Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.04.2010, Az.: 5 LB 388/08
Ausschluss von Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen bei einer Heilbehandlung von der Beihilfefähigkeit auch bei Durchführung der Aufwendungen von einem Angestellten des nahen Angehörigen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 23.04.2010
- Aktenzeichen
- 5 LB 388/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2010, 14995
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0423.5LB388.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 25.08.2006 - AZ: 6 A 4108/04
- nachfolgend
- BVerwG - 29.09.2011 - AZ: BVerwG 2 C 80.10
Rechtsgrundlagen
- § 5 Abs. 4 Nr. 6 S. 1 BhV
- § 87c Abs. 1 NBG a.F.
- § 5 Abs. 6 Nr. 5 S. 1 HmbBeihVO
Fundstellen
- DVBl 2010, 794-795
- DÖV 2010, 659
- MedR 2010, 554
- ZBR 2010, 358
Amtlicher Leitsatz
Die Vorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV schließt Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen bei einer Heilbehandlung auch dann von der Beihilfefähigkeit aus, wenn die Aufwendungen nicht von dem nahen Angehörigen selbst durchgeführt worden sind, sondern von einem Angestellten des nahen Angehörigen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich dagegen, dass die Rechtsvorgängerin der Beklagten es abgelehnt hat, ihm zu Aufwendungen für physiotherapeutische Behandlungen eine Beihilfe zu gewähren.
Dem Kläger wurden im Jahr 2002 jeweils 20 krankengymnastische Behandlungen, Massagebehandlungen, Fangoanwendungen und manuelle Therapien ärztlich verordnet. Der Ehefrau des Klägers wurden ebenfalls im Jahr 2002 jeweils 20 krankengymnastische Behandlungen und Atemtherapien ärztlich verordnet. Der Tochter des Klägers wurden in dem genannten Jahr 20 krankengymnastische Behandlungen ärztlich verordnet. Sämtliche Behandlungen wurden in der physiotherapeutischen Praxis der Ehefrau des Klägers von einer angestellten Physiotherapeutin durchgeführt. Die Ehefrau des Klägers stellte diesem für dessen Behandlung 734,40 EUR und 460 EUR sowie für die Behandlung der Tochter 234 EUR in Rechnung. Für ihre - der Ehefrau des Klägers - Behandlung stellte sie dem Kläger 780 EUR in Rechnung.
Mit Bescheid vom 29. September 2003 lehnte das (damalige) Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung es ab, dem Kläger zu den genannten Aufwendungen eine Beihilfe zu gewähren. Den dagegen gerichteten Widerspruch des Klägers wies das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung mit Widerspruchsbescheid vom 3. September 2004, zugestellt am 9. September 2004, mit der Begründung zurück, Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen, hier der Ehefrau des Klägers, seien gemäß § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 der Beihilfevorschriften (BhV) nicht beihilfefähig.
Mit seiner am Montag, den 11. Oktober 2004, erhobenen Klage hat der Kläger beantragt,
das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung zu verpflichten, ihm im Rahmen der Beihilfe weitere Aufwendungen für krankengymnastische Behandlungen in Höhe von 1.330,40 EUR zu erstatten und den Bescheid des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung vom 29. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 25. August 2006 hat das Verwaltungsgericht das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung verpflichtet, dem Kläger im Rahmen der Beihilfe weitere Aufwendungen für krankengymnastische Behandlungen in Höhe von 1.330,40 EUR zu erstatten. Den Bescheid vom 29. September 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2004 hat das Verwaltungsgericht aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Zwischen den Beteiligten sei nicht streitig, dass die fraglichen Heilbehandlungen in der Praxis der Ehefrau des Klägers von einer qualifizierten Behandlerin - nämlich einer angestellten Physiotherapeutin - durchgeführt worden seien. Nach den von dem Kläger vorgelegten Unterlagen (Bestätigungen der Ehefrau des Klägers vom 30.8.2006 und des Steuerberaters C. vom 28.9.2006) bestünden auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der dem Kläger in Rechnung gestellte Aufwand auch tatsächlich in der Praxis entstanden und mit den gebuchten Barzahlungen beglichen worden sei. Die Frage, ob § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV die Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen bei einer Heilmaßnahme auch dann von der Beihilfe ausschließe, wenn diese nicht von dem Angehörigen selbst, sondern von einem seiner Angestellten durchgeführt werde, habe nicht abschließend entschieden werden müssen. Gegen die Notwendigkeit einer abschließenden Festlegung spreche schon, dass das Beihilferecht in absehbarer Zeit auf eine ordnungsgemäße rechtliche Grundlage gestellt werden müsse. Entscheidend komme hinzu, dass sich das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht auf die Vorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV berufen dürfe. Nach den vom Bundesverwaltungsgericht zu Aufwendungen für ärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruhe, entwickelten Grundsätzen, die auf die Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV entsprechend zu übertragen seien, hätte das Niedersächsische Landesamt für Bezüge und Versorgung gegenüber dem Kläger rechtzeitig für Klarheit über die in verschiedener Weise auslegbare Vorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV sorgen müssen. Das sei nicht geschehen. Im Hinblick auf die bisherige Bewilligungspraxis und den bestehenden Vertrauensschutz sei es geboten, die Aufwendungen "jedenfalls ein letztes Mal" zu erstatten.
Auf den Antrag des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung hat der Senat durch Beschluss vom 9. September 2008 (5 LA 104/07) die Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts zugelassen.
Zur Begründung ihrer Berufung trägt die Beklagte, die nach der mit Ablauf des 31. Dezember 2009 erfolgten Auflösung des Niedersächsischen Landesamtes für Bezüge und Versorgung an dessen Stelle getreten ist (vgl. Beschluss der Niedersächsischen Landesregierung vom 24.11.2009, Nds. MBl. S. 1046), vor: Der Kläger habe nicht hinreichend belegt, dass er zum Zeitpunkt der Stellung des Beihilfeantrags einer Zahlungspflicht ausgesetzt gewesen sei. Selbst wenn die streitigen Aufwendungen tatsächlich entstanden sein sollten, stehe der Gewährung der begehrten Beihilfe die Vorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV entgegen. Die Frage der richtigen Auslegung dieser Regelung sei nicht deshalb unerheblich, weil das Beihilferecht aus verfassungsrechtlichen Gründen neu geregelt werden müsse. Denn die Beihilfevorschriften seien nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts während einer Übergangszeit weiter anzuwenden. Es sei im vorliegenden Fall auch nicht deshalb unerheblich, die Frage der richtigen Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV zu beantworten, weil sich durch eine analoge Anwendung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den unklaren Gebührentatbeständen ein Anspruch auf die begehrte Beihilfe ergebe. Eine solche entsprechende Anwendung sei nicht angebracht, weil die besondere Situation und Interessenlage, die dieser Rechtsprechung zugrunde liege, auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar sei. Die Frage der richtigen Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV sei schließlich auch nicht deshalb unerheblich, weil die Beihilfegewährung aus Vertrauensschutzgründen jedenfalls noch dieses eine Mal geboten wäre. Aus der Tatsache, dass der Kläger offenbar in der Vergangenheit zu Unrecht für vergleichbare Aufwendungen Beihilfen erhalten habe, könne er einen Anspruch auf Wiederholung einer fehlerhaften Beihilfebewilligung nicht herleiten.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er tritt dem Vorbringen der Beklagten entgegen: Das Verwaltungsgericht habe aufgrund der von ihm geführten Nachweise zutreffend angenommen, dass der ihm in Rechnung gestellte Aufwand tatsächlich entstanden und mit den gebuchten Barzahlungen beglichen worden sei. Die Vorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV stehe entgegen der Ansicht der Beklagten der Gewährung der begehrten Beihilfe nicht entgegen. Eine extensive und weitgehende Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV sei in Anbetracht einer nahe bevorstehenden Neuregelung des Beihilferechts nicht angezeigt. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den unklaren Gebührentatbeständen sei auf die streitige Auslegung der Reichweite des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV entsprechend anzuwenden, sei zutreffend. Das Verwaltungsgericht habe auch zu Recht angenommen, dass die streitigen Aufwendungen im Hinblick auf die bisherige Bewilligungspraxis und den dadurch begründeten Vertrauensschutz beihilfefähig seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Über die Berufung entscheidet der Senat gemäß § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 87 a Abs. 2, 101 Abs. 2 VwGO durch den Vorsitzenden ohne mündliche Verhandlung.
Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Kläger hat entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts keinen Anspruch auf Bewilligung der geltend gemachten weiteren Beihilfe zu Aufwendungen für physiotherapeutische Behandlungen in Höhe von 1.330,40 EUR.
Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfen abverlangt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, BVerwGE 125, 21 = RiA 2006, 140 = IÖD 2006, 173 = DÖD 2006, 256; Nds. OVG, Beschluss vom 21.11.2008 - 5 LA 98/08 -, [...]). Da die im vorliegenden Fall streitigen Aufwendungen ausweislich der im Verwaltungsvorgang der Beklagten befindlichen Rechnungsbelege am 30. Mai 2003 entstanden sind, sind deshalb gemäß § 87 c Abs. 1 NBG in der Fassung des Art. 4 Nr. 4 des Haushaltbegleitgesetzes 2002 vom 18. Dezember 2001 (- § 87 c NBG a.F. -, Nds. GVBl. S. 806) die Beihilfevorschriften in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. November 2001 (- BhV -, GMBl S. 919) anzuwenden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind die vorgenannten Beihilfevorschriften, die zuletzt durch die 28. Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Beihilfevorschriften vom 30. Januar 2004 (GMBl S. 379) geändert worden sind, zwar verfassungswidrig (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004 - 2 C 50.02 -, BVerwGE 121, 103 = DVBl. 2004, 1420 = DÖD 2005, 133 = RiA 2005, 122); sie sind aber für Aufwendungen, die bis zum Ende der vergangenen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages im Jahr 2009 entstanden sind, weiter anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.5.2008 - 2 C 24.07 -, DVBl. 2008, 1193; Urteil vom 26.6.2008 - 2 C 2.07 -, BVerwGE 131, 234 = DVBl. 2008, 1442 = IÖD 2009, 18; Nds. OVG, Beschluss vom 21.11.2008, a.a.O.).
Der Senat hat - ebenso wie das Verwaltungsgericht - angesichts der von dem Kläger vorgelegten Bestätigungsschreiben seiner Ehefrau vom 30. August 2006 und des Steuerberaters Reißel vom 28. September 2006 jedenfalls keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der dem Kläger unter dem 30. Mai 2003 in Rechnung gestellte Aufwand in der krankengymnastischen Praxis seiner Ehefrau tatsächlich entstanden und von ihm auch beglichen worden ist.
Nach Auffassung des Senats sind die streitigen Aufwendungen jedoch gemäß § 87 c Abs. 1 NBG a.F. i.V.m. § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig. Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts vorliegend nicht deshalb offen bleiben, weil die Beihilfevorschriften nach der schon angeführten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.6.2004, a.a.O.) verfassungswidrig sind. Denn die Beihilfevorschriften sind, wie ebenfalls bereits ausgeführt wurde, für die im Jahr 2003 entstandenen Aufwendungen weiter anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 28.5.2008 und 26.6.2008, a.a.O.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.11.2008, a.a.O.).
Nach § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1, 1. Halbsatz BhV sind Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen bei einer Heilbehandlung nicht beihilfefähig; als nahe Angehörige gelten nach dem zweiten Halbsatz der vorgenannten Vorschrift Ehegatten, Eltern und Kinder der jeweils behandelten Person. Die im vorliegenden Fall streitigen Heilbehandlungen sind zwar nicht von der Ehefrau des Klägers, sondern von einer in der Praxis der Ehefrau des Klägers tätigen und von ihr angestellten Physiotherapeutin durchgeführt worden. Die Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV ergibt indes, dass die Vorschrift auch diesen Fall erfasst. Der Senat teilt diesbezüglich die Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg, das in seinem Beschluss vom 19. September 2003 (- 1 Bf 180/02 -, IÖD 2004, 152 = DÖD 2004, 279) zu der insoweit mit § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV übereinstimmenden Vorschrift des § 5 Abs. 6 Nr. 5 der Hamburger Beihilfeverordnung (HmbBeihVO) das Folgende ausgeführt hat:
"Dem Verwaltungsgericht ist allerdings einzuräumen, dass der Wortlaut der Vorschrift ("persönliche" Tätigkeit) zunächst eher für eine andere Auslegung im Sinne einer höchstpersönlichen, eigenhändigen Tätigkeit des nahen Angehörigen spricht. Zwingend ist eine solche Auslegung nach dem Wortlaut jedoch nicht, da das Adjektiv "persönlich" nicht völlig eindeutig ist, sondern auch eine andere Deutung zulässt. So kann man nach dem Wortsinn darunter auch (noch) eine solche Tätigkeit verstehen, die dem nahen Angehörigen, obwohl er sie nicht selbst erbringt, doch jedenfalls wirtschaftlich zurechenbar ist und insofern in seinen "persönlichen" Bereich fällt. Hierauf könnte auch der Zusammenhang mit dem Begriff "Aufwendungen" hindeuten. Wenn das Gesetz von Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit eines nahen Angehörigen spricht, dürften hierfür nur Kosten in Betracht kommen, die dem Beamten von dem anspruchsberechtigten Partner des Behandlungsvertrages in Rechnung gestellt werden können. Diese Kosten umfassen aber auch die Kosten einer im Rahmen der Behandlung tätig gewordenen Hilfskraft.
Schließlich lässt der Wortlaut der Vorschrift auch die Deutung zu, dass der Gesetzgeber das Wort "persönliche Tätigkeit" hier zur Verdeutlichung und Abgrenzung gegenüber den in § 5 Abs. 6 Nr. 5 Satz 2 HmbBeihVO als beihilfefähig bezeichneten Sachkosten verwenden wollte, wenngleich hierfür auch das Wort "Tätigkeit" - ohne zusätzliches Adjektiv - ausgereicht hätte. Diese Deutung erscheint insbesondere dann als plausibel, wenn man - wofür nach Auffassung des erkennenden Senates sehr vieles spricht - die Vorschrift des § 5 Abs. 6 Nr. 5 HmbBeihVO als abschließende Regelung für alle Fälle versteht, in denen es um die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die Behandlung durch nahe Angehörige geht. Die genaue, sehr enge Definition der Sachkosten in § 5 Abs. 6 Nr. 5 Satz 2 HmbBeihVO, die nur im Einzelfall und bis zur Höhe des nachgewiesenen Geldwertes auch bei der Behandlung durch nahe Angehörige beihilfefähig sind, legt dann den Schluss nahe, dass unter die nicht beihilfefähigen Aufwendungen für die "persönliche Tätigkeit" in § 5 Abs. 6 Nr. 5 Satz 1 HmbBeihVO alle anderen Kosten fallen sollen, die nach dem Behandlungsvertrag über die im Einzelfall zurechenbaren Sachkosten hinaus zu vergüten sind. Versteht man § 5 Abs. 6 Nr. 5 HmbBeihVO in diesem Sinne als eine Vorschrift, die eine bestimmte Fallkonstellation - Behandlung durch nahe Angehörige - abschließend regelt, so können an anderer Stelle des Gesetzes verwendete Begriffe, wie z.B. der Be-griff der "Leistungen", entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht maßgebend sein für die Auslegung der Worte "persönliche Tätigkeit".
Steht somit schon der Wortlaut nicht einer Auslegung entgegen, die auch eine nicht eigenhändig, sondern durch eine Hilfskraft erbrachte Tätigkeit des nahen Angehörigen in den Beihilfeausschluss des § 5 Abs. 6 Nr. 5 Satz 1 HmbBeihVO einbezieht, so sprechen Sinn und Zweck der Vorschrift deutlich für eine derartige Auslegung.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.9.1992 (NVwZ 1993 S. 560 [BVerfG 16.09.1992 - 2 BvR 1161/89]) für die mit § 5 Abs. 6 Nr. 5 HmbBeihVO insoweit übereinstimmende Vorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 der Beihilfevorschriften des Bundes hierzu ausgeführt:
'Dem Ausschluss der Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit naher Angehöriger ... liegt die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Einschätzung des jeweiligen Vorschriftengebers zugrunde, es bestehe die naheliegende Möglichkeit, dass unter nahen Angehörigen ein ärztliches Honorar entweder nicht erhoben oder auf dasjenige beschränkt wird, was als Versicherungsleistung oder Beihilfe erstattet wird. Im letzteren Fall würden Honorarforderungen nur deshalb erhoben und nur deshalb erfüllt, weil letztlich Dienstherr und Krankenversicherung die Aufwendungen zu tragen haben'.
Weil die Überprüfung der Ernsthaftigkeit der Honorarforderung im Einzelfalle mit großen Schwierigkeiten verbunden sei und ein tiefes Eindringen in die Privatsphäre des Betroffenen erforderlich mache, habe der Gesetzgeber - so führt das Bundesverfassungsgericht weiter aus - durch eine generalisierende, auch den praktischen Erfordernissen der Verwaltung Rechnung tragende Regelung die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für die persönliche Tätigkeit naher Angehöriger ausschließen können.
Aus dieser Zweckbestimmung (vgl. hierzu auch BVerwG, Urteil vom 25.10.1972, BVerwGE Bd. 41 S. 101 ff.) ergibt sich nach Auffassung des erkennenden Senats deutlich, dass es für den Beihilfeausschluss in § 5 Abs. 6 Nr. 5 HmbBeihVO nicht entscheidend darauf ankommt, ob der nahe Angehörige die Behandlung selbst vorgenommen hat, sondern ob er diese auf Grund des Behandlungsvertrages in Rechnung stellen kann. Denn die Beihilfestelle soll nach dem zuvor wiedergegebenen Zweck der Vorschrift dadurch gerade der Pflicht enthoben werden, in jedem Einzelfall zu überprüfen, ob die vom Beamten eingereichten Rechnungen als ausreichende Grundlage für eine ernsthaft gemeinte Honorarforderung des behandelnden nahen Angehörigen anzusehen sind oder ob sie nur als eine fingierte Unterlage für eine Beihilfefestsetzung dienen sollen. Berechtigt zum Stellen einer Rechnung ist aber nur der behandelnde Arzt - bzw. hier der Bruder der Klägerin als Inhaber des Massagestudios - als Vertragspartner, nicht der für diesen als Erfüllungsgehilfe tätig gewordene Angestellte. Die Tätigkeit eines solchen Erfüllungsgehilfen wird daher auch im beihilferechtlichen Schrifttum der persönlichen Tätigkeit eines von der Beihilfeausschlussvorschrift erfassten nahen Angehörigen zugerechnet (vgl. Mildenberger, Beihilfevorschriften, § 5 Anm. 41; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, § 5 Anm. 22).
Im gleichen Sinne hat der Bundesgerichtshof (Urteil vom 21.2.2001, NJW 2001 S. 3406 [BGH 21.02.2001 - IV ZR 11/00]) eine ähnliche Klausel in der privaten Krankheitskostenversicherung ("Keine Leistungspflicht besteht für Behandlungen durch Ehegatten, Eltern oder Kinder") ausgelegt. Er hat dazu ausgeführt:
'Betrachtet man nur den Wortlaut der Klausel, erscheint es denkbar, dass damit nicht die Behandlung im vertragsrechtlichen Sinn, sondern die tatsächliche Behandlung gemeint sein könnte. Diese begrenzte Sicht lässt jedoch den Zweck und den erkennbaren Sinnzusammenhang der Klausel außer Acht'.
Die dem Sinn und Zweck der Vorschrift entsprechende Anknüpfung an den Behandlungsvertrag führt zu einer sachgerechten und klaren Abgrenzung. Sie macht deutlich, dass der Beihilfeausschluss dann nicht eingreift, wenn der Beamte von einem nahen Angehörigen behandelt worden ist, der in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis, etwa zu einem Krankenhaus, steht und selbst nicht liquidationsberechtigt ist. Die Gegenauffassung des Verwaltungsgerichts, nach der es auf eine eigenhändige Behandlung durch den nahen Angehörigen ankommen soll, würde zu dem Ergebnis führen, dass der Beamte in einem solchen Fall keine Beihilfe erhalten bzw. ein Versicherungsnehmer keine Versicherungsleistungen beanspruchen könnte, eine Folge, die weder ein Beamter noch ein privater Versicherungsnehmer (vgl. BGH, a.a.O. S. 3407) ernsthaft in Betracht ziehen wird. Das maßgebliche Abstellen auf den Behandlungsvertrag erlaubt auch sachgerechte Lösungen für den Fall einer ärztlichen Gemeinschaftspraxis. Die dort tätigen Ärzte werden regelmäßig gleichberechtigt, in eigener Verantwortung und mit eigenem Liquidationsrecht, nicht aber in einem Über- und Unterordnungsverhältnis wie ein Erfüllungsgehilfe tätig. Es ist daher konsequent, einen Beihilfeanspruch dann nicht auszuschließen, wenn der Beamte durch einen Arzt behandelt wird, der mit dem nahen Angehörigen des Beamten eine Gemeinschaftspraxis betreibt (so VGH München, Urteil vom 22.11.1992, ZBR 1993 S. 222), wohl aber dann, wenn der in einer Gemeinschaftspraxis tätige nahe Angehörige, der letztverantwortlich über die Liquidation entscheidet, die Behandlung selbst vornimmt (vgl. Schröder/Beckmann/Weber, a.a.O.; Mildenberger, a.a.O.).
Ist es somit nach Sinn und Zweck der Vorschrift des§ 5 Abs. 6 Nr. 5 HmbBeihVO geboten, die Tätigkeit von (nicht selbst liquidationsberechtigten) Mitarbeitern eines nahen Angehörigen in den Beihilfeausschluss einzubeziehen, so stehen dieser Einbeziehung auch keine sonstigen rechtlichen Bedenken entgegen. Dies gilt insbesondere für den Einwand des Verwaltungsgerichts, es lasse sich keine allgemeine Verkehrssitte und sittliche Pflicht feststellen, dass auch eine Behandlung durch Mitarbeiter naher Angehöriger unentgeltlich sei. Wenn sich die gesellschaftlichen Anschauungen auf diesem Gebiet in den letzten Jahren auch tendenziell geändert haben mögen, so dürfte die Vorstellung, gegenüber nahen Angehörigen nichts für eine Behandlung zu berechnen, doch nach wie vor auch bei der Einschaltung von Hilfspersonen nicht ganz unüblich sein und deshalb die gesetzliche Regelung, bei der dem Vorschriftengeber ein Einschätzungsspielraum zu steht, (noch) rechtfertigen. Nur dann, wenn die zu Grunde liegende Annahme inzwischen gänzlich fern läge, würde es an einem sachlichen Grund für eine vom Regelfall abweichende Regelung fehlen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.3.1982, ZBR 1983 S. 206)."
Dieser ausführlich und überzeugend begründeten Rechtsauffassung des Oberverwaltungsgerichts Hamburg schließt sich der erkennende Senat an (vgl. ebenso Plog/Wiedow, BBG, Band 4 Anh. VI/1 § 5 BhV Anm. 11; Schröder/Beckmann/Weber, Beihilfevorschriften des Bundes und der Länder, § 5 BhV Anm. 22 [ebenso Rn 8 der Erläuterungen zu der dem § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV vergleichbaren Vorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 6 BBhV]; Topka/Möhle, Kommentar zum Beihilferecht Niedersachsens und des Bundes, Erl. zu § 5 Abs. 4 Nr. 6 BhV Anm. 1.4).
Der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Beklagte könne sich aus Gründen des Vertrauensschutzes nicht auf die Ausschlussvorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV berufen, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Verwaltungsgericht hat insoweit Gesichtspunkte, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung zum Beihilferecht in Bezug auf unklare Gebührentatbestände für ärztliche Leistungen entwickelt hat, entsprechend herangezogen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen, deren Berechnung auf einer zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht, beihilferechtlich schon dann als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung gesorgt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 - 2 C 79.08 -, IÖD 2010, 82 m.w.N.). Die rechtzeitige Klarheit kann der Dienstherr herstellen, indem er vor der Entstehung der Aufwendungen seine Rechtsauffassung zu der streitigen Frage deutlich macht und die Beihilfeberechtigten Gelegenheit erhalten, sich darauf einzustellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - 2 C 34.03 -, DVBl. 2005, 509 = IÖD 2005, 112 = DÖD 2005, 172; Urteil vom 30.5.1996 - 2 C 10.95 -, DVBl. 1996, 1150 = IÖD 1997, 20 = DÖD 1997, 113; Urteil vom 17.2.1994 - 2 C 10.92 -, BVerwGE 95, 117 = DÖD 1994, 162 = RiA 1995, 25). Diese Rechtsprechung kann entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf die Auslegung der Reichweite der Ausschlussvorschrift des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV übertragen werden. Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt die Erwägung zugrunde, dass die Fürsorgepflicht des Dienstherrn es nicht zulässt, Unklarheiten der Gebührenordnung zu Lasten des Beihilfeberechtigten gehen zu lassen, indem dieser vor die Wahl gestellt wird, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über die zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages - nach materiellem Recht unbegründet - selbst zu tragen (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004, a.a.O., m.w.N.). Diese besondere Situation und Interessenlage des Beihilfeberechtigten ist - wie die Beklagte zutreffend vorgetragen hat - bei der hier vorzunehmenden Auslegung des § 5 Abs. 4 Nr. 6 Satz 1 BhV nicht gegeben. Denn im vorliegenden Fall ist nicht streitig, dass die dem Kläger in Rechnung gestellten Honorare für physiotherapeutische Leistungen zivilrechtlich begründet sind. Es ist also, anders als in den Fällen, die der Rechtsprechung zu den unklaren Gebührentatbeständen zugrunde liegt, ausschließlich die Rechtsposition des beihilfeberechtigten Klägers zu seinem Dienstherrn betroffen. Der Kläger wird nicht vor die Wahl gestellt wird, entweder auf sein Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über in Rechnung gestellte Honorare für physiotherapeutische Leistungen, deren Rechtmäßigkeit zweifelhaft ist, zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil der Rechnungsbeträge selbst zu tragen.
Der Senat folgt dem Verwaltungsgericht schließlich auch nicht in seiner Auffassung, die Beklagte sei im Hinblick auf die bisherige Bewilligungspraxis und den bestehenden Vertrauensschutz verpflichtet, die Aufwendungen "jedenfalls ein letztes Mal" zu erstatten. Der Erklärungsgehalt früherer Beihilfebescheide hat sich stets lediglich auf die Beihilfefähigkeit der jeweils konkret geltend gemachten Aufwendungen bezogen. Eine Behörde kann nicht unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes verpflichtet werden, einen etwaigen Fehler zu wiederholen. Ein dahingehender "Fehlerwiederholungsanspruch" besteht nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.7.2009 - 5 C 25.08 -, BVerwGE 134, 206).