Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 04.04.2017, Az.: 4 A 12981/14
Baugenehmigung; Dorfgebiet; Gemengelage; Geruchsbelästigung; GIRL; immissionsschutzrechtliche Genehmigung; Innenbereichssatzung; Irrelevanzwert; Jahresgeruchsstundenhäufigkeit; Legalisierungswirkung; Nachbarklage; Schweinemaststall; Tierbestandszahlen; Verbesserung der Immissionssituation; Verbesserungsgenehmigung; Wohngebiet
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 04.04.2017
- Aktenzeichen
- 4 A 12981/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53919
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 34 Abs 4 BauGB
- § 5 Abs 1 Nr 1 BImSchG
- § 6 Abs 1 Nr 1 BImSchG
- § 6 Abs 3 BImSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Begegnet die zweifelsfreie Einstufung des Gebietes, in dem das Grundstück des klagenden Nachbarn liegt, als Wohn- oder als Dorfgebiet Schwierigkeiten, kann dem durch die Bildung eines Mittelwertes, der die örtlichen Gegebenheiten berücksichtigt, Rechnung getragen werden.
2. Im Einzelfall kann im Sinne der GIRL eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von max. 17,5% als angemessen angesehen werden, wenn sich ein Grundstück in einer Gemengelage zwischen Wohngebiet und Dorfgebiet am Rand zum intensiv landwirtschaftlich genutzten Außenbereich befindet.
3. Bei der Ermittlung der Vorbelastung ist im Regelfall von den genehmigten (und nicht nur von den tatsächlichen) Tierbestandszahlen auszugehen, sofern nicht besondere Umstände gegen die Fortdauer der Legalisierungswirkung der erteilten Baugenehmigungen sprechen (Verweis auf Nds. OVG, Beschl. v. 03.01.2011 - 1 ME 209/10 -, juris).
4. Die Verringerung der Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von derzeit bis zu 19,8% um 0,3% auf bis zu 19,5% stellt eine lediglich marginale Verbesserung der Geruchsimmissionen dar, die nicht die Voraussetzungen einer Verbesserungsgenehmigung nach § 6 Abs. 3 BImSchG erfüllt.
Tenor:
Die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 27.05.2013 in der Fassung der Nachtragsgenehmigung vom 25.06.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 14.10.214 werden aufgehoben.
Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.
Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand:
Der Kläger wendet sich gegen die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung zur Erweiterung und Änderung einer Schweinemastanlage mit insgesamt 2.750 Mastplätzen.
Der Beigeladene ist Landwirt und Eigentümer des Grundstücks E. in A-Stadt-F. (Flurstück G., Flur H. der Gemarkung F. mit einer Fläche von insgesamt 59.355 qm). Neben der Hofstelle E. hat der Beigeladene eine weitere gepachtete Hofstelle in I. mit 230 Mastschweinen. Das Vorhabengrundstück des Beigeladenen liegt im Außenbereich; der Flächennutzungsplan enthält die Darstellung Flächen für Landwirtschaft. Nordwestlich der Hofstelle entlang der J. liegt das Gewerbegebiet F. -West/K.. Nordöstlich des Grundstücks des Beigeladenen befindet sich die Hofstelle L. mit Rinderhaltung, nordwestlich die Hofstelle M. mit Rinder- und Hennenhaltung, südlich die Hofstelle N. mit Mastschweinen und weiter südlich (ca. 525 m vom Hof des Beigeladenen entfernt) die Betriebsstätte O., auf der ebenfalls Mastschweine gehalten worden sind.
Südöstlich des Vorhabengrundstücks findet sich entlang der P. Wohnbebauung. Der Flächennutzungsplan enthält für dieses Gebiet die Darstellung „gemischte Baufläche“. Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks A-Straße in A-Stadt, das er zum Wohnen und für seine Steuerberaterkanzlei nutzt. Das Gebäude gehört zu einer ehemaligen Hofstelle eines etwa bis Anfang der 60er Jahre im geringen Umfang landwirtschaftlich genutzten Betriebs. Das Grundstück des Klägers wie auch die südlich der in Ost-West-Richtung verlaufenden P. befindliche Wohnbebauung und die Bebauung der davon in südlicher Richtung abknickenden Q. liegen im Geltungsbereich der Innenbereichssatzung I der Gemeinde A-Stadt aus dem Jahr 2000.
Unter dem 13.03.2012 stellte der Beigeladene einen Antrag auf Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für die Erweiterung seines vorhandenen Schweinemastbetriebs von 1.180 Mastschweinen mit insgesamt fünf Betriebseinheiten um 1.570 Mastschweine auf insgesamt 2.750 Mastschweine einschließlich des Neubaus eines Schweinestalls und weiterer baulicher Anlagen. Im Genehmigungsverfahren legte er das Gutachten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vom 26.04.2012 zu den Geruchseinträgen unter Berücksichtigung der durch die Nachbarbetriebe verursachten Vorbelastungen vor. Das Gutachten berücksichtigte als Vorbelastung die Hofstelle des Beigeladenen mit 1.230 Mastschweinen, die Hofstelle N. mit 1.000 Mastscheinen, die Betriebsstätte O. mit 480 Mastschweinen und den Betrieb L. mit 260 Rindern. Auf dieser Grundlage ermittelte der Gutachter auf dem Grundstück des Klägers eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von max. 19,6% im Ist-Zustand und von max. 18,8% im Plan-Zustand mit 2.750 Mastschweinen auf dem Hof des Beigeladenen.
Mit Schreiben vom 13.07.2012 erhob unter anderem der Kläger Einwendungen gegen das Vorhaben, die im Erörterungstermin nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz am 14.11.2012 thematisiert wurden.
Mit Bescheid vom 27.05.2013 erteilte der Beklagte dem Beigeladenen die immissionsschutzrechtliche Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zum Halten von Mastschweinen folgenden Inhalts: Errichtung Mastschweinestall für 1.570 Tiere (BE 5a), Anschluss Abluftreinigungsanlage (BE 11) an BE 5a und vorhandenen Mastschweinestall für 480 Tiere (BE 5), Einstellung Tierhaltung in BE 2 mit 50 Mastschweineplätzen, Errichtung Güllebehälter mit dichter Folienabdeckung sowie Reinigungs- und Desinfektionsplatz (BE 7), Errichtung Kadaverbehälter (BE 8), Errichtung 5 Futtermittelsilos (BE 9 und BE 10), Einbau Regenwassersickermulde (BE 12), Betrieb der Gesamtanlage mit 2.750 Mastschweinen. Unter dem 25.06.2013 änderte die Beklagte den Genehmigungsbescheid hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 6 ab, da die vom Beigeladenen verwendete Abluftreinigungsanlage der Firma R. keinen jährlichen Austausch des Filtermaterials, sondern lediglich die regelmäßige Reinigung der ersten beiden Filterstufen erfordert.
Mit seinem Widerspruch vom 25.06.2013 gegen die Genehmigung vom 27.05.2013 machte der Kläger unter anderem geltend, dass die Geruchsbelastung nicht zutreffend ermittelt sei, weil die von der im Gewerbegebiet befindlichen Lackiererei S. und von der Hofstelle M. resultierenden Gerüche nicht in die Vorbelastung eingestellt worden seien. Zudem habe die Beklagte auch den Gebietscharakter der Wohnbebauung an der P. verkannt, der keinem Dorfgebiet entspreche, sondern einem allgemeinen oder sogar einem reinen Wohngebiet. Schließlich könne sich der Beigeladene nicht auf eine Privilegierung des Vorhabens nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB berufen, weil er zu 90% auf gepachteten Flächen wirtschafte und überdies zweifelhaft sei, ob er Tierhaltung auf überwiegend eigener Futtergrundlage betreibe. Der Beigeladene ergreife auch keine über den Stand der Technik hinausgehenden Maßnahmen. Die Zertifizierung nach dem Cloppenburger Leitfaden sei bereits nicht ausreichend. Zudem müssten nicht nur der Erweiterungsbau, sondern auch bestandskräftig genehmigte Stallgebäude mit einem Biofilter ausgestattet werden. Schließlich fehle es an der Anordnung einer Abluftreinigung für die Altanlagen 1, 3 und 4.
Unter dem 27.05.2014 ergänzte der Gutachter der Landwirtschaftskammer sein Gutachten vom 26.04.2012 (in der Fassung des Nachtragsgutachtens vom 18.12.2012) um weitere Berechnungen, in denen er nunmehr im IST-Zustand den Betrieb des Beigeladenen mit 1.230 Mastschweinen, den Betrieb N. mit 1.200 Mastschweinen, den Betrieb der Hofstelle L. mit 288 Rindern und den Betrieb M. mit 28 Rindern und 30 Hennen als Vorbelastung berücksichtigte. Auf dieser Basis ermittelte er für das Grundstück des Klägers im Ist-Zustand eine Gesamtbelastung von 19,8% Jahresgeruchsstunden (Alleinbelastung durch den Beigeladenen von max. 4,6%) und im Plan-Zustand von 19,5% Jahresgeruchsstunden (Alleinbelastung durch den Beigeladenen von max. 4,1%).
Mit Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit der Begründung zurück, dass das aktualisierte Gutachten vom 27.05.2014 die Vorbelastungen in ausreichender Weise berücksichtige und zu dem Ergebnis komme, dass sich durch die baulichen Veränderungen geringfügig verbesserte Werte ergäben.
Am 12.11.2014 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft. Er ist der Auffassung, dass der Beigeladene nicht seine Betreiberpflichten in Hinblick auf die von der Anlage hervorgerufene Geruchsbelastung erfülle. An seinem Wohngrundstück werde nach der Immissionsprognose vom 27.05.2014 mit 19,5 % Geruchsstundenhäufigkeit die Zumutbarkeitsgrenze für Wohngebiete in Randlage zum Außenbereich von 15% Geruchsstundenhäufigkeit überschritten. Der Gebietscharakter beurteile sich nach dem Zusammenhang mit der Wohnbebauung Q., die J. habe eine trennende Wirkung. Ein Dorfgebiet könne nicht angenommen werden, weil es keine aktive Wirtschaftsstelle eines landwirtschaftlichen Betriebes gebe. Tierhaltende Betriebe im Außenbereich führten nicht dazu, dass ein benachbartes Wohngebiet im Innenbereich zu einem Dorfgebiet umgewidmet werde. Außerdem lägen - mangels eigener Futtergrundlage - keine landwirtschaftlichen Gerüche, sondern Gerüche einer im Außenbereich gelegenen gewerblichen Tierhaltungsanlage vor. Zudem sei die Vorbelastung mit zu geringen Tierplatzzahlen berücksichtigt worden, so dass die Geruchsgesamtbelastung noch höher einzuschätzen sei. Der Betrieb L. habe die Ausführung der Baumaßnahme abgeschlossen, auch wenn er - aus wirtschaftlichen Gründen - tatsächlich noch nicht so viele Tiere halte wie ihm genehmigt worden seien. Für den Betrieb M. seien nicht nur 15 Rinder, sondern die tatsächlich gemeldeten Tierzahlen zu berücksichtigen. Auch der Betrieb O. sei als Vorbelastung zu erfassen, da nur eine Nutzungsunterbrechung vorliege. Insofern sei dieser Betrieb mit 480 Tieren zugrunde zu legen. Die Überschreitung der Zumutbarkeitsgrenze sei nicht nach § 6 Abs. 3 BImSchG zulässig, da es zu keiner deutlichen Verbesserung der Jahresgeruchsstundenhäufigkeit komme. Zudem sei der Einbau einer Abluftanlage bereits im Rahmen einer Änderungsgenehmigung nach § 16 BImSchG erforderlich. Schließlich fehle es an einem Immissionsmanagementplan.
Im Klageverfahren stellte die Beklagte - nach Durchsicht der Genehmigungsakten der Gemeinde A-Stadt für die Nachbarbetriebe M., L. und O. - fest, dass die vom Gutachter der Landwirtschaftskammer zugrunde gelegten Tierbestandszahlen nicht vollumfänglich die genehmigten Tierbestände umfassten. Nach ihrer Auffassung könnten auf der Hofstelle M. 69 Kühe und 22 Jungrinder gehalten und auf der Hofstelle L. die derzeit gemeldeten 433 Tieren (Kälber, Milchkühe und Rinder) berücksichtigt werden. Im Betrieb O. seien jedenfalls seit 2010 keine Schweine mehr gemeldet, wobei sich nach Rücksprache mit dem Betriebsinhaber erst in den nächsten Jahren kläre, ob der Betrieb durch den Sohn weitergeführt werden solle. Zu einer Neuberechnung der Geruchsstunden war der Gutachter der Landwirtschaftskammer vor dem Verhandlungstermin nicht mehr in der Lage.
Der Kläger beantragt,
die immissionsschutzrechtliche Genehmigung des Beklagten vom 27.05.2013 in der Fassung der Änderungsgenehmigung vom 25.06.2013 und den Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, dass bei der Charakterisierung des Gebietes, in dem sich das Grundstück des Klägers befinde, die ehemalige Hofstelle T. und die aktive Hofstelle N. zu berücksichtigen seien und insofern ein Dorfgebiet anzunehmen sei. Auch wenn sich die Geruchsstunden durch die gestiegenen Tierbestandszahlen möglicherweise marginal erhöhten, seien die Immissionswerte für ein Grundstück im Dorfgebiet am Rande zum Außenbereich nicht überschritten.
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, für den Fall, dass das Gericht der Klage stattgeben will, die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage, dass die Gesamtbelastung auch unter Einbeziehung des Betriebes O., höherer Tierzahlen im Betrieb M. und höherer Tierzahlen im Betrieb L. unter 20% liegt.
Er weist darauf hin, dass die von seinem Betrieb verursachte Geruchsstundenhäufigkeit beim Kläger bei 4% und damit weit unter der Zumutbarkeitsgrenze von 20% für Dorfgebiete liege. Die Zumutbarkeitsgrenze von 20% werde auch unter Berücksichtigung höherer Tierbestandszahlen für die Betriebe L. und M. nicht überschritten; der Betrieb O. sei bereits lange aufgegeben und führe - angesichts der in derselben Windrichtung liegenden Hofstelle N. mit 1.200 Mastschweinen - zu keinen erhöhten Geruchsstunden. Aus technischen Gründen sei es ihm nicht möglich, die alten Stallanlagen 1, 3 und 4 an eine Abgasreinigung anzuschließen und so zu einer deutlicheren Reduzierung der Geruchsstunden seines Betriebes beizutragen. Im Übrigen könne er sich auch auf eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB berufen, da seine Hofstelle seit mehreren Generationen betrieben werde und er inzwischen 257 ha landwirtschaftliche Nutzfläche bewirtschafte.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme der Örtlichkeit. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen; ihr Inhalt war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg. Die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 27.05.2013 in der Fassung der Nachtragsgenehmigung vom 25.06.2013 und der Widerspruchsbescheid vom 14.10.2014 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die erfolgreiche Anfechtung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung durch einen Nachbarn setzt voraus, dass der Nachbar durch die Genehmigung in seinen Rechten verletzt wird. Damit kann er nicht jede Rechtswidrigkeit mit Erfolg rügen, sondern nur Verstöße gegen nachbarschützende Vorschriften und dies auch nur insoweit, als eigene Rechtspositionen berührt werden.
Hiervon ausgehend ist eine Verletzung von Nachbarrechten des Klägers durch die dem Beigeladenen erteilte immissionsschutzrechtliche Genehmigung festzustellen, da von der genehmigten Anlage des Beigeladenen unzumutbare Geruchsbelästigungen ausgehen, die dem Kläger gegenüber rücksichtslos sind. Das Vorhaben des Beigeladenen ist weder nach § 6 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG (I.) noch nach § 6 Abs. 3 BImSchG (II.) genehmigungsfähig.
I. Das hier streitige Erweiterungsvorhaben des Beigeladenen führt infolge der erstmaligen Überschreitung der maßgeblichen Anlagengröße mit insgesamt 2.750 Mastschweinen zur immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsbedürftigkeit der gesamten Anlage (§§ 4, 19 BImSchG, § 1 Abs. 5 4. BImSchG i.V.m. Ziffer 7.17.1 des Anhangs 1).
Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG ist die Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und aus einer auf Grund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt sind und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften nicht entgegenstehen. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen so zu errichten, dass schädliche Umwelteinwirkungen und erhebliche Nachteile und Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft vermieden werden. Die Abwehr- und Schutzpflicht des § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG, die im Genehmigungsverfahren nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG zu beachten ist, besteht auch im Interesse des betroffenen Nachbarn und entfaltet insoweit drittschützende Wirkung.
Nach den Feststellungen im Gutachten vom 27.05.2014 ist auf dem Grundstück des Klägers im Ist-Zustand eine Gesamtbelastung von 19,8% Jahresgeruchsstunden und im Plan-Zustand von 19,5% Jahresgeruchsstunden auszugehen. Diese Werte überschreiten die dem Kläger zumutbaren Geruchsimmissionen deutlich (1.), ohne dass es darauf ankommt, ob diese Werte aufgrund der bislang nicht berücksichtigten höheren Tierbestandszahlen auf den Hofstellen M., L. und O. nicht noch höher sind (2.).
1. Für die Beurteilung der Erheblichkeit von Geruchsbelästigungen im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG kann nach ständiger Rechtsprechung die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) als Orientierungshilfe herangezogen werden. Zur Anwendbarkeit dieser Richtlinie hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 08.11.2012 (1 ME 128/12) Folgendes ausgeführt:
„Das Verwaltungsgericht hat auf Seite 8 des Beschlussabdrucks zutreffend dargelegt, die TA Luft stelle insoweit kein zureichendes Regelwerk für die Beurteilung zur Verfügung, weil sich diese auf Vorsorge -, das sind nicht die Gesichtspunkte beschränke, welche im Nachbarstreit allein ausschlaggebend sind. Auch die VDI-Richtlinie 3471 ist im Nahbereich, um den es sich hier handelt, nicht anzuwenden. Dementsprechend hat eine Sonderbeurteilung stattzufinden, bei der die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL), eingeführt durch gemeinsamen Runderlass vom 23.7.2009 (Nds.MinBl. 2009, 794) in vorzüglicher Weise heranzuziehen ist. Diese stellt nach verbreiteter Auffassung, welcher auch dieser Senat folgt, zwar keine Rechtsquelle dar und auch kein rechtlich verbindliches Regelwerk. Sie ist jedoch als antizipiertes generelles Sachverständigengutachten anzusehen, welches auf den Erkenntnissen und den Erfahrungen von Sachverständigen beruht und allgemeine Erfahrungssätze auflistet, die in vielfältigen Verfahren erprobt, zur Diskussion gestellt und ergänzt worden sind. Die in ihr niedergelegten Erkenntnisse beruhen auf fachwissenschaftlichen Gutachten und Untersuchungen; sie geben dem Prüfer ein Instrumentarium an die Hand, alle zur Beurteilung schädlicher Einwirkungen maßgeblichen Umstände wie Oberflächengestaltung, Hedonik, Vorbelastungen rechtlicher und tatsächlicher Art sowie Intensität der Geruchseinwirkungen zu beurteilen (vgl. zum Vorstehenden: OVG Münster, Urt. v. 20.9.2007 - 7 A 1434/06 -, BauR 2008, 71 = RdL 2008, 63 = BRS 71 Nr. 58, Juris-Rdnrn. 57 f.; Urt. v. 25.3.2009 - 7 D 129/07.NE -, RdL 2009, 174 = BRS 74 Nr. 22, Juris-Rdnr. 115; Nds.OVG, Urt. v. 22.6.2010 - 12 LB 213/07 -, RdL 2010, 347 = BRS 76 Nr. 161, Juris-Rdnr. 47 ff.; Beschl. v. 26.6.2007 - 12 LA 14/07 -, RdL 2007, 240, Juris-Rdnrn. 6 und 7).“
Der Grad des Schutzes ist davon abhängig, in welcher Umgebung sich die betroffenen Grundstücke befinden und wie diese planungsrechtlich geprägt sind. In diesem Zusammenhang legt die GIRL zum Zweck der gleichmäßigen Verwaltungspraxis Immissionsrichtwerte für verschiedene Bereiche fest, anhand derer bestimmt werden kann, ob die Geruchsimmissionen unterhalb der Gesundheitsbeeinträchtigung zumutbar sind oder nicht. In Anlehnung an die in der Baunutzungsverordnung definierten Baugebietstypen wurden Immissionsrichtwerte definiert, unterhalb derer Geruchsimmissionen für den Nachbarn grundsätzlich hinnehmbar sind. Gemäß der Tabelle 1 unter Nr. 3.1 sieht die GIRL im Regelfall für Wohn- bzw. Mischgebiete einen Immissionswert von 0,10 (10% Jahresgeruchsstunden) und für Dorfgebiete einen Immissionswert von 0,15 (15% Jahresgeruchsstunden) vor. Abweichend davon ist die Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung trotz Überschreitung der Immissionswerte gemäß Nr. 3.3 zulässig, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner Beurteilungsfläche, auf der sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, den Wert 0,02 (2%) überschreitet. Schließlich ist zu prüfen, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Einzelfallprüfung nach Nummer 5 bestehen.
Gemessen daran stellt sich das geplante Erweiterungsvorhaben des Beigeladenen als unzulässig dar.
Maßgeblich für diese Einschätzung ist die Auffassung der Kammer, dass dem Kläger nach den Feststellungen im Ortstermin jedenfalls keine höhere Jahresgeruchsstundenhäufigkeit als 17,5% zuzumuten ist. Die zweifelsfreie Einstufung des Gebietes, in dem das Grundstück des Klägers liegt, als Wohn- oder als Dorfgebiet begegnet Schwierigkeiten, denen durch die Bildung eines Mittelwertes Rechnung getragen werden muss. Diesen Mittelwert, der angesichts der örtlichen Gegebenheiten in diesem Fall nicht über 17,5 % liegen darf, hält das Vorhaben des Beigeladenen nicht ein.
Das Gericht teilt zunächst nicht die Einschätzung des Klägers, dass er allein aufgrund der Einbeziehung seines Grundstücks in die Innenbereichssatzung I der Gemeinde A-Stadt die Einhaltung der Werte für ein Wohngebiet in Anspruch nehmen kann. Zwar umfasst das Gebiet der Innenbereichssatzung, welche die westlich der J. liegenden gewerblich und landwirtschaftlich genutzten Grundstücke und die südlich der Bebauung der P. liegenden Grundstücke mit Pferdehaltung nicht einschließt, im Wesentlichen Wohnbebauung und im geringen Umfang auch gewerbliche Nutzung (Steuerberaterbüro des Klägers und Lagerraum an der U.). Allerdings lässt sich der von der Beklagten vorgelegten zeichnerischen Darstellung der Innenbereichssatzung - für die es keine Begründung gibt - nicht entnehmen, um welche Art der Innenbereichssatzung im Sinne von § 34 Abs. 4 BauGB es sich handelt. Da für eine Klarstellungssatzung im Sinne von § 34 Abs. 4 Nr. 1 BauGB - anders als für die Entwicklungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 2 BauGB und die Ergänzungssatzung nach § 34 Abs. 4 Nr. 3 BauGB - weder eine Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung noch eine Abwägung der berührten Belange erforderlich ist (BVerwG, Urt. v. 22.09.2010 - 4 CN 2/10 -, juris), spricht das Fehlen einer die erforderliche Abwägung darstellenden Begründung für die Annahme, dass es sich um eine Klarstellungssatzung gemäß § 34 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 BauGB handelt. Eine solche Klarstellungssatzung hat lediglich deklaratorische Wirkung (BVerwG, Urt. v. 22.09.2010 - 4 CN 2/10 -, juris), d.h. die Nichteinbeziehung von Grundstücken in den Innenbereich, die objektiv zum Innenbereich gehören, hat keine Auswirkungen auf die Beurteilung des Gebietscharakters (VG Oldenburg, Urt. v. 04.07.2007 - 4 A 2408/05). Insofern sieht sich das Gericht durch die Innenbereichssatzung nicht daran gehindert, auch die außerhalb ihres Geltungsbereichs liegenden Grundstücke entsprechend den örtlichen Verhältnissen bei der Ermittlung des Gebietscharakters zu berücksichtigen.
Betrachtet man die Bebauung südlich der P. - entsprechend der Festlegung in der Innenbereichssatzung - nur im Zusammenhang mit der östlich entlang der Q. liegenden Wohnbebauung, spricht einiges für die Annahme eines allgemeinen Wohngebietes. In diesem Bereich der südlichen P. ist Wohnnutzung sowie vereinzelte gewerbliche Nutzung (Steuerberaterbüro auf den Grundstück des Klägers und eine Lagerhalle auf dem Grundstück U.) vorhanden. Berücksichtigt man demgegenüber auch die (außerhalb des Geltungsbereichs der Innenbereichssatzung) südlich unmittelbar an das Grundstück V. angrenzende Pferdehaltung, ist festzustellen, dass eine derartige Pferdehaltung von ihrem mutmaßlichen Umfang (6-8 Pferde) im Wohngebiet problematisch erscheint und damit gegen eine Einstufung als Wohngebiet spricht. Darüber hinaus weist das unmittelbar östlich der J. gelegene Grundstück des Klägers noch eine relative Nähe zur westlich der J. gelegenen Bebauung der ehemals landwirtschaftlich und nunmehr gewerblich genutzten Hofstelle T. auf, ohne dass der J. eine eindeutig trennende Wirkung zukommt. Ähnlich ist der Eindruck hinsichtlich des westlich der J. gelegenen Schweinemastbetriebes N., der zwar etwas weiter von der Straße zurückgesetzt liegt, aber trotzdem noch eine (mit-)prägende dörfliche Wirkung auch auf das in Randlage der P. liegende Grundstück des Klägers hat und ganz maßgeblich zu den bestehenden landwirtschaftlichen Geruchsimmissionen auf diesem Grundstück beiträgt.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, dass bei städtebaulichen Konflikten in sogenannten Gemengelagen, also mit aufeinanderprallenden, unterschiedlichen Nutzungen, im Rahmen (und zur Umsetzung) des Rücksichtnahmegebots auch bei Geruchsimmissionen eine Art Mittelwert zu bilden ist. Dieser Mittelwert ist der Sache nach nicht das arithmetische Mittel zweier Richtwerte, sondern eine Art „Zwischenwert“ für die Bestimmung der Zumutbarkeit. Bei der Bestimmung der Zumutbarkeit im Sinne eines solchen Mittelwertes sind zudem die Ortsüblichkeit und die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigten, zu denen auch die Priorität der entgegenstehenden Nutzungen gehört (vgl. zum Vorstehenden nur BVerwG, Beschl. v. 21.12.2010 - 7 B 4/10 -, m.w.N., juris).
In Anbetracht der vorgenannten Grundsätze darf aufgrund der Gemengelage zwischen Dorfgebiet und Wohngebiet und unter Berücksichtigung der Lage des klägerischen Grundstücks am Rand zum Außenbereich eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von maximal 17,5% nicht überschritten werden.
Dabei berücksichtigt die Kammer auf der einen Seite, dass einer eindeutigen Zuordnung als Dorfgebiet der Umstand entgegensteht, dass in den Bebauungszusammenhang allenfalls eine aktive landwirtschaftliche Hofstelle, nämlich der Betrieb N. westlich des Grundstücks des Klägers fällt, und die östlich des Grundstücks des Klägers entlang der P. vorhandene Bebauung demgegenüber überwiegend aus Wohnbebauung besteht. Auf der anderen Seite spricht gegen die eindeutige Zuordnung des Grundstücks des Klägers zum Wohngebiet die Tatsache, dass der westliche Teil der P. (noch) von dem westlich der J. liegenden Hof N. mitgeprägt wird und sich - aufgrund der Pferdehaltung südlich des Grundstücks V. - kein homogenes Bild eines allgemeinen Wohngebietes bietet. Zwar handelt es sich bei der vorhandenen Wohnnutzung einerseits und der landwirtschaftlicher Nutzung andererseits um keine unverträglichen Nutzungsarten, da beide Nutzungen in einem Dorfgebiet zulässig sind. Dennoch erscheint es sachgerecht, angesichts dieser Gemengelage mit nur einer einzigen landwirtschaftlich aktiven Hofstelle am Rande des Bebauungszusammenhangs nicht pauschal die Grenzwerte für ein Dorfgebiet zugrunde zu legen, sondern einen Mittelwert zu bilden, der zudem der speziellen Randlage des Grundstücks des Klägers im Sinne der Auslegungshinweise zu Nummer 3.1 GIRL Rechnung trägt. Als angemessen erachtet die Kammer eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von maximal 17,5%, die sich auf der Grundlage des arithmetischen Mittels zwischen den Immissionswerten für ein Wohngebiet und ein Dorfgebiet (12,5%) mit einem Zuschlag von 5% für die Lage des Grundstücks am Rand zum (intensiv landwirtschaftlich genutzten) Außenbereich errechnet.
Soweit der Beklagte und der Beigeladene demgegenüber eine Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 20% für das Grundstück des Klägers als zulässig erachten, folgt die Kammer dem nicht.
Dass eine schematische Zuordnung des klägerischen Grundstücks zu einem Dorfgebiet am Rande zum Außenbereich in diesem Einzelfall ausscheidet, ergibt sich bereits aus den obigen Ausführungen. Eine weitere Erhöhung der dem Kläger zumutbaren Geruchsstunden ist aber auch nicht im Sinne einer Einzelfallbetrachtung nach Nummer 5 der GIRL vorzunehmen. Nach dieser Vorschrift ist unter Berücksichtigung der bisherigen Prägung eines Gebietes durch bereits vorhandene Geruchsbelastungen (Ortsüblichkeit) insbesondere der Charakter der Umgebung, aber auch das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu beachten. Das gegenseitige Gebot der Rücksichtnahme kann unter anderem dazu führen, dass die oder der Belästigte in höherem Maß Geruchseinwirkungen hinnehmen muss. Ein solcher besonders gelagerter Ausnahmefall ist zum Beispiel dann gegeben, wenn nur Landwirte untereinander betroffen sind oder der Schutzanspruch eines Nachbarn einzuschränken ist, weil er als einziger aus der „Schicksalsgemeinschaft“ der Tierhalter ausgeschert ist und die durch landwirtschaftliche Tierhaltung geprägte Situation nachwirkt (vgl. nur Nds. OVG, Urt. v. 25.07.2002 - 1 LB 980/01 -, NVwZ-RR 2003, 24). Ein solcher Fall ist vorliegend deshalb nicht gegeben, weil der Kläger weder selbst Landwirt ist, noch als Einziger in der Umgebung aus der Gemeinschaft der Tierhalter ausgeschert wäre. Zwar ist nach Angaben des Klägers auf seinem Grundstück bis Anfang der 60er Jahre im geringen Umfang noch Landwirtschaft betrieben worden. Allerdings ist diese landwirtschaftliche Nutzung - wie auch auf den Grundstücken U. und W. - bereits vor langer Zeit aufgegeben und ganz überwiegend einer Wohnnutzung (sowie vereinzelt auch gewerblicher Nutzung) zugeführt worden. Insofern rechtfertigt die Lage des Grundstücks des Klägers am Rande zum Außenbereich mit intensiver landwirtschaftlicher Nutzung zwar die Addition eines Zuschlags von 5% auf den Wert von 12,5%, der ihm aufgrund der bestehenden Gemengelage zuzumuten ist. Gründe dafür, dass der Wert weiter erhöht werden müsste, sind demgegenüber nicht ersichtlich.
2. Die dem Kläger grundsätzlich zumutbare Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 17,5% wird nach dem Gutachten vom 27.05.2014 sowohl im Ist-Zustand als auch im Plan-Zustand mit 19,8% bzw. 19,5% deutlich überschritten (a.), ohne dass die allein vom Betrieb des Beigeladenen herrührenden Geruchsimmissionen im Sinne von Nr. 3.3 der GIRL irrelevant wären (b.).
a. Zwar ist - auch aus Sicht der Kammer - höchst problematisch, dass der Gutachter in seinem Gutachten vom 27.05.2014 nicht sämtliche zu berücksichtigenden Tierbestände der Nachbarbetriebe einbezogen hat. Grundsätzlich gilt, dass im Rahmen der Ermittlung der Gesamtbelastung die tatsächlich vorhandene Vorbelastung möglichst vollständig und realitätsnah unter Einbeziehung aller Geruchsquellen zu erfassen ist, die in dem Umfeld der zur Genehmigung gestellten Anlage geruchsrelevant sind (Nds. OVG, Beschl. v. 18.07.2012 - 12 LA 114/11-, juris). Insofern bedarf es einer „auf der sicheren Seite“ liegenden Prognose, bei der aus der Vorbelastung und der Zusatzbelastung im Wege einer Ausbreitungsrechnung die Gesamtbelastung ermittelt wird (OVG NRW, Beschl. v. 03.02.2011 - 8 B 1797/10 -, juris).
Fehlerhaft ist das Gutachten aller Voraussicht nach zum einen in Hinblick auf die fehlende Erfassung der Hofstelle O.. Diese liegt innerhalb des nach Nummer 4.4.2 der GIRL maßgeblichen kleinsten Radius von 600 Metern um den Emissionsschwerpunkt. Dass auf dieser Hofstelle wohl mindestens seit dem Jahr 2010 keine Mastschweinehaltung mehr betrieben wird, dürfte bislang nicht zum Erlöschen der bereits ausgenutzten Baugenehmigung geführt haben. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 03.01.2011 - 1 ME 209 -, juris) ist davon auszugehen, dass die Legalisierungswirkung einer ausgenutzten Baugenehmigung grundsätzlich länger als sechs Jahre nach Unterbrechung der genehmigten Nutzung andauert, sofern das Verhalten des Genehmigungsinhabers, die Besonderheiten oder das äußere Erscheinungsbild des Gebäudes nicht so deutlich gegen die Fortdauer einer Legalisierungswirkung sprächen, dass ein kürzerer Zeitraum anzunehmen wäre. Gemessen daran spricht Überwiegendes für eine bloße Nutzungsunterbrechung, da der Schweinestall weiterhin existiert und die Entscheidung über die endgültige Aufgabe des (weiterhin betriebsbereiten) Hofes bzw. die Übernahme des Hofes durch den Sohn erst in einigen Jahren fallen soll. Insofern wäre die im Gutachten vom 27.05.2014 nicht erfasste Hofstelle O. - trotz der Nutzungsunterbrechung - weiter mit einem Tierbestand von 400 Mastschweinen (laut vorgelegter Betriebsbeschreibung aus dem Jahr 1989) zu berücksichtigen.
Zu niedrig erfasst das Gutachten darüber hinaus auch die Tierbestandszahlen auf den Hofstellen M. und L.. Der Inhaber der Hofstelle M. verfügt über eine Baugenehmigung aus dem Jahr 2006, der zufolge er 32 Jungrinder, 58 Kälber, 60 Kühe und 40 Hennen halten darf. Selbst wenn man mit dem Vorbringen der Beklagten davon ausgehen würde, dass veterinärrechtlich nur 69 Kühe, 22 Jungrinder und 40 Hennen gehalten werden dürften, wäre jedenfalls - im Vergleich zum Gutachten vom 27.05.2014 - ein Plus von 41 Kühen, 22 Jungrindern und 10 Legehennen mehr zu berücksichtigten. Auf die Hofstelle L. sind lediglich 288 Kühe als Vorbelastung im Gutachten erfasst worden, obwohl die Baugenehmigung aus dem Jahr 2010 von 335 Tieren im Sommer und 480 Tieren im Winter ausgeht und tatsächlich 433 Tiere, also ein Plus von 45 Kühen gemeldet ist.
Trotz aller Unwägbarkeiten, wie sich die gestiegenen Tierbestandszahlen konkret auf die zu erwartende Gesamtbelastung an Jahresgeruchsstunden auf dem Grundstück des Klägers auswirken, ist die Einholung eines aktualisierten Ergänzungsgutachtens der Landwirtschaftskammer aus Sicht der Kammer entbehrlich, da die zulässigen Immissionswerte von bis zu 17,5% bereits bei Berücksichtigung der niedrigeren Tierzahlen mit Werten von bis zu 19,5% eindeutig überschritten werden.
Insofern bleibt auch der Hilfsbeweisantrag des Beigeladenen, der eine Überschreitung des Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von 20% bestreitet, ohne Erfolg, da es bei einem anzuwendenden Grenzwert von max. 17,5% auf diese Frage nicht mehr ankommt.
b. Auch unter Anwendung des sogenannten Irrelevanzkriteriums nach Nummer 3.3. der GIRL ist die genehmigte Erweiterung des Schweinemastbetriebes des Beigeladenen nicht zulässig. Gemäß Nummer 3.3. der GIRL soll die Genehmigung für eine Anlage auch bei Überschreitung der Immissionswerte der GIRL nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage in ihrer Gesamtheit zu erwartende Immissionsbeitrag auf keiner maßgeblichen Beurteilungsfläche den Wert 0,02 bzw. 2% Geruchsstundenhäufigkeit überschreitet. Die Belastung allein durch den Betrieb des Beigeladenen liegt ausweislich der Berechnungen des Gutachters vom 27.05.2014 im Ist-Zustand bei bis zu 4,6 % und im Plan-Zustand bei bis zu 4,1%. Der nach Nummer 3.3 zulässige Wert von 0,02 wird damit ganz wesentlich, nämlich um mehr als das Doppelte überschritten, ohne dass es darauf ankommt, ob sich dieser Wert bei einer Berücksichtigung noch höherer Vorbelastungen durch die Nachbarbetriebe möglicherweise geringfügig vermindert.
II. Das Vorhaben des Beigeladenen erfüllt schließlich auch nicht die Voraussetzungen einer Verbesserungsgenehmigung nach § 6 Abs. 3 BImSchG. Nach dieser Vorschrift darf eine beantragte Änderungsgenehmigung auch dann nicht versagt werden, wenn zwar nach ihrer Durchführung nicht alle Immissionswerte einer Verwaltungsvorschrift nach § 48 oder einer Rechtsverordnung nach § 48a eingehalten werden, wenn aber der Immissionsbeitrag der Anlage durch das Vorhaben deutlich und über das durch nachträgliche Anordnungen nach § 17 Abs. 1 durchsetzbare Maß reduziert wird und - neben weiteren Voraussetzungen - zudem auch Maßnahmen zur Luftreinhaltung, insbesondere Maßnahmen, die über den Stadt der Technik bei neu zu errichtenden Anlagen hinausgehen, durchgeführt werden. Zu der Frage, wann diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 11.08.2016 (12 ME 47/16), Folgendes ausgeführt:
„§ 6 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG enthält zwei eigenständige Voraussetzungen. „Deutlich“ meint eine spürbare, insbesondere auch messbare Verbesserung der Belastungssituation. Wie groß die Reduzierung des Immissionsbeitrags sein muss, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und beurteilt sich in Relation zu der vorhandenen Belastungssituation: Je größer die vorhandene Belastungssituation ist, desto größer muss auch die durch die Änderung zu erreichende Reduzierung des Immissionsbeitrags sein. Umgekehrt kann diese Reduzierung kleiner sein, wenn bereits die vorhandene Belastungssituation niedrig ist. In jedem Fall gilt, dass man umso eher von einer deutlichen Reduzierung des Immissionsbeitrags sprechen kann, je größer die Verbesserung ausfällt und je geringer die verbleibende Überschreitung ist (vgl. etwa Scheidler, in: Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, Band I, § 6 BImSchG Rn. 92d). Ob unter den gegebenen Umständen des vorliegenden Einzelfalls eine deutliche Verbesserung der Belastungssituation in diesem Sinn angenommen werden kann, lässt sich derzeit nicht verlässlich bestimmen. Aus den dargelegten Gründen ist die vorhandene Belastungssituation unklar. Entsprechend lässt sich derzeit ebenfalls nicht hinreichend sicher abschätzen, ob die Reduzierung, die sich infolge des vom Beigeladenen geplanten Vorhabens ergeben soll, in Relation zu der vorhandenen Belastungssituation als deutlich angesehen werden kann. Das Verwaltungsgericht ist in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, eine deutliche Reduzierung im Sinne von § 6 Abs. 3 Nr. 1 BImSchG könne bei einer relativen Absenkung der Geruchsstunden um etwas mehr als 10 % angenommen werden. Gründe für eine Unrichtigkeit dieser Einschätzung werden mit der Beschwerdebegründung nicht substantiiert dargelegt.“
Legt man diese Maßstäbe zugrunde, fehlt es an der erforderlichen deutlichen Verbesserung der Belastungssituation. Ungeachtet der Schwierigkeit festzustellen, ab wann eine deutlichen Verbesserung der Belastungssituation angenommen werden kann, steht für die Kammer außer Zweifel, dass die Verringerung der Jahresgeruchsstundenhäufigkeit von derzeit bis zu 19,8% um 0,3% auf bis zu 19,5% eine lediglich marginale Verbesserung der Geruchsimmissionen darstellt (ebenso für eine Verbesserung um rechnerisch 0,5 bis 0,6 Prozentpunkte bei Ausgangs-Werten von 17,2% bis 20,06%: Nds. OVG, Beschl. v. 06.09.2016 - 12 LA 153/15 -, juris). Diese Werte erklären sich im Wesentlichen damit, dass ein Anschluss der zertifizierten Abluftreinigungsanlage nur an den Altstall BE 5 und den neu zu errichtenden Stall BE 5a erfolgt, während die Altställe BE 1, BE 3 und BE 4 mit einem Bestand von rund 700 Mastschweinen ohne immissionsmindernde Maßnahmen weiter betrieben werden sollen. Selbst wenn man berücksichtigt, dass die allein von dem Betrieb des Beigeladenen ausgehenden Geruchsimmissionen im Ist-Zustand nur bei max. 4,6% liegen und im Plan-Zustand bei max. 4,1%, also nur einen vergleichsweise geringen Anteil an der Gesamtbelastung von 19,8% bzw. 19,5% haben, liegen diese Werte - wie oben dargestellt - oberhalb der Irrelevanzschwelle der Nummer 3.3 der GIRL und stellen - auch für sich betrachtet - mit einer Verbesserung um 0,5% gerade keine deutliche Verbesserung der Belastungssituation dar. Ob eine - zwischen den Beteiligten erörterte - Stilllegung der Altställe BE 1, 3 und 4 die Geruchsimmissionen unterhalb die Irrelevanzschwelle fallen ließe oder zumindest zu einer deutlicheren Geruchsminderung führen würde, braucht die Kammer nicht zu entscheiden, da Streitgegenstand allein die angefochtene immissionsschutzrechtliche Genehmigung für den Betrieb der Stallanlagen BE 1, 3, 4, 5 und 5a ist, die lediglich die Stilllegung des Altstalls BE 2 zum Inhalt hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11 und § 711 Satz 1 und 2 ZPO.