Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.06.2010, Az.: 4 LA 24/09

Anspruch auf nachträgliche Erstattung von Elternbeiträgen für das letzte Kindergartenjahr eines "Kann-Kindes" vor Beginn der Schulpflicht

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
09.06.2010
Aktenzeichen
4 LA 24/09
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 24031
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0609.4LA24.09.0A

Fundstellen

  • DVBl 2010, 928
  • NdsVBl 2010, 306-307

Amtlicher Leitsatz

§ 21 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG gewährt erstmals für das Kindergartenjahr 2007/2008 eine nachträgliche Erstattung von Elternbeiträgen

Gründe

1

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht die auf Erstattung der im Kindergartenjahr 2006/2007 von ihnen gezahlten Elternbeiträge gerichtete Klage abgewiesen hat, hat keinen Erfolg.

2

Die von den Klägern geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 und 5 VwGO liegen nicht vor.

3

Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

4

Denn das Verwaltungsgericht hat jedenfalls im Ergebnis zu Recht einen Anspruch der Kläger gemäß § 21 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 des niedersächsischen Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (KiTaG) auf Erstattung der von ihnen für den Besuch des Kindergartens durch ihre am 15. Juli 2001 geborene und am 1. August 2007 als "Kann-Kind" eingeschulte Tochter im Kindergartenjahr 2006/2007 geleisteten Elternbeiträge verneint.

5

Die Regelung über die Freistellung von Elternbeiträgen im letzten Kindergartenjahr in § 21 KiTaG ist durch das Gesetz zur Einführung der Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr vom 12. Juli 2007 (Nds. GVBl. 2007, 300) in das KiTaG eingefügt worden. Nach § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG haben Kinder einen Anspruch auf unentgeltlichen Besuch einer Tageseinrichtung in dem Kindergartenjahr, das der Schulpflicht gemäß § 64 Abs. 1 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) unmittelbar vorausgeht.

6

Sowohl nach § 64 Abs. 1 Satz 1 NSchG a.F. als auch nach § 64 Abs. 1 Satz 1 NSchG in der ab dem 1. August 2008 gültigen Fassung i.V.m. der Übergangsvorschrift des § 184 Nr. 1 NSchG werden alle Kinder, die bis zum 30. Juni das sechste Lebensjahr vollendet haben, mit Beginn des folgenden Schuljahres schulpflichtig. Für die Kinder, die bis zum 30. Juni 2008 das sechste Lebensjahr vollendet haben und demnach mit Beginn des Schuljahres 2008/2009 schulpflichtig geworden sind, ist mithin das Kindergartenjahr 2007/2008, das am 1. August 2007 begonnen und am 31. Juli 2008 geendet hat, das letzte Kindergartenjahr vor Beginn ihrer Schulpflicht gewesen. Da das Gesetz zur Einführung der Beitragsfreiheit im letzten Kindergartenjahr mit Beginn dieses Kindergartenjahres am 1. August 2007 in Kraft getreten ist, ist demnach das Kindergartenjahr 2007/2008 das erste gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG beitragsfrei gestellte Kindergartenjahr gewesen.

7

Die sogenannten "Kann-Kinder", die nach dem 30. Juni das sechste Lebensjahr vollendet haben und deshalb zu Beginn des jeweiligen Schuljahres nicht nach § 64 Abs. 1 Satz 1 NSchG schulpflichtig geworden sind, aber gemäß § 64 Abs. 1 Satz 2 NSchG (alter wie neuer Fassung) auf Antrag der Erziehungsberechtigten unter den dort genannten Voraussetzungen in die Schule aufgenommen werden können und daher erst mit der Aufnahme nach § 64 Abs. 1 Satz 3 NSchG (alter wie neuer Fassung) schulpflichtig werden, kämen jedoch nach der Regelung des § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG nicht in den Genuss der Beitragsfreiheit des letzten Kindergartenjahres vor Beginn der Schulpflicht, weil sich bei diesen erst im Nachhinein herausstellt, ob das Kindergartenjahr vor Beginn der Schulpflicht das letzte Kindergartenjahr gewesen ist. Aus diesem Grunde bestimmt § 21 Abs. 3 Satz 1 KiTaG, dass der Anspruch gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG - der Anspruch auf unentgeltlichen Besuch des letzten Kindergartenjahrs - der Kinder, die nach § 64 Abs. 1 Satz 3 NSchG schulpflichtig werden, durch "nachträgliche Erstattung" gewährleistet wird. Nach dem klaren Wortlaut des § 21 Abs. 3 Satz 1 KiTaG knüpft dieser Erstattungsanspruch an den für die sogenannten "Kann-Kinder" nicht realisierbaren Anspruch auf einen vom Beginn an unentgeltlichen Besuch des betreffenden Kindergartenjahrs gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG an, indem er für die "Kann-Kinder" des nach dieser Regelung beitragsfrei gestellten Kindergartenjahrs einen nachträglichen Erstattungsanspruch begründet. Da § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG nach dem oben Gesagten erstmals das Kindergartenjahr 2007/2008 beitragsfrei gestellt hat, kann der hieran anknüpfende Anspruch nach § 21 Abs. 3 Satz 1 KiTaG auch erst für dieses Kindergartenjahr eine "nachträgliche Erstattung" gewähren. Daraus folgt, dass es sich bei der von den Klägern begehrten Erstattung der von ihnen geleisteten Elternbeiträge für das Kindergartenjahr 2006/2007 nicht um eine "nachträgliche Erstattung" handelt, wie sie § 21 Abs. 3 Satz 1 KiTaG ausdrücklich voraussetzt, da dieses Kindergartenjahr noch gar nicht beitragsfrei gewesen ist.

8

Durch diese Ausgestaltung des Erstattungsanspruchs nach § 21 Abs. 3 Satz 1 KiTaG wird zudem vermieden, dass dieser Anspruch über den grundlegenden Anspruch nach § 21 Abs. 1 Satz 1 KiTaG hinausgeht und es zu einer sachlich entgegen der Auffassung der Kläger unter keinem Gesichtspunkt gerechtfertigten und deshalb gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Besserstellung der sogenannten "Kann-Kinder" kommt, die dann einträte, wenn deren Eltern bereits für das Kindergartenjahr 2006/2007, also für ein Kindergartenjahr, in dem es noch keinen Anspruch auf unentgeltlichen Besuch des letzten Kindergartenjahrs gegeben hat, eine Erstattung erhielten.

9

Die Kläger, die die streitgegenständlichen Elternbeiträge geleistet haben und deshalb hinsichtlich des auf deren Rückzahlung gerichteten Erstattungsbegehrens auch klagebefugt sind, haben daher keinen Anspruch auf Erstattung der von ihnen im Kindergartenjahr 2006/2007 geleisteten Elternbeiträge.

10

Die Berufung kann auch nicht wegen besonderer rechtlicher oder tatsächlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zugelassen werden. Denn die hier entscheidungserheblichen Rechts- und Tatsachenfragen lassen sich nach den vorstehenden Ausführungen ohne Weiteres bereits im Zulassungsverfahren aufgrund des Wortlauts der maßgeblichen Vorschriften beantworten, ohne dass es hierfür der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.

11

Aus diesem Grunde kommt auch eine Zulassung der Berufung wegen der von den Klägern im Hinblick auf die nach dem oben Gesagten ohne weiteres zu verneinende Frage, ob "der § 21 Abs. 3 S.1 i. V. mit § 21 Abs. 1 S. 1 KiTaG den Kindern und Eltern von Kann-Kindern des Jahres 2007/2008 einen rückwärtigen Erstattungsanspruch hinsichtlich der im letzten Kindergartenjahr gezahlten Elternbeiträge" gibt, geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) nicht in Betracht.

12

Schließlich ist auch ein Verfahrensfehler des Verwaltungsgerichts, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO), nicht gegeben. Denn die von den Klägern gerügte mangelnde Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage der Finanzhilfe für die Kommunen ist nach dem oben Gesagten nicht entscheidungserheblich.