Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.11.2010, Az.: 11 OB 425/10
Voraussetzungen für eine Durchsuchungsanordnung und Beschlagnahmeanordnung im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren nach § 4 VereinsG; Verein Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V. (HNG); Herausgabe von anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmten Gegenständen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.11.2010
- Aktenzeichen
- 11 OB 425/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 26913
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:1104.11OB425.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 30.08.2010 - AZ: 7 E 2166/10
Rechtsgrundlagen
- § 4 VereinsG
- § 94 StPO
Fundstellen
- DVBl 2010, 1588
- NdsVBl 2011, 54-57
Amtlicher Leitsatz
Zu den Voraussetzungen für eine Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnung im vereinsrechtlichen Verbotsverfahren nach§ 4 VereinsG
Gründe
Die Beschwerde des Antragsgegners hat keinen Erfolg.
Das Bundesministerium des Innern (BMI) sieht bei der 1979 gegründeten "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG), die laut Verfassungsschutzberichten (vgl. etwa die Angaben des Nds. Ministeriums für Inneres und Sport im internet zur "HNG ") bundesweit etwa 600 Mitglieder aufweist, Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verbotsgründen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG (vgl. auch die Angaben im Prüfantrag der FDP-Bundestagsfraktion v. 17.6.2009, BT- Drs. 16/13369). Zur näheren Aufklärung wurden nach Presseberichten (vgl. etwa Welt-Online v. 7.9.2010: "Schlag gegen Deutschlands größte Neonazi-Gruppe") am 7. September 2010 bundesweit etwa 30 Wohnungen durchsucht und Unterlagen beschlagnahmt, darunter auch bei dem 1983 geborenen Antragsgegner, der nach Aktenlage Mitglied der HNG sowie Verantwortlicher für die Publikation "JVA-Report" und Betreiber der dazu gehörenden Homepage ist.
Die Durchsuchung seiner Wohnung und die Beschlagnahme zahlreicher Gegenstände erfolgten auf Grund des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 30. August 2010, der auf den Antrag der Antragstellerin vom 26. August 2010 ergangen ist und mit dem folgende Anordnungen getroffen worden sind:
- 1.
Die Durchsuchung der Wohnung des Antragsgegners im 2. Obergeschoss (Dachgeschoss mit allen Nebengelassen) des Wohnhauses A., B. C., sowie des Kraftfahrzeuges (D.) mit dem amtlichen Kennzeichen E. wird zum Zweck der Auffindung, Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln im Rahmen von Ermittlungen gegen den Verein "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) angeordnet.
- 2.
Die Beschlagnahme
der Festplatte/n sowie der externen Festplatte/n z.B. der PCs des Antragsgegners und der dort gespeicherten Daten
digitaler Speichermedien des Antragsgegners, wie USB-Sticks, CD, Disketten und der darauf gespeicherten Daten
des/der Mobiltelefons/e im Besitz des Antragsgegners, der SIM-Karte/n sowie der darauf gespeicherten Daten
von Mitgliederlisten, -ausweisen und/oder -anträgen der HNG
von Organisationsplänen der HNG
von Kassenunterlagen, Spendenquittungen, Kontounterlagen auf den Namen des Antragsgegners oder der HNG sowie Vermögensnachweise mit Bezug zur HNG
von Verteiler- und Bezugslisten der HNG-Nachrichten
von Progaganda- und Infomaterial, Prospekten mit Bezug zur HNG
von Schriftwechsel mit bzw. von der HNG
von Informationsmaterial über Verbindungen zwischen der HNG und "JVA-Report"
von Urteilen oder Anklageschriften mit Bezug zur HNG
von Telefonlisten, Fotos, Videos mit Bezug zur HNG
von Rundanschreiben und Ankündigungen der HNG sowie Einladungen und Protokolle betreffend die HNG
von Büchern, Schriften, Tonträgern, DVD, Unterlagen mit rassistischen und/oder antisemitischen Inhalten, nationalsozialistischen Symbolen (z.B. Abzeichen, Büsten, Fahnen, Orden), Fotos von Räumen mit nationalsozialistisch auffälliger Ausstattung von Waffen und von militärischen Ausrüstungsgegenständen, soweit aus den Gegenständen ein Bezug zur rechtsextremistischen Szene herzuleiten ist,
wird angeordnet, sofern diese bei der Durchsuchung zu Nr. 1 aufgefunden und nicht freiwillig herausgegeben werden.
Der Antragsgegner hat gegen den Beschluss Beschwerde eingelegt und beantragt, diesen aufzuheben und die beschlagnahmten Gegenstände herauszugeben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen vorgetragen, dass der Beschluss der erforderlichen Bestimmtheit entbehre und unverhältnismäßig sei. Die Antragstellerin sei zur HNG genau informiert gewesen. Dass darüber hinaus durch die Durchsuchung Sachen gefunden würden, die das Bemühen um ein Verbot stützen könnten, sei von vorneherein ausgeschlossen gewesen. Dies sei durch das Ergebnis der Durchsuchung bestätigt worden. Es seien ausnahmslos Bücher, CD's und Filme beschlagnahmt worden, die mit der HNG nicht das Geringste zu tun hätten.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO statthafte Beschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Der Antragsgegner kann die von ihm begehrte Aufhebung der Durchsuchungsanordnung (Ziffer 1 des angefochtenen Beschlusses) schon deshalb nicht verlangen, weil die Durchsuchung bereits abgeschlossen ist. Eine derartige Aufhebung käme nur in Betracht, wenn eine den Antragsgegner beeinträchtigende Fortwirkung der Anordnung festzustellen wäre. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere ist die Aufhebung der Durchsuchungsanordnung nicht Voraussetzung für die Herausgabe der bei ihm anlässlich der Wohnungsdurchsuchung beschlagnahmten Gegenstände. Deren Verstrickung wurde vielmehr durch die Beschlagnahmeanordnung in Ziffer 2 des angefochtenen Beschlusses begründet. Auch eine Durchsicht beschlagnahmter Gegenstände findet seine Rechtsgrundlage nicht in der ihrem Auffinden dienenden Durchsuchungsanordnung, sondern in der die Auswertung aufgefundener Beweismittel ermöglichenden Beschlagnahmeanordnung.
Allerdings ist - trotz eines fehlenden (Hilfs-)Antrags des Antragsgegners - die Beschwerde nach § 88 VwGO sachdienlich als Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung auszulegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Beschl. v. 15.7.1998 - 2 BvR 446/98 -, NJW 1999, 273 u. v. 30.4.1997 - 2 BvR 817/90 u.a. -, BVerfGE 96, 27 ) darf eine Beschwerde gegen eine richterliche Durchsuchungsanordnung nicht allein deswegen als unzulässig verworfen werden, weil sie vollzogen ist und die Maßnahme sich deshalb erledigt hat. Denn in Fällen tiefgreifender Grundrechtseingriffe, in denen die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt sich nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt, in welcher der Betroffene die gerichtliche Entscheidung in der von der Prozessordnung gegebenen Instanz kaum erlangen kann, kann ein Rechtsschutzinteresse nicht verneint werden. Effektiver Grundrechtsschutz gebietet es in diesen Fällen, dass der Betroffene Gelegenheit erhält, die Berechtigung des schwerwiegenden - wenn auch tatsächlich nicht mehr fortwirkenden - Grundrechtseingriffs gerichtlich klären zu lassen. Zu der Fallgruppe tiefgreifender Grundrechtseingriffe, die ihrer Natur nach häufig vor möglicher gerichtlicher Überprüfung schon wieder beendet sind, gehört die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen aufgrund richterlicher Durchsuchungsanordnung einschließlich der in diesem Rahmen erfolgenden Beschlagnahmeanordnungen (vgl. zum Vorstehenden auch: BayVGH, Beschl. v. 11.12.2002 - 4 C 02.2478 -, NVwZ-RR 2003, 847; OVG NRW, Beschl. v. 4.9.2002 - 5 E 112/02 -, NVwZ 2003,113; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 14.5.2002 - 1 S 10/02 -, NVwZ 2003, 368).
Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Durchsuchung der Wohnung und des Kraftfahrzeugs des Antragsgegners zum Zweck der Beschlagnahme von Beweismitteln im Rahmen von Ermittlungen gemäß § 4 VereinsG gegen den Verein "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V." (HNG) zu Recht angeordnet.
Die Durchsuchung und die Beschlagnahme von Beweismitteln bedarf gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 VereinsG der richterlichen Anordnung durch das Verwaltungsgericht, das auf Antrag der Verbotsbehörde oder der ersuchten Behörde durch den Einzelrichter (§ 4 Abs. 2 S. 2 VereinsG) entscheidet. Die Durchsuchung der Räume des Vereins sowie der Räume, der Sachen und der Person eines Mitglieds oder Hintermanns des Vereins kann angeordnet werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass eine Durchsuchung zur Auffindung von Gegenständen führen wird, die als Beweismittel von Bedeutung sein können (§ 4 Abs. 4 S. 2 VereinsG).
Wie der Senat in seinem Beschluss vom 9. Februar 2009 (- 11 OB 393/08 -, NVwZ-RR 2009, 475) ausgeführt hat, erfordert der Zweck der Durchsuchungsanordnung, den Zugriff auf Beweisgegenstände bei Vollziehung der Durchsuchung zu begrenzen, dabei eine Konkretisierung der "Verdachtsumschreibung" in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, die über eine floskelhafte Beschreibung des Vorwurfs hinausgeht (BVerfG, Beschl. v. 3.9.1991 - 2 BvR 279/90 -, NJW 1992, 551 u. Beschl. v. 29.1.2002 - 2 BvR 1245/01 -, [...]). Eine vereinsrechtliche Durchsuchungsanordnung genügt den Anforderungen regelmäßig durch Angabe des Vereins, gegen den sich die Ermittlungen richten, da mit der Angabe der Zweckbestimmung bezüglich eines bestimmten vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens regelmäßig zugleich eine für die Durchsuchungsanordnung hinreichende Konkretisierung der Beweismittel verbunden ist.
Diese Anforderungen erfüllt die Durchsuchungsanordnung des Verwaltungsgerichts. Ausweislich der Ziffer 1 des Tenors wurde die Durchsuchung zweckgebunden angeordnet. Die Zweckbindung wird dahin bestimmt, dass die Durchsuchung der Auffindung, Sicherstellung und Beschlagnahme von Beweismitteln im Rahmen von Ermittlungen nach § 4 VereinsG gegen den Verein "Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e.V." (HNG) dient. Anlass und Zielrichtung der Durchsuchung ermöglichen damit einen hinreichend klar begrenzten Zugriff auf mögliche Beweismittel. Auch wird die Durchsuchung auf die Wohnung und das Kraftfahrzeug des Antragsgegners und damit auf persönliche Gewahrsamssphären beschränkt, bezüglich derer ein Auffinden von Beweismitteln im Sinne des vereinsrechtlichen Ermittlungsverfahrens wahrscheinlich war.
Das Verwaltungsgericht ist aufgrund der Antragsschrift und den von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen weiter zu Recht von einem gegen die HNG bestehenden Anfangsverdacht und einer Stellung des Antragsgegners als Mitglied der HNG im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 2 VereinsG ausgegangen. Das Verwaltungsgericht hat seine Würdigung unter Anführung tragfähiger Anhaltspunkte nachvollziehbar begründet. Dem ist der Antragsgegner mit seiner Beschwerde auch nicht entgegen getreten. Hinzu kommt, dass es sich bei dem Antragsgegner nicht um ein einfaches Mitglied der HNG handelt, sondern dieser Verantwortlicher für die der HNG nahestehende Publikation "JVA-Report" und Betreiber der dazu gehörenden Homepage ist. Der "JVA-Report" soll eine Vernetzung von "Kameraden" innerhalb und außerhalb von Justizvollzugsanstalten ermöglichen. Auf der Homepage des "JVA-Report" wird für die HNG geworben und es kann ein Mitgliedsantrag heruntergeladen werden. Die HNG selbst verfügt über keine eigene Internetpräsenz. Dies zeigt, dass der Antragsgegner insbesondere im Hinblick auf die Verbreitung der Ziele der HNG sowie die Vernetzung im Internet innerhalb des Vereins eine herausgehobene Funktion ausübt.
2.
Die Beschwerde hat auch hinsichtlich der Beschlagnahmeanordnung (Ziffer 2 des Beschlusstenors) keinen Erfolg.
Die Antragstellerin hat vorgetragen, dass beschlagnahmte Gegenstände an den Antragsgegner herausgegeben werden, sobald sich bei der derzeit durchgeführten Auswertung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ergibt, dass diese keine Beweisbedeutung besitzen. So sind nach dem - vom Antragsgegner nicht bestrittenen - Vorbringen der Antragstellerin bereits vier beschlagnahmte Mobiltelefone wieder an ihn herausgegeben worden; die Herausgabe von Mehrfachexemplaren der Publikation "JVA-Report" soll ebenfalls veranlasst worden sein. Soweit sich die Beschlagnahmeanordnung im Umfang der Freigabe beschlagnahmter Gegenstände inzwischen erledigt hat, ist entsprechend den Ausführungen zu 1. im Hinblick auf die Grundrechtsrelevanz der Maßnahme die Beschwerde mit dem Rechtsschutzziel, insofern die Rechtswidrigkeit der Anordnung festzustellen, zulässig und der Antrag des Antragsgegners nach § 88 VwGO entsprechend auszulegen.
Die Beschlagnahmeanordnung für näher bezeichnete bei der Durchsuchung aufgefundene Beweismittel konnte ebenfalls auf § 4 Abs. 2 und § 4 Abs. 4 Satz 2 VereinsG gestützt werden und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Die Beschlagnahmeanordnung ist insbesondere ausreichend bestimmt.
Ordnet das Gericht - wie hier gleichzeitig mit einer Durchsuchungsanordnung - die Beschlagnahme von Gegenständen an, bevor diese in staatlichen Gewahrsam genommen worden sind, so muss es die Gegenstände so genau bezeichnen, dass kein Zweifel darüber entstehen kann, ob sie von der Beschlagnahmeanordnung erfasst sind; dabei ist nur eine gewisse, nie ganz zu vermeidende Unbestimmtheit - etwa Schriftstücke im Zusammenhang mit dem Verein - unschädlich. Eine richterliche Beschlagnahmeanordnung ist unwirksam, soweit Gegenstände pauschal vorweg beschlagnahmt werden. (vgl. Beschl. des Senats v. 19.2.2009 - 11 OB 398/08 -, NVwZ-RR 2009, 473 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 1.9.2009 - OVG 1 L 100.08 -, [...]; OVG NRW, Beschl. v. 30.1.2009 - 5 E 1492/08 -, www.justiz.nrw.de unter Aufgabe der früheren Rspr. im Beschl. v. 4.9.2002 - 5 E 112/02 -, a.a.O.; BayVGH, Beschl. v. 11.12.2002 - 4 C 02.2478 -, a.a.O.; siehe auch: BVerfG, Beschl. v. 29.1.2002 - 2 BvR 1245/01 -, a.a.O.). Diesen Anforderungen entspricht die streitige Beschlagnahmeanordnung. Denn in dem Beschluss wird keine pauschale Beschlagnahme angeordnet, sondern es sind darin hinreichend deutlich die für die Beschlagnahme in Betracht kommenden Beweismittel im Einzelnen angeführt worden. Zweifel über den Umfang der Beschlagnahmeanordnung sind dadurch ausgeschlossen.
In materiell-rechtlicher Hinsicht ist Voraussetzung für eine Beschlagnahmeanordnung - wie schon für die Durchsuchungsanordnung - ein Anfangsverdacht für das Vorliegen von Verbotsgründen gegenüber dem betroffenen Verein sowie darauf, dass es sich bei dem Betroffenen um ein Mitglied oder einen "Hintermann" des Vereins handelt und dass schließlich die betroffenen Gegenstände im Verbotsverfahren als Beweismittel von Bedeutung sein können (vgl. Senatsbeschl. v. 26.10.2010 - 11 OB 424/10 -).
Wie bereits unter Ziffer 1 des Beschlusses dargelegt worden ist, ist das Verwaltungsgericht zu Recht von einem Anfangsverdacht für das Vorliegen von Verbotsgründen gegenüber der HNG und einer Stellung des Antragsgegners als Mitglied der HNG im Sinne des § 4 Abs. 4 S. 2 VereinsG ausgegangen.
Die Beschlagnahmeanordnung erstreckt sich in ihrer sachlichen Ausrichtung zudem auf Gegenstände, die hinreichende Anhaltspunkte für eine Bedeutsamkeit als Beweismittel in einem Verbotsverfahren haben. § 4 Abs. 4 Satz 1 VereinsG verweist insoweit auf die entsprechende Geltung der allgemeinen strafprozessualen Bestimmungen über die Beschlagnahme u.a. nach § 94 StPO. Eine solche (strafprozessuale) Beschlagnahme muss zur Wahrung des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein und in einem angemessenen Verhältnis zu der Tat sowie zur Stärke des Verdachts stehen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 11.7.2008 - 2 BvR 2016/06 -, NJW 2009, 281). Diese zur strafprozessualen Beschlagnahme entwickelten Grundsätze mögen nicht ohne Weiteres auf die hier maßgebliche Beschlagnahme nach dem Vereinsgesetz übertragbar sein. Da es insoweit an dem Vorwurf eines strafbaren Verhaltens mangelt und Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der Verbotstatbestand regelmäßig nur aus einem Gesamtbild ergeben können, bei dem insbesondere den Äußerungen und Verhaltensweisen der Funktionsträger der Vereinigung maßgebende Bedeutung zukommt. Die Ziele einer Vereinigung lassen sich nämlich in der Regel weniger ihrer Satzung und ihrem Programm, sondern eher ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.8.2009 - BVerwG 6 VR 2.09 -, NVwZ-RR 2009, 803 und Urt. v. 1.9.2010 - BVerwG 6 A 4.09 -, http://bundesverwaltungsgericht.de ). Das setzt entsprechend umfangreiche tatsächliche Feststellungen und etwaige vorhergehende Ermittlungen voraus und bedeutet für den hier maßgeblichen Prüfungsmaßstab, dass eine potentielle Eignung der ggf. vielfältigen Beweismittel für das Verbotsverfahren grundsätzlich eine Beschlagnahme rechtfertigen kann (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 4.9.2002 - 5 E 112/02 -, a.a.O. für eine Durchsuchung und Beschlagnahme in Vereinsräumen, sowie dazu hinsichtlich der Bestimmtheit der richterlichen Beschlagnahmeanordnung einschränkend: Senatsbeschl. v. 19.2.2009 - 11 OB 398/08 -, a.a.O.).
Dabei dürfen jedoch zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit der jeweilige Umfang der Ermittlungen und der bereits vorliegende Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörde nicht unberücksichtigt bleiben, d.h. es bedarf jedenfalls bei einem fortgeschrittenen Ermittlungsstand des Verbotsverfahrens sowie bei Durchsuchungen und Beschlagnahmen gegenüber zahlreichen Vereinsmitgliedern zur gerichtlichen Bestätigung der Beschlagnahme von Material, das sich nur auf Teile der allgemeinen Binnenorganisation des Vereins bezieht, der näheren Begründung, warum solche Unterlagen in diesem Verfahrensstadium unter Berücksichtigung der allgemeinen Erkenntnislage für ein Verbotsverfahren überhaupt noch von Bedeutung sein können und sich nicht lediglich auf unerhebliche oder zwar erhebliche, aber unbestrittene oder schon anderweitig hinreichend belegte Tatsachen beziehen (vgl. Senatsbeschl. v. 26.10.2010 - 11 OB 424/10 -).
Diesen Anforderungen genügt die streitige Beschlagnahmeanordnung. Die im vorliegenden Verfahren von ihr umfassten Gegenstände und Unterlagen beziehen sich nicht nur auf die Binnenorganisation der HNG, sondern auch auf die Verbindungen der HNG zu dem vom Antragsgegner herausgegebenen "JVA-Report" sowie auf die inhaltliche Tätigkeit der HNG. Wie das Ergebnis der Durchsuchung und Beschlagnahme gezeigt hat, weisen die aufgefundenen Unterlagen und Gegenstände teilweise einen direkten Bezug zur HNG auf (z.B. Schriftwechsel mit den F., bei denen es sich um die Vorsitzende und ein Vorstandsmitglied der HNG handelt), teilweise lassen sie - etwa bei Datenträgern - einen solchen vermuten. Dass sich bei Speichermedien, Datenträgern und Mobiltelefonen erst nach deren Auswertung ergeben kann, inwieweit sie weiteren Aufschluss über Tätigkeit und Ziele der HNG und deren Mitglieder liefern können, steht der Eignung als Beweismittel nicht entgegen. Vielmehr durfte im Zeitpunkt der Beschlagnahmeanordnung davon ausgegangen werden, dass eine Auswertung der gespeicherten Daten erforderlich war. Gerade vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner nicht nur einfaches Mitglied der HNG ist, sondern als Herausgeber der der HNG nahestehenden Publikation "JVA-Report" und Betreiber der dazu gehörenden Internetseite die HNG in besonderem Maße aktiv unterstützt und fördert, kommt ihm eine besondere Stellung zu, die die Annahme gerechtfertigt hat, dass bei ihm weitere für das Verbotsverfahren maßgebliche Beweismittel auch im Hinblick auf die Verbindung des "JVA-Report" zur HNG aufgefunden und beschlagnahmt werden konnten.
Die Beschlagnahmeanordnung ist weiter nicht unverhältnismäßig, soweit von ihr bei dem Antragsgegner aufgefundene Bücher, Schriften, Tonträger, DVD's, Unterlagen mit rassistischen und/oder antisemitischen Inhalten, nationalsozialistische Symbole (z.B. Abzeichen, Büsten, Fahnen, Orden), Fotos von Räumen mit nationalsozialistisch auffälliger Ausstattung von Waffen und von militärischen Ausrüstungsgegenständen, soweit aus den Gegenständen ein Bezug zur rechtsextremistischen Szene herzuleiten ist, erfasst werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lassen sich die Ziele einer Vereinigung in der Regel nur aus ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit, ihren Publikationen sowie Äußerungen und der Grundeinstellung ihrer Funktionsträger entnehmen (Beschl. v. 11.8.2009 - BVerwG 6 VR 2.09 - a.a.O. und Urt. v. 1.9.2010 - BVerwG 6 A 4.09 -, a.a.O., jeweils m.w.N.). Bei der im Verbotsverfahren durchzuführenden Gesamtbetrachtung aller Umstände ist somit auch die Grundeinstellung der Funktionsträger in den Blick zu nehmen, da davon auszugehen ist, dass sie diese in ihre Arbeit für die Vereinigung einbringen und auf diese Weise maßgeblichen Einfluss auf die Ausrichtung der Vereinigung nehmen. Im Hinblick auf die herausgehobene Stellung und besondere Funktion des Antragsgegners in Bezug auf die Publikation "JVA-Report" und die von ihm betriebene Homepage sind somit auch die in der Beschlagnahmeanordnung genannten Unterlagen, Gegenstände usw. mit nationalsozialistischem bzw. rechtsextremistischem Bezug für das Verbotsverfahren beweiserheblich.
Der Antragsgegner hat zudem nicht konkret vorgetragen, welche Gegenstände und Unterlagen seiner Auffassung nach als Beweismittel offenkundig ausscheiden. Vielmehr stellt er pauschal den Zusammenhang zu dem eingeleiteten Verbotsverfahren in Frage und hält die Durchsuchung und Beschlagnahme deshalb für unverhältnismäßig. Dies reicht angesichts der vorstehenden Ausführungen aber nicht aus, um die Rechtswidrigkeit der Beschlagnahmeanordnung zu begründen.
Soweit der Antragsgegner mit seiner Beschwerde außerdem die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände begehrt hat, kann dem schon deshalb nicht entsprochen werden, weil die Beschlagnahmeanordnung nicht zu beanstanden ist.