Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 10.06.2010, Az.: 5 LA 109/08
Ablieferung der aus einer untersagten Nebentätigkeit erzielten Vergütung eines Beamten an seinen Dienstherrn
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 10.06.2010
- Aktenzeichen
- 5 LA 109/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 24065
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0610.5LA109.08.0A
Rechtsgrundlagen
- § 78 S. 1 NBG a.F.
- § 43 VwVfG
Fundstellen
- DVBl 2010, 992
- NVwZ-RR 2010, 731
- NdsVBl 2010, 331-332
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage, ob und in welchem Umfang ein Beamter, der gegen die Untersagung einer nicht genehmigungspflichtigen Nebentätigkeit erfolglos Widerspruch und Klage erhoben hatte, verpflichtet ist, die aus der Nebentätigkeit erzielte Vergütung an seinen Dienstherrn abzuliefern.
Gründe
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1.
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) sind nicht erfüllt.
Ernstliche Zweifel sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrages und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist, wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).
Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Zulassung der Berufung gemäߧ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Es bestehen im Ergebnis keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils.
a.)
Das Verwaltungsgericht hat eine Rechtsgrundlage für das Zahlungsverlangen der Beklagten nicht präzise benannt. Es kann offen bleiben, ob als Rechtsgrundlage die Regelungen über die Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 687 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 681, 667 BGB) in Betracht kommen (vgl. bejahend VG Berlin, Urteil vom 21.11.2003 - 5 A 174.02 -, [...]; das BVerfG hat die gegen das vorgenannte Urteil gerichtete Verfassungsbeschwerde durch Beschluss vom 28.9.2007 [- 2 BvR 1121/06 u.a. -, ZBR 2008, 171] nicht zur Entscheidung angenommen; vgl. verneinend BVerwG, Urteil vom 31.1.2002 - 2 C 6.01 -, BVerwGE 115, 389). Denn Rechtsgrundlage des Zahlungsverlangens der Beklagten ist jedenfalls § 78 Satz 1 NBG a.F. (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2002, a.a.O.; VG Berlin, Urteil vom 21.11.2003, a.a.O.). Das gesetzliche Verbot des § 78 Satz 1 NBG a.F. konkretisiert die Treuepflicht und die Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung und steht der Annahme jedweder Vorteile in Bezug auf das Amt entgegen. Es umfasst ein "Behaltensverbot" hinsichtlich des Erlangten und eine Abführungspflicht an den Dienstherrn (vgl. BVerwG, Urteil vom 31.1.2002, a.a.O.; Urteil vom 23.4.1998 - 2 C 19.97 -, BVerwGE 106, 324; VG Berlin, Urteil vom 21.11.2003, a.a.O.). Da der Kläger, wie das Verwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 23. Februar 2005 (1 A 54/03) und der beschließende Senat mit seinem Beschluss vom 18. Juli 2005 (5 LA 81/05) entschieden haben, bei der Ausübung der streitigen Nebentätigkeit dienstliche Pflichten verletzt hat, indem er mit dieser Tätigkeit zu seinem Hauptamt gehörende Aufgaben wahrgenommen hat, muss er mithin die Zuwendungen, die er von dritter Seite erhalten hat, an seinen Dienstherrn abführen.
Der Kläger kann demgegenüber nicht mit Erfolg einwenden, er sei berechtigt, die bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 23. Februar 2005 (1 A 54/03) aus der Nebentätigkeit erzielten Einnahmen zu behalten, weil sein Widerspruch und seine Klage gegen die Verfügung der Beklagten vom 26. November 2002, mit der die von ihm am 10. Juli 2002 angezeigte Nebentätigkeit untersagt worden sei, solange - also bis zum 23. Februar 2005 - gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufschiebende Wirkung gehabt hätten. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und der Klage hatten zwar, da die Beklagte eine Vollzugsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht erlassen hatte, zur Folge, dass der Kläger die nach Auffassung der Beklagten gemäß § 74 Nr. 3 NBG a.F. genehmigungsfreie Nebentätigkeit trotz des Erlasses der auf § 74 a Abs. 3 Satz 5 NBG a.F. gestützten Untersagungsverfügung einstweilen fortsetzen durfte (vgl. Schnellenbach, Beamtenrecht in der Praxis, 6. Aufl. 2005, Rn 295; Kümmel, Beamtenrecht, Stand: Mai 2002, § 74 a NBG a.F. Rn 27; Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 80 Rn 23). Durch die aufschiebende Wirkung der von dem Kläger eingelegten Rechtsbehelfe ist jedoch lediglich die Vollziehung der von der Beklagten wirksam (§ 43 Abs. 1 VwVfG) erlassenen Untersagungsverfügung vom 26. November 2002 gehemmt worden.
Die Auslegung der Rechtsbegriffe der aufschiebenden Wirkung und der Vollziehung sind in der Rechtsprechung und im juristischen Schrifttum zwar umstritten (vgl. zum Meinungsstand Kopp/Schenke, a.a.O., § 80 Rn 22 mit zahlreichen Nachweisen). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. nur Beschluss vom 8.9.1953 - 1 A 18.53 -, BVerwGE 1, 11 [BVerwG 08.09.1953 - I A.18.53]; Urteil vom 21.6.1961 - 8 C 398.59 -, BVerwGE 13, 1; Urteil vom 12.5.1966 - 2 C 197.62 -, BVerwGE 24, 92; Urteil vom 27.10.1982 - 3 C 6.82 -, BVerwGE 66, 218; vgl. ebenso z.B. OVG Bautzen, Beschluss vom 14.10.2008 - 1 E 52/08 -, [...]; VGH München, Urteil vom 15.3.2010 - 1 BV 08.3157 -, [...]), der der beschließende Senat folgt, hat der Eintritt der aufschiebenden Wirkung jedoch nur zur Folge, dass der angefochtene Verwaltungsakt vorläufig nicht vollzogen werden darf. Die aufschiebende Wirkung soll als Mittel des vorläufigen Rechtsschutzes verhindern, dass durch die Vollziehung des noch nicht bestandskräftig gewordenen Verwaltungsaktes vollendete Tatsachen geschaffen werden und dadurch ein effektiver Rechtsschutz vereitelt wird. Dagegen beseitigt die aufschiebende Wirkung nicht die Wirksamkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes. Das bedeutet, dass der Eintritt der aufschiebenden Wirkung keine rechtsgestaltende Wirkung dahin hat, dass der Verwaltungsakt als vorläufig nicht existent zu behandeln wäre. Infolgedessen bleiben die Rechtswirkungen des Verwaltungsaktes, die vor seiner Anfechtung bereits eingetreten waren, auflösend bedingt wirksam. Die Behörde darf nur aus ihrem Verwaltungsakt keine Maßnahmen treffen, die rechtlich als Vollziehung des nach wie vor wirksamen Verwaltungsaktes zu qualifizieren sind. Mit dem rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens entfällt die nur für die Dauer des Rechtsstreits vorgesehene aufschiebende Wirkung und macht mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Erlasses der Verfügung der durch das rechtskräftige Urteil klargestellten Rechtslage Platz (vgl. BVerwG, Urteil vom 12.5.1966, a.a.O.).
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist es für die Rechtmäßigkeit des Zahlungsverlangens der Beklagten irrelevant, dass der Kläger gegen die Untersagungsverfügung vom 26. November 2002 zunächst Widerspruch eingelegt und dann Anfechtungsklage erhoben hatte.
b.)
Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht insoweit ernstlichen Richtigkeitszweifeln, als es zur Höhe des Zahlungsverlangens der Beklagten ausführt, die von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung unsubstantiiert behaupteten Auslagen und Aufwendungen seien nicht zu berücksichtigen, da sie in keiner Weise belegt seien. Sie seien daher nicht geeignet, die Höhe der Forderung der Beklagten zu mindern.
Es kann offen bleiben, ob der sich aus § 78 Satz 1 NBG a.F. ergebenden Abführungspflicht überhaupt grundsätzlich entgegengehalten werden kann, von den aus der Nebentätigkeit erzielten Einnahmen seien Auslagen und Aufwendungen abzuziehen, die mit der Ausübung der Nebentätigkeit verbunden gewesen seien. Denn der Kläger hat die nach seinem Vorbringen entstandenen Auslagen und Aufwendungen auch im Berufungszulassungsverfahren nicht hinreichend belegt. Der Kläger hat seiner Zulassungsbegründung vom 25. April 2008 zwar eine Aufstellung beigefügt, in der er Ausgaben in Höhe von 11.416 EUR zusammengestellt hat. Er hat jedoch keine der dort zusammengetragenen Ausgaben durch die Beifügung von Belegen glaubhaft gemacht. Es kommt hinzu, dass zahlreiche Angaben des Klägers auf bloßen Schätzungen beruhen. Das unter dem Briefkopf des Klägers gefertigte Schreiben (Bl. 113 GA), wonach eine studentische Hilfskraft von ihm 540 EUR erhalten habe, ist weder datiert noch von dem Kläger und der Studentin unterschrieben worden. Es kommt weiter hinzu, dass - wie die Beklagte zu Recht eingewandt hat - ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen den ganz enormen Kosten, die der Kläger aufgewandt haben will, und dem streitigen Projekt weder dargelegt noch erkennbar ist. Dem ist der Kläger nicht entgegengetreten.
2.
Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen ebenfalls nicht vor.
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, das heißt überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Die besonderen Schwierigkeiten müssen sich auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 Rn 9).
Der Kläger meint, die Beantwortung der Frage, ob die aufschiebende Wirkung eines Widerspruchs und einer Klage gegen eine Verfügung über die Untersagung einer Nebentätigkeit zur Folge habe, dass die während der Dauer der aufschiebenden Wirkung von dem Beamten erzielte Nebentätigkeitsvergütung nicht an den Dienstherrn abzuführen sei, sowie die Klärung der Frage der rechtlichen Tragweite der aufschiebenden Wirkung und ihres Verhältnisses zum Regelungsgehalt des § 43 VwVfG seien im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtlich schwierig. Aus den obigen Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ergibt sich indes, dass diese rechtlichen Fragestellungen in dem Grad ihrer Schwierigkeit nicht über das gewöhnliche Maß hinausgehen und sich schon im Berufungszulassungsverfahren ohne weiteres beantworten lassen.
3.
Auch die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht erfüllt.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine tatsächliche oder rechtliche Frage von allgemeiner fallübergreifender Bedeutung aufwirft, die im Berufungsrechtszug entscheidungserheblich ist und im Interesse der Rechtseinheit geklärt werden muss. Die in diesem Sinne zu verstehende grundsätzliche Bedeutung muss durch die Formulierung mindestens einer konkreten, sich aus dem Verwaltungsrechtsstreit ergebenden Frage dargelegt werden. Dabei ist substantiiert zu begründen, warum die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig gehalten wird, das heißt worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll, weshalb die Frage entscheidungserheblich und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., § 124 a Rn 54). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Die von dem Kläger aufgeworfene Frage, die wiederum die Verpflichtung zur Abführung der während der Dauer eines Widerspruchs und einer Klage gegen eine Verfügung über die Untersagung einer Nebentätigkeit von dem Beamten erzielte Nebentätigkeitsvergütung an den Dienstherrn betrifft, bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren. Denn sie lässt sich, wie den Ausführungen zum Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu entnehmen ist, schon im Berufungszulassungsverfahren ohne weiteres beantworten. In einem solchen Fall sind die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht erfüllt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27.2.2009 - 5 LA 334/08 -; vgl. zur Revisionszulassung BVerwG, Beschluss vom 27.8.1996 - 8 B 165.96 -, Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziffer 1 VwGO Nr. 13).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).