Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2010, Az.: 8 LC 40/09
Urteilsberichtigung; Berichtigung, Urteil; Unrichtigkeit, offenbare; Fehler; Willensbildung; Willensäußerung; Kosten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2010
- Aktenzeichen
- 8 LC 40/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 41813
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:1112.8LC40.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 14.01.2009 - AZ: 11 A 1349/08
Rechtsgrundlagen
- § 118 VwGO
Amtlicher Leitsatz
- 1..
§ 118 VwGO gestattet die Berichtigung aller Bestandteile eines Urteils.
- 2..
Eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 118 Abs. 1 VwGO liegt nur dann vor, wenn dem Gericht bei der Äußerung seines Willens ein Fehler unterlaufen ist. Fehler in der Willensbildung sind im Verfahren nach § 118 VwGO nicht berichtigungsfähig.
- 3..
Die Kosten des Verfahrens nach § 118 VwGO sind Bestandteil der Kosten des Hauptsacheverfahrens.
Gründe
Der Antrag des Klägers, das Senatsurteil vom 24. September 2010 nach § 118 VwGO zu berichtigen und hierzu in den Entscheidungsgründen die Sätze
"Dass die hier nach den landesrechtlichen Bestimmungen gewährte pauschale Förderung nicht ausreichend ist, um 80 v.H. der notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten der Beratungsstelle zu decken, hat der Kläger allerdings in keiner Weise dargetan. Er hat trotz ausdrücklichen Hinweises in der angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung und der Aufforderung des Beklagten seine notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten nicht beziffert."
zu streichen, hat keinen Erfolg.
Nach § 118 Abs. 1 VwGO sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Diese Bestimmung gestattet die Berichtigung aller Bestandteile eines Urteils (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.5.1998 - 12 A 12501/97 -, NVwZ 1999, 198, 200; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl., § 118 Rn. 5; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 118 Rn. 4), wenn einer der genannten Fehler vorliegt. Eine einem Schreib- oder Rechenfehler ähnliche offenbare Unrichtigkeit liegt aber nur dann vor, wenn dem Gericht bei der Äußerung seines Willens im Urteil ein "technischer" Fehler unterlaufen ist. Nicht nach § 118 VwGO berichtigungsfähig sind demgegenüber solche Fehler, die dem Gericht inhaltlich, also auf der Ebene der Willensbildung unterlaufen sind. Diese Einschränkung ergibt sich aus der begrenzten Zweckrichtung der Vorschrift, es dem Gericht zu ermöglichen, einen Erklärungsirrtum zu korrigieren. § 118 VwGO dient nicht dazu, dem Gericht die Möglichkeit einzuräumen, sich von der Bindungswirkung des Urteils (§ 173 VwGO i.V.m. § 318 ZPO, § 121 VwGO) freizustellen und eine im Nachhinein als falsch erkannte Entscheidung außerhalb des vorgesehenen Rechtsmittelzugs zu korrigieren (vgl. BVerwG, Beschl. v. 17.9.2007 - 8 B 30/07 -NVwZ 2007, 1442; Sächsisches OVG, Beschl. v. 23.6.2010 - 2 E 159/09 -, juris Rn. 2; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 27.3.2009 - 9 LA 436/07 -; OVG Sachsen Anhalt , Beschl. v. 19.1.2009 - 3 O 10/09 -, juris Rn. 5 jeweils m.w.N.)
Nach diesen Maßgaben scheidet hier eine Berichtigung nach § 118 VwGO aus. Denn der Kläger macht geltend, der Senat habe bei der Abfassung seines Urteils in diesem Verfahren unzutreffend auf die nicht vergleichbare prozessuale und materiell-rechtliche Situation im Parallelverfahren 8 LC 45/09 abgestellt und die dort gegebene Begründung der Entscheidung versehentlich auch in den Gründen der Entscheidung im hiesigen Verfahren verwandt. Wäre dieser Einwand zutreffend, läge nicht ein bloßer Fehler in der Willensäußerung, sondern bereits in der Willensbildung des Senats vor. Ein solcher Fehler ist, wie dargestellt, nicht nach § 118 VwGO zu korrigieren.
Im Übrigen weist der Senat darauf hin, dass der vom Kläger geltend gemachte Fehler in der Willensbildung in der Sache auch nicht vorliegt. Der Senat ist in seiner Entscheidung davon ausgegangen, dass der Kläger schon nicht dargetan hatte, dass die nach den landesrechtlichen Bestimmungen gewährte pauschale Förderung nicht ausreichend ist, um 80 v.H. der notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten seiner Beratungsstelle zu decken, und er auf die Notwendigkeit einer solchen Darlegung sowohl durch das Verwaltungsgericht als auch durch den Beklagten hingewiesen worden war. Diese Annahme ist zutreffend. Der Kläger hatte sowohl im erstinstanzlichen als auch im Berufungsverfahren seinen Klageanspruch unter anderem unmittelbar auf die bundesrechtliche Regelung in § 4 Abs. 2 SchKG und die danach zu fördernden notwendigen tatsächlichen Personal- und Sachkosten gestützt (vgl. Schriftsätze v. 20.5.2008, dort S. 2 f., und v. 6.4.2009, dort S. 3). Gleichwohl hat er seine durch die Durchführung der Schwangerenberatung entstandenen tatsächlichen Personal- und Sachkosten zu keinem Zeitpunkt konkret beziffert. Genau auf diese Notwendigkeit hatte der Beklagte in seiner Erwiderung vom 10. Juni 2008 (dort S. 1) hingewiesen und ausgeführt: "Die Klägerin begehrt unter Bezugnahme auf Rechtsprechung des BVerwG 80 % der notwendigen, tatsächlich anfallenden Personal- und Sachkosten." (Hervorhebungen auch im Original !). Da der Kläger die tatsächlichen Kosten gleichwohl nicht beziffert hat, sah sich das Verwaltungsgericht in seinem Urteil vom 14. Januar 2009 (dort S. 9) veranlasst, darauf hinzuweisen, dass mangels konkreter Angaben zu den tatsächlichen Kosten derzeit nicht ersichtlich sei, dass die beschriebene, von § 4 Abs. 2 SchKG vorgegebene Grenze unterschritten werde. Konkret heißt es: "Dass diese bundesrechtliche Schwelle vorliegend unterschritten werden könnte, ist nicht ersichtlich." Obwohl sich die Notwendigkeit der Darlegung der tatsächlichen Personal- und Sachkosten bereits aus dem Vortrag des Klägers selbst ergab, war er also hierauf vom Verwaltungsgericht und auch vom Beklagten noch einmal ausdrücklich hingewiesen worden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Etwaige Kosten des Berichtigungsverfahrens sind Bestandteil der Kosten des Hauptsacheverfahrens (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 15. Aufl., § 118 Rn. 5).