Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 06.11.2023, Az.: 8 LA 71/23
Ausbildungsvergütung; Rechtsanwaltsversorgung; gesetzliche Rentenversicherung; berufsständische Versorgung; Waisenrente
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.11.2023
- Aktenzeichen
- 8 LA 71/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 41059
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:1106.8LA71.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 14.07.2023 - AZ: 7 A 184/23
Rechtsgrundlagen
- GG Art. 3 Abs. 1
- RVS § 19 Abs. 3
Fundstellen
- FA 2024, 27
- NordÖR 2024, 95
Amtlicher Leitsatz
§ 19 Abs. 3 der Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerks Niedersachsen (RVS) verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch, dass darin eine im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgesehene teilweise Anrechnung der Ausbildungsvergütung auf die Halbwaisenrente geregelt ist.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 7. Kammer (Einzelrichter) - vom 14. Juli 2023 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 1.448,03 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, juris Rn. 9 f.). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 17.6.2015 - 8 LA 16/15 -, NdsRPfl. 2015, 244, juris Rn. 10; v. 17.5.2016 - 8 LA 40/16 -, juris Rn. 6).
Zu Recht hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass § 19 Abs. 3 der Satzung des Rechtsanwaltsversorgungswerks Niedersachsen (RVS) den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG nicht dadurch verletzt, dass darin eine im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht vorgesehene teilweise Anrechnung der Ausbildungsvergütung auf die Halbwaisenrente geregelt ist.
Aus Art. 3 Abs. 1 GG ergibt sich für den Beklagten keine Verpflichtung, die Regelungen eines anderen Normwerks - wie das der gesetzlichen Rentenversicherung - in seine Versorgungssatzung zu übernehmen. Das gilt auch dann, wenn Regelungen eines anderen Normwerks sachgerechter erscheinen, da der dem Normgeber zustehende Regelungsspielraum andernfalls auf das Modell eingeengt wäre, das dem Gleichheitssatz am besten entspricht. Der allgemeine Gleichheitssatz enthält ferner kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in unterschiedlichen Ordnungsbereichen gleich zu regeln. Darüber hinaus ist höchstrichterlich geklärt, dass es sich bei der gesetzlichen Rentenversicherung und dem berufsständischen Versorgungsrecht um selbständig nebeneinander stehende Rechtsmaterien handelt und dass berufsständische Versorgungswerke nicht verpflichtet sind, Leistungen zu erbringen, die denen der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen. Es trifft daher nicht zu, dass sich berufsständische Versorgungseinrichtungen hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Leistungen an der gesetzlichen Rentenversicherung orientieren müssten und dass ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vorliege, wenn berufsständische Versorgungswerke ihre Pflichtmitglieder oder Leistungsberechtigten schlechter als die in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherten stellen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.2.2002 - 8 L 4299/00, NdsRPfl. 2002, 272, juris Rn. 9; vgl. auch BVerwG, Beschl. v. 15.3.2016 - 10 B 23.15 -, juris Rn. 10; Senatsbeschl. v. 1.4.2016 - 8 LA 70/15 -, NJW-RR 2016, 1079, juris Rn. 16; v. 3.6.2019 - 8 LA 28/19 -; alle m.w.N.).
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, aus Art. 3 Abs. 1 GG könne kein Recht abgeleitet werden, von einem Träger öffentlicher Gewalt so behandelt zu werden wie ein anderer Grundrechtsträger von einem anderen Träger öffentlicher Gewalt. Ein schlüssiges Gegenargument hiergegen ergibt sich nicht aus dem mit dem Zulassungsantrag angeführten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Februar 1998 (- 1 BvR 1318/86 u.a. -, BVerfGE 97, 271). Das Bundesverfassungsgericht hat darin gerade entschieden, dass die für die Rechtssetzung jeweils zuständigen Organe ohne Verstoß gegen den Gleichheitssatz auf den verschiedenen Gebieten der sozialen Sicherung von Hinterbliebenen unterschiedliche Konzepte verwirklichen können, sofern sie nur in sich sachgerecht sind (BVerfG, Beschl. v. 18.2.1998 - 1 BvR 1318/86 u.a. -, BVerfGE 97, 271, juris Rn. 100). Warum sich aus dem Umstand, dass der Beklagte zulässigerweise eine Regelung treffen könnte, die mit derjenigen der gesetzlichen Rentenversicherung inhaltsgleich ist, ergeben soll, dass ein Indiz für die Verfassungswidrigkeit des § 19 Abs. 3 RVS vorliegt, erschließt sich nicht. Das weitere Zulassungsvorbringen hat die vermeintlich fehlende verfassungsrechtliche Rechtfertigung der vermeintlichen Ungleichbehandlung zum Gegenstand. Darauf kommt es nicht an, weil aus den vorstehenden Gründen keine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung vorliegt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5, § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).