen Bewertung. Zunächst wird festgestellt, in welchen Staaten/Regionen es in den letzten sieben Tagen mehr als 50 Neuinfizierte pro 100.000 Einwohner gab. In einem zweiten Schritt wird nach qualitativen und weiteren Kriterien festgestellt, ob z.B. für Staaten/Regionen, die den genannten Grenzwert nominell über- oder unterschreiten, dennoch die Gefahr eines nicht erhöhten oder eines erhöhten Infektionsrisikos vorliegt. Für die EU-Mitgliedstaaten wird seit der 44. Kalenderwoche hier insbesondere die nach Regionen aufgeschlüsselte Karte des Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) berücksichtigt. Die Karte enthält Daten zur Rate der SARS-CoV-2-Neuinfektionen, zur Testpositivität und zur Testrate. Für Bewertungsschritt 2 liefert außerdem das Auswärtige Amt auf der Grundlage der Berichterstattung der deutschen Auslandsvertretungen sowie ggf. das Bundesministerium für Gesundheit sowie das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat qualitative Berichte zur Lage vor Ort, die auch die jeweils getroffenen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beleuchten. Maßgeblich für die Bewertung sind insbesondere die Infektionszahlen und die Art des Ausbruchs (lokal begrenzt oder flächendeckend), Testkapazitäten sowie durchgeführte Tests pro Einwohner sowie in den Staaten ergriffene Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens (Hygienebestimmungen, Kontaktnachverfolgung etc.). Ebenso wird berücksichtigt, wenn keine verlässlichen Informationen für bestimmte Staaten vorliegen." (vgl. z.B. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Transport/Archiv_Risikogebiete/Risikogebiete_2021-03-12.pdf?__blob=publicationFile; vgl. zudem die Zitate bei NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 33, VGH BW, Beschl. v. 18.3.2021 - 1 S 872/21 -, juris Rn. 28; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.7.2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 75)."

Dieses Vorgehen stützt die Feststellung von ausländischen Risikogebieten sowie die Annahme eines Ansteckungsverdachts bei Einreise aus einem solchen Risikogebiet auf eine hinreichend aussagekräftige Tatsachengrundlage (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 33; OVG Berl.-Bbg., Beschl. v. 26.4.2021 - OVG 11 S 61/21 -, juris Rn. 22; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 13.7.2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn 81). Die Anknüpfung zunächst an den Orientierungswert von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner für die Bestimmung eines Risikogebietes war dabei sachgerecht. Der Wert stellte nach der Einschätzung des zuständigen Robert-Koch-Instituts die Obergrenze dar, bis zu der sich die öffentliche Gesundheitsverwaltung in Deutschland zu einer Rückverfolgung der Infektionsketten maximal in der Lage sah (vgl. BT-Drs. 10/23944, S. 34 und das Intensitäts-Stufenkonzept des Robert Koch-Instituts, ControlCOVID Strategie und Handreichung zur Entwicklung von Stufenkonzepten bis Frühjahr 2021, Stand 18.2.2021, dort Bl. 7). Dementsprechend begründete die Überschreitung dieses Wertes die Gefahr, dass sich das Virus in der Bevölkerung in nicht mehr kontrollierbarer Weise schon verbreitet hatte oder weiterverbreiten würde. Die Feststellungen einer Überschreitung der 7-Tage-Inzidenz basierte (insbesondere) auf den statistischen Auswertungen und Veröffentlichungen des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC). Die im weiteren Prüfungsverfahren gegebenenfalls relevanten quantitativen Kriterien wurden vornehmlich durch das Auswärtige Amt geliefert.

Die Einreise aus anderen Ländern mit einem solcherart bestimmten erheblichen Infektionsgeschehen stellte eine bedeutende Gefahrenquelle für die Weiterverbreitung des Coronavirus in Deutschland dar, der Aufenthalt und das Reisen in einem Risikogebiet birgt insoweit relevante Infektionsquellen (vgl. VGH BW, Beschl. v. 18.3.2021 - 1 S 872/21 -, juris Rn. 29 m.w.N.). Untermauert wird dieser Befund durch die Erfahrungen nach den Sommerferien 2020. Hier hatte sich gezeigt, dass von Rückkehrern aus ausländischen Risikogebieten erhebliche Eintragungen des SARS-CoV-2-Virus nach Deutschland ausgingen. Das Robert Koch-Institut führte hierzu in seinem Lagebericht vom 1. Dezember 2020 aus:

"In der Anfangsphase der COVID-19-Epidemie in Deutschland lag in Meldewoche 11 der Anteil von allen Fällen mit Expositionsort im Ausland bei 46%. Im Zuge der Reisebeschränkungen ist dieser Anteil stetig gefallen, auf 0,4% in der Meldewoche 19. Seit der 25. Meldewoche gab es erste Grenzöffnungen, zunächst in Europa. Ab dann stieg der Anteil der Fälle mit Angabe eines wahrscheinlichen Infektionslandes im Ausland wieder an, erreichte seinen Höhepunkt in der Meldewoche 34 mit 49% und nimmt seitdem kontinuierlich wieder ab. Die absolute Zahl an Fällen mit Auslandsexposition war nach dem Ende der Sommerferienzeit (KW 38) bis KW 45 mit im Mittel 1700 Fällen pro Woche stabil. Sie nimmt seitdem ab auf derzeit 468 Fälle in KW 48. Der Anteil an allen Fällen mit einer Angabe einer Exposition im Ausland ist deutlich gesunken, auf 0,4% in KW 48. In KW 45-48 gaben 3.899 Personen einen möglichen Infektionsort im Ausland an." (vgl. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Dez_2020/2020-12-01-de.pdf?__blob=publicationFile; vgl. zudem das Zitat bei VGH BW, Beschl. v. 18.3.2021 - 1 S 872/21 -, juris Rn. 30)."

Die Einstufung eines (ganzen) Landes - hier insbesondere Schweden - als "Risikogebiet" kann nicht Gegenstand des Normenkontrollverfahrens sein, da die Einstufung nicht in § 1 Abs. 1 bis 3 der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vorgenommen wurde (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 34; ThürOVG, Beschl. v. 5.5.2021 - 3 EN 251/21 -, juris Rn. 95). Überprüft werden kann nur, ob auf eine nicht im Einzelnen überprüfbare Einstufung durch das RKI verwiesen werden durfte, was - wie bereits ausgeführt - der Fall war. Es bestand auch kein Anspruch darauf, dass eine genauere als die vom Robert Koch-Institut vorgenommene Differenzierung erfolgt, etwa nach einzelnen Landesteilen. Insoweit stand dem Robert Koch-Institut ein Spielraum zu, welchen Zuschnitt es vornehmen wollte, um verlässlich und fortlaufend aktualisierend die Einstufung einer Region als Risikogebiet feststellen zu können. Dass es diesen Spielraum in der Betrachtung ganz Schwedens überschritten haben könnte, ist nicht ersichtlich (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 34; ThürOVG, Beschl. v. 5.5.2021 - 3 EN 251/21 -, juris Rn. 95).

Dass möglicherweise auch am Rückkehrort, in Teilen oder gar in der gesamten Bundesrepublik ein gleiches oder höheres Infektionsrisiko wie in einem Risikogebiet besteht, schließt die Anwendung des § 30 IfSG tatbestandlich nicht aus. Die Feststellung, Ansteckungsverdächtiger zu sein, ist nicht in Abhängigkeit von dem durchschnittlichen Infektionsrisiko in der Bevölkerung zu sehen, sondern liegt immer dann vor, wenn aufgrund von Tatsachen angenommen werden kann, dass die betroffene Person Krankheiterreger aufgenommen hat (NdsOVG, Beschl. v. 9.4.2021 - 13 MN 170/21 -, juris Rn. 28).

c) Die mit der vom Antragsteller angegriffenen Regelung des § 1 Abs. 1 bis 3 der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021 in der Fassung von Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021 verbundenen Eingriffe in die Grundrechte der Freiheit der Person nach Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG sowie der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG waren verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Die Regelung war insbesondere mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar.

Mit dem Schutz von Leben und Gesundheit und der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems verfolgte die (2.) Niedersächsische Quarantäne-Verordnung zunächst einen legitimen Zweck.

Zur Erreichung dieses Zwecks ist die Absonderungspflicht für Reiserückkehrer aus ausländischen Risikogebieten - die in der Sache wohl als milderes Mittel zur Reisebeschränkungen / -verboten konzipiert ist - grundsätzlich auch geeignet (aa)), erforderlich (bb)) und angemessen (cc)).

aa) Die Regelung, mit der Ein- bzw. Rückreisende aus Risikogebieten zur Absonderung verpflichtet werden, war ein geeignetes Mittel, um das Ziel des Verordnungsgebers zu erreichen, zum Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems die Entstehung neuer Infektionsketten und damit verbunden die weitere Verbreitung der COVID-19-Krankheit zu verhindern. Für die Eignung genügt es, wenn der verfolgte Zweck durch die Maßnahme gefördert werden kann, ohne dass die vollständige Zweckerreichung gesichert sein muss (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.02.2001 - 1 BvR 781/98 -, juris Rn. 22; Beschl. v. 26.04.1995 - 1 BvL 19/94 und 1 BvR 1454/94 - , juris Rn. 52).

Mit der Verpflichtung, sich nach einer Ein- oder Rückreise aus einem Risikogebiet in der eigenen Häuslichkeit oder einer anderen geeigneten Unterkunft abzusondern, konnte unterbunden werden, dass Personen, die sich während eines Auslandsaufenthalts infiziert hatten, mit anderen in Kontakt traten und auf diese Weise das Virus weiterverbreiteten.

Die Geeignetheit dieser Maßnahme, die Ausbreitung des Virus zu verhindern, war nicht mit der Erwägung in Zweifel zu ziehen, dass bei Personen, die Niedersachsen nicht verlassen hatten oder sich in einem anderen Bundesland mit vergleichbaren Inzidenzwerten aufgehalten hatten, eine ebenso hohe oder noch höhere Wahrscheinlichkeit bestanden habe, dass sie das Virus aufgenommen hätten und als ansteckungsverdächtig i.S. des § 30 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 2 Nr. 7 IfSG angesehen werden könnten. Gegen diese Annahme spricht schon, dass sich das Bewegungs- und Kontaktprofil von Auslandsreisenden typischerweise von dem Daheimgebliebener unterscheidet. Durch die stärkere Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, öffentlicher Infrastruktur (Flughäfen, Beherbergungsbetriebe) und die bei Auslandsreisen oft eintretende Kontaktaufnahme mit Personen, die nicht dem alltäglichen Umfeld entstammen, war das Verhalten von Auslandsreisenden typisierbar eher gefahrengeneigt (OVG LSA, Beschl. v. 11.12.2020 - 3 R 260/20 -, juris Rn. 33; NdsOVG, Beschl. v. 30.11.2020 - 13 MN 520/20 -, juris Rn. 41; OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 3.12.2020 - OVG 11 S 122/20 -, juris Rn. 29). Das galt besonders hinsichtlich derjenigen als Risikogebiete eingestuften Länder, in denen keine oder geringere Beschränkungen des öffentlichen Lebens galten als in der Bundesrepublik Deutschland. Im gesamten Inland waren Beherbergungsbetriebe für touristische Zwecke, Gastronomie- und Kulturbetriebe seinerzeit geschlossen. Es kommt in diesem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob von Rückkehrern aus ausländischen Risikogebieten stets hohe Infektionsrisiken ausgingen. Dem Verordnungsgeber ist es gestattet, bei der Auswahl der Maßnahmen an pauschalierende Merkmale anzuknüpfen. Deshalb war es unerheblich, ob beispielsweise gerade eine Reise des Antragstellers in sein Ferienhaus nach Schweden mit erhöhten Infektionsrisiken verbunden war. Ohnehin konnte nicht davon ausgegangen werden, dass die Reise des Antragstellers den typischen Fall einer Auslandsreise (in ein Risikogebiet) darstellte. Angesichts der mit Auslandaufenthalten - typischerweise - verbundenen Kontakte konnte vielmehr pauschalierend von erhöhten Gefahren auch in solchen Risikogebieten ausgegangen werden, die geringere Inzidenzwerte aufwiesen als Niedersachsen. Im Übrigen waren Inzidenzwerte im Inland nicht ohne weiteres mit denjenigen im Ausland vergleichbar, weil die Teststrategie weltweit unterschiedlich ausgestaltet war. Dementsprechend erfolgte die Festlegung von Risikogebieten wie beschrieben durch eine Risikobewertung des Bundesministeriums für Gesundheit im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt (AA) und dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und nicht pauschal anhand von Fallzahlen (NdsOVG, Beschl. v. 30.11.2020 - 13 MN 520/20 -, juris Rn. 42). Deshalb sei nur am Rande - ohne dass es für die Entscheidung darauf ankommt - darauf hingewiesen, dass die Inzidenzwerte in Schweden im maßgeblichen Zeitraum höher lagen als in Niedersachsen. Schweden galt seit dem 7. März 2021 als Hochinzidenzgebiet mit mehr als 200 Fällen pro 100.000 Einwohner binnen 7 Tagen (vgl. https://www.rwarchiv.de/?page_name=meldung&meldung=210708_1614942000), während der Wert in Niedersachsen an dem Tag bei 59 lag (vgl. oben unter 4. a)).

Die Geeignetheit der Absonderungspflicht wurde auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Ausnahmevorschriften eine Vielzahl von Personen erfassten. Zwar wurde die Wirkung der Maßnahme dadurch gemildert, aber nicht vollständig aufgehoben.

bb) Das angegriffene Absonderungsgebot für Ein- und Rückreisende stellte auch eine zur Erreichung des Regelungsziels erforderliche Maßnahme dar.

Das Gebot der Erforderlichkeit ist verletzt, wenn das Ziel der angegriffenen Regelung auch durch ein anderes, gleich wirksames Mittel erreicht werden kann, das die betroffenen Grundrechte nicht oder weniger stark einschränkt. Unter mehreren gleich gut geeigneten Mitteln muss der Normgeber das am wenigsten belastende auswählen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 09.03.1994 - 2 BvL 43/92 -, juris Rn. 122 m.w.N.; Beschl. v. 20.06.1984 - 1 BvR 1494/78 -, juris Rn. 54 ff. m.w.N.).

Es sind keine milderen Mittel ersichtlich, mit denen der Gefahr der Ausbreitung des Virus durch Ein- oder Rückreisende aus Risikogebieten mindestens gleich wirksam begegnet hätte begegnet werden können wie durch die Absonderungspflicht der maßgeblichen Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung.

Insbesondere war eine Testung vor bzw. bei Einreise ins Bundesgebiet kein gleich geeignetes Mittel. Die mittlere Inkubationszeit für Covid-19 betrug fünf bis sechs Tage (vgl. RKI- Steckbrief Coronavirus, Nr. 5, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html;jsessionid=FD627E2A56EB64144B913895CF295DA0.internet072#doc13776792bodyText5). Ein Test vor Ausreise aus dem Risikogebiet hatte, da bis zur Rückkehr weitere Ansteckungsgefahren (z.B. vor Ort, am Flughafen, bei der Rückreise) bestanden, notwendigerweise eine geringere Aussagekraft als ein Test nach bereits absolvierter fünftägiger Absonderung zuhause. Gerade die Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Rückreiseverkehr nach den Sommerferien 2020 hatten gezeigt, dass aufgrund der durchschnittlichen Inkubationszeit eine Vielzahl von Infektionen durch eine (negative) Testung vor der Rückreise nicht erfasst wurde. Dieses verbleibende Restrisiko wurde vom Verordnungsgeber nur noch in bestimmten - in § 1 Abs. 5 - 9 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, in der Fassung des Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, näher konkretisierten Ausnahmefällen toleriert (vgl. OVG Bremen, Urt. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 78; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.12.2020 - 1 S 3737/20 -, juris Rn. 38; BayVerfGH, Entscheidung v. 23.11.2020 - Vf. 59-VII-20 -, juris Rn. 58; OVG SH, Beschl. v. 07.04.2020 - 3 MB 13/20 -, juris Rn. 14; OVG NRW, Beschl. v. 13.07.2020 - 13 B 968/20.NE -, juris Rn. 91, 97).

Soweit der Antragsteller bemängelt, dass § 1 Abs. 1 bis 3 der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung Absonderungspflichten unterschiedslos für alle Personen festgesetzt habe, die aus einem Risikogebiet einreisten, und unberücksichtigt gelassen habe, ob durch die Einreise zusätzliche Infektionsgefahren begründet würden, gibt es keine praktikablen Kriterien, anhand derer hinsichtlich der jeweiligen Infektionsgefahren nach dem Aufenthalt in einem Risikogebiet hätte differenziert werden können. Insbesondere lässt sich weder zuverlässig noch ohne großen Aufwand feststellen, in welchem Umfang der jeweilige Auslandsaufenthalt - etwa aufgrund der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder des Aufenthalts in Hotels und Gaststätten - mit Kontakten zu anderen Personen verbunden war. Eine Regelung, die sich an solchen individuellen Besonderheiten orientiert hätte, wäre nicht praktikabel und für den Normadressaten kaum noch zu überblicken gewesen (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 11.12.2020 - 3 R 260/20 -, juris Rn. 35; NdsOVG, Beschl. v. 30.11.2020 -13 MN 520/20 -, juris Rn. 44). Wie bereits ausgeführt, ist es dem Verordnungsgeber gestattet, sich an typisierenden und pauschalierenden Merkmalen zu orientieren. Eine Differenzierung der Quarantänepflicht nach Regionen, in denen sich der Betroffene zuvor aufgehalten hat, ist durch die Anknüpfung an Risikogebiete umgesetzt (vgl. OVG LSA, Beschl. v. 11.12.2020 - 3 R 260/20 -, juris Rn. 35 m.w.N.).

cc) Die vom Antragsteller angegriffene Regelung war auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Nach der vorzunehmenden Zweck-Mittel-Relation stand die mit der Maßnahme erreichbare Wirkung in Bezug auf den Eingriffszweck in einem angemessenen Verhältnis zu dem hiermit verbundenen Eingriff in die Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG), der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG).

Fraglos berechtigte die seinerzeitige Pandemielage - insbesondere auch vor dem Hintergrund wieder steigender Fallzahlen ab Anfang März 2021 - den Antragsgegner dazu, im Verordnungswege Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie zu ergreifen, die mit Grundrechtseingriffen verbunden waren. Die angegriffene Regelung zielte auf den Schutz von Gesundheit, Leib und Leben der Bevölkerung ab. Damit nahm der Staat seine aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG folgende Schutzpflicht wahr. Demgegenüber galt die Absonderungspflicht für Ein- und Rückreisende aus Risikogebieten nicht unbeschränkt. § 1 Abs. 5 ff. der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung sah eine Vielzahl von Ausnahmen vor. Härtefällen wurde die Regelung dadurch gerecht, dass die zuständige Behörde gemäß § 1 Abs. 9 der Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung auf Antrag weitere Ausnahmen bei Vorliegen eines triftigen Grundes erteilen konnte. Soweit der Antragsteller vorträgt, sein Antrag auf Erteilung einer Ausnahme sei von der zuständigen Behörde abgelehnt worden, ist er darauf zu verweisen, dass er gegen diese Entscheidung Rechtsschutz hätte suchen können. Darüber hinaus konnten sich die Betroffenen zumeist schon vor Antritt der Auslandsreise auf die nach der Rückkehr bestehende Absonderungspflicht einstellen. Bereits seit dem Inkrafttreten der (1.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung zum 9. November 2020 knüpfte die Absonderungspflicht in § 1 an den Aufenthalt in einem durch das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat festgestellten und durch das RKI veröffentlichten Risikogebiet an. Die meisten der betroffenen Regionen waren schon seit längerer Zeit entsprechend eingestuft, so auch Schweden.

Zudem konnte die Absonderung gemäß § 2 Abs. 1 bis 4 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, in der Fassung von Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, durch die Vorlage eines negativen Testergebnisses auf fünf Tage verkürzt werden.

d) Das Absonderungsgebot in § 1 Abs. 1 bis 3 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung für Reiserückkehrer, zuletzt geändert durch Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, verstieß auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. BVerfG, Beschl. v. 07.02.2012 - 1 BvL 14/07, juris Rn. 40; Beschl. v. 15.07.1998 - 1 BvR 1554/89 u.a. -, juris Rn. 63). Es sind nicht jegliche Differenzierungen verwehrt, allerdings bedürfen sie der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen reichen die Grenzen für die Normsetzung vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Insoweit gilt ein stufenloser, am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.07.2012 - 1 BvL 16/11 -, juris Rn. 30; Beschl. v. 21.06.2011 - 1 BvR 2035/07 -, juris Rn. 65; Beschl. v. 21.07.2010 - 1 BvR 611/07 u.a. -, juris Rn. 79).

Hiernach sind die sich aus dem Gleichheitssatz ergebenden Grenzen für die Infektionsschutzbehörde weniger streng (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 15.06.2020 - 1 B 176/20 -, juris Rn. 46 m.w.N.). Auch kann die strikte Beachtung des Gebots innerer Folgerichtigkeit nicht eingefordert werden (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 15.06.2020 - 1 B 176/20 -, juris Rn. 46 m.w.N.). Zudem ist die sachliche Rechtfertigung nicht allein anhand des infektionsschutzrechtlichen Gefahrengrades der betroffenen Tätigkeit zu beurteilen. Vielmehr sind auch alle sonstigen relevanten Belange zu berücksichtigen, etwa die Auswirkungen der Ge- und Verbote für die betroffenen Unternehmen und Dritte und auch öffentliche Interessen an der uneingeschränkten Aufrechterhaltung bestimmter unternehmerischer Tätigkeiten (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 09.11.2020 - 13 MN 472/20 -, juris Rn. 60 m.w.N.). Auch die Überprüfbarkeit der Einhaltung von Ge- und Verboten kann berücksichtigt werden (vgl. Nds.OVG, Beschl. v. 09.11.2020 - 13 MN 472/20 -, juris Rn. 60 m.w.N.).

Diese Anforderungen hat der Normgeber hier hinreichend beachtet. Insbesondere lag die vom Antragsteller gerügte verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Einreisenden aus ausländischen Risikogebieten und Personen, die sich im Inland in einem Gebiet mit erhöhter (i.e. über der Schwelle von 50 Neuinfektionen/100.000 Einwohner in den letzten 7 Tagen liegenden) Inzidenz aufgehalten haben, nicht vor, auch wenn die Inzidenz am Zielort der Reise vergleichbar oder niedriger als im Inland war.

Die Gruppe der Reiserückkehrer aus ausländischen Risikogebieten sowie die Gruppe der Personen, die sich im Inland in einem Gebiet mit erhöhter Inzidenz aufgehalten hatten, waren aus infektionsschutzrechtlicher Sicht bereits keine vergleichbaren Gruppen i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Selbst wenn eine Vergleichbarkeit dieser Personengruppen angenommen würde, wäre die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Absonderungspflicht aus infektionsschutzrechtlichen Gründen gerechtfertigt gewesen. Im Einzelnen:

In Deutschland galten auch im März/April 2021 noch bundesweite und überwiegend einheitliche Vorschriften im Sinne eines "Teil-Lockdown", die sowohl die gesamte Mobilität als auch den Reiseverkehr innerhalb der Bundesrepublik massiv einschränkten: In Niedersachsen (und entsprechend in den übrigen Bundesländern) bestand ein Beherbergungsverbot für touristische Reisen (vgl. § 10 Abs. 2 lit. a der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), in der Fassung der Verordnung vom 7. März 2021 (Nds. GVBl. S. 110)) sowie die Verpflichtung zur Schließung von Gastronomiebetrieben für den Publikumsverkehr (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 der Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), in der Fassung der Verordnung vom 7. März 2021 (Nds. GVBl. S. 110)). Weiterhin wurden zahlreiche Einschränkungen des Freizeitbereichs, wie beispielsweise die Schließung von Vergnügungsstätten, Kunsteinrichtungen, Kinos, Museen, Theater, Messen und Ausstellungen, Freizeitparks, Sportanlagen, Schwimmbäder und Saunen, vorgenommen sowie Betriebsverbote für vielfältige Dienstleistungsbetriebe, die körpernahe Dienstleistungen anboten, verhängt. Darüber hinaus bestanden Kontaktbeschränkungen sowie allgemeine Hygienemaßnahmen wie z.B. die Abstandsregel, die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Bereich sowie das Erfordernis zum Erstellen von Hygienekonzepten (vgl. bereits OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 96 f.). Diese Maßnahmen blieben jedenfalls bis in den April 2021 hinein aufrechterhalten (vgl. nur die im Wesentlichen gleichlautenden Regelungen Niedersächsischen Corona-Verordnung vom 30. Oktober 2020 (Nds. GVBl. S. 368), in der Fassung der Verordnung vom 9. April 2021 (Nds. GVBl. S. 185).

All diese Maßnahmen waren Teil des Gesamtkonzepts zur Pandemiebekämpfung, zum Schutz der Bevölkerung vor individuellen Gesundheitsgefahren sowie der Vermeidung der Überlastung des gesamten Gesundheitswesens. Sie betrafen alle Personen, die sich im Bundesgebiet aufhielten und zielten darauf, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 96; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.12.2020 - 1 S 3737/20 -, juris Rn. 63).

Der Normgeber konnte diese Beschränkungen des öffentlichen Lebens und individueller Freiheiten allerdings nur für seinen territorialen Hoheitsbereich treffen. Auf Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung im Ausland hatte er hingegen keinen Einfluss. Reisten daher Personen aus einem ausländischen Risikogebiet ein, waren diese für die Zeit des Aufenthalts in diesem Gebiet nicht den gleichen Beschränkungen, die der Verordnungsgeber Reisenden in Niedersachsen oder Daheimgebliebenen auferlegt hatte, unterworfen. Für den Verordnungsgeber war nicht in jedem Einzelfall - bezogen auf jedes Land außerhalb der Bundesrepublik - nachprüfbar, welchen Infektionsrisiken Einreisende ausgesetzt waren. Aus diesem Grund sind diese beiden Gruppen von Personen bereits nicht vergleichbar (OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 96; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.12.2020 - 1 S 3737/20 -, juris Rn. 64).

Selbst wenn jedoch von einer wesentlichen Gleichheit der Gruppen und insoweit von einer Ungleichbehandlung auszugehen gewesen wäre, wäre diese jedenfalls aus infektionsschutzrechtlicher Sicht sachlich begründet und damit gerechtfertigt.

Das Bewegungs- und Kontaktprofil von Auslandsreisenden unterscheidet sich typischerweise von dem Daheimgebliebener. Durch die stärkere Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, öffentlicher Infrastruktur (Flughäfen, Beherbergungsbetriebe) und die bei Auslandsreisen oft eintretende Kontaktaufnahme mit Personen, die nicht dem alltäglichen Umfeld entstammen, ist das Verhalten von Auslandsreisenden typisierbar eher gefahrengeneigt (Nds. OVG, Beschl. v. 30.11.2020 - 13 MN 520/20 -, juris Rn. 41). Touristische Reisen sind regelmäßig davon geprägt, dass die Touristen sich zahlreiche Attraktionen vor Ort anschauen und dabei in Kontakt mit einer Vielzahl von Menschen kommen, was das Infektionsrisiko steigen lässt (OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 96 m.w.N.).

Der Antragsgegner durfte daher davon ausgehen, dass eine Reisetätigkeit ins Ausland eine durchaus relevante Gefahr für eine ansteigende Dynamik des Infektionsgeschehens in Niedersachsen darstellte, da die Gefahr der Eintragung zusätzlicher Infektionen bestand. Der Verordnungsgeber verfolgte letztlich im Inland wie für Einreisen aus dem Ausland, wenn auch durch unterschiedliche Maßnahmenbündel, dasselbe Ziel, nämlich Infektionsketten zu unterbrechen um dadurch die Ausbreitung des Coronavirus unter Kontrolle zu behalten (OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 97 m.w.N.).

Auch die in § 1 Abs. 5 bis 9 der (2.) Niedersächsischen Quarantäneverordnung vom 22. Januar 2021, in der Fassung von Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, normierten Ausnahmetatbestände begründeten keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Insbesondere waren sie nicht willkürlich, das Ausnahmenkonzept war in sich schlüssig, was auch der Antragsteller nicht näher beanstandet. Die Ausnahmetatbestände wurden entlang nachvollziehbarer Kriterien normiert und berücksichtigten infektionsschutzrechtliche Gesichtspunkte. Sie dienten im Wesentlichen der Abfederung unbilliger Härten im familiären Bereich sowie wirtschaftlichen und gemeinwohlbezogenen Interessen. Allen Ausnahmetatbeständen war gemein, dass sie entweder nur kurzfristige Einreisen nach Niedersachsen oder (Lebens-)Bereiche mit besonderen infektionsschutzrechtlichen Maßnahmen betrafen. In Bezug auf diese Bereiche wurde von einer niedrigeren Gefahr der Einschleppung von Infektionen nach Niedersachsen ausgegangen (vgl. auch OVG Bremen, Beschl. v. 11.12.2020 - 1 B 386/20 -, juris Rn. 97; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 03.12.2020 - 1 S 3737/20 -, juris Rn.68).

5. Die Regelungen in § 1 der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, in der Fassung des Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, verstießen schließlich auch nicht gegen Art. 21 AEUV.

Art. 21 AEUV verleiht jedem Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten. Dieses Recht kann von den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zuständigkeit - u.a. aus Gründen des Gesundheitsschutzes - beschränkt werden (Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, 80. EL August 2023, AEUV Art. 21 Rn. 39). Eine solche Beschränkung stellen die Vorschriften der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung - insbesondere die Regelungen, die eine Absonderungspflicht begründen - dar.

Bei der Prüfung der Unionsrechtmäßigkeit der Beschränkungen ist die "Empfehlung des Rates für eine koordinierte Vorgehensweise bei der Beschränkung der Freizügigkeit aufgrund der COVID-19-Pandemie" (https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-11689-2020-REV-1/de/pdf) vom 12. Oktober 2020 zu berücksichtigen. Diese Empfehlung, die der unionsweiten Koordinierung der Maßnahmen der Pandemiebekämpfung diente, sollte gleichzeitig die Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit gewährleisten (Erwägungsgrund Nr. 9). Eine solche Empfehlung war zwar für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich (Art. 288 Abs. 5 AEUV), die innerstaatlichen Gerichte sind aber verpflichtet, bei der Auslegung innerstaatlicher Rechtsvorschriften, die verbindliche gemeinschaftliche Vorschriften ergänzen sollen, Empfehlungen des Europäischen Rates heranzuziehen (vgl. EuGH, Urt. v. 13.12.1989 - Rs C - 322/88 - BeckRS 9998, 80943; BayVGH, Beschl. v. 24.11.2020 - 20 NE 20.2605 -, juris Rn. 33).

Nr. 17 der Empfehlung statuierte, dass die Mitgliedstaten die Einreise aus anderen Mitgliedstaaten "im Prinzip" nicht verweigern "sollten". Den Mitgliedstaaten wurde aber ausdrücklich eingeräumt, dass sie von Personen, die aus einem "gemäß Nummer 10 nicht als "grün" eingestuften Gebiet [d.h. einem Gebiet mit einer 14-Tagesinzidenz von unter 25/100.000 Einwohnern und einer Testpositivitätsrate von unter 4%] einreisen, verlangen [können], dass sie a) sich in Quarantäne bzw. Selbstisolierung begeben".

Die Regelung der (2.) Niedersächsischen Quarantäne-Verordnung vom 22. Januar 2021, in der Fassung des Art. 2 der Verordnung vom 6. März 2021, und insbesondere § 1 Abs. 1 bis 3 der Verordnung standen mit dieser Empfehlung des Rates in Einklang. Mit dieser Vorschrift wurde die Einreise gerade nicht unmöglich gemacht, sondern nur unter den Vorbehalt der Absonderung gestellt. Auch die Einstufung als Risikogebiet gem. § 2 Nr. 17 IfSG a.F. berücksichtigte die in der Empfehlung vorgegebenen Kennzahlen insoweit, als sie regelmäßig erst ab einer 7-Tages-Inzidenz von 50/100.000 Einwohnern vorgenommen wurden (vgl. VGH BW, Beschl. v. 18.3.2021 - 1 S 872/21 -, juris Rn. 73 ff.)

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO (in analoger Anwendung, vgl. Senatsurt. v. 16.2.2023 - 14 KN 41/22 -, juris Rn. 135 m.w.N.), § 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.