Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.11.2023, Az.: 14 LA 320/22

Ausnahmegenehmigung; Gerichtskostenfreiheit; Kindertagesstätte; Pädagogische Assistenzkraft; Pädagogische Fachkraft; Qualifikation

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
08.11.2023
Aktenzeichen
14 LA 320/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 40637
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1108.14LA320.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stade - 17.08.2022 - AZ: 4 A 1420/20

Amtlicher Leitsatz

Ausbildung im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 NKiTaG kann nur eine berufsqualifizierende Ausbildung sein.

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 4. Kammer - vom 17. August 2022 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger, eingetragener Verein und Träger der Einrichtung "Krippe C." in A-Stadt, wendet sich mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts, dass ein Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 9 Abs. 4 des Niedersächsischen Gesetzes über Kindertagesstätten und Kindertagespflege (NKiTaG) für den Einsatz von Frau D. in seiner Einrichtung ebenso wenig bestehe wie ein Anspruch auf erneute Entscheidung über seinen entsprechenden Antrag.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet.

Soweit das Verwaltungsgericht dem erstinstanzlich (zweiten) hilfsweise gestellten Feststellungsantrag, dass die begehrte Ausnahmegenehmigung unter Geltung des außer Kraft getretenen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG a.F.) zu erteilen gewesen wäre, nicht entsprochen hat, greift der Kläger bereits die Abweisung dieses Antrags als unzulässig nicht durch den Vortrag von Zulassungsgründen im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO an. Bezogen auf den Hauptantrag und den ersten Hilfsantrag bestehen auf der Grundlage des allein maßgeblichen (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) Zulassungsvorbringens keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die insoweit außerdem geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) ist schon nicht hinreichend dargelegt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung sind anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. NdsOVG, Beschl. v. 5.1.2022 - 7 LA 51/21 -, juris Rn. 7 m.w.N.).

Nach diesem Maßstab hat der Kläger nicht aufgezeigt, dass das angefochtene Urteil ernstlichen Richtigkeitszweifeln unterliegt.

a) Gemäß § 9 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 NKiTaG kann das Landesjugendamt im Einzelfall auf Antrag des Trägers der Kindertagesstätte zulassen, dass dieser Personen als Kräfte einsetzen darf, die über einen in den Absätzen 2 und 3 nicht genannten staatlich anerkannten pädagogischen Abschluss oder über eine gleichwertige Ausbildung verfügen. Der Kläger wendet sich gegen die Auffassung des Verwaltungsgerichts, mit der Formulierung "über eine gleichwertige Ausbildung" sei nach dem eindeutigen Gesetzeswortlautlaut eine berufsqualifizierende Ausbildung gemeint, diese sei weder durch bloße Fortbildungen noch durch Berufserfahrung zu ersetzen. Der Kläger hält dem entgegen, "Ausbildung" sei demgegenüber entsprechend dem landläufigen Sprachgebrauch die vorhandene Qualifikation und nicht ein Zeitabschnitt, in dem die Qualifikation erlangt worden sei. Diese Qualifikation könne auch - so im Fall von Frau D. - durch Fortbildung und Berufserfahrung erlangt werden. Damit vermag er nicht durchzudringen.

Dass "Ausbildung" im Sinne des § 9 Abs. 4 Satz 1 Halbsatz 1 NKiTaG nur eine berufsqualifizierende Ausbildung sein kann, erschließt sich bereits bei einer näheren Betrachtung der Systematik des § 9 NKiTaG. Denn in § 9 Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 2 NKiTaG findet sich der Begriff "Ausbildung" ebenfalls. Er wird dort aber, wie der geregelte Verweis zeigt, ausschließlich im Sinne einer berufsqualifizierenden Ausbildung verstanden. Die Analyse des Sinns und Zwecks der Norm führt zu demselben Ergebnis. Der Gesetzgeber definiert in § 9 Abs. 2 und 3 NKiTaG "Pädagogische Fachkräfte" und "Pädagogische Assistenzkräfte" durch die Aufzählung bestimmter, im Wesentlichen durch staatliche Prüfungen zu erlangender Berufsabschlüsse; ausgenommen sind dabei allein Regelungen, die erkennbar dem Bestandsschutz dienen (§ 9 Abs. 2 Nr. 3 und Abs. 3 Nrn. 4 und 5 NKiTaG). Dies entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, unter dem Gesichtspunkt der Qualitätssicherung staatliche Anerkennungen der jeweils abzulegenden beruflichen Prüfungen zu fordern (vgl. dazu LT-Drs. 18/8713, Seite 60 bis 62). Die Gewährung einer Ausnahme nach § 9 Abs. 4 Satz 1 NKiTaG soll bei einem in den Absätzen 2 und 3 nicht genannten staatlich anerkannten pädagogischen Abschluss oder einer diesen Abschlüssen vergleichbaren Ausbildung möglich sein. Damit stellt der Gesetzgeber eindeutig den Bezug zu einer berufsqualifizierenden Ausbildung dar, denn er fordert gerade ein Qualifikationsniveau, das den in den Absätzen 2 und 3 Berufsabschlüssen gleichkommt. Dem würde es zuwiderlaufen, in Anwendung des § 9 Abs. 4 Satz 1 NKiTaG eine Gleichstellung allein durch Berufserfahrungen und nicht näher definierte Fortbildungsmaßnahmen zu bewirken. Der Gesetzgeber hat zudem betont, dass nunmehr in § 9 Abs. 2 und 3 alle Ausbildungsberufe erfasst seien, für die bisher kontinuierlich Ausnahmen erteilt worden seien (LT-Drs. 18/8713, Seite 39 letzter Absatz). Auch das zeigt, dass schon in der Vergangenheit bei der Anwendung der Ausnahmegenehmigungen gerade auf berufsqualifizierende Ausbildungen abgestellt worden ist.

Mit dem Hinweis auf die Regelungen in anderen Bundesländern dringt der Kläger nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung ausführlich mit der Frage befasst, ob sich der Landesgesetzgeber im bundesgesetzlich vorgegebenen Rahmen bewege oder "Mehrstandards" festlege (Seite 12 f. des amtlichen Entscheidungsabdrucks). Mit diesen Ausführungen setzt sich der Kläger nicht auseinander, sondern referiert Regelungen, die in anderen Bundesländern gelten. Damit genügt sein Vorbringen bereits nicht dem Darlegungserfordernis des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.

b) Soweit sich der Kläger außerdem darauf beruft, dass die Kostenentscheidung in der angefochtenen Entscheidung offensichtlich fehlerhaft sei, und er sich zur Begründung auf die Ausführungen der Berichterstatterin im Beschluss desselben Rubrums vom 17. Oktober 2022 (14 OB 313/22) bezieht, kann dieses Vorbringen die Zulassung der Berufung schon im Ansatz nicht rechtfertigen. Gemäß § 158 Abs. 1 VwGO ist die Anfechtung der Kostenentscheidung im Rahmen eines Rechtsmittelverfahrens nur im Zusammenhang mit einer Entscheidung in der Hauptsache zulässig. Das setzt aber voraus, dass das Rechtsmittel selbst bereits zugelassen ist; das Begehren der Zulassung der Berufung kann allein darauf nicht gestützt werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.3.2002 - 4 BN 7.02 -, juris Rn. 8 [zur Revision]; OVG NRW, Beschl. v. 25.10.2018 - 13 A 1909/18 -, juris Rn. 6; BayVGH, Beschl. v. 14.5.2014 - 21 ZB 13.2540 -, juris, Rn. 21 f.; SächsOVG, Beschl. v. 22.10.2014 - 5 A 185/14 -, juris Rn. 11; Wöckel, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl., § 158 Rn. 4).

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur dann zu, wenn sie in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht eine Frage aufwirft, die im Rechtsmittelzug entscheidungserheblich und fallübergreifender Klärung zugänglich ist sowie im Interesse der Rechtseinheit oder der Fortentwicklung des Rechts geklärt werden muss. Der Zulassungsantrag muss eine konkrete Frage aufwerfen, deren Entscheidungserheblichkeit erkennen lassen und (zumindest) einen Hinweis auf den Grund enthalten, der das Vorliegen der grundsätzlichen Bedeutung rechtfertigen soll (Seibert, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 124a Rn. 211 m.w.N.). Hieran fehlt es.

Abgesehen davon, dass der Kläger keine ausdrückliche Frage aufgeworfen hat, hat er sich zur Darlegung der von ihm behaupteten grundsätzlichen Bedeutsamkeit der Rechtssache darauf beschränkt, auf den in Niedersachsen herrschenden Fachkräftemangel in Kindertagesstätten zu verweisen. Damit genügt er nicht den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Gleiches gilt für seine Behauptung, dass die von ihm geforderte "Öffnung der bisherigen Zulassungspraxis für mehr Quereinsteigerinnen (...) erhebliche praktische Auswirkungen" hätte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Auf die Ausführungen der Berichterstatterin im Beschluss desselben Rubrums vom 17. Oktober 2022 (14 OB 313/22) wird verwiesen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).