Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.10.2017, Az.: 4 KN 359/17

Antragsbefugnis im gegen eine naturschutzrechtliche Schutzgebietsfestsetzung angestrengten Normenkontrollverfahren; Übernahme der Aktivbefugnis bei der Aufhebung des schuldrechtlichen Besitz- und Nutzungsrechts

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.10.2017
Aktenzeichen
4 KN 359/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 43904
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2017:1030.4KN359.17.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Antragsbefugnis im gegen eine naturschutzrechtliche Schutzgebietsfestsetzung angestrengten Normenkontrollverfahren kann sich auch aus einem schuldrechtlichen Besitz- und Nutzungsrecht ergeben, das für im Schutzgebiet gelegene Flächen besteht.

  2. 2.

    Im Fall der Aufhebung des schuldrechtlichen Besitz- und Nutzungsrechts ist der Eigentümer der Flächen nicht befugt, auf der Grundlage von § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO oder § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO den Normenkontrollantrag als Aktivpartei anstelle der Person, der das aufgehobene Besitzrecht zugestanden hat, zu übernehmen.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Antragsteller können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der Antragsgegner vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die beiden Antragsteller wenden sich gegen die Verordnung des Antragsgegners über das Landschaftsschutzgebiet "D." im Bereich der Gemeinde G., Samtgemeinde H., und der Gemeinde I., Samtgemeinde J..

2

Die genannte Verordnung wurde vom Kreistag des Antragsgegners am 17. Dezember 2012 beschlossen. Sie wurde erstmalig am 20. Dezember 2012 und, weil der Antragsgegner zwischenzeitlich von der Fehlerhaftigkeit der ersten Bekanntmachung ausging, erneut am 8. Juni 2017 im Amtsblatt für den Landkreis K. veröffentlicht. Die Verordnung regelt eine Reihe von Verboten und hierauf bezogenen Freistellungen, durch die innerhalb des Landschaftsschutzgebiets u.a. die Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen sowie die Unterhaltung der Gewässer eingeschränkt werden.

3

Die Antragstellerin zu 1), eine Kommanditgesellschaft, wurde von ihrem im Rubrum genannten Komplementär sowie dessen als Kommanditist fungierenden Sohn, dem Antragsteller zu 2) gegründet, um im Landschaftsschutzgebiet gelegene landwirtschaftliche Flächen zu bewirtschaften, die seinerzeit noch im Eigentum des Komplementärs standen. Das Recht zur Nutzung der in seinem Eigentum stehenden Flächen räumte der Komplementär der Antragstellerin zu 1) in dem Gesellschaftsvertrag ein.

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Die Antragstellerin zu 1) hat am 20. Dezember 2013 einen Normenkontrollantrag gestellt.

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Im Frühsommer 2014 hat der Komplementär der Antragstellerin zu 1) sich aus Altersgründen aus der Bewirtschaftung der landwirtschaftlichen Flächen zurückgezogen. Deshalb hat er das Eigentum an seinem im Landschaftsschutzgebiet gelegenen landwirtschaftlichen Grundbesitz in dem am 20. Juni 2014 abgeschlossenen notariellen "Hofübergabe-, Altenteil- und Abfindungsvertrag nebst Auflassung" dem Antragsteller zu 2) übertragen. Zeitpunkt der Grundstücksübergabe war gemäß dem Vertrag der 1. Juli 2014, 0.00 Uhr. Ferner haben der Komplementär und der Antragsteller zu 2) am 20. Juni 2014 einen Gesellschafterbeschluss getroffen, mit dem sie mit Wirkung zum 30. Juni 2014 die Auflösung der Antragstellerin zu 1) beschlossen haben, und zwar gemäß dem Gesellschafterbeschluss ohne Liquidation, da der Geschäftsbetrieb eingestellt worden und zu verteilendes Vermögen nicht vorhanden sei.

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Daraufhin hat der Antragsteller zu 2) im anhängigen Normenkontrollverfahren erklärt, dass er anstelle der Antragstellerin zu 1) als deren Rechtsnachfolger den Prozess als Hauptpartei zu übernehmen wünsche.

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Der Antragsteller zu 2) trägt vor: Die Übernahme des Verwaltungsprozesses als Rechtsnachfolger und anstelle der Antragstellerin zu 1) sei zulässig nach den gemäß § 173 Satz 1 VwGO im Verwaltungsprozess entsprechend geltenden §§ 265, 266 ZPO. Gemäß § 266 ZPO habe bei dem Übergang eines Grundstücks oder grundstücksbezogenen Rechts der Erwerber das Recht, anstelle des Veräußerers in einen anhängigen Prozess einzutreten, in dem über ein grundstücksbezogenes Recht gestritten werde. Die in der Vorschrift angesprochene Konstellation sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Jedenfalls sei er aber bei Zustimmung des Antragsgegners, um deren Erklärung gebeten werde, gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO befugt, als Rechtsnachfolger der Antragstellerin zu 1) den Prozess zu übernehmen. Der Begriff der Veräußerung der in Streit befangenen Sache in § 265 Abs. 1 ZPO, an welche die Befugnis des Rechtsnachfolgers zur Übernahme des Streitverfahrens anknüpfe, sei weit zu verstehen und erfasse auch die Übertragung des berechtigten Besitzes. Hier sei der Besitz an den im Landschaftsschutzgebiet gelegenen landwirtschaftlichen Flächen, auf dem die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) beruht habe, von dieser auf ihn übertragen worden. In der Verwaltungsrechtsprechung werde in einem Streit um die Erteilung einer Baugenehmigung als Rechtsnachfolge im Sinne von § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch der Wechsel des Bauherren angesehen. Da die Bauherreneigenschaft jedenfalls eine teilweise Sachherrschaft über das Baugrundstück impliziere, gebe es keinen Grund, eine Rechtsnachfolge beim Übergang der Bauherreneigenschaft zu bejahen, beim Besitzwechsel insgesamt jedoch nicht.

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In der Sache macht der Antragsteller zu 2) sich den bisherigen Vortrag der Antragstellerin zu 1) zu Eigen: Es fehle dem Landschaftsschutzgebiet an der Schutzwürdigkeit. Ferner regele die Verordnung in ihren Verbots- und Freistellungsvorschriften eine Reihe von unverhältnismäßigen Vorgaben für die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen sowie für die Unterhaltung der Gewässer.

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Der Antragsteller zu 2) beantragt,

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die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "D." im Bereich der Gemeinde G., Samtgemeinde H., und der Gemeinde I., Samtgemeinde J., im Landkreis K. vom 17.12.2012 für unwirksam zu erklären.

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Nur hilfsweise für den Fall, dass der Antragsteller zu 2) nicht befugt sei, den Verwaltungsrechtsstreit als Hauptpartei an ihrer Stelle zu übernehmen, begehrt die Antragstellerin zu 1), den Normenkontrollantrag im eigenen Namen weiter zu betreiben. Sie meint, sie sei hierzu gegebenenfalls nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach die Veräußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen Einfluss hat, befugt. Sie sei trotz ihrer Auflösung und der Löschung ihrer Firma aus dem Handelsregister auch nach wie vor beteiligungsfähig. Weise eine aufgelöste Gesellschaft noch Vermögen auf und ließen die Gesellschafter sie trotzdem löschen, weil sie diesen Vermögensgegenstand übersehen oder die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen verkannt hätten, dann bleibe die Gesellschaft bestehen und auch parteifähig. Ein Vermögensgegenstand, aus dem sich der Fortbestand der Gesellschaft ergebe, könne auch ein sich künftig möglicherweise in einem anhängigen Rechtsstreit ergebender Kostenerstattungsanspruch sein. Ein derartiger Kostenerstattungsanspruch stehe ihr - der Antragstellerin zu 1) - im Falle des Obsiegens mit ihrem hilfsweise aufrecht erhaltenen Normenkontrollantrag gegen den Antragsgegner zu.

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Die Antragstellerin zu 1) beantragt

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hilfsweise für den Fall, dass der Antragsteller zu 2) nicht befugt ist, den Verwaltungsrechtsstreit als Hauptpartei an ihrer Stelle zu übernehmen,

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die Verordnung über das Landschaftsschutzgebiet "D." im Bereich der Gemeinde G., Samtgemeinde H., und der Gemeinde I., Samtgemeinde J., im Landkreis K. vom 17.12.2012 für unwirksam zu erklären.

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Der Antragsgegner beantragt,

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den Antrag abzulehnen.

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Er verteidigt die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verordnung.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie auf die in dem Parallelverfahren 4 KN 316/13 beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

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Der Antrag hat keinen Erfolg, weil er unzulässig ist.

20

I.) Der Antrag des Antragstellers zu 2) ist unzulässig, weil dieser nicht befugt ist, anstelle der Antragstellerin zu 1) den Prozess als Hauptpartei zu übernehmen. Eine derartige Prozessfortsetzung durch den Rechtsnachfolger einer Partei ist nur unter den Voraussetzungen der §§ 265, 266 ZPO möglich, die im Verwaltungsprozess nach § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anzuwenden sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.12.2000 - 7 B 68.00 -, NVwZ-RR 2001, 406). Diese Voraussetzungen sind hier jedoch nicht gegeben. Der Antragsteller zu 2) ist deshalb durch Prozessurteil aus dem Rechtsstreit hinauszuweisen (vgl. BGH, Urt. v. 27.4.1988 - VIII ZR 178/87 -, NJW 1988, 3209 m. w. Nachw.).

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1.) Nach § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist dann, wenn über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts, das für ein Grundstück in Anspruch genommen wird, oder einer Verpflichtung, die auf einem Grundstück ruhen soll, zwischen dem Besitzer und einem Dritten ein Rechtsstreit anhängig ist, im Falle der Veräußerung des Grundstücks der Rechtsnachfolger berechtigt und auf Antrag des Gegners verpflichtet, den Rechtsstreit in der Lage, in der er sich befindet, als Hauptpartei zu übernehmen. Die Norm ist eine Sondervorschrift zur allgemeinen Regelung des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO und privilegiert den Erwerber eines Grundstücks insoweit, als er anders als nach § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO auch ohne Zustimmung des Prozessgegners das Streitverfahren anstelle des Rechtsvorgängers übernehmen kann. Der Grund für diese Bevorzugung des Grundstückserwerbers gegenüber anderen Fällen der Rechtsnachfolge wird darin gesehen, dass die Rechtsverhältnisse an einem Grundstück besser dokumentiert sind als die Rechtsverhältnisse an beweglichen Sachen oder an Ansprüchen (vgl. Bacher, in: Beckscher Online-Kommentar ZPO, Stand: 24. Edition, 1.3.2013, § 266 Rn. 2 m. w. Nachw.). Die leichtere Erkennbarkeit der Rechtsnachfolge für den Prozessgegner ist aber nur dann gegeben, wenn während eines Gerichtsverfahrens, in dem über grundstücksbezogene Rechte oder Pflichten gestritten wird, das Eigentum an dem Grundstück von einer Prozesspartei auf einen Dritten übertragen wird. Als Besitzer im Sinne der Vorschrift ist daher nur der frühere Eigentümer anzusehen (vgl. Bacher, a.a.O., § 266 Rn. 3; Lüke, in: MüKo-ZPO, 2. Aufl. 2000, § 266 Rn. 13). Die Antragstellerin zu 1) ist jedoch zu keinem Zeitpunkt Eigentümerin der von ihr im Landschaftsschutzgebiet bewirtschafteten Flächen gewesen. Da der Antragsteller zu 2) bezüglich des Grundeigentums somit nicht ihr Rechtsnachfolger geworden sein kann, sind die Voraussetzungen des § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO nicht gegeben.

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Eine analoge Anwendung von § 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO auf den vorliegenden Fall scheidet ebenfalls aus. Es fehlt an einer Regelungslücke im Gesetz, die notwendige Voraussetzung für einen Analogieschluss ist. Denn sämtliche von der Sondervorschrift des § 266 ZPO nicht erfassten Fälle der Rechtsnachfolge während eines anhängigen Prozesses unterfallen dem Anwendungsbereich der allgemeinen Regelung, die der Gesetzgeber hierzu in § 265 ZPO getroffen hat.

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2.) Der Antragsteller zu 2) ist auch nicht gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO befugt, den Prozess anstelle der Antragstellerin zu 1) zu übernehmen. Entscheidend hierfür ist allerdings nicht, dass der Antragsgegner die nach der Norm erforderliche Zustimmung zu der Prozessübernahme bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich erklärt hat. Denn die Zustimmung kann auch konkludent erfolgen, indem der Prozessgegner rügelos zur Sache verhandelt (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 265 Rn. 7). Dies hat der Antragsgegner getan. Es fehlt aber an einer Rechtsnachfolge im Sinne des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

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Die Rechtsnachfolge im Sinne von § 265 ZPO aufgrund einer Veräußerung der streitbefangenen Sache oder Abtretung des geltend gemachten Anspruchs wird weit verstanden. Grundsätzlich wird jeder Rechtsübergang im Wege der Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden hierunter gefasst. Irrelevant ist, ob der Übergang durch Rechtsgeschäft, kraft Akzessorietät, durch Hoheitsakt, durch gesetzlichen Forderungsübergang, durch gesetzliche Vertragsübernahme oder durch Anwachsung der Rechte eines ausscheidenden Gesellschafters erfolgt (vgl. Bacher, a.a.O., § 265 Rn. 9 m. w. Nachw.). Es soll auch unerheblich sein, ob die Erlangung des Rechts auf dem Wege der Ableitung vom bisherigen Rechtsinhaber (derivativ) oder durch Neuentstehung (originär) erfolgt ist (so RG, Urt. v. 18.9.1928 - 70/28 VIII -, JW 1928, 774). Die Sache oder der geltend gemachte Anspruch muss auch nicht unmittelbar von der Prozesspartei auf denjenigen übertragen worden sein, der als Rechtsnachfolger den Prozess zu übernehmen wünscht, sondern dies kann auch im Rahmen einer Veräußerungskette geschehen sein (vgl. Baumbach/Lauterbach, ZPO, 75. Aufl. 2017, § 266 Rn. 4).

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Auch bei diesem weiten Begriffsverständnis ist hier eine Einzelrechtsnachfolge im Sinne von § 265 ZPO nicht gegeben. Der Antragsteller zu 2) hat weder derivativ noch originär die Rechtsposition übernommen, aus der sich die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) im Normenkontrollverfahren ergeben hat.

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Die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) hat auf dem Besitz- und Nutzungsrecht gefußt, das sie an den im Landschaftsschutzgebiet gelegenen landwirtschaftlichen Flächen früher ausgeübt hat. Aufgrund dieses Besitzrechts war es zumindest möglich, dass die Antragstellerin zu 1) durch die in der Verordnung geregelten Beschränkungen der landwirtschaftlichen Grundstücksnutzung in dem Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt worden ist (vgl. dazu im Einzelnen das heutige Urteil des Senats in der parallelen Sache 4 KN 275/17 m. w. Nachw.). Das Besitzrecht an den seinerzeit noch im Eigentum des Komplementärs stehenden Flächen hat sich aus dem Gesellschaftsvertrag ergeben und war somit schuldrechtlicher Art. Dieses schuldrechtliche Besitzrecht hat die Antragstellerin zu 1) weder unmittelbar noch im Rahmen einer Veräußerungskette (über den Komplementär) mittelbar auf den Antragsteller zu 2) übertragen, sondern es ist ohne Rechtsnachfolge erloschen. Wie sich aus dem Auflösungsbeschluss vom 20. Juni 2014 ergibt, war die Antragstellerin zu 1) seinerzeit nach Ansicht ihrer beiden Gesellschafter vermögenslos, kann also nicht mehr Inhaberin einer Forderung gewesen sein, die sie gegenüber dem Komplementär dazu berechtigt hat, die in dessen Eigentum stehenden Grundstücke zu nutzen und die Früchte daraus zu ziehen. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller hat dem Berichterstatter des Senats im Rahmen eines Telefonats auf Nachfrage auch bestätigt, dass das Besitz- und Nutzungsrecht der Antragstellerin zu 1) kurzfristig vor dem Auflösungsbeschluss aufgehoben worden war (vgl. hierzu den Vermerk des Berichterstatters vom 27.7.2017, Bl. 142 d. GA zu 4 KN 317/13).

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Das gesellschaftsrechtlich als schuldrechtliche Position begründete Besitz- und Nutzungsrecht hat der Antragsteller zu 2) auch nicht originär durch Neuentstehung erworben. Denn sein Besitzrecht ist nicht schuldrechtlich durch Gesellschaftsvertrag begründet worden, sondern fußt auf der Eigentumsübertragung von dem Komplementär auf ihn und ergibt sich somit anders als das frühere Nutzungsrecht der Antragstellerin zu 1) aus § 903 Satz 1 BGB.

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Die einzige zivilrechtliche Rechtsfolge zugunsten eines Dritten, die mit der gesellschaftsvertraglichen Aufhebung des Besitz- und Nutzungsrechts der Antragstellerin zu 1) einhergegangen ist, war somit, dass spiegelbildlich dazu der Grundstückseigentümer (damals noch der Komplementär) von der gegenüber der Antragstellerin zu 1) bestehenden schuldrechtlichen Verpflichtung zur Besitzüberlassung frei geworden ist. Allein in dem Freiwerden von einer Verbindlichkeit liegt jedoch nicht eine Rechtsnachfolge im Sinne von § 265 ZPO. Dies unterscheidet den vorliegenden Sachverhalt auch von einer Entscheidung, in der das Reichsgericht angenommen hat, dass die vertragsmäßige Wiederaufhebung des Erbbaurechts und der damit verbundene Rückfall aller dem Erbbauberechtigten zustehenden Rechte an den Eigentümer als Einzelrechtsnachfolge im Sinne von § 265 ZPO anzusehen ist (vgl. RG, Urt. v. 18.9.1928 - 70/28 VIII -, JW 1928, 774). Denn anders als hier geht bei der Aufhebung eines Erbbaurechts eine Rechtsposition auf den Grundstückseigentümer über, die dieser vorher nicht ausgeübt hat. Da mit der Aufhebung des Erbbaurechts das Eigentum des Erbbauberechtigten an dem Gebäude erlischt, wird das Gebäude zum Bestandteil des Grundstücks (vgl. § 12 Abs. 3 ErbbauRG) und wächst dem Eigentümer somit als Eigentumsgegenstand zu (vgl. Westermann, in: Erman, BGB, 15. Aufl. 2017, § 12 ErbbauRG Rn. 5). Im praktisch häufigsten Fall, dass in das Erbbaurecht auch das Recht zur Nutzung des für das Bauwerk nicht erforderlichen Teils des Grundstücks einbezogen worden ist (vgl. § 1 Abs. 2 ErbbauRG), geht mit der Aufhebung des Erbbaurechts zudem auch dieses dingliche Nutzungsrecht wieder auf den Eigentümer über.

29

Schließlich kann der Antragsteller zu 2) auch nicht aufgrund eines Übergangs des reinen - vom Besitzrecht losgelösten - Besitzes gemäß § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO als Rechtsnachfolger der Antragstellerin zu 1) in den Prozess eintreten.

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Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage der Rechtsnachfolge konkret für die Rechtsposition, aus der sich ursprünglich die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) im Normenkontrollverfahren ergeben hat. Der Antragsteller zu 2) kann nur dann anstelle der Antragstellerin zu 1) den Prozess als Aktivpartei übernehmen, wenn das Recht, auf dem die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) beruht hat, auf ihn übergegangen ist. Im Hinblick hierauf erscheint aus Sicht des Senats zweifelhaft, ob sich aus der reinen Besitzausübung über Flächen, die im Geltungsbereich einer naturschutzrechtlichen Verordnung liegen, die Antragsbefugnis im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ergeben kann. Denn dies würde darauf hinauslaufen, auch dem unberechtigten Besitzer die Antragsbefugnis im naturschutzrechtlichen Normenkontrollverfahren zuzuerkennen, womit sich die Frage stellen würde, ob für den unberechtigten Besitzer ein Rechtsschutzbedürfnis anzuerkennen ist.

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Dies kann jedoch dahinstehen, weil der Übergang des Besitzes von der Antragstellerin zu 1) auf den Antragsteller zu 2) ohnehin nicht als Rechtsnachfolge im Sinne von § 265 ZPO anzusehen ist.

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Die Regelung über die Folgen der Veräußerung der in Streit befangenen Sache nach Eintritt der Rechtshängigkeit in § 265 ZPO ist sachlich eng verzahnt mit der in § 325 ZPO angeordneten Rechtskrafterstreckung des zwischen den Parteien ergangenen Urteils auf die Personen, die nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden sind (vgl. Bacher, a.a.O., § 265 Rn. 2). Die Rechtskrafterstreckung des Urteils auf den Rechtsnachfolger ist die Kehrseite des Umstandes, dass die bisherige Partei den Rechtsstreit gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO trotz der Veräußerung oder Abtretung und dem damit einhergehenden Verlust der Aktiv- oder Passivlegitimation fortsetzten darf. Denn ohne die Rechtskrafterstreckung des Urteils auf den Dritten, der Rechtsnachfolger geworden ist, wäre die Fortsetzung des Prozesses durch die bisherige Partei sinnlos. Um den deshalb notwendigen Gleichklang von § 265 ZPO und § 325 zu gewährleisten, kann der Begriff der Rechtsnachfolge in § 265 ZPO somit nicht weiter ausgelegt werden als in § 325 ZPO.

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Nach dem Wortlaut des § 325 Abs. 1 ZPO ist der Rechtsnachfolge ausdrücklich nur der Fall gleichgestellt, dass eine nicht am Prozess beteiligte Person den Besitz der streitbefangenen Sache in solcher Weise erlangt hat, dass eine der Parteien oder ihr Rechtsnachfolger mittelbarer Besitzer geworden ist. Die Übertragung des unmittelbaren Besitzes steht der Rechtsnachfolge also nur dann gleich, wenn zwischen dem neuen unmittelbaren Besitzer und einer der Prozessparteien (oder deren Rechtsnachfolger) ein Besitzmittlungsverhältnis begründet worden ist. Ein Besitzmittlungsverhältnis zwischen den beiden Antragstellern dergestalt, dass der Antragsteller zu 2) unmittelbarer und die Antragstellerin zu 1) mittelbare Besitzerin geworden ist, liegt aber nicht vor und hat auch zu keinem Zeitpunkt bestanden.

34

Über den Wortlaut von § 325 Abs. 1 ZPO hinausgehend wird der Rechtsnachfolge lediglich die Nachfolge im Eigenbesitz gleichgestellt (vgl. BGH, Urt. v. 13.3.1981 - V ZR 115/80 -, NJW 1981, 1517 [BGH 13.03.1981 - V ZR 115/80] m. w. Nachw.; Bacher, a.a.O., § 285 Rn. 6). Auch in diesem Sinne ist der Antragsteller zu 2) jedoch nicht Nachfolger der Antragstellerin zu 1) im Besitz geworden, denn letztere hat die von ihr früher im Landschaftsschutzgebiet bewirtschafteten Flächen nicht als ihr gehörend besessen und war somit nicht Eigenbesitzerin (vgl. § 872 BGB).

35

Im Übrigen ergeben sich auch aus dem von den Antragstellern angeführten Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts vom 15. Mai 1997 (Bf II 14/96) keine rechtlichen Gesichtspunkte, die für einen noch weiterreichenden Anwendungsbereich des § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO im Rahmen der Besitznachfolge sprechen. Denn das Hamburgische Oberverwaltungsgericht hat in dieser Entscheidung nicht den Rechtssatz aufgestellt, dass eine Rechtsnachfolge im Sinne von § 265 ZPO durch den Übergang des unmittelbaren Besitzes auch dann eintreten kann, wenn der alte Besitzer nicht Eigenbesitzer war. Dazu hatte es auch keinen Anlass, da es in der genannten Entscheidung die Rechtsnachfolge hinsichtlich der Stellung als Bauherr in einem Fall bejaht hat, in dem die ursprüngliche Bauherrin zunächst Eigentümerin und somit auch Eigenbesitzerin des Baugrundstücks war.

36

II.) Das von der Antragstellerin zu 1) hilfsweise für den - hier gegebenen - Fall, dass der Antragsteller zu 2) nicht befugt ist, an ihrer Stelle den Prozess als Hauptpartei zu übernehmen, aufrecht erhaltene Begehren, den Verwaltungsrechtsstreit im eigenen Namen fortzusetzen, ist ebenfalls unzulässig. Denn sie ist nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt.

37

Allerdings ist die Antragstellerin zu 1) trotz ihrer Auflösung und Löschung aus dem Handelsregister weiterhin beteiligungsfähig im Sinne von § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO. Die Eintragung der Löschung in das Handelsregister wirkt für die Beendigung der Rechts- und Prozessfähigkeit einer Personengesellschaft nicht konstitutiv, sondern ist nur deklaratorisch. Wenn sich nach der Löschung herausstellt, dass doch noch Gesellschaftsvermögen vorhanden oder ein Anspruch geltend zu machen ist, so ist die Liquidation bzw. Auflösung noch nicht beendet, weil die Firma in Wahrheit noch nicht erloschen ist. Die Gesellschaft kann dann unter ihrer bisherigen Firma auftreten, also klagen und verklagt werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.6.1979 - IX ZR 69/75 -, NJW 1979, 1987; u. v. 24.9.1982 - V ZR 188/79 -, WM 1982, 1170). Die Gesellschaft kann daher jedenfalls mit der Behauptung, ihr stehe noch ein Anspruch zu und insoweit habe sie noch Vermögen, einen Prozess führen. Hierfür genügt es, wenn sie im Falle des Obsiegens in einem anhängigen Prozess einen Kostentitel erlangen würde, der sie berechtigen würde, die bislang in diesem Rechtsstreit von ihr aufgewandten Kosten von der Gegenseite ersetzt zu verlangen (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.1985 - II ZR 82/85 -, NJW-RR 1986, 394). So verhält es sich hier, da die Antragstellerin zu 1) im Falle eines Obsiegens im Normenkontrollverfahren einen Kostenerstattungsanspruch gegen den Antragsgegner erlangen würde.

38

Der Antrag ist aber deshalb unzulässig, weil die Antragstellerin zu 1) nicht mehr antragsbefugt im Sinne von § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist. Sie kann nicht mehr geltend machen, durch die angegriffene Verordnung oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Da ihr früheres schuldrechtliches Nutzungsrecht an den im Schutzgebiet gelegenen Flächen aufgehoben worden ist und sie auch keinen Besitz mehr an diesen Flächen ausübt, ist es nicht mehr möglich, dass die Antragstellerin zu 1) durch die Verordnung und insbesondere die in ihr geregelten Verbotstatbestände in eigenen Rechten verletzt wird. Es handelt sich somit bei der Antragstellerin zu 1) seit der Aufhebung des Nutzungsrechts um eine Person, die von den Verboten der Verordnung nicht mehr unmittelbar betroffen ist, und deshalb ist sie von der Antragsbefugnis auszunehmen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 15.5.2000 - 6 CN 3.99 -, NVwZ 2000, 1296 [BVerwG 17.05.2000 - BVerwG 6 CN 3/99]; Senatsurt. v. 2.11.2010 - 4 KN 109/10 -).

39

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin zu 1) besteht auch nicht gemäß § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO fort, wonach die Veräußerung oder Abtretung auf den Prozess keinen Einfluss hat. Aus der systematischen Stellung dieser Regelung innerhalb des § 265 ZPO ergibt sich, dass die gesetzliche Anordnung des Fortbestehens der Prozessführungsbefugnis nur dann eingreift, wenn im Sinne von § 265 Abs. 1 ZPO eine Einzelrechtsnachfolge unter Lebenden durch Veräußerung der in Streit befangenen Sache oder durch Abtretung des geltend gemachten Anspruchs eingetreten ist. Das ist aber, wie der Senat bereits unter I.) näher ausgeführt hat, hier nicht der Fall.

40

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.