Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.02.2021, Az.: 10 ME 290/20

Beanstandung, kommunalrechtliche; Kommunalaufsicht; Kreisausschuss; Kreistag; Organtreue; Stellenplan; Vollzugsinteresse, besonderes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.02.2021
Aktenzeichen
10 ME 290/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71231
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 15.12.2020 - AZ: 1 B 236/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Adressat einer kommunalaufsichtlichen Beanstandung ist die Kommune und nicht das Organ, dessen Maßnahme das Einschreiten veranlasst hat.

2. Der Kreisausschuss ist nicht zur Korrektur von Entscheidungen des Kreistages im Rahmen des Stellenplans befugt.

3. Eine Nichtbeachtung des vom Kreistag beschlossenen Stellenplans durch den Kreisausschuss kann den Grundsatz der Organtreue verletzen.

4. Zu den Anforderungen an das Vollzugsinteresse i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VwGO.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 1. Kammer - vom 15. Dezember 2020 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das erstinstanzliche Verfahren und das Beschwerdeverfahren unter Abänderung der erstinstanzlichen Wertfestsetzung von Amts wegen auf jeweils 15.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen eine durch den Antragsgegner ausgesprochene kommunalaufsichtliche Beanstandung eines Beschlusses des Kreisausschusses des Antragstellers, mit welchem dieser den Beschlussvorschlag des Landrates des Antragstellers zur Einstellung eines Pressesprechers abgelehnt hat.

Nachdem in den Stellenplänen des Antragstellers für die Jahre 2018 und 2019 eine bislang unbesetzte Stelle eines Sachbearbeiters zur Unterstützung der Öffentlichkeitsarbeit ausgewiesen war, schrieb der Antragsteller im Oktober 2019 eine Stelle als „Pressesprecher/in für das Referat Assistenz und Kommunikation“ nach der Entgeltgruppe 11 aus. Auch im Stellenplan 2020 wurde eine Stelle mit der ausdrücklichen Funktionsbezeichnung „Sachbearbeiter/in Öffentlichkeitsarbeit“ mit der Entgeltgruppe 11 ausgewiesen. Nach Durchführung des Bewerbungsverfahrens fasste die Auswahlkommission des Antragstellers eine einstimmige Auswahlentscheidung zu Gunsten des Bewerbers C. D..

Diese Auswahlentscheidung wurde dem Kreisausschuss des Antragstellers für dessen Sitzung am 7. Februar 2020 mit dem Beschlussvorschlag, Herrn D. zum nächstmöglichen Zeitpunkt im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses als Pressesprecher für das Referat Assistenz und Kommunikation einzustellen, vorgelegt. In der Sitzung des Kreisausschusses wurden gegen diese Stellenbesetzung sachliche, nicht die Eignung des Bewerbers betreffende Einwände erhoben. So wurde angeführt, dass der Besetzung der Stelle eines Pressesprechers keine höhere Priorität zukomme als Stellenbesetzungen in anderen Fachbereichen und diese im Widerspruch zu dem Beschluss des Kreistages stehe, 1% der Personalkosten einzusparen. Darüber hinaus wurde die Frage aufgeworfen, warum die Stellenbezeichnung im Stellenplan von derjenigen in der Stellenausschreibung abweiche. Nach Anfertigung einer neuen Beschlussvorlage einschließlich einer ausführlichen Sachdarstellung lehnte der Kreisausschluss des Antragstellers in einer weiteren Sitzung am 14. Februar 2020 den Beschlussvorschlag zur Einstellung Herrn D. mit einfacher Mehrheit ab.

In der Folge erstattete der Landrat des Antragstellers einen Bericht gemäß § 88 des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes (NKomVG) an den Antragsgegner, in dem er insbesondere darlegte, dass der Beschluss des Kreisausschusses vom 14. Februar 2020 in die Personalhoheit des Organs Kreistag eingreife. Der Kreisausschuss sei nicht befugt, eine Besetzung der Stellen, die der Kreistag für erforderlich halte, durch eine Ablehnung allein aus grundsätzlichen Erwägungen zu verhindern. In die Zuständigkeit des Kreisausschusses falle allein die Personalauswahl nach den Grundsätzen der Eignung, Leistung und Befähigung der Bewerber, die vorliegend bezüglich des ausgewählten Bewerbers jedoch nicht in Abrede gestellt würden. Er - der Landrat - habe das Besetzungsverfahren in Ausführung des vom Kreistag beschlossenen Stellenplans in eigener Zuständigkeit durchgeführt und den Beschluss des Kreisausschusses ordnungsgemäß vorbereitet.

Nach Anhörung des Antragstellers beanstandete der Antragsgegner mit Erlass vom 10. November 2020 den Beschluss des Kreisausschusses des Antragstellers vom 14. Februar 2020, mit dem dieser den Beschlussvorschlag des Landrates des Antragstellers zur Einstellung von Herrn D. als Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit (Pressesprecher) abgelehnt hatte, und ordnete die sofortige Vollziehung der Beanstandung an. Zur Begründung führte er aus, dass der Kreisausschuss mit der genannten Entscheidung gemäß § 107 Abs. 4 Satz 2 NKomVG gegen den Grundsatz der Organtreue verstoßen habe. Die Entscheidung des Kreisausschusses sei nicht sachlich gerechtfertigt, da damit eine Entscheidung des Kreistages im Rahmen des Stellenplans unterlaufen werde. Da gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 der Kommunalhaushalts- und Kassenverordnung lediglich erforderliche Stellen im Stellenplan enthalten seien, bleibe kein Raum für eine konterkarierende Entscheidung des Kreisausschusses. Der Stellenplan stelle für den Landrat die Ermächtigungsgrundlage zur Besetzung der Stelle dar. Die sofortige Vollziehung werde angeordnet, da es im öffentlichen Interesse nicht hingenommen werden könne, dass im Falle der Klageerhebung und der dadurch auftretenden aufschiebenden Wirkung der eindeutig rechtswidrige ablehnende Beschluss des Kreisausschusses umgesetzt werden müsse. Der Landrat wäre gezwungen, das Bewerbungs- und Auswahlverfahren zu beenden. Diese Vollzugshandlung würde insbesondere dazu führen, dass der Bewerber einen nicht gerechtfertigten Eingriff in seine Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 33 Abs. 2 GG erleiden müsse. Ein mögliches Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustandes zurücktreten.

Gegen diesen Erlass hat der Antragsteller am 3. Dezember 2020 Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben, die unter dem Aktenzeichen 1 A 235/20 geführt wird, und um vorläufigen Rechtsschutz ersucht. Den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 15. Dezember 2020 mit der Begründung abgelehnt, dass sich die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Beanstandung als formell rechtmäßig erweise und die weiter vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten des Antragstellers ausfalle. Der Antragsgegner habe als zuständige Kommunalaufsicht den Beschluss des Kreisausschusses vom 14. Februar 2020 nach § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG beanstanden können, da dieser aller Voraussicht nach gegen die Regelung des § 107 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz NKomVG i.V.m. dem Grundsatz der Organtreue verstoße. Der Kreisausschuss sei als Hauptausschuss des Antragstellers nach § 107 Abs. 4 Satz 2 1. Halbsatz NKomVG für die Einstellung des Pressesprechers im Rahmen eines Dauerarbeitsverhältnisses mit der Entgeltgruppe 11 zuständig, da dem Landrat als Hauptverwaltungsbeamten des Antragstellers diese Kompetenz lediglich bezüglich der Einstellungen von Beschäftigten bis einschließlich der Entgeltgruppe 9 bzw. 9c zukomme. Eine diesbezügliche Zuständigkeit des Landrates folge auch nicht daraus, dass dieser den Stellenplan des Kreistages nach § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 NKomVG ausführe. Denn § 107 Abs. 4 NKomVG enthalte die speziellere Regelung bezüglich der Einstellungszuständigkeiten. Die ablehnende Entscheidung des Kreisausschusses berücksichtige jedoch nicht hinreichend die Organzuständigkeiten des Landrates und des Kreistages. So berücksichtige der geltend gemachte Einwand, dass der Kreisausschuss bei der Stellenbesetzung nicht rechtzeitig einbezogen, die Stellenbesetzung diesem nicht vorab mitgeteilt worden sei und ein diesbezügliches Informationsrecht des Kreisausschusses bestehe, nicht ausreichend, dass der Landrat gemäß § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NKomVG die Beschlüsse des Hauptausschusses und damit des Kreisausschusses zu Stellenbesetzungen vorbereite. Zur Vorbereitung von Personalentscheidungen sei es zulässig, in einem verwaltungsinternen Vorauswahlverfahren ungeeignete oder weniger geeignete Bewerber ausscheiden zu lassen und dem Hauptausschuss nur die vollständige Bestenauslese zu präsentieren. Nach den rechtlichen Vorgaben sei eine vorherige Einbeziehung oder Abstimmung mit dem Kreisausschuss nicht erforderlich. Die weiteren dem Ablehnungsbeschluss zu Grunde liegenden Einwände, dass der Besetzung der Stelle keine Priorität zugeschrieben werde, da in anderen Fachbereichen vorrangig Personalmangel behoben werden müsse, sowie, dass die Aufgaben der Stelle durch externe oder bereits beschäftigte Mitarbeiter des Antragstellers übernommen werden könnten, berücksichtigten die Organkompetenz des Kreistages nicht hinreichend und verstießen damit voraussichtlich gegen den Grundsatz der Organtreue. Dies gelte gleichfalls für den vom Kreisausschuss angeführten Hinweis auf die durch den Kreistag beschlossene pauschale Einsparvorgabe von 1% der Personalkosten. Denn die vom Kreisausschuss angeführten Einwände stellten die Erforderlichkeit der Stelle per se in Frage. Welche und wie viele Planstellen im Stellenplan ausgebracht würden, entscheide jedoch der für die Aufstellung des Haushaltes zuständige Kreistag im Rahmen seiner organisatorischen Gestaltungsfreiheit. Dieser lege mit dem Stellenplan die erforderlichen Stellen fest. Eine diese Erforderlichkeit absprechende Entscheidung des Kreisausschusses berücksichtige nicht hinreichend, dass der Kreistag durch die Bereitstellung einer entsprechenden Planstelle für diesen speziellen Aufgabenbereich die Erforderlichkeit der Stelle zum Ausdruck gebracht habe. Durch die Ablehnung der Stellenbesetzung unter Hinweis auf die allgemeine Einsparvorgabe bei Personalkosten würden zudem die vom Kreistag gebilligten fiskalischen Aspekte für die Besetzung der Stelle missachtet. Denn der Kreistag habe zwar in der Sitzung am 10. Dezember 2019 die pauschale Einsparvorgabe beschlossen, gleichzeitig aber durch Beschluss der Haushaltssatzung die streitgegenständliche Stelle nicht gestrichen, sondern durch Verbleib im Stellenplan 2020 erneut gebilligt. An diese vom Gesetz dem Kreistag zugeordnete Vorentscheidung sei der Kreisausschuss gebunden und dürfe die Einstellung nicht wegen fiskalischer Überlegungen ablehnen. Dass die Stelle wiederum im Stellenplan 2021 gestrichen werden könnte, sei nicht entscheidungserheblich, da maßgeblicher Bezugspunkt der Stellenplan 2020 sei. Der weitere Einwand der Verwendung unterschiedlicher Begriffe (Pressesprecher/Sachbearbeiter Öffentlichkeitsarbeit) führe zu keinem anderen Ergebnis, da diese nicht irreführend seien. Zudem entspreche der in der Stellenausschreibung genannte Aufgabenbereich der im Stellenplan angegebenen Funktion.

Gegen diesen Beschluss (1 B 236/20) richtet sich die am 30. Dezember 2020 erhobene Beschwerde des Antragstellers. Dieser trägt vor, der Landrat habe Herrn D. die Einstellung in Aussicht gestellt, ohne die Entscheidung des Kreisausschusses abzuwarten oder diesen über die bereits abgegebene Einstellungszusage zu informieren. Auch habe keine organübergreifende Kommunikation zur Auflösung des Dissenses zwischen der Bezeichnung der Stelle im Stellenplan („Sachbearbeiter/in Öffentlichkeitsarbeit“) und in der Beschlussvorlage („Pressesprecher“) stattgefunden. Der Landrat habe den Kreisausschuss vor vollendete Tatsachen gestellt und eigenmächtig eine Priorisierung der Einstellung vorgenommen, obwohl er zur wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung verpflichtet sei. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Organtreue durch den Kreisausschuss liege nicht vor. Angesichts der fehlenden Kommunikation des Landrates gegenüber dem Kreisausschuss und der Handhabung des allgemeinen organübergreifenden Sparzwanges könne dem Kreisausschuss nicht der Vorwurf gemacht werden, sich gegenüber dem Landrat treuwidrig verhalten zu haben. Darüber hinaus habe kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der streitgegenständlichen Beanstandung vorgelegen. Der Stellenplan 2021 sehe die in Rede stehende Stelle im Hinblick auf den politisch verlangten Sparwillen entsprechend dem Beschluss des Kreistages vom 9. Dezember 2020 nicht mehr vor. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung bezwecke dementsprechend lediglich, eine auch vom Kreistag nicht mehr gewünschte Stelle noch vor Ablauf des Jahres 2020 besetzen zu können. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung schütze damit vorrangig die privatrechtlichen Interessen von Herrn D. an einer Einstellung noch vor Ablauf des Haushaltsjahres 2020. Die Kommunalaufsicht diene jedoch nicht dazu, privatrechtliche Interessen durchzusetzen, so dass diese die Anordnung der sofortigen Vollziehung i.S.v. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Alternative 1 VwGO nicht rechtfertigen könnten.

Dem ist der Antragsgegner entgegengetreten und verweist darauf, dass der Kreisausschuss mit dem beanstandeten Beschluss nicht allein gegen den Grundsatz der Organtreue im Verhältnis zum Landrat verstoßen habe, sondern auch die Organzuständigkeit des Kreistages unzureichend beachtet habe. Darüber hinaus stütze sich die Anordnung des Sofortvollzugs in erster Linie auf die vom Landrat anderenfalls durchzuführende Umsetzung eines rechtswidrigen Beschlusses des Kreisausschusses. Zum anderen sei die Kommunalaufsicht nicht auf Fälle beschränkt, in denen ein Einschreiten allein im Interesse des öffentlichen Wohles liege. Sie könne auch tätig werden, wenn neben der Wiederherstellung einer ordentlichen Aufgabenerfüllung durch die Kommune gleichzeitig ein privates Interesse eines Bürgers oder einer juristischen Person erfüllt werde.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Sie ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt.

Nach § 173 Abs. 1 Satz 1 NKomVG kann die Kommunalaufsichtsbehörde Beschlüsse und andere Maßnahmen der Kommune beanstanden, wenn diese das Gesetz verletzen. Eine derartige Beanstandung berührt allein das Verhältnis zwischen Kommune und Aufsichtsbehörde (vgl. Smollich in KVR Nds., Stand: Januar 2020, NKomVG, § 173 Rn. 13). Die Kommunalaufsichtsbehörden schützen die Kommunen in ihren Rechten und sichern die Erfüllung der Pflichten der Kommunen, insbesondere stellen sie sicher, dass die Kommunen die geltenden Gesetze beachten (§ 170 Abs. 1 Sätze 1 und 2 NKomVG). Die Aufsicht des Staats ist Korrelat des Selbstverwaltungsrechts der Kommunen gem. Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. Smollich in KVR Nds., Stand: Januar 2020, NKomVG, § 170 Rn. 2 m.w.N.). Dementsprechend ist auch die Kommune richtiger Adressat kommunalaufsichtlicher Maßnahmen und nicht das Organ, dessen Maßnahme das Einschreiten veranlasst hat (Smollich in KVR Nds., Stand: Januar 2020, NKomVG, § 170 Rn. 17; Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2. Auflage 2017, § 170 Rn. 6 f., § 173 Rn. 1; Thüringer OVG, Beschluss vom 14.2.2014 – 3 EO 80/14 –, juris Rn. 18 f.; OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 5.11.2003 – 2 M 500/03 –, juris Rn. 9; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.2.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRpfl. 1984, 148, 149; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.9.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 18). Denn nach außen hat sich die Kommune das Handeln ihrer Organe zurechnen zu lassen, auch wenn diesen die alleinige gemeindeinterne Entscheidungszuständigkeit zukommt (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.2.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRpfl. 1984, 148, 149). Dementsprechend werden durch eine Aufsichtsmaßnahme nur die Außenrechte der Kommune berührt und nicht auch etwaige innere Rechte eines Organs (Senatsbeschluss vom 26.6.2018 - 10 ME 265/19 -, juris Rn. 10) und ist ein gerichtliches Vorgehen gegen aufsichtsrechtliche Beanstandungen nur den Gemeinden möglich (vgl. etwa Senatsurteil vom 4.3.2014 – 10 LC 85/12 –, juris, und Senatsbeschluss vom 11.9.2013 – 10 ME 87/12 –, juris; Sächsisches OVG, Beschluss vom 9.3.2007 – 4 BS 216/06 –, juris; OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19.10.2000 – A 2 S 298/99 –, juris; Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15.02.2000 – 15 A 552/97 –, juris), nicht hingegen dem tätig gewordenen Organ (Smollich in KVR Nds., NKomVG, § 170 Rn. 19, 21; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 28.2.1984 – 2 OVG A 5/81 –, NdsRPfl. 1984, 148, 151; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.9.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 4). Nur die Kommune wird durch das Selbstverwaltungsrecht berechtigt, nicht auch ihre Organe (vgl. Thüringer OVG, Beschluss vom 14.2.2014 – 3 EO 80/14 –, juris Rn. 19 m.w.N.; vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.9.1980 – 15 A 686/78 –, juris Rn. 4). Daher kann auch nur die Kommune durch die kommunalaufsichtliche Maßnahme in ihrem Selbstverwaltungsrecht verletzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 26.6.2018 - 10 ME 265/18 -, juris Rn. 12).

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die vom Antragsteller innerhalb der Beschwerdefrist nach § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, lassen nicht erkennen, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht den Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Erlass des Antragsgegners vom 10. November 2020 abgelehnt hat.

Soweit sich der Antragsteller darauf beruft, dass ihm im Verhältnis zum Landrat nicht der Vorwurf organtreuewidrigen Verhaltens gemacht werden könne, da sich dieser durch die fehlende Kommunikation und die Missachtung der Sparvorgaben ebenfalls in Widerspruch zu dem Grundsatz der Organtreue gesetzt habe, vermag dies unabhängig von der Frage, ob der Landrat des Antragstellers durch die Abgabe einer Einstellungszusage unter dem ausdrücklichen Vorbehalt der Zustimmung des Kreisausschusses (vgl. Schreiben an Herrn D. vom 11.2.2020, Bl. 57 der Gerichtsakte) und die Vorbereitung der beabsichtigten Besetzung einer im maßgeblichen Stellenplan vorgesehenen Stelle überhaupt gegen den Grundsatz der Organtreue gegenüber dem Kreisausschuss verstoßen hat, der Beschwerde bereits deswegen nicht zum Erfolg zu verhelfen, da diese die weitere - tragende - Begründung des Verwaltungsgerichts zur Missachtung der Organzuständigkeit des Kreistages durch den beanstandeten Beschluss des Kreisausschusses nicht in Frage stellt. So hat das Verwaltungsgericht seine ablehnende Entscheidung maßgeblich darauf gestützt, dass der beanstandete Beschluss des Kreisausschusses wegen seiner Begründung mit allein sachlichen Erwägungen die Erforderlichkeit der in Rede stehenden Stelle per se in Frage stelle und damit die Organkompetenz des Kreistages, der mit dem Stellenplan die erforderlichen Stellen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 KomHKVO festlege, nicht hinreichend beachte. Auch die fiskalischen Aspekte bezüglich der Erforderlichkeit der betreffenden Stelle fielen allein in den Zuständigkeitsbereich des Kreistages. Denn der Stellenplan sei gemäß § 113 Abs. 2 Satz 2 NKomVG Teil des Haushaltsplanes und könne nur durch eine Nachtragshaushaltssatzung geändert werden, für welche wiederum allein der Kreistag zuständig sei. Diesen - im Übrigen zutreffenden - Ausführungen ist der Antragsteller im Rahmen seiner Beschwerdebegründung nicht entgegengetreten. Korrekturen von Entscheidungen des Kreistages im Rahmen des Stellenplans durch die Verweigerung des Einvernehmens bzw. wie vorliegend der Zustimmung des Kreisausschusses sind vor diesem Hintergrund nicht zulässig (vgl. Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2. Auflage 2017, § 107 Rn. 15; Wefelmeier in KVR Nds., NKomVG, § 107 Rn. 35).

Soweit dem Vortrag des Antragstellers weiterhin zu entnehmen ist, dass er der Auffassung ist, seine aus § 107 Abs. 4 Satz 2 NKomVG erwachsenen Rechte bezüglich der Einstellung von Arbeitnehmern seien vorliegend ausgehöhlt worden, da die Ausschusssitzung faktisch auf eine Pflicht des Kreisausschusses zur Zustimmung der vom Landrat eigenmächtig priorisierten Einstellung hinausgelaufen sei, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn dem Kreisausschuss stand bei der beabsichtigten Einstellung des Pressesprechers im Rahmen des Leistungsgrundsatzes unzweifelhaft ein Auswahlermessen zu. Dieses wurde auch nicht dadurch eingeschränkt, dass der Kreistag durch die Aufstellung des Stellenplans bereits über die grundsätzliche Notwendigkeit der Stellenbesetzung entschieden hatte. Der Grundsatz der Organtreue begrenzte dieses Auswahlermessen nur insoweit, als dass die Zustimmung nicht aus Gründen verweigert werden durfte, die die im Haushaltsplan getroffene haushaltswirtschaftliche Entscheidung der Vertretung unterlaufen würden (vgl. Thiele, Niedersächsisches Kommunalverfassungsgesetz, 2. Auflage 2017, § 107 Rn. 15; Wefelmeier in KVR Nds., NKomVG, § 107 Rn. 35), eine ablehnende Entscheidung im Hinblick auf die Auswahl des Bewerbers wäre dem Kreisausschuss jedoch - jedenfalls im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Aspekt der Organtreue - unbenommen gewesen.

Auch der weitere Einwand des Antragstellers, dass kein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Beanstandung bestehe und „private“ Interessen bzw. Rechte des Stellenbewerbers nicht die Anordnung des Sofortvollzugs gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigen könnten, verfängt nicht.

Die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO setzt bereits tatbestandlich voraus, dass sie im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten geboten ist. Dementsprechend reicht die schlichte Rechtmäßigkeit der betroffenen Verfügung nicht aus (vgl. Redecker/von Oertzen, VwGO, 16. Auflage 2014, § 80 Rn. 19; Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Auflage 2019, § 80 Rn. 45; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 1/2020, § 80 Rn. 205). Da für jeden belastenden Verwaltungsakt als hoheitlichen Eingriff ein öffentliches Interesse bestehen muss, rechtfertigt dieses allgemeine öffentliche Interesse am Erlass des Verwaltungsaktes auf Grund der Bedeutung des Gebotes effektiven Rechtsschutzes in der Regel nicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung (vgl. Schleswig-Holsteinisches OVG, Beschluss vom 17.4.2007 - 4 MB 7/07 -, juris Rn. 4). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung verlangt vielmehr ein darüberhinausgehendes, den Einzelfall betreffendes besonderes öffentliches Interesse (vgl. § 80 Abs. 3 VwGO). Zu berücksichtigen ist hierbei stets, ob für den Vollzug eine besondere Dringlichkeit besteht (vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 24.11.1988 - 1 TH 4097/88 -, juris Rn. 6; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 2.11.1993 - 3 M 89/93 -, juris Rn. 15). Deshalb können das Erlass- und das Vollzugsinteresse auch (teilweise) identisch sein, wie insbesondere im Bereich der Gefahrenabwehr (Gersdorf in BeckOK VwGO, Posser/Wolff, Stand: 1.10.2019, § 80 Rn. 104; Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 80 Rn. 92).

Bei der Frage, ob ein derartiges besonderes Vollzugsinteresse besteht, sind nicht allein die speziellen Interessen der anordnenden Behörde zu berücksichtigen, sondern zugleich auch die Interessen des Betroffenen sowie darüber hinaus auch sonstige betroffene öffentliche oder private Interessen, sofern sie in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang mit dem zu vollziehenden Verwaltungsakt stehen, in den Blick zu nehmen (Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Auflage 2020, § 80 Rn. 93). Zu berücksichtigen sind alle mit dem Vollzug des Verwaltungsaktes unmittelbar verbundenen bzw. dem Vollzug entgegenstehenden Interessen.

So waren vorliegend die drohende Beendigung des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens und auch die durch den beanstandeten Beschluss des Kreisausschusses betroffenen Grundrechte des Stellenbewerbers aus Art. 12 Abs. 1 GG und 33 Abs. 2 GG im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung vom Antragsgegner zu Recht berücksichtigt worden. Eine besondere Dringlichkeit folgt insoweit nicht nur aus dem drohenden Eingriff in die beruflichen Grundrechte des ausgewählten Bewerbers, sondern auch aus dem Bedarf des Antragstellers an der Besetzung der bereits seit mehreren Jahren im Stellenplan enthaltenen Stelle eines Sachbearbeiters/einer Sachbearbeiterin für die Öffentlichkeitsarbeit im Sinne der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, da aus den Verwaltungsvorgängen ersichtlich ist, dass der Antragsteller im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit derzeit erheblich unterbesetzt ist (s. Vermerk des Referats Assistenz und Kommunikation vom 2.12.2020, Beiakte 002, und Vorlage an den Kreisausschuss vom 11.2.2020, Drucksache 22/2020, Beiakte 002). Der mit dem Vollzug des beanstandeten Beschlusses verbundene Abbruch des Besetzungsverfahrens hätte zur Folge, dass eine Besetzung der in Rede stehenden Stelle in absehbarer Zukunft nicht möglich wäre, da diese im Stellenplan für das Haushaltsjahr 2021 nicht mehr enthalten ist. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner in seinem Erlass vom 10. November 2020 das Interesse des Antragstellers gegenüber „dem öffentlichen Interesse an der Herbeiführung eines rechtmäßigen Zustandes“ hat zurücktreten lassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erging nach §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 und 22.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11), wobei wegen der Vorwegnahme der Hauptsache eine Reduzierung des Streitwerts nicht in Betracht kommt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).