Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.04.2019, Az.: 11 ME 135/19

Butterflymesser; gröblicher Verstoß; Perkussionsrevolver; Regelvermutung; Waffenbesitzkarte; Widerruf; wiederholter Verstoß; Zuverlässigkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.04.2019
Aktenzeichen
11 ME 135/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70087
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 28.03.2019 - AZ: 6 B 18/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Der Besitz eines Butterflymessers ist nach den Vorschriften des Waffengesetzes verboten und stellt einen gröblichen, den Widerruf von Waffenbesitzkarten rechtfertigenden Verstoß gegen das Waffengesetz dar.

2. Die Einstellung eines Strafverfahrens nach § 153 a StPO steht der Annahme eines gröblichen Verstoßes i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG nicht entgegen, weil die Waffenbehörde und die Verwaltungsgerichte die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit eigenständig und ohne Bindungswirkung an strafgerichtliche Entscheidungen prüfen.

3. Der Besitz eines ursprünglich mehrschüssigen Perkussionsrevolvers, mit dem aufgrund von nachträglich vorgenommenen Veränderungen nur noch Einzelschüsse abgegeben werden können, bedarf einer waffenrechtlichen Erlaubnis.

4. Ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung des § 5 Abs. 2 WaffG kann nicht mit einer straffreien Lebensführung und einem (bisher) verantwortungsbewussten Umgang mit Waffen und Munition begründet werden, da die gesetzliche Regelung derartiges Verhalten als Normalfall voraussetzt.

5. Soweit der Gesetzgeber durch § 45 Abs. 5 WaffG die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen hat, muss der Antragsteller besondere, über die regelmäßigen Folgen des Sofortvollzugs hinausgehende Umstände darlegen, um die gerichtliche Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 6. Kammer - vom 28. März 2019 geändert. Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner am 15. Februar 2019 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2019 erhobenen Klage (6 A 75/19) wiederherzustellen (bzw. anzuordnen), wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.875 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den vorläufigen Rechtsschutz gewährenden Beschluss des Verwaltungsgerichts hat Erfolg.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf von vier Waffenbesitzkarten, die ihm in den Jahren 1977, 1996, 1998 und 2004 ausgestellt wurden und in die zuletzt insgesamt zehn Schusswaffen eingetragen waren.

Am 4. Juli 2018 durchsuchte die Polizeiinspektion D. im Rahmen eines wegen des Verdachts der Verbreitung kinderpornografischer Schriften gegen den Antragsteller geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens seine Wohnung. Ausweislich des Durchsuchungsberichts vom 4. Juli 2018 befand sich im Waffenschrank neben den registrierten Schusswaffen ein „einschüssiger-Vorderlader-Revolver“, der zur waffenrechtlichen Prüfung beschlagnahmt wurde. Die durch das Kriminaltechnische Institut - Fachgruppe Waffen und Munition - des Landeskriminalamtes Niedersachsen (LKA) durchgeführte waffentechnische Untersuchung kam in ihrem Bericht vom 27. September 2018 zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Perkussionsrevolver (Model 1859 New Army, Kaliber 44, Waff.Nr. 10426) um eine erlaubnispflichtige Schusswaffe handele. Darüber hinaus fanden die Beamten bei der Durchsuchung am 4. Juli 2018 in der Wohnung des Antragstellers „mehrere funktionsfähige Patronen verschiedenen Kalibers“ auf einer Kommode aufgereiht sowie ein in der Kommode gelagertes Butterflymesser.

Unter dem 22. Oktober 2018 erließ das Amtsgericht C. gegenüber dem Antragsteller einen Strafbefehl, in dem es auf den Antrag der Staatsanwaltschaft wegen des Besitzes einer Schusswaffe ohne erforderliche Erlaubnis und einer nach dem Waffengesetz verbotenen Waffe eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen verhängte. Aufgrund des dagegen vom Antragsteller erhobenen Einspruchs stellte das Amtsgericht C. das gegen den Antragsteller geführte Strafverfahren durch Beschluss vom 30. Januar 2019 gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer Geldauflage von 500 EUR ein.

Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller zum beabsichtigten Widerruf seiner Waffenbesitzkarten an. Der Antragsteller erklärte daraufhin mit Schreiben vom 5. November 2018, dass es sich bei dem Perkussionsrevolver um eine vor dem Jahr 1871 entwickelte Waffe handele, die er im Jahr 1977 erworben habe; zu diesem Zeitpunkt sei der Revolver altersentsprechend frei erwerbbar gewesen. In den Jahren 2003, 2006, 2007 und 2009 habe er mehrfach bei den zuständigen Ordnungsbehörden zwecks Eintragung des Revolvers in seine Waffenbesitzkarten vorgesprochen; dabei habe er jeweils die Auskunft erhalten, dass es sich bei dem Revolver um eine frei erwerbbare und nicht eintragungspflichtige Waffe handele. Im Übrigen sei der Revolver bei einer im Jahr 2009 durchgeführten waffenrechtlichen Kontrolle nicht beanstandet worden. Das Butterflymesser habe er im Jahr 1993 bei einem Schießwettbewerb gewonnen. Seitdem habe es bei ihm in einer Schublade gelegen und sei längst in Vergessenheit geraten; insbesondere sei damit nie umgegangen worden. Bei den in seiner Wohnung zur Dekoration stehenden Patronen handele es sich um sog. „Dummys“, die weder Treib- noch Zündmittel enthielten; diese müssten nicht unter Verschluss gelagert werden.

Mit Bescheid vom 16. Januar 2019 widerrief die Antragsgegnerin die dem Antragsteller erteilten Waffenbesitzkarten und gab ihm auf, diese unverzüglich zurückzugeben und sämtliche darin eingetragenen Waffen bis zum 22. Februar 2019 unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Ziff. 1). Zugleich drohte sie für den Fall der Nichtbefolgung ein Zwangsgeld an (Ziff. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der Unbrauchbarmachung an (Ziff. 3) und setzte die vom Antragsteller zu tragenden Verfahrenskosten fest (Ziff. 4). Über die vom Antragsteller gegen diesen Bescheid am 18. Februar 2019 erhobene Klage (6 A 75/19) ist noch nicht entschieden worden. Auf seinen gleichzeitig gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Januar 2019 hinsichtlich Ziff. 1 Satz 1 angeordnet und hinsichtlich Ziff. 1 Sätze 2 - 4 wiederhergestellt.

II.

Die dagegen von der Antragsgegnerin erhobene Beschwerde ist zulässig und begründet. Die von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gründe rechtfertigen eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses.

1. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts wird sich der Widerruf der Waffenbesitzkarten im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz - hier: Waffenbesitzkarten gemäß § 10 Abs. 1 WaffG - zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wiederholt oder gröblich gegen die Vorschriften des Waffengesetzes, des Kriegswaffenkontrollgesetzes, des Sprengstoffgesetzes oder des Bundesjagdgesetzes verstoßen haben. Wiederholte Verstöße liegen vor, wenn mindestens zwei Verstöße begangen wurden. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Verstöße gegen dieselbe Vorschrift
oder um unterschiedliche Vorschriften handelt (Senatsbeschl. v. 3.9.2018 - 11 ME 375/18 -, V.n.b.). Gröblich i.S.v. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG ist ein Verstoß dann, wenn sich in dem Verstoß die fehlerhafte Einstellung zu waffenrechtlichen Ordnungsvorschriften widerspiegelt. Entscheidend ist eine nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegende Zuwiderhandlung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.3.1996 - 1 C 12/95 -, juris, Rn. 25; Bayerischer VGH, Beschl. v. 21.11.2016 - 21 ZB 15.931 -, juris, Rn. 10; N. Heinrich, in: Steindorf, Waffenrecht, 10. Aufl. 2015, § 5 WaffG, Rn. 25, m.w.N.). Die Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ist dabei anhand einer umfassenden Einbeziehung und Bewertung aller Tatsachen vorzunehmen, die für die zu treffende zukunftsbezogene Beurteilung bedeutsam sein können. Die erforderliche Prognose hat sich insbesondere am ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes zu orientieren (vgl. § 1 Abs. 1 WaffG), nämlich die Allgemeinheit vor den schweren Folgen eines nicht ordnungsgemäßen Umgangs mit Waffen zu bewahren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.01.2008 - 6 B 4/08 -, juris, Rn. 5). Dabei wird nicht der Nachweis verlangt, dass der Betroffene mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, sondern es genügt vielmehr eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen nicht ordnungsgemäßen Umgang mit Waffen, wobei ein Restrisiko nicht hingenommen werden muss (vgl. BVerwG, Beschl. v. 2.11.1994 - 1 B 215/93 -, juris, Rn. 10; Senatsbeschl. v. 19.4.2010 - 11 LA 389/09 -, juris, Rn. 3; Senatsbeschl. v. 18.7.2017 - 11 ME 181/17 -, juris, Rn. 8; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.8.2011 - 1 S 1391/11 -, juris, Rn. 4).

a) Davon ausgehend ist vorliegend eine fehlende waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Antragstellers anzunehmen. Nach dem auch vom Antragsteller nicht bestrittenen Sachverhalt wurde anlässlich der am 4. Juli 2018 durch die Polizeiinspektion D. durchgeführten Hausdurchsuchung in der Wohnung des Antragstellers in einer unverschlossenen Kommode ein Butterflymesser gefunden. Wie sowohl die Antragsgegnerin als auch das Verwaltungsgericht diesbezüglich übereinstimmend und zutreffend ausgeführt haben, handelt es sich bei diesem Messer gemäß § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. Anlage 2 Abschnitt 1 Nr. 1.4.1 zum WaffG um eine verbotene Waffe, mit der generell nicht umgegangen werden darf. Ebenfalls zutreffend sind die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass der diesbezüglich vorgebrachte Einwand des Antragstellers, er habe das Messer seit dem Jahr 1993 tatsächlich nicht genutzt, sondern es lediglich in einer Schublade seiner Kommode aufbewahrt und zwischenzeitlich „praktisch vergessen“, rechtlich unerheblich ist. Denn nach § 1 Abs. 3 WaffG stellt auch der bloße Besitz einer Waffe einen - hier verbotenen - Umgang mit der Waffe dar.

Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts handelt es sich bei dem vom Antragsteller begangenen Verstoß auch um einen nach objektivem Gewicht und Vorwerfbarkeit schwerwiegenden und damit gröblichen Verstoß i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Der Antragsteller hat mit § 2 Abs. 3 WaffG eine zentrale Vorschrift des Waffenrechts missachtet. Sie dient dem Schutz der Allgemeinheit vor einem missbräuchlichen Umgang mit solchen Waffen und Gegenständen, von denen aufgrund ihrer Zweckbestimmung, der Bedrohungswirkung, der Häufigkeit einer missbräuchlichen Verwendung oder der besonderen Geeignetheit, die Aggressionsbereitschaft zu provozieren (vgl. BT-Drucks. 14/7758, S. 53), typischerweise eine im Vergleich zu anderen Waffen gesteigerte Gefahr ausgeht (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 24.1.2019 - 21 CS 18.1579 -, juris, Rn. 12). Das objektive Gewicht und die Vorwerfbarkeit des vom Antragsteller begangenen Verstoßes zeigt sich auch daran, dass mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird, wer (vorsätzlich) eine nach § 2 Abs. 3 WaffG i.V.m. der Anlage 2, Abschnitt 1, verbotene Waffe besitzt (§ 52 Abs. 3 Nr. 1 WaffG), wobei auch im Falle eines fahrlässigen Verstoßes eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe verhängt werden kann (§ 52 Abs. 4 WaffG).

Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass das gegen ihn u.a. wegen des Verstoßes gegen § 2 Abs. 3 WaffG eingeleitete Strafverfahren nach § 153 a StPO eingestellt wurde, steht dies der Bewertung als gröblicher Verstoß nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG nicht entgegen. Denn weder die Verwaltungsbehörde noch das Verwaltungsgericht sind insoweit an die strafgerichtliche Entscheidung gebunden. Vielmehr haben die zuständigen Waffenbehörden und die Verwaltungsgerichte selbständig zu prüfen, ob der Betroffene eine waffenrechtlich bedeutsame Verfehlung begangen hat und ob diese die Annahme der Unzuverlässigkeit rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.3.1996 - 1 C 12/95 -, juris, Leits. 2 und Rn. 24 f.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 3.2.2016 - 21 CS 15.2618 -, juris, Rn. 17). Da mit einer Einstellung des strafrechtlichen Verfahrens gegen den Antragsteller nach § 153 a StPO - anders als bei einer Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 Satz 1 StPO - nicht der Anlass zur Erhebung einer Klage entfallen ist, sondern nur das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung durch Auflagen und Weisungen beseitigt wurde, wobei die Schwere der Schuld einer Einstellung des Verfahrens nicht entgegenstand, kann der Sachverhalt im Verwaltungsverfahren ohne Bindungswirkung herangezogen werden und unter sicherheitsrechtlichen Aspekten anders bewertet und gewichtet werden als im Strafverfahren (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.3.1996 - 1 C 12/95 -, juris, Rn. 24 f.). Damit kann auch in den Fällen, in denen bei einem Verstoß gegen das Waffengesetz die Schuld im strafrechtlichen Sinn als gering anzusehen ist, die Verfehlung ordnungsrechtlich zur fehlenden Zuverlässigkeit führen (vgl. Bayerischer VGH, Beschl. v. 8.9.2011 - 21 ZB 11.1286 -, juris, Rn. 11; derselbe, Beschl. v. 15.9.2014 - 21 ZB 14.1305 -, juris, Rn. 19).

Der Einwand des Antragstellers, dass er das Butterflymesser bereits im Jahr 1993 und damit zu einem Zeitpunkt erhalten habe, als der Besitz eines solchen Messers noch straffrei gewesen sei, rechtfertigt ebenfalls keine andere Beurteilung. Maßgebend ist, dass diese Waffe bereits vor ihrer Beschlagnahme beim Antragsteller am 4. Juli 2018 verboten war. Butterflymesser unterliegen seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Waffenrechts zum 1. April 2003 dem Umgangsverbot des § 2 Abs. 3 i.V.m. Anlage 2, Abschnitt 1 Nr. 1.4.3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der mit Ablauf des 5. Juni 2017 außer Kraft getretenen Übergangsvorschrift des § 58 Abs. 7 WaffG, wonach das Verbot für bis zum 1. April 2003 vorhandene und bis dahin nicht einem Verbot nach § 37 Abs. 1 WaffG i.d.F. vom 8. März 1976 unterliegende Altwaffen nur dann nicht wirksam wurde, wenn diese Waffen bis zum 31. August 2003 unbrauchbar gemacht oder einem Berechtigten überlassen wurden oder ein Antrag nach § 40 Abs. 4 WaffG (Verbotsausnahme für den Einzelfall) gestellt wurde, da die Voraussetzungen dieser Übergangsvorschrift hier offensichtlich nicht vorliegen. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich einer solchen Gesetzesänderung bestehen ebenfalls nicht (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.12.1978 - 1 C 34/77 -, juris, Rn. 17).

b) Aber selbst wenn man entgegen den bisherigen Ausführungen mit dem Verwaltungsgericht davon ausginge, dass der Besitz des Butterflymessers noch keinen gröblichen Verstoß darstellt, ist jedenfalls ein wiederholter Verstoß i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG zu bejahen. Vorliegend hat der Antragsteller neben dem verbotenen Butterflymesser zugleich eine Schusswaffe ohne die dafür erforderliche Erlaubnis besessen. Dadurch hat er insgesamt durch zwei verschiedene Sachverhalte gegen unterschiedliche Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen, so dass jedenfalls zwei Verstöße und damit ein wiederholter Verstoß i.S.d. § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG vorliegt. Ausweislich des vorgelegten Untersuchungsberichts des LKA vom 27. September 2018 handelt es sich bei dem in der Wohnung des Antragstellers gefundenen Perkussionsrevolver um eine Schusswaffe i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4 WaffG i.V.m. Anlage 1, Abschnitt 1, Unterabschnitt 1 Nr. 1.1, deren Umgang nach § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anlage 2, Abschnitt 2, der Erlaubnispflicht unterliegt. Über die danach für den Besitz dieser Waffe erforderliche Erlaubnis hat der Antragsteller unstreitig zu keinem Zeitpunkt verfügt.

Soweit das Verwaltungsgericht die Ansicht vertreten hat, dass es sich bei dem Perkussionsrevolver um eine nach Nr. 1.7. der Waffenliste (Anlage 2, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2 zu § 2 Abs. 2 bis 4 WaffG) erlaubnisfreie Waffe gehandelt habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach der genannten Bestimmung ist der Erwerb und Besitz „einläufiger Einzelladerwaffen mit Zündhütchenzündung (Perkussionswaffen), deren Modell vor dem 1. Januar 1871 entwickelt worden ist“, erlaubnisfrei. Ausweislich des vorgelegten Untersuchungsberichts des LKA handelt es sich jedoch bei dem bei dem Antragsteller am 4. Juli 2018 gefundenen Perkussionsrevolver nicht - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - um einen einläufigen Revolver, sondern um den Nachbau einer vor 1871 entwickelten „mehrschüssigen Perkussionswaffe“. In dem Untersuchungsbericht wird zwar ausgeführt, dass an dem ursprünglich sechsschüssigen Revolver Veränderungen vorgenommen worden seien. Aus fünf Trommelbohrungen seien die Innengewinde zum Einschrauben der Pistonschrauben - welche die Zündhütchen aufnähmen - ausgebohrt worden. Durch die Veränderungen könnten mit der Waffe nur noch Einzelschüsse abgegeben werden. Von der Erlaubnisfreiheit nach Nr. 1.7 der zitierten Regelung werden jedoch nur solche Perkussionswaffen erfasst, die (auch) ursprünglich einläufig waren, nicht aber solche, die ursprünglich mehrschüssig waren und an denen später Veränderungen vorgenommen wurden (so auch ausdrücklich die Allgemeinen Verwaltungsvorschriften zum Waffengesetz vom 22. März 2012, BAnz. Beil. Nr. 47 a, abgedruckt bei Steindorf, Waffenrecht, a.a.O., - WaffVwV -, wo es zu Nr. 1.7 zur Anlage 2, Abschnitt 2, Unterabschnitt 2, heißt, dass „ursprünglich mehrschüssige Perkussionsrevolver, die zu einschüssigen Einzelladerwaffen abgeändert worden sind“, nicht unter diese Befreiung fallen). Da es sich bei dem bei dem Antragsteller gefundenen Revolver - jedenfalls ursprünglich - um einen mehrschüssigen Perkussionsrevolver handelte, ist diese Waffe nicht von der Erlaubnispflicht befreit. Folglich hat der Antragsteller dadurch, dass er diese Waffe ohne die erforderliche Erlaubnis besessen hat, gegen (weitere) Vorschriften des Waffenrechts verstoßen.

Soweit das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss in diesem Zusammenhang einen „Vorderladerrevolver Blackpowder Kal. 44, Hersteller: Red Nord, Hersteller-Nr.: 55659“ zitiert und weiter unter Bezugnahme auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (Bl. 2, 10, 24, 34, 45, 58, 78, 112, 134, 151, 161, 272 und 277) ausgeführt hat, dass der Antragsteller diese Waffe gegenüber den Behörden stets als in seinem Besitz befindlich angegeben habe, handelt es sich bei der vom Verwaltungsgericht zitierten Waffe nicht um die vom LKA untersuchte Waffe, sondern um einen - unstreitig - in einer Waffenbesitzkarte des Antragstellers eingetragenen (anderen) Revolver, den der Antragsteller ausweislich der vorgelegten Verwaltungsvorgänge seit dem Jahr 1977 (bisher legal) besessen hat. Demgegenüber ist der im Untersuchungsbericht des LKA erwähnte Perkussionsrevolver (Model 1859 New Army, Kaliber 44, Waff.Nr. 10426) in den vorgelegten Verwaltungsvorgängen, soweit ersichtlich, nicht erwähnt. Insofern kann auch aus dem Umstand, dass ausweislich eines Vermerks vom 15. Juni 2009 bei einer nach vorheriger Anmeldung beim Antragsteller an diesem Tag durchgeführten Überprüfung der Aufbewahrung der Waffen und Munition keine Beanstandungen festgestellt wurden (vgl. Bl. 277 VV), nicht der Rückschluss gezogen werden, die Antragsgegnerin habe den bei der Durchsuchung am 4. Juli 2018 vorgefundenen Perkussionsrevolver (Model 1859 New Army, Kaliber 44, Waff.Nr. 10426) in der Vergangenheit als eine erlaubnisfreie Waffe angesehen.

Den Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass „alternativ“ in Betracht zu ziehen sei, dass vorliegend ein atypischer Sachverhalt gegeben sei, der die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG widerlege, vermag der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Besondere Umstände, die es entgegen der vom Gesetz vorgegebenen Regelvermutung der Unzuverlässigkeit rechtfertigen könnten, nach wie vor von der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Antragstellers auszugehen, sind nicht ersichtlich. Eine solche Ausnahme kommt nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nur dann in Betracht, wenn die konkreten Umstände des Verstoßes die Verfehlung ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Tat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 19.9.1991 - 1 CB 24/91 -, juris, Rn. 5 ff.; dasselbe, Beschl. v. 14.2.1996 - 1 B 134/95 -, juris, Rn. 9). Davon kann vorliegend, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, nicht ausgegangen werden. Soweit das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang angeführt hat, dass sich aus den beigezogenen, seit dem Jahr 1977 geführten Waffenakten keine anderweitigen Hinweise auf eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergäben, rechtfertigt dies keine Ausnahme von der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG. Denn eine straffreie Lebensführung und einen verantwortungsbewussten Umgang mit Waffen und Munition setzt die gesetzliche Regelung als Normalfall voraus, so dass damit nicht ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung in § 5 Abs. 2 WaffG begründet werden kann (vgl. Senatsbeschl. v. 2.3.2015 - 11 PA 13/15 -, V.n.b.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 -, juris, Rn. 13). Insbesondere handelt es sich bei dem Besitz eines waffenrechtlich verbotenen Gegenstandes, hier eines Butterflymessers, nicht um ein Bagatelldelikt (VG Ansbach, Urt. v. 24.3.2017 - AN 14 K 16.00902 -, juris, Rn. 26; vgl. auch Bayerischer VGH, Beschl. v. 24.1.2019 - 21 CS 18.1579 -, juris, Rn. 16). Entsprechendes gilt für den Besitz einer erlaubnispflichtigen Waffe ohne Erlaubnis.

c) Da der Antragsteller damit sowohl gröblich als auch wiederholt gegen Vorschriften des Waffengesetzes verstoßen hat, kommt es auf die weitere zwischen den Beteiligten umstrittene Frage, ob der Antragsteller - wie von der Antragsgegnerin vorgetragen - durch die Aufreihung der Patronen auf der Kommode auch waffenrechtliche Aufbewahrungsvorschriften (§ 36 WaffG) missachtet hat und damit zugleich eine Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 b WaffG gegeben ist, oder ob - wie der Antragsteller meint - es sich bei den auf der Kommode gefundenen Patronen lediglich um nicht funktionsfähige, nur Dekorationszwecken dienenden „Dummys“ gehandelt hat, nicht mehr entscheidungserheblich an.

2. Darüber hinaus ist im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um eine Konstellation handelt, in der die aufschiebende Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 45 Abs. 5 WaffG kraft Gesetzes ausgeschlossen ist. Diese Regelung ist nach Ansicht des Gesetzgebers mit der hervorgehobenen Bedeutung dieser Fallgruppen für die öffentliche Sicherheit und Ordnung begründet, die eine sofortige Beendigung des Waffenbesitzes erfordert (vgl. BT-Drucks. 16/7717, S. 33; Bayerischer VGH, Beschl. v. 4.3.2016 - 21 CS 15.2718 -, juris, Rn. 16). Weiter heißt es dazu in der Gesetzesbegründung, dass in den von § 45 Abs. 5 WaffG erfassten Fällen „im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung jedoch immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (unter Umständen mehrere Monate
oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen“ sei (BT-Drucks. 16/7717, S. 33). In den Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung bedarf es deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon abweichende gerichtliche Entscheidung zu rechtfertigen (BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris, Rn. 21; vgl. auch Gersdorf, in: Posser/Wolff, VwGO, 2. Aufl. 2014, § 80, Rn. 44). Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte - neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache - zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. Der Antragsteller muss die Wertung des Gesetzgebers mit Besonderheiten seiner Situation entkräften und Wege aufzeigen, die gleichwohl den öffentlichen Belangen noch Rechnung tragen. Dabei sind die Folgen, die sich für den einzelnen Beschwerdeführer mit dem Sofortvollzug verbinden, nur insoweit beachtlich, als sie nicht schon als regelmäßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs in der gesetzgeberischen Grundentscheidung Berücksichtigung gefunden haben (BVerfG, Beschl. v. 10.10.2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris, Rn. 22). Derartige Besonderheiten, die die Annahme rechtfertigen, dass vorliegend von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 45 Abs. 5 WaffG ausnahmsweise abzuweichen wäre, hat der Antragsteller nicht dargelegt; solche sind auch für den Senat nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt die Empfehlungen in Nr. 50.2, 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11; vgl. ausführlich zur Streitwertberechnung bei dem Widerruf einer Waffenbesitzkarte: Senatsbeschl. v. 18.7.2017 - 11 ME 181/17 -, juris, Rn. 16). Der Senat sieht vorliegend davon ab, für jede der insgesamt vier widerrufenen Waffenbesitzkarten einen gesonderten Auffangwert zu veranlagen, da es oftmals vom Zufall abhängt, ob die Waffen in einer oder mehreren Waffenbesitzkarten eingetragen sind (so auch VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 3.8.2011 - 1 S 1391/11 -, juris, Rn. 10).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).