Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 19.04.2010, Az.: 11 LA 389/09
Widerruf einer Waffenbesitzkarte; Erforderliche Zuverlässigkeit nach dem Waffengesetz (WaffG) trotz einmaligen Fehlverhaltens durch fehlende Sicherung einer Waffe; Tragen einer Sportpistole in der Hosentasche während einer Drückjagd als nicht sorgfältige Verwahrung der Waffe
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 19.04.2010
- Aktenzeichen
- 11 LA 389/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 14987
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0419.11LA389.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Braunschweig - 24.04.2009 - AZ S 5 A 275/08
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG
- § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG
- § 45 Abs. 2 S. 1 WaffG
Amtlicher Leitsatz
Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG reicht regelmäßig ein einmaliges Fehlverhalten aus.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung, der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützt wird, ist nicht begründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen nicht. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr mit zutreffenden Gründen den Bescheid des Beklagten vom 13. Oktober 2008, mit dem die beiden Waffenbesitzkarten des Klägers widerrufen worden sind und gleichzeitig sein Antrag auf Verlängerung des Jagdscheins abgelehnt worden ist, als rechtmäßig angesehen. Der Senat tritt diesen Ausführungen bei (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Das Zulassungsvorbringen des Klägers führt zu keiner anderen rechtlichen Bewertung.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegen die Voraussetzungen für den Widerruf seiner beiden Waffenbesitzkarten vor. Der Widerruf einer Waffenbesitzkarte setzt gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG voraus, dass nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung der Waffenbesitzkarte hätten führen müssen. Eine Waffenbesitzkarte darf gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG nicht erteilt werden, wenn der Antragsteller die nötige Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG nicht hat. Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit fehlt nach dem hier allein in Betracht kommenden § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahrt werden. Die Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit erfordert eine zukunftsbezogene Beurteilung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls. Die erforderliche Prognose hat sich am Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (std. Rechtspr. des BVerwG, vgl. etwa Beschl. v. 31.01.2008 - 6 B 4.08 -, [...]). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.1994 - 1 B 215.93 -, GewArchiv 1995, 73; Steindorf, WaffR, 8. Aufl., § 5 WaffG Rnr 2; Meyer, GewArchiv 1998, 89 f). Für die Erfüllung des Tatbestandes des § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG reicht regelmäßig ein einmaliges Fehlverhalten aus (vgl. Senatsbeschl. v. 16.08.2007 - 11 LA 272/07 -; Bayer.VGH, Beschl. v. 09.01.2008 - 21 C 07.3232 -, [...]; Apel/Bushart, WaffR, § 5 WaffG Rnr. 9 f und 19). Denn im Bereich des Waffenrechts kann angesichts der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit ausgehen, ein Restrisiko nicht hingenommen werden.
Vorsichtig und sachgemäß im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition nur dann, wenn alle Sicherungsmöglichkeiten ausgenutzt werden (vgl. Apel/Bushart a.a.O., § 5 WaffG Rnr. 15 f). Der Umfang der für die sorgfältige Verwahrung von Waffen zu erfüllenden Anforderungen folgt aus § 36 WaffG. Danach hat ein Waffenbesitzer die erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, um zu verhindern, dass Waffen oder Munition abhanden kommen oder Dritte sie unbefugt an sich zu nehmen (Abs. 1 Satz 1).
Hiervon ausgehend fehlt dem Kläger die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Es liegen genügend Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigen, dass er mit Waffen (auch zukünftig) nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren wird.
Erste Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers ergaben sich aus einem Vorfall im November 2003. Damals verlor er auf einer Drückjagd seine Sportpistole, die er seinen Angaben zufolge in seiner Hosentasche bei sich geführt hatte. Der Kläger ist der Auffassung, dass dies keinen - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - erheblichen Verstoß gegen seine Sorgfaltspflichten dargestellt habe. Der Beklagte selbst habe in seinem Vermerk vom 3. Mai 2004 ausgeführt, dass die Tragweise der Waffe nicht als unüblich anzusehen sei. Die Waffe sei durch die Aufbewahrung in der Hosentasche grundsätzlich vor Verlust geschützt. Von der Pistole sei auch keine Gefahr ausgegangen, da diese ungeladen gewesen und das Magazin separat aufbewahrt worden sei. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, aus dem Vermerk des Beklagten gehe auch hervor, dass zumeist ein passendes Holster, in dem die Waffe stecke, verwendet werde, weil dies den Vorteil habe, dass sie griffbereit und trotzdem gegen Verunreinigung oder Beschädigung sowie Verlust weitestgehend geschützt sei. Der Kläger ist - wie bereits erwähnt - waffenrechtlich verpflichtet, alle ihm zumutbaren Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Dies hat er mit dem leichtfertigen Tragen der Pistole in der Hosentasche ohne Verwendung eines Holsters versäumt. In diesem Zusammenhang fällt auch nicht maßgeblich ins Gewicht, dass die Pistole ungeladen war und die Munition getrennt aufbewahrt wurde. Denn dies hindert Dritte, welche die Waffe finden, nicht daran, sich (illegal) Munition zu besorgen und die Waffe anschließend missbräuchlich einzusetzen.
Aber selbst wenn man diesen Vorfall - ebenso wie ursprünglich der Beklagte - nicht als ausreichend für die Verneinung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers ansehen würde, sind ihm weitere Verstöße gegen waffenrechtliche Pflichten anzulasten. So stellte der Beklagte anlässlich einer Prüfung am 29. August 2006 fest, dass zwei auf den Waffenbesitzkarten des Klägers eingetragene Waffen (KK-Unique-Flinte der Fa. Quelle Mars und eine Büchse der Fa. Mauser) fehlten. Der Kläger konnte allerdings für die Flinte nachweisen, dass er diese beim Ankauf einer Repetierbüchse im Waffengeschäft "C. " am 25. April 2003 in Zahlung gegeben hatte. Dagegen bestritt der Waffenhändler C. die Behauptung des Klägers, dass er an diesem Tag auch die Büchse der Fa. Mauser angekauft habe. Der Waffenhändler C. legte dazu einen Kaufvertrag vor, wonach er neben der Büchsflinte der Fa. Quelle Mars lediglich noch ein Gewehr "Voere" von dem Kläger erworben habe. Demgegenüber trägt der Kläger vor, dass er an diesem Tag insgesamt drei Gewehre - also auch die Büchse Mauser - bei der Fa. C. in Zahlung gegeben habe. Bis heute konnte der Verbleib der Büchse Mauser aber nicht geklärt werden. Es muss deshalb von einem Verlust dieser Waffe ausgegangen werden. Dies geht zu Lasten des Klägers, der insoweit nachweispflichtig ist. Dass die Büchse Mauser nach nicht näher belegten Angaben des Klägers wegen eines defekten Verschlusses dauerhaft unbrauchbar gewesen sein soll, stellt ihre Eigenschaft als Waffe und ihre Erlaubnispflichtigkeit nicht grundsätzlich in Frage. Darauf hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend hingewiesen.
Auch wenn dem Kläger die Abgabe der Büchse Mauser an einen Nichtberechtigten letztlich nicht nachzuweisen ist, muss er sich jedenfalls vorhalten lassen, dass er nicht umgehend nach dem angeblichen Verkauf der Waffe an den Waffenhändler C. deren Austragung bei dem Beklagten veranlasst hat. Das Verwaltungsgericht hat ferner aufgezeigt, dass der Kläger seinen waffenrechtlichen Meldepflichten auch sonst nicht stets zeitnah nachgekommen ist. Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten.
Nach alledem ergibt eine Gesamtschau des Verhaltens des Klägers in der Vergangenheit, dass er mit Waffen nicht vorsichtig genug umgegangen ist bzw. diese nicht sorgfältig verwahrt hat, so dass die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit im Sinne des§ 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG gerechtfertigt ist.
Da ein Fall der absoluten Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 1 WaffG vorliegt, kann der Kläger aus dem von ihm gezogenen Vergleich zu den in § 5 Abs. 2 WaffG geregelten Tatbeständen der Regelunzuverlässigkeit keine für sich günstigen Rechtsfolgen herleiten.
Fehlt dem Kläger somit die Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG, hat er auch keinen Anspruch auf Verlängerung seines Jagdscheins (vgl. §§ 17 Abs. 1 und 15 Abs. 7 BJagdG).