Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.11.2023, Az.: 14 PA 103/23
Abschluss der Instanz; Prozesskostenhilfe; Prozesskostenhilfe nach Abschluss einer Instanz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 16.11.2023
- Aktenzeichen
- 14 PA 103/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 42175
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:1116.14PA103.23.00
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 29.08.2023 - AZ: 4 B 95/23
Rechtsgrundlagen
- VwGO § 166 Abs. 1 Satz 1
- ZPO § 114 Abs. 1 Satz 1
Fundstelle
- FA 2024, 25
Amtlicher Leitsatz
Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nur dann ausnahmsweise noch nach Abschluss der Instanz in Betracht, wenn das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen und der Prozesskostenhilfeantrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif war.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den die Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 4. Kammer - vom 29. August 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Die Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Beschluss, mit dem das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das auf vorläufige Gewährung der klageweise geltend gemachten Eingliederungshilfe - Taxi-Einzelfahrten zum Gymnasium in E. - gerichtete Begehren abgelehnt hat, hat keinen Erfolg.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Eine für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe erforderliche und Erfolg versprechende beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung ist allerdings grundsätzlich dann nicht mehr möglich, wenn - wie hier - die Instanz, für die Prozesskostenhilfe begehrt wird, bereits beendet ist. Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nur dann ausnahmsweise noch nach Abschluss der Instanz in Betracht, wenn das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen und der Prozesskostenhilfeantrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif war (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14. April 2010 - 1 BvR 362/10 -, juris Rn. 13 f.; BVerwG, Beschl. v. 3.3.1998 - 1 PKH 3.98 -, juris Rn. 2; BGH, Beschl. v. 7.3.2012 - XII ZB 391/10 -, juris Rn. 10; BayVGH, Beschl. v. 24.1.2008 - 11 C 07.2133 -, juris Rn. 7 m.w.N.; OVG NRW, Beschl. v. 18.2.2003 - 16 E 89/03 -, juris Rn. 2 f.; vgl. auch bereits Senatsbeschl. v. 6.10.2023 - 14 PA 99/23 -, v.n.b. sowie v. 8.5.23 - 14 PA 40/23 -, v.n.b.).
Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme liegen hier jedoch nicht vor. Das Verwaltungsgericht ist bei seiner Entscheidung unter Berücksichtigung der seinerzeit maßgeblichen Sach- und Rechtslage zutreffend davon ausgegangen, dass der Eilantrag keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bot. Es hat sich dafür auf die Ausführungen des Antragsgegners gestützt, der - wiederum unter Bezugnahme auf Berichte des Gymnasiums E. und Protokolle von Teilhabeprüfungen in den Verwaltungsvorgängen - dargelegt hatte, dass der Antragsteller keine Schwierigkeiten (mehr) mit der Nutzung des ÖPNV habe. Erst mit dem Beschwerdevorbringen hat der Antragsteller eigene Erklärungen, eine Erklärung seines Bruders und eine eidesstattliche Versicherung seiner Mutter sowie einen ausführlicheren fachärztlichen Befundbericht der Praxis F. vorgelegt, die den Ausführungen des Antragsgegners entgegentreten, so dass die Erfolgsaussichten im Beschwerdeverfahren bis zur beiderseitigen Erledigungserklärung als offen zu bewerten waren (vgl. den Einstellungsbeschluss vom heutigen Tage in dem zugehörigen Eilverfahren 14 ME 102/23). Dies kann jedoch für die Frage, ob für das (abgeschlossene) erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen war, keine Berücksichtigung mehr finden, da es - wie ausgeführt - lediglich auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bewilligungsreife bzw. der Entscheidung des Verwaltungsgerichts ankommt. Ein Antragsteller, der Prozesskostenhilfe, mithin eine Sozialleistung, für eine Instanz begehrt, ist gehalten, den maßgeblichen Sachverhalt auch bereits in dieser Instanz und nicht erst mit dem Rechtsmittel vorzutragen (Rechtsgedanke des § 155 Abs. 4 VwGO; vgl. auch VGH BW, Beschl. v. 16.8.2023 - 11 S 2717/22 -, juris Rn. 5 m.w.N.). Der Antragsteller hatte dazu auch Gelegenheit. Die erstinstanzliche Stellungnahme des Antragsgegners datiert vom 26. Juli 2023, das Verwaltungsgericht hat erst am 29. August 2023 entschieden.
Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO werden die außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).