Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.11.2023, Az.: 19 PS 1/23
in-camera-Verfahren; Verfassungsschutz; Weigerung; Weigerungsgrund; Widerspruch einer Empfängerbehörde
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.11.2023
- Aktenzeichen
- 19 PS 1/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 45175
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2023:1123.19PS1.23.00
Rechtsgrundlagen
- VwGO § 99
- VwGO § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3
- VwGO § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 1
Amtlicher Leitsatz
Der Schutz des Vertrauens zwischen verschiedenen zum Geschäftsbereich derselben obersten Landesbehörde gehörenden Behörden unterfällt nicht dem Schutzzweck des § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 VwGO.
Tenor:
Die Sperrerklärung des Beklagten vom 30. Juni 2021 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 13. April 2023 ist rechtswidrig, soweit sie sich auf Blatt 192, 193, 198, 199, 213, 214, 222, 223, 230, 231, 238, 239, 246, 247, 254, 255, 256, 262, 264 bis 266, 271, 275, 292, 293, 297, 303, 304, 309, 317, 327, 340, 360, 361, 417, 418, 422, 424, 425, 439, 440, 446, 447, 452, 453, 477, 480, 481, 486 bis493, 513, 514, 520, 521, 526, 527, 548, 549, 553, 554, 570, 577, 578, 582, 583, 589, 658, 659, 665, 666, 676, 677, 683, 684, 696, 697, 860, 861, 871, 872, 881, 886, 895 und 896 der Sachakte sowie Blatt 37 der Verwaltungsakte bezieht. Im Übrigen ist die Sperrerklärung rechtmäßig.
Gründe
I.
In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren vor dem Verwaltungsgericht Hannover - - begehrt der Kläger die Verpflichtung des Beklagten, vollständige Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.
Der Kläger beantragte bei dem Beklagten mit Schreiben vom 1. März 2020, ihm Auskunft über die zu seiner Person in Systemen der elektronischen Datenerfassung und -verarbeitung gespeicherten Daten, den Zweck der Speicherung sowie, soweit möglich, die Herkunft der Daten und im Fall einer Übermittlung deren Empfänger zu erteilen. Hierauf legte der Beklagte mit Bescheid vom 5. Februar 2021 nur einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers gespeicherten Daten offen und lehnte im Übrigen eine Auskunftserteilung gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG ab.
Am 8. März 2021 hat der Kläger bei dem Verwaltungsgericht Hannover Klage erhoben, mit der er u.a. die Verpflichtung des Beklagten begehrt, vollständige Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten personenbezogenen Daten zu erteilen.
Mit Verfügung vom 9. März 2021 hat die Vorsitzende der 10. Kammer des Verwaltungsgerichts den Beklagten unter anderem aufgefordert, die dort geführten Unterlagen vollständig vorzulegen.
Mit Schriftsatz vom 30. Juni 2021 hat der Beklagte lediglich einen Teil der bei ihm zur Person des Klägers geführten Verwaltungsvorgänge (Beiakte 1 (Verwaltungsakte und Sachakte)) vorgelegt und erklärt, dass die Vorlage der vollständigen bei ihm geführten Vorgänge nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO nicht erfolgen dürfe (Sperrerklärung vom 30.6.2021). Ein Bekanntwerden des Inhalts der nicht vorgelegten Aktenbestandteile würde dem Wohl des Landes Niedersachsen Nachteile bereiten, da durch die Bekanntgabe des Akteninhalts die künftige Erfüllung der Aufgaben der Verfassungsschutzbehörde einschließlich der Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschwert wäre. Der Schutz verfassungsschutzdienstlicher Informationen und Informationsquellen, Arbeitsweisen und Methoden der Erkenntnisgewinnung gebiete es, die betreffenden Dokumente geheim zu halten. Es sei eine Abwägung der Gründe, die für eine Geheimhaltung sprächen, einerseits und des Interesses des Klägers an einer Art. 19 Abs. 4 GG gerecht werdenden Prozessführung einschließlich der umfassenden gerichtlichen Sachverhaltsaufklärung andererseits vorgenommen worden. Der Beklagte hat die geltend gemachten Gründe unter Angabe von Blattzahlen der nicht vorgelegten Aktenbestandteile dokumentiert.
Mit Schriftsatz vom 13. April 2023 hat der Beklagte Bl. 341, 344, 454, 456, 457, 458, 826 und 827 der Sachakte teilweise geschwärzt nachgereicht, nachdem diese Aktenbestandteile zuvor nicht vorgelegt worden waren. Zugleich hat er den Auskunftsbescheid mit Bescheid vom 14. April 2023 geändert und dem Kläger eine weitere Erkenntnis mitgeteilt.
Hierauf hat der Kläger sinngemäß beantragt, im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung des Beklagten vom 30. Juni 2021 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 13. April 2023 festzustellen.
Das Verwaltungsgericht Hannover - 10. Kammer - hat das Verfahren durch Beschluss vom 2. Juni 2023 gemäß § 99 Abs. 2 VwGO zur Durchführung eines Zwischenverfahrens an den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts abgegeben. Die Prüfung der Versagungsgründe des § 30 Abs. 2 Satz 1 NVerfSchG könne nur anhand der vollständigen Akten entschieden werden.
Im Zwischenverfahren hat der Beklagte die bei ihm geführten Verwaltungsvorgänge (Beiakten 3 und 4 (Verwaltungsakte und Sachakte)) dem Fachsenat vorgelegt.
II.
Der Antrag des Klägers auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 30. Juni 2021 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 13. April 2023 ist zulässig (2.) und in dem aus dem Entscheidungsausspruch ersichtlichen Umfang begründet (3.).
1. Gegenstand des Zwischenverfahrens ist die Sperrerklärung vom 30. Juni 2021 in der Gestalt, die sie durch den Schriftsatz vom 13. April 2023 gefunden hat. Mit diesem Schriftsatz wurde erklärt, dass die darin bezeichneten Blätter nicht mehr insgesamt nicht vorgelegt, sondern in teilweise geschwärzter Form vorgelegt werden. Dadurch wurde die Sperrerklärung dem Umfang nach beschränkt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 24.11.2015 - 20 F 4.14 -, AfP 2016, 462, juris Rn. 11; Senatsbeschl. v. 19.8.2019 - 14 PS 3/19 -).
2. Der Antrag des Klägers auf Entscheidung des nach § 189 VwGO zuständigen Fachsenats im selbständigen Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ist zulässig.
Der Antrag setzt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich eine förmliche Verlautbarung des Gerichts der Hauptsache voraus, dass es die von der obersten Aufsichtsbehörde zurückgehaltenen Akten, Unterlagen oder Dokumente für die Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts benötigt. Das Gericht der Hauptsache muss dabei durch Angabe des Beweisthemas deutlich machen, dass es die Unterlagen oder Dokumente als erheblich ansieht. Je nach Fallkonstellation darf sich das Hauptsachegericht nicht allein auf die Angabe des Beweisthemas und der als entscheidungserheblich erachteten Aktenteile (Beweismittel) beschränken, sondern muss in den Gründen des Beschlusses zur Entscheidungserheblichkeit im konkreten Fall - sei es mit Blick auf die Zulässigkeit des Rechtsschutzbegehrens, sei es unter Darlegung der materiellrechtlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs sowie der fachgesetzlichen Ablehnungsgründe - Stellung nehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.2010 - 20 F 2.10 -, NVwZ 2011, 233; v. 21.1.2014 - 20 F 1.13 -, juris Rn. 13 f. jeweils m.w.N.).
Eine diesen Anforderungen genügende förmliche Verlautbarung zur rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits hat das Verwaltungsgericht hier getroffen. In dem Beschluss der 10. Kammer vom 2. Juni 2023 ist die Entscheidungserheblichkeit der bezeichneten Akten bezogen auf den streitgegenständlichen Auskunftsanspruch und die vom Beklagten geltend gemachten Verweigerungsgründe nachvollziehbar begründet worden.
An diese nachvollziehbare Begründung der rechtlichen Erheblichkeit des Akteninhalts für die Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache ist der Fachsenat gebunden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.7.2009 - 20 F 4.09 -, juris). Hat das Gericht der Hauptsache die Entscheidungserheblichkeit ordnungsgemäß - in der Regel im Wege eines Beweisbeschlusses oder einer vergleichbaren förmlichen Äußerung - bejaht, ist der Fachsenat hieran grundsätzlich gebunden. Nur in Ausnahmefällen entfällt diese Bindungswirkung und damit zugleich auch eine Zulässigkeitsvoraussetzung für den Antrag nach § 99 Abs. 2 VwGO. Dies kommt etwa in Betracht, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts der Hauptsache offensichtlich fehlerhaft ist. Die Bindungswirkung entfällt auch dann, wenn das Gericht der Hauptsache seiner Verpflichtung nicht genügt, die ihm nach dem Amtsermittlungsgrundsatz zur Verfügung stehenden Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts zu erschöpfen, um auf dieser Grundlage über die Erforderlichkeit der ungeschwärzten Aktenvorlage zu entscheiden (BVerwG, Beschl. v. 8.3.2019 - 20 F 8.17 -, juris Rn. 5). Ein solcher Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
3. Der Antrag ist teilweise begründet. Die Sperrerklärung ist in dem im Entscheidungsausspruch bezeichneten Umfang rechtswidrig.
a. Die Sperrerklärung genügt den sich aus § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ergebenden formellen Anforderungen (vgl. hierzu im Einzelnen: BVerwG, Beschl. v. 6.11.2008 - 20 F 7.08 -, juris; Senatsbeschl. v. 2.7.2015 - 14 PS 1/15 -, NdsVBl. 2016, 60; Thüringer OVG, Beschl. v. 27.3.2003 - 10 SO 337/01 -, juris Rn. 33; Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 99 Rn. 20 m.w.N.).
Der Beklagte, der Verfassungsschutzbehörde und zugleich oberste Aufsichtsbehörde im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist, hat im Hauptsacheverfahren seine Weigerung, die vom Hauptsachegericht angeforderten Akten vollständig vorzulegen, deutlich zum Ausdruck gebracht, das Vorliegen von Geheimhaltungsgründen geltend gemacht und die Betätigung des eröffneten Ermessens dokumentiert.
b. Der Fachsenat kann aber nicht feststellen, dass die vom Beklagten in der Sperrerklärung vom 30. Juni 2021 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 13. April 2023 geltend gemachten Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 und 3 VwGO für alle der nicht oder nicht vollständig lesbar vorgelegten Aktenteile gegeben sind.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind Behörden zur Vorlage von Urkunden oder Akten und zu Auskünften an das Gericht verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten oder Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde (Var. 1) oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz (Var. 2) oder ihrem Wesen nach (Var. 3) geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage der Urkunden oder Akten oder die Erteilung der Auskünfte verweigern (§ 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO).
Nachteile für das Wohl eines Landes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 VwGO entstehen durch Beeinträchtigungen wesentlicher Landesinteressen; es gilt ein strenger Maßstab (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.4.2011 - 20 F 20.10 -, NVwZ 2011, 880 m.w.N.). Hiernach sind wesentliche Landesinteressen etwa bei Gefährdungen des Bestandes oder der Funktionsfähigkeit des Landes sowie Bedrohungen der äußeren oder inneren Sicherheit beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.8.2013 - 20 F 13.12 -, juris Rn. 10 m.w.N.). Eine solche Beeinträchtigung ist unter anderem dann gegeben, wenn und soweit die Bekanntgabe des Akteninhalts die zukünftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden einschließlich deren Zusammenarbeit mit anderen Behörden erschweren oder Leben, Gesundheit und Freiheit von Personen gefährden würde (BVerwG, Beschl. v.21.8.2012 - 20 F 5.12 -, juris Rn. 4, v. 21.1.2014 - 20 F 1.13 -, juris Rn. 18 f.; v. 4.11.2021 - 20 F 6.21 -, juris Rn. 8). Die künftige Erfüllung der Aufgaben der Sicherheitsbehörden kann erschwert werden, wenn sich aus einer vollständigen Offenlegung von Unterlagen vor allem im Rahmen einer umfangreichen Zusammenschau Rückschlüsse auf die gegenwärtige Organisation der Sicherheitsbehörden, die Art und Weise ihrer Informationsbeschaffung, aktuelle Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden ihrer Zusammenarbeit mit anderen Stellen ableiten lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21.1.2014 - 20 F 1.13 -, juris Rn. 18 f.; Senatsbeschl. v. 20.11.2014 - 14 PS 2.14 -, juris Rn. 21 jeweils m.w.N.). Dies gilt zunächst für Dokumente, die den Erkenntnisstand der Verfassungsschutzbehörde und deren Art und Weise der Informationserhebung wiedergeben. Dasselbe gilt aber auch für Dokumente(-nteile) wie Vorgangsvorblätter, Aktenzeichen, Organisationskennzeichen und Arbeitstitel, Verfügungen und namentliche Hinweise auf Bearbeiter, Aktenvermerke, Arbeitshinweise, Randbemerkungen und Querverweise sowie Hervorhebungen und Unterstreichungen. Denn diese lassen regelmäßig, vor allem im Rahmen einer möglichen umfangreicheren Zusammenschau, Rückschlüsse auf geheime Einschätzungen und Entscheidungsbildungen der Sicherheitsbehörde auch in Sachfragen zu (vgl. BVerwG, Beschl. v. 7.11.2002 - 2 AV 2.02 -, NVwZ 2003, 347; v. 1.8.2007 - 20 F 10.06 -, juris Rn. 8; v. 21.1.2014 - 20 F 1.13 -, juris Rn. 19; v. 10.5.2019 - 20 F 1.19 -, juris Rn. 6; v. 4.11.2021 - 20 F 6.21 -, juris Rn. 8). Normtexte oder -zitate, die in dem fraglichen Textzusammenhang Rückschlüsse auf die Arbeitsweise des Verfassungsschutzes im konkreten Fall erlauben würden, fallen ebenfalls unter § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.4.2021 - 20 F 10.20 -, juris Rn. 14).
Sicherheitsbehörden, die wie der Beklagte bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben auf Angaben Dritter angewiesen sind, sind befugt, Informationen, die ihnen von anderen Stellen vertraulich übermittelt wurden, geheim zu halten. Dem Wohl des Landes würden Nachteile bereitet, wenn diese Daten unter Missachtung einer zugesagten oder vorausgesetzten Vertraulichkeit an Dritte bekanntgegeben würden. Die zwischenzeitlich verstrichene Zeit ändert nichts daran, dass eine Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden bedingt, dass Partnerdienste darauf vertrauen können, dass die Herkunft und der Inhalt vertraulich übermittelter Informationen auch Jahre später nicht ohne ihre Mitwirkung preisgegeben werden. Dies gilt insbesondere, wenn substantiiert dargetan wird, dass die informationsgebende Sicherheitsbehörde ihre Zustimmung zu einer Offenlegung der betreffenden Dokumente ausdrücklich verweigert hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.12.2016 - 20 F 7.16 -, Rn. 19; Senatsbeschl. v. 24.1.2017 - 14 PS 10/16 -). Das Geheimhaltungsinteresse muss in sich stimmig sein (BVerwG, Beschl. v. 20.6.2017 - 20 F 1.17 -, Rn. 11). Soweit sich aus Aktenbestandteilen lediglich die Tatsache ergibt, dass ein Austausch mit einer anderen Stelle stattgefunden hat, gilt, dass es der Aufgabe der Sicherheitsbehörden entspricht, Erkenntnisse auszutauschen, und dies deshalb für sich genommen nicht geheimhaltungsbedürftig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.9.2017 - 20 F 8.16 -, juris Rn. 13; Senatsbeschl. v. 4.10.2017 - 14 PS 7/17 -; v. 13.3.2018 - 14 PS 9/17 -). Ein Nachteil für das Wohl des Landes kann aber vorliegen, wenn das Wissen um den stattgefundenen Austausch Rückschlüsse zulässt. So kann die Kenntnis, mit welchen Landesbehörden Erkenntnisse geteilt wurden, Folgerungen zum Ort eines Ereignisses oder zu beteiligten Personen erlauben (Senatsbeschl v. 29.11.2022 - 19 PS 3/22 -). Der Widerspruch einer Behörde auf Empfängerseite ist für sich genommen kein Weigerungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 23.2.2023 - 20 F 5.21 -, NWVBl. 2023, 319, juris Rn. 16).
Personenbezogene Daten sind grundsätzlich ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Bei solchen Daten besteht ein privates Interesse an der Geheimhaltung, das grundgesetzlich geschützt ist. Geschützt sind nicht nur personenbezogene Daten, die ohne Weiteres zur Identifikation der Person führen, sondern auch Äußerungen und Angaben zur Sache können geheimhaltungsbedürftig sein, wenn die Mitteilungen Rückschlüsse auf die Person erlauben und in Abwägung mit den Interessen des Klägers ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung besteht. Der Schutz persönlicher Daten gilt grundsätzlich auch für Behördenmitarbeiter. Personenbezogene Angaben wie Name, Funktionsbezeichnungen, Telefonnummer und sonstige Angaben zu Telekommunikationsverbindungen werden vom Schutzbereich des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG erfasst. Daran ändert nichts, dass Behördenmitarbeiter in Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgaben und somit in ihrer Eigenschaft als Amtswalter tätig werden. Denn auch insoweit bleiben sie Träger von Grundrechten. Der Schutz personenbezogener Daten begründet grundsätzlich auch bei Personen, die einer Behörde Informationen zur Erfüllung ihrer Aufgaben geben, einen Weigerungsgrund (BVerwG, Beschl. v.10.5.2019 - 20 F 1.19 -, juris Rn. 7; v. 4.11.2021 - 20 F 6.21 -, juris Rn. 9, beide m.w.N.).
Schwärzungen, die nur Seiten ohne Informationsgehalt und demnach nichts Verwertbares übrig lassen oder zu einer Verfälschung des Aussagegehalts und damit zu Missverständnissen führen, müssen nicht erwogen werden (BVerwG, Beschl. v. 23.2.2023 - 20 F 5.21 -, NWVBl. 2023, 319, juris Rn. 71).
Bei Anlegung dieser rechtlichen Maßstäbe fehlt es für Blatt 192, 193, 198, 199, 213, 214, 222, 223, 230, 231, 238, 239, 246, 247, 254, 255, 256, 262, 264 bis 266, 271, 275, 292, 293, 297, 303, 304, 309, 317, 327, 340, 360, 361, 417, 418, 422, 424, 425, 439, 440, 446, 447, 452, 453, 477, 480, 481, 486-493, 513, 514, 520, 521, 526, 527, 548, 549, 553, 554, 570, 577, 578, 582, 583, 589, 658, 659, 665, 666, 676, 677, 683, 684, 696, 697, 860, 861, 871, 872, 881, 886, 895, 896 der Sachakte teilweise an einem Geheimhaltungsgrund.
Der Beklagte hat sich mehrfach auf den Widerspruch einer informationsgebenden Behörde berufen. Die Prüfung hat jedoch ergeben, dass dies teilweise eine unzutreffende Behauptung ist, weil es sich vielmehr um eine Behörde auf Empfängerseite handelt (vgl. auch Bl. 30 Verwaltungsakte), während der Beklagte selbst die informationsgebende Behörde war. Insoweit ist aus dem Widerspruch allein kein Weigerungsgrund abzuleiten. Ein beachtlicher Grund ergibt sich indes, wenn neben dem Widerspruch der anderen Behörde weitere Weigerungsgründe angeführt sind und vorliegen. Ein derartiger weiterer Grund kann auch gegeben sein, wenn aufgrund des konkreten Zusammenhangs die Angabe der informationsempfangenden Behörde Rückschlüsse auf Ermittlungsmethoden oder die praktizierten Methoden der Zusammenarbeit mit anderen Stellen oder das im Einzelfall bestehende Erkenntnisinteresse ermöglichen. Das ist bei den nachfolgend bezeichneten Inhalten indes nicht der Fall, soweit die Weigerung der Vorlage dazu dient, die Bezeichnung der empfangenden Behörde geheim zu halten. Die große Zahl der Informationsweitergaben lässt es als ausgeschlossen erscheinen, dass ein bestimmtes Erkenntnisinteresse abgeleitet werden kann. Zudem sind neben der nicht offenbarten Behörde teilweise vorhandene weitere Empfänger offengelegt worden. Der Beklagte hätte daher in Betracht zu ziehen gehabt, die betroffenen Inhalte, soweit sie gar nicht vorgelegt wurden, in teilweise geschwärzter Form unter Offenlegung der empfangenden Behörde und, soweit sie teilweise geschwärzt wurden, in weniger weitgehend geschwärzter Form, ebenfalls unter Offenlegung der empfangenden Behörde, vorzulegen. Dies betrifft die Blätter 192, 193, 198, 199, 213, 214, 222, 223, 230, 231, 238, 239, 254, 255, 256, 262, 264 bis 266, 271, 275, 292, 293, 297, 303, 304, 309, 317, 327, 340, 360, 361, 417, 418, 422, 424, 425, 439, 440, 446, 447, 452, 453, 480, 481, 513, 514, 520, 521, 526, 527, 548, 549, 553, 554, 570, 577, 578, 582, 583, 589, 658, 659, 665, 666, 676, 677, 683, 684, 696, 697, 860, 861, 871, 872, 881, 886, 895 und 896 der Sachakte.
Obwohl es sich im Falle der Blätter 477, 486 bis 493 der Sachakte um die informationsgebende Behörde handelt, auf deren Widerspruch der Beklagte sich beruft, ist hierdurch kein Weigerungsgrund gegeben. Die informationsgebende Behörde gehört zum Geschäftsbereich des Beklagten, bei dem es sich um eine oberste Landesbehörde handelt. Dieser kann sich auf den Widerspruch einer nachgeordneten Behörde als solchen nicht berufen, sondern hat bei der Ermessensentscheidung über die Sperrerklärung zu entscheiden, ob die Inhalte selbst der Geheimhaltung bedürfen. Der Schutz des Vertrauens zwischen verschiedenen zum Geschäftsbereich derselben obersten Landesbehörde gehörenden Behörden unterfällt nicht dem Schutzzweck des § 99 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 VwGO. In der Sperrerklärung sind insoweit keine weiteren durchgreifenden Weigerungsgründe geltend gemacht. Das unterscheidet die genannten Blätter von einigen weiteren, von derselben Behörde stammenden Aktenbestandteilen an anderer Stelle.
Ein Weigerungsgrund besteht auch nicht in Bezug auf die Bezeichnung der empfangenden Behörde auf den Blättern 246, 247 der Sachakte. Hier wurde in der Sperrerklärung bereits kein Widerspruch der anderen Behörde geltend gemacht.
Für Blatt 37 der Verwaltungsakte fehlt es ebenfalls an einem Geheimhaltungsgrund. Der Aktenbestandteil wurde ungenau und dadurch sinnentstellend geschwärzt (letzte Wörter des zweiten Absatzes; "Referatsteil 5"). In dieser Form ist die Verweigerung der Vorlage rechtswidrig.
Hinsichtlich der weiteren nicht oder nicht vollständig lesbar vorgelegten Aktenteile hat sich der Senat anhand der vom Beklagten vorgelegten, vollständig lesbaren Akten davon überzeugt, dass die mit der Sperrerklärung geltend gemachten Geheimhaltungsgründe tatsächlich vorliegen.
Das gilt auch für diejenigen Aktenbestandteile, für die der Beklagte sich erstmalig mit Schriftsatz vom 13. April 2023 auf den Widerspruch der informationsgebenden Behörde berufen hat, nachdem er in der Sperrerklärung vom 30. Juni 2021 auf ausstehende Koordinierungsverfahren hingewiesen hatte, und für die anderweitige Weigerungsgründe nicht gegeben sind. Es handelt sich um eine zulässige Ergänzung von bereits in der Sperrerklärung angeführten Verweigerungsgründen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.4.2021 - 20 F 9.20 -, juris Rn. 32).
Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil die Entscheidungsgründe nach § 99 Abs. 2 Satz 10 VwGO Art und Inhalt der geheim gehaltenen Akten nicht erkennen lassen dürfen.
c. Soweit die vom Beklagten geltend gemachten Geheimhaltungsgründe vorliegen, ist auch die nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO erforderliche Ermessensausübung nicht zu beanstanden.
Die Entscheidung über die Verweigerung der Aktenvorlage bei bestehendem Geheimhaltungsbedarf erfordert grundsätzlich eine Ermessensausübung gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Durch die Ermessenseinräumung wird der obersten Aufsichtsbehörde die Möglichkeit eröffnet, dem öffentlichen Interesse und dem individuellen Interesse der Prozessparteien an der Wahrheitsfindung in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess den Vorrang vor dem Interesse an der Geheimhaltung der Schriftstücke zu geben. § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO regelt die Auskunftserteilung und Aktenvorlage im Verhältnis der mit geheimhaltungsbedürftigen Vorgängen befassten Behörde zum Verwaltungsgericht, das in einem schwebenden Prozess für eine sachgerechte Entscheidung auf die Kenntnis der Akten angewiesen ist. In diesem Verhältnis stellt das Gesetz die Auskunftserteilung und Aktenvorlage in das Ermessen der Behörde, lässt dieser also die Wahl, ob sie die Akten oder die Auskunft wegen ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit zurückhält oder ob sie davon um des effektiven Rechtsschutzes willen absieht. Die oberste Aufsichtsbehörde muss in ihrer Sperrerklärung in nachvollziehbarer Weise erkennen lassen, dass sie gemessen an diesem Maßstab die Folgen der Verweigerung mit Blick auf den Prozessausgang gewichtet hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.1.2011 - 20 F 18.10 -, juris Rn. 9 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt die Sperrerklärung des Beklagten vom 30. Juni 2021 in der Gestalt des Schriftsatzes vom 13. April 2023. Der Beklagte hat - in klarer Abgrenzung zu der nach den fachgesetzlichen Bestimmungen des Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes zu treffenden Ermessensentscheidung über die Ablehnung der Auskunftserteilung (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerwG, Beschl. v. 18.6.2008 - 20 F 44.07 -, juris) - das ihm nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO eingeräumte Ermessen erkannt und die Interessen des Landes an der Geheimhaltung mit den gegenläufigen privaten und öffentlichen Interessen an effektivem Rechtsschutz und umfassender Aufklärung des Sachverhalts abgewogen. Der Beklagte hat die vorgelegten Aktenstücke offensichtlich sorgsam gesichtet, anhand jedes einzelnen Aktenstücks die Frage einer Offenlegung geprüft und nicht nur Aktenseiten, die nicht geheim zu haltendes Material enthalten (ungeschwärzt) vorgelegt, sondern sich darüber hinaus unter Ausübung des eröffneten Ermessens entschieden, auch einige Aktenseiten offenzulegen und sich insoweit auf eine teilweise Schwärzung zu beschränken. Ermessensfehler sind nicht zu erkennen.
Einer eigenständigen Kostenentscheidung bedarf es im Verfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO nicht. Denn es handelt sich im Verhältnis zum Hauptsacheverfahren um einen unselbständigen Zwischenstreit, für den das Gerichtskostengesetz einen Ansatz von Gerichtsgebühren nicht vorsieht und besondere anwaltliche Vergütungsansprüche nicht entstehen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.12.2010 - 20 F 15.10 -, NVwZ-RR 2011, 261). Auch ein Streitwert ist daher nicht festzusetzen.