Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 18.02.2021, Az.: 13 LB 269/19

Streit um die nachträgliche Verkürzung der Geltungsdauer eines aufenthaltsrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots; Vorrang des § 11 Abs. 4 AufenthG gegenüber einem Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
18.02.2021
Aktenzeichen
13 LB 269/19
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 12717
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • AUAS 2021, 70-71
  • NordÖR 2021, 252

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 11 Abs. 4 AufenthG ist eine spezielle Rechtsgrundlage für die nachträgliche Verlängerung oder Verkürzung der Frist und auch für die Aufhebung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots, die einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausschließt.

  2. 2.

    Die für die (erstmalige) Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 3 und 5 ff. AufenthG entwickelten Maßstäbe sind auch bei der Entscheidung über die Aufhebung oder Verkürzung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anzuwenden.

  3. 3.

    § 11 Abs. 4 Satz 1 Alt. 2 AufenthG erfordert unter Berücksichtigung aller aktuellen tatsächlichen Erkenntnisse, die nicht notwendig "neu" sein müssen, eine Beurteilung, ob die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots geboten ist, weil der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck bereits erreicht oder entfallen ist. Bejahendenfalls ist das bestehende und zu überprüfende Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben. Das Ermessen der Ausländerbehörde ist insoweit reduziert. Verneinendenfalls ist zu beurteilen, ob der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck voraussichtlich vor Ablauf der Dauer des bestehenden und zu überprüfenden Einreise- und Aufenthaltsverbots erreicht sein wird. Ist dies der Fall, steht es im Ermessen der Ausländerbehörde, die Dauer des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots entsprechend zu verkürzen.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 7. Mai 2019 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in der Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags auf Verkürzung der Dauer eines aufenthaltsrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots.

Der 1982 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. 1985 reiste er mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Einen Asylantrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 17. März 1987 ab. Ein Asylfolgeantrag blieb ohne Erfolg.

Aufgrund der Bleiberechtsregelung des Niedersächsischen Innenministeriums vom 18. Dezember 1990 wurde dem Kläger 1993 eine Aufenthaltsbefugnis erteilt, die nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes als befristete Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes fortgalt und letztmalig bis zum 21. November 2006 verlängert wurde.

Nach wiederholten ausländerrechtlichen Verwarnungen wies die Beklagte den Kläger mit Bescheid vom 25. April 2007 aus dem Bundesgebiet aus und drohte ihm die Abschiebung in die Türkei an. Ausweisungsanlass waren insgesamt sieben strafgerichtliche Verurteilungen im Zeitraum von 1997 bis 2006 wegen zahlreicher Vermögensdelikte, gefährlicher Körperverletzung sowie unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln, wegen derer zuletzt eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verhängt und auch vollstreckt worden war. In dem hiergegen gerichteten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg - 2 A 144/08 - schlossen der Kläger und die Beklagte am 1. Dezember 2008 einen Vergleich. Danach verfolgte der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Bescheids vom 25. April 2007 nicht weiter, und die Beklagte erteilte dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis unter den Bedingungen, dass die Verurteilung des Klägers wegen einer vorsätzlichen Straftat oder der mangelnde Nachweis seiner Drogenfreiheit die Aufenthaltserlaubnis erlöschen lässt. Für den Fall des Erlöschens der Aufenthaltserlaubnis verpflichtete sich der Kläger, das Bundesgebiet zu verlassen.

Die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis erlosch, nachdem er am 28. Februar 2010 und am 1. September 2010 erneut straffällig und zu einer Freiheitsstrafe von nunmehr 11 Monaten verurteilt wurde. Anträge, die Beklagte durch einstweilige Anordnung zur Aussetzung der Abschiebung zu verpflichten, lehnte das Verwaltungsgericht Lüneburg mit Beschlüssen vom 17. Mai 2011 - 2 B 31/11 -, 22. August 2011 - 2 B 76/11 - und 20. Januar 2014 - 2 B 3/14 - ab. Eine Klage auf Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wies das Verwaltungsgericht Lüneburg mit Urteil vom 18. Juni 2012 - 2 A 233/11 - ab.

Nachdem die Staatsanwaltschaft D. ihr - aufgrund der laufenden Strafvollstreckung und weiterer laufender strafrechtlicher Ermittlungsverfahren erforderliches - Einvernehmen mit der Aufenthaltsbeendigung erklärt hatte, wurde der Kläger am 21. Januar 2014 aus der Haft heraus in die Türkei abgeschoben. Seitdem lebt er dort.

Mit Bescheid vom 26. Juni 2014 befristete die Beklagte die Wirkung der Ausweisung auf den Zeitpunkt von acht Jahren nach der erfolgten Ausreise, mithin auf den 20. Januar 2022. Die zur Ausweisung führende wiederholte Straffälligkeit, die mangelnde Wirkung zahlreicher strafgerichtlicher Urteile und auch Strafvollstreckungen sowie ein mangelnder Einfluss der im Bundesgebiet lebenden Angehörigen des Klägers auf dessen Lebenswandel erforderten dessen Fernhaltung aus dem Bundesgebiet für den festgelegten Zeitraum. Schutzwürdige Belange des Klägers, die eine Verkürzung dieser Frist gebieten würden, seien nicht ersichtlich. Er sei volljährig, kinderlos und ledig. Er könne in der Türkei ein Privatleben führen und gegebenenfalls auf die Hilfe seiner Angehörigen zurückgreifen. Die hiergegen erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht Lüneburg mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 26. November 2015 - 2 A 238/14 - ab.

Unter dem 16. Dezember 2016 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Verkürzung der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Trennung ihn und seine im Bundesgebiet lebenden Angehörigen schwer belaste. Ihm selbst sei ein weiterer Aufenthalt in der Türkei unzumutbar. Er lebe in einem seit mehreren Jahrzehnten fast menschenleeren jesidischen Dorf und sei aufgrund der zunehmenden Spannungen zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Minderheit gehindert, das Dorf oder sein Haus zu verlassen. Ihm drohten Übergriffe. Er habe keine Perspektive für ein normales Leben. Auf die wiederholte Aufforderung der Beklagten, Entwicklungsfortschritte nachzuweisen, legte der Kläger eine Bescheinigung über seine Straflosigkeit in der Türkei vor und verwies darauf, dass ihm in der Türkei eine therapeutische Aufarbeitung seiner Defizite mangels Krankenversicherungsschutzes nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 26. Juli 2017 hielt die Beklagte das angeordnete Einreise- und Aufenthaltsverbot für eine Dauer von acht Jahren nach der erfolgte Ausreise unverändert aufrecht. Die Voraussetzungen für eine Verkürzung der sogenannten Sperrfrist seien nicht erfüllt. Das öffentliche Interesse an der weiteren Fernhaltung des Klägers vom Bundesgebiet bestehe unverändert fort. Entwicklungsfortschritte, welche zu einer Änderung der ursprünglich getroffenen Prognose zwingen würden, seien nicht nachgewiesen. Es bestünden zwar keine Anhaltspunkte für eine Straffälligkeit in der Türkei. Er habe aber insbesondere die bestehenden Defizite nicht therapeutisch aufgearbeitet und auch kein psychologisches Gutachten eingeholt. Der behauptete mangelnde Zugang zum Sozialsystem und zur Krankenversorgung in der Türkei seien nicht belegt. Schutzwürdige Belange des Klägers, die eine Fristverkürzung gebieten würden, seien nicht ersichtlich. Er könne auch die Erteilung einer humanitären Aufenthaltserlaubnis nicht beanspruchen. Er sei volljährig, kinderlos und ledig. Eine konkrete Gefahr asylrelevanter Verfolgung in der Türkei bestehe nicht.

Am 30. August 2017 hat der Kläger vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg Klage erhoben. Zu deren Begründung hat er geltend gemacht, dass eine weitere Aufrechterhaltung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht notwendig sei. Die im Bundesgebiet verübten Straftaten seien auf seine altersbedingte, inzwischen aber überwundene Unreife zurückzuführen. Ausweislich eines Attests der Ärzte Dr. E. und Dr. F. aus dem türkischen Batman vom 9. Juli 2018 sei sein Gesundheitszustand normal und leide er nicht an einer psychiatrischen Erkrankung. Der schwere und gefährliche Aufenthalt in der Türkei habe ihn nachhaltig beeindruckt und zu einer Änderung seines Verhaltens veranlasst. Er lebe im türkischen Hasankeyf, das seit vielen Jahren von der türkischen Regierung bedroht werde, weil dort Staudämme gebaut werden sollten und viele Menschen das Gebiet verlassen müssten. Als jesidischer Kurde sei er von Verfolgung bedroht.

Der Kläger hat beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über seinen Antrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat den angefochtenen Bescheid verteidigt. Es gebe keine Gründe für eine Verkürzung der Sperrfrist. Eine nachhaltige Entwicklung des Klägers zum Besseren sei nicht nachgewiesen. Der Kläger habe die zur Ausweisung führenden Straftaten nicht nur wegen einer altersbedingten Unreife begangen. Vielmehr habe das im Strafverfahren eingeholte Gutachten des Dr. G. vom 2. Mai 2011 ein gerade nicht einschätzbares Nachreifepotential des Klägers unterstrichen. Trotz wiederholten Hinweises auf die Möglichkeit und Notwendigkeit, die bestehenden Defizite therapeutisch aufzuarbeiten, habe der Kläger sich nicht um eine Therapie bemüht. Die ursprüngliche Gefahrenprognose müsse daher aufrecht erhalten bleiben. Schutzwürdige private Belange des Klägers, die zu einer Verkürzung der Sperrzeit führen müssten, seien nicht gegeben.

Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Kläger unter dem 18. März 2019 bei der Beklagten beantragt, ihm die kurzzeitige Wiedereinreise in das Bundesgebiet zu gestatten, um ein psychiatrisches Gutachten zur Beurteilung der Wiederholungsgefahr einholen zu können. Zur Sicherung der Rückreise könne sein Bruder eine Kaution in Höhe von 2.000 EUR zur Verfügung stellen. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2019 zu einer beabsichtigten Ablehnung dieses Antrags angehört.

Das Verwaltungsgericht Lüneburg - Einzelrichter der 4. Kammer - hat die Klage mit Urteil vom 7. Mai 2019 abgewiesen. Der Kläger könne die Verkürzung der aufenthaltsrechtlichen Sperrfrist nicht beanspruchen. Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes beachtliche Gründe für eine Verkürzung lägen nicht vor. Die Gründe, die zur Ausweisung des Klägers und zur Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots von acht Jahren geführt hätten, bestünden unverändert fort. Eine Verkürzung nur aufgrund des eingetretenen Zeitablaufs komme nicht in Betracht. Die Umstände, unter denen der Kläger in der Türkei in finanzieller Abhängigkeit von seinen in Deutschland lebenden Angehörigen ein Privatleben führe, böten auch keinen Anlass für eine Verkürzung. Der Kläger müsse sich vielmehr vorhalten lassen, dass laut psychiatrischem Gutachten bei ihm eine Persönlichkeitsstörung, ein Alkohol- und Cannabisabusus, eine reaktive depressive Symptomatik, eine Störung des Sozialverhaltens und eine intellektuelle Grenzbegabung vorlägen. Es bestünde daher die Sorge, dass der Kläger auch in Deutschland sein Leben nicht in den Griff bekomme und erneut straffällig werde. Selbst wenn der Kläger sich in der Türkei seit seiner Abschiebung straffrei verhalten haben sollte, besage dies nicht, dass er seine Erkrankungen dauerhaft überwunden habe. Die Unterstützung seiner in Deutschland lebenden Angehörigen erreiche ihn auch in der Türkei. Dort könne er ein Privatleben führen und seinen Lebensunterhalt bestreiten. Dem Kläger drohe aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit und jesidischen Glaubenszugehörigkeit auch keine Verfolgung in der Türkei. Eine etwa erforderliche fachärztliche medizinische Versorgung könne er auch dort erlangen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, die der Senat mit Beschluss vom 13. August 2019 - 13 LA 198/19 - wegen eines Verfahrensmangels zugelassen hat. Zur Begründung erneuert der Kläger sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 7. Mai 2019 einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht Lüneburg zurückzuverweisen,

hilfsweise das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 7. Mai 2019 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids 26. Juli 2017 zu verpflichten, über seinen Antrag auf Verkürzung der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - Einzelrichter der 4. Kammer - vom 7. Mai 2019 einschließlich des ihm vorangegangenen Verfahrens aufzuheben und die Sache an das Verwaltungsgericht Lüneburg zurückzuverweisen,

hilfsweise die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ergebnis der erstinstanzlichen Entscheidung.

Der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers hat mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021 und die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 einer Entscheidung durch den Senat ohne mündliche Verhandlung zugestimmt. Mit Schriftsatz vom 1. Februar 2021 hat die Prozessbevollmächtigte zu 2. des Klägers angezeigt, auch den Kläger zu vertreten. Sie hat klargestellt, dass der Prozessbevollmächtigte zu 1. des Klägers neben ihr den Kläger weiterhin vertritt. Mit weiterem Schriftsatz vom 10. Februar 2021 hat die Prozessbevollmächtigte zu 2. des Klägers mitgeteilt, dass sie einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung nicht zustimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers bleibt ohne Erfolg.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 125 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung § 101 Abs. 2 VwGO). Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten zu 1., hat mit Schriftsatz vom 27. Januar 2021 und die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 29. Januar 2021 wirksam das erforderliche Einverständnis erklärt. Unerheblich ist, dass die nach dieser Einverständniserklärung für den Kläger aufgetretene weitere Prozessbevollmächtigte zu 2. eine Einverständniserklärung nicht erteilt hat. Denn jeder der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist berechtigt, diesen allein zu vertreten. Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seine Prozessbevollmächtigten nur zu einer gemeinschaftlichen Vertretung befugt hätte, bestehen für den Senat nicht. Im Übrigen bliebe die Prozesserklärung des Prozessbevollmächtigten zu 1. vom 27. Januar 2021 hiervon unberührt, da sie abgegeben wurde, bevor die Prozessbevollmächtigte zu 2. die Übernahme der Vertretung des Klägers dem Senat angezeigt hat. Begründete Zweifel an der Wirksamkeit der abgegebenen Einverständniserklärung hegt der Senat nicht. Ein Widerruf der Einverständniserklärung (vgl. zu dieser Möglichkeit und den Voraussetzungen: Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 101 Rn. 7 m.w.N.) ist von keinem der Prozessbevollmächtigten des Klägers erklärt worden.

Der Senat entscheidet gemäß § 130 Abs. 1 VwGO in der Sache selbst und macht von der nach § 130 Abs. 2 Nr. 1 VwGO aufgrund der Zurückweisungsanträge beider Beteiligter eröffneten und in seinem Ermessen stehenden Möglichkeit, die Sache unter Aufhebung des verfahrensfehlerhaft zustande gekommenen erstinstanzlichen Urteils und des Verfahrens an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen, keinen Gebrauch. Ermessensleitend sind für den Senat dabei zum einen der Regel-Ausnahme-Grundsatz des § 130 Abs. 1 und 2 VwGO, wonach die Zurückverweisung den Ausnahmefall darstellt, und zum anderen Gründe der Prozessökonomie und der gebotenen Verfahrensbeschleunigung (vgl. zu diesen Aspekten: Senatsbeschl. v. 12.11.2020 - 13 LB 291/20 -, V.n.b. Umdruck S. 7 f.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 2.6.2017 - NC 9 S 1244/17 -, juris Rn. 6; Bayerischer VGH, Beschl. v. 16.3.2011 - 12 B 10.2407 -, juris Rn. 27; Happ, in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 130 Rn. 15). Der Senat hat die Beteiligten unter dem 25. Januar 2021 auf die Möglichkeit einer eigenen Sachentscheidung nach § 130 Abs. 1 VwGO hingewiesen.

I. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist - unter Berücksichtigung des prozessualen Anspruchs (Klagebegehren) und des ihm zugrunde gelegten Lebenssachverhalts (Klagegrund; vgl. zur Maßgeblichkeit dieser Aspekte bei der Bestimmung des Streitgegenstands: Senatsurt. v. 12.9.2019 - 13 LB 354/18 -, juris Rn. 52 m.w.N.) - allein, ob der Kläger die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags vom 16. Dezember 2016 auf Verkürzung der Geltungsdauer des im Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2014 auf acht Jahre festgesetzten Einreise- und Aufenthaltsverbots und die Aufhebung des dem entgegenstehenden Bescheids der Beklagten vom 26. Juli 2017 beanspruchen kann.

1. Nicht streitgegenständlich ist hingegen der Bescheid der Beklagten vom 26. Juni 2014, mit dem sie die Wirkung der zuvor im Bescheid vom 25. April 2007 verfügten Ausweisung auf den Zeitpunkt von acht Jahren nach der erfolgten Ausreise, mithin auf den 20. Januar 2022, befristet hat. Dieser Bescheid ist, nachdem die hiergegen erhobene Klage durch das Verwaltungsgericht Lüneburg mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 26. November 2015 - 2 A 238/14 - abgewiesen wurde, bestandskräftig geworden. Regelungsinhalt dieses Bescheids ist nicht die bloße Festsetzung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG in der am 26. Juni 2014 geltenden, zuletzt durch Gesetz vom 29. August 2013 (BGBl. I 2013, 3484) geänderten Fassung kraft Gesetzes zur Entstehung gebracht werden sollte (vgl. zur historischen Entwicklung der aufenthaltsrechtlichen Regelungen zum Einreise- und Aufenthaltsverbot bei Ausweisungen und Abschiebungen: Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 11 Rn. 18 ff., und zur Unvereinbarkeit des an eine Abschiebung geknüpften gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots mit den unionsrechtlichen Vorgaben der Rückführungsrichtlinie: BVerwG, Urt. v. 21.8.2018 - BVerwG 1 C 21.17 -, BVerwGE 162, 382, 388 - juris Rn. 21 m.w.N.). Denn die behördliche Befristung eines (vermeintlich) kraft Gesetzes eintretenden Einreise- und Aufenthaltsverbots kann regelmäßig und so auch hier dahin ausgelegt werden kann, dass damit ein Einreise- und Aufenthaltsverbot von bestimmter Dauer angeordnet wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 6.5.2020 - BVerwG 1 C 14.19 -, juris Rn. 12; Beschl. v. 9.5.2019 - BVerwG 1 C 14.19 -, juris Rn. 27; Senatsurt. v. 6.5.2020 - 13 LB 190/19 -, juris Rn. 55 (jeweils zur behördlichen Befristung der Wirkungen einer Ausweisung); BVerwG, Urt. v. 27.7.2017 - BVerwG 1 C 28.16 -, juris Rn. 42; Beschl. v. 13.7.2017 - BVerwG 1 VR 3.17 -, juris Rn. 72 (jeweils zur behördlichen Befristung der Wirkungen einer Abschiebung); Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 11 Rn. 74.1 (Stand: März 2020)). Der Bescheid vom 26. Juni 2014 ordnet damit gegenüber dem Kläger bestandskräftig ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für die Dauer von acht Jahren nach der erfolgten Ausreise, mithin bis zum 20. Januar 2022, an, dessen Rechtmäßigkeit als solche im vorliegenden Berufungsverfahren nicht zu überprüfen ist. Die bestandskräftige Anordnung im Bescheid vom 26. Juni 2014 ist allein durch die von der Beklagten auf Antrag des Klägers vorgenommene Überprüfung der festgesetzten Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots und deren Bestätigung im Bescheid vom 26. Juli 2017 auch nicht aufgehoben worden (vgl. Senatsbeschl. v. 20.11.2020 - 13 ME 374/20 -, juris Rn. 2).

2. Nicht streitgegenständlich ist ebenfalls, ob der Kläger unter den Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 Satz 1 AufenthG beanspruchen kann, dass ihm vor Ablauf des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots ausnahmsweise das kurzfristige Betreten des Bundesgebiets erlaubt wird. Der Kläger hat während des erstinstanzlichen Verfahrens unter dem 18. März 2019 bei der Beklagten zwar beantragt, ihm die kurzzeitige Wiedereinreise in das Bundesgebiet zu gestatten, um ein psychiatrisches Gutachten zu Beurteilung der Wiederholungsgefahr einholen zu können. Die Beklagte hat den Kläger mit Schreiben vom 2. Mai 2019 zu einer beabsichtigten Ablehnung dieses Antrags angehört. Eine ablehnende Entscheidung der Beklagten ist vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts am 7. Mai 2019 aber nicht ergangen und deshalb auch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens geworden. Auch dem Berufungsvorbringen des Klägers ist nicht zu entnehmen, dass er im gerichtlichen Verfahren (auch) eine Erlaubnis zum kurzfristigen Betreten des Bundesgebiets vor Ablauf des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots begehrt.

II. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zutreffend abgewiesen. Der Kläger kann die Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung seines Antrags auf Verkürzung der Geltungsdauer des im Bescheid vom 26. Juni 2014 für die Dauer von acht Jahren angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht beanspruchen. Der diese Verkürzung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2017 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 5 VwGO).

1. Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei aufenthaltsrechtlichen Verpflichtungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.1.2018 - BVerwG 1 C 7.17 -, juris Rn. 11 m.w.N.).

2. Nach § 11 Abs. 4 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz - AufenthG) in der danach maßgeblichen, zuletzt durch Gesetz vom 9. Dezember 2020 (BGBl. I S. 2855) geänderten Fassung kann das Einreise- und Aufenthaltsverbot zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden (Satz 1). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen (Satz 2). Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich (Satz 3). Über die Verkürzung wird nach Ermessen entschieden (Satz 5 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 1).

Mit diesen Bestimmungen hat der Gesetzgeber eine spezielle Rechtsgrundlage für die nachträgliche Verlängerung oder Verkürzung der Frist und auch für die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots geschaffen, die einen Rückgriff auf die allgemeinen Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausschließt (vgl. Senatsbeschl. v. 14.6.2018 - 13 ME 208/18 -, juris Rn. 6; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 11 Rn. 161 (Stand: März 2020)).

a. Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ((1)) oder des § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ((2)) für eine Verkürzung der Geltungsdauer des im Bescheid vom 26. Juni 2014 für die Dauer von acht Jahren angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht.

(1) Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann das Einreise- und Aufenthaltsverbot zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers (b) oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, (a) aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden.

(a) Nach dieser Bestimmung ist eine Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots (anstelle einer Verkürzung der Geltungsdauer auf den Jetztzeitpunkt bzw. auf "Null", vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - BVerwG 1 C 27.16 -, BVerwGE 157, 356, 359 f. - juris Rn. 15; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 30.6.2016 - 11 LA 261/15 -, juris Rn. 14; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 11 Rn. 82; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 11 Rn. 175 (Stand: März 2020)) dann angezeigt, wenn die mit der Ausweisung verfolgten spezial- oder generalpräventiven Gründe es nicht mehr erfordern, mithin der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck erreicht oder entfallen ist (vgl. Senatsbeschl. v. 14.6.2018 - 13 ME 208/18 -, juris Rn. 6; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 12.7.2017 - 11 B 9.16 -, juris Rn. 16; Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 36 f.).

Dieser Tatbestand des § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nimmt Bezug auf den bei der erstmaligen Fristbemessung nach § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und Abs. 5 ff. AufenthG vorzunehmenden 1. Prüfungsschritt (vgl. zur Systematik der Fristbemessung: BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - BVerwG 1 C 27.16 -, BVerwGE 157, 356, 363 f. - juris Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 -, juris Rn. 33; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, juris Rn. 50 ff.), in dem zu prognostizieren ist, wie lange die mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgten Zwecke (vgl. Bayerischer VGH, Urt. v. 26.3.2009 - 19 ZB 09.498 -, juris Rn. 2; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 26.3.2003 - 11 S 59/03 -, juris Rn. 32 m.w.N.) eine Fernhaltung des Ausländers vom Bundesgebiet erfordern ("Zweckerreichung als Fristobergrenze"). Ist die Ausweisung zu spezialpräventiven Zwecken erfolgt, stellt sich die Frage, für welche Dauer von dem Ausländer die Gefahr einer Wiederholung bzw. Fortdauer der Ausweisungsgründe ausgeht. Ist die Ausweisung zu generalpräventiven Zwecken erfolgt, stellt sich die Frage, wann die Abschreckungswirkung erreicht bzw. verbraucht ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.3.2014 - BVerwG 1 C 2.13 -, juris Rn. 12; Urt. v. 10.7.2012- BVerwG 1 C 19.11 -, juris Rn. 32 f. und 42). Bei der Beantwortung sind - ungeachtet der tatsächlichen Schwierigkeiten, die mit der geforderten Bestimmung eines solchen Endzeitpunktes regelmäßig verbunden sein werden - insbesondere das Gewicht des Ausweisungsgrundes, das Verhalten des Ausländers nach der Ausweisung, das Ausmaß der von dem Ausländer konkret ausgehenden Gefahr und die Vorhersehbarkeit der zukünftigen Entwicklung dieser Gefahr zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 10.7.2012 - BVerwG 1 C 19.11 -, juris Rn. 32 f. und 42; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, juris Rn. 50). Ergänzend ist der durch § 11 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 5 ff. AufenthG gezogene Rahmen zu beachten. Danach darf die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots grundsätzlich fünf Jahre nicht überschreiten (§ 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG). Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht (§ 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG). Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zwanzig Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde (§ 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG).

Diese Maßstäbe sind auch bei der Entscheidung über die Aufhebung oder Verkürzung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anzuwenden. Unter Berücksichtigung aller aktuellen tatsächlichen Erkenntnisse, die nicht notwendig "neu" sein müssen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.11.2020 - 13 ME 374/20 -, juris Rn. 10), ist zu beurteilen, ob eine Aufhebung des bestehenden und zu überprüfenden Einreise- und Aufenthaltsverbots geboten ist, weil der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck bereits erreicht oder entfallen ist. Bejahendenfalls ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufzuheben. Das Ermessen der Ausländerbehörde ist insoweit reduziert (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.11.2016 - 11 S 1656/16 -, juris Rn. 30; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 11 Rn. 84; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, § 11 Rn. 177 (Stand: März 2020)). Verneinendenfalls ist zu beurteilen, ob der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck voraussichtlich vor Ablauf der Dauer des bestehenden und zu überprüfenden Einreise- und Aufenthaltsverbots erreicht sein wird. Ist dies der Fall, steht es im Ermessen der Ausländerbehörde, die Dauer des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots entsprechend zu verkürzen.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist eine Aufhebung oder Verkürzung des im Bescheid vom 26. Juni 2014 für die Dauer von acht Jahren angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht deshalb geboten, weil der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck bereits erreicht oder entfallen ist oder dies vor Ablauf der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots am 20. Januar 2022 zu erwarten ist.

(aa) Anlass für die im Bescheid vom 25. April 2007 verfügte Ausweisung waren insgesamt sieben strafgerichtliche Verurteilungen im Zeitraum von 1997 bis 2006 wegen zahlreicher Vermögensdelikte, gefährlicher Körperverletzung sowie unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln. Unter anderem verhängte das Amtsgericht H. mit Urteil vom 4. November 2003 - ... - (vgl. Blatt 192 f. der Beiakte 1/II) wegen gemeinschaftlichen Diebstahls im besonders schweren Fall in drei Fällen eine Jugendstrafe von neun Monaten, die der Kläger in der Jugendanstalt I. verbüßte. Das Amtsgericht stellte fest, dass die Taten vom Kläger zur Erzielung von Einnahmen wegen seiner eigenen schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse begangen wurden, und stellte dem Kläger keine günstige Sozialprognose.

Nur wenige Monate später verhängte das Amtsgericht J. mit Urteil vom 7. April 2004 - ... - (Blatt 189 ff. der Beiakte 1/II) wegen Diebstahls im besonders schweren Fall in zwölf Fällen, davon in drei Fällen im Versuch und in fünf Fällen gemeinschaftlich handelnd, sowie wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls unter Einbeziehung eines anderen Urteils eine einheitliche Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Auch in diesem Strafurteil wurde festgestellt, dass der Kläger die Taten zur Erzielung von Einnahmen wegen seiner eigenen schlechten Verhältnisse und nur teilweise zur Drogenbeschaffung beging. Dem Kläger, der die Ideen zur Tatbegehung selbst entwickelte, wurden schädliche Neigungen attestiert. Strafschärfend wurden seine kriminelle Energie und die erhebliche Anzahl von Taten in einem nur kurzen Zeitraum von sechs Monaten berücksichtigt. Strafmildernd und zugleich Grundlage der Bewährungsaussetzung war eine vermeintliche Auseinandersetzung mit den Taten, eine realistische Zukunftsperspektive und die drohende Abschiebung.

Entgegen dieser strafrichterlichen Erwartung und trotz der ausländerrechtlichen Verwarnung und Ankündigung der Aufenthaltsbeendigung bei einem Bewährungswiderruf oder erneuter Straffälligkeit durch die Beklagte am 20. Januar 2005 (Blatt 197 f. der Beiakte 1/II) beging der Kläger weitere Straftaten. In der Berufungsinstanz verhängte das Landgericht K. mit Urteil vom 29. November 2006 - ... - (Blatt 213 ff. der Beiakte 1/II; vgl. auch das erstinstanzliche Urt. d. AG H. v. 31.5.2006, Blatt 219 ff. der Beiakte 1/II) wegen Diebstahls in vier Fällen und versuchten Diebstahls in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten. Das Landgericht hielt dem Kläger vor, die Taten innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums im Dezember 2005 und Januar 2006 begangen zu haben sowie Wiederholungstäter und Bewährungsversager zu sein. Es stellte dem Kläger eine ungünstige Legalprognose. Der Kläger sei sehr unreif, geistig entwicklungsverzögert und verfüge nur über eine geringe intellektuelle Ausstattung. Es bestehe eine Störung des Sozialverhaltens mit vorwiegend dissozialer Ausrichtung, aber keine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit und auch kein Hang im Sinne des § 64 StGB, da der Substanzmissbrauch betrieben worden sei, um mit unliebsamen Persönlichkeitszügen umzugehen, ohne den Grad einer schwerwiegenden Störung der gesamten Lebensumstände zu erreichen. Es bestehe ein dringender Unterstützungsbedarf, um eine Ausweitung und Manifestation der vorhandenen Störungen zu verhindern. Das Landgericht regte die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung an, um dem Kläger einen strukturgebenden Rahmen zu vermitteln. Das Landgericht gründete seine Feststellungen auf das fachärztliche Gutachten des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. L. vom 9. Mai 2006 (Blatt 256 ff. der Beiakte 1/II). Dieses bescheinigte dem Kläger ganz massive dissoziale Verhaltensmuster. Er sei ein sog. "early starter" mit dissozialen Auffälligkeiten seit Beginn der Pubertät und Straffälligkeit ab dem 14. Lebensjahr. Der Gutachter hielt angesichts des Persönlichkeitsprofils des Klägers sozialtherapeutische Maßnahmen für zwingend erforderlich, um den bisherigen Lebensweg in eine deutlich andere Richtung zu lenken.

Die so beschriebene langjährige Delinquenz des Klägers bis zum Erlass der Ausweisungsverfügung am 25. April 2007, insbesondere die hohe Zahl der von ihm in relativ kurzen Zeiträumen begangenen Taten und die Umstände der Tatbegehung, aber auch sein Verhalten nach der Tataufdeckung, die mangelnde Auseinandersetzung mit dem begangenen Unrecht, das fehlende Bemühen um eine Beseitigung der Ursachen für die begangenen Taten und jedweder ausbleibende Einfluss mehrerer strafgerichtlicher Verurteilungen und ausländerrechtlicher Verwarnungen rechtfertigten es, eine Fernhaltung des Klägers aus dem Bundesgebiet nach einer Ausreise unter Ausnutzung der oberen Grenze des durch § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (Höchstfrist von fünf Jahren) und § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (Regelhöchstfrist von zehn Jahren) gezogenen Rahmens unter ordnungsrechtlichen Aspekten für erforderlich zu erachten.

(bb) Gleiches gilt unter Berücksichtigung des Geschehens nach der Ausweisung bis zur Abschiebung des Klägers aus dem Bundesgebiet am 21. Januar 2014.

Auf eine positive Entwicklung des Klägers deutete zwar zunächst hin, dass er nach seiner Entlassung aus der Strafhaft im März 2008 ab August 2008 eine Beschäftigung bei der Firma N. aufgenommen hatte (Blatt 382 der Beiakte 1/III) und hierdurch einen strukturierteren Tagesablauf erlangen und zur Sicherung seines Lebensunterhalts beitragen konnte. In dem gegen die Ausweisung gerichteten Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg - 2 A 144/08 - schlossen der Kläger und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 1. Dezember 2008 einen Vergleich, der dem Kläger eine Perspektive bot. Danach verfolgte der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Bescheids vom 25. April 2007 nicht weiter und die Beklagte erteilte dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis unter den Bedingungen, dass die Verurteilung des Klägers wegen einer vorsätzlichen Straftat oder der mangelnde Nachweis seiner Drogenfreiheit die Aufenthaltserlaubnis erlöschen lässt. Der Kläger erbrachte auch den geforderten Nachweis der Drogenfreiheit durch Tests vom 3. und 25. März 2009 (Blatt 405 f. der Beiakte 1/III) sowie 9. Oktober 2009 (Blatt 414 der Beiakte 1/III).

Die in ihn gesetzten Erwartungen eines straffreien Lebens enttäuschte der Kläger allerdings erneut, so dass die ihm erteilte Aufenthaltserlaubnis erlosch. Das Amtsgericht H. verhängte gegen den Kläger mit Urteil vom 9. Dezember 2010 - ... - (vgl. Blatt 434 und 440 der Beiakte 1/III) wegen eines Diebstahls in zwei Fällen, davon in einem Fall gemeinschaftlich handelnd, eine Freiheitsstrafe von elf Monaten.

In einem psychiatrischen Gutachten des Dr. F. aus M. vom 2. Mai 2011 (Blatt 563 ff. der Beiakte 1/IV), das in dem vom Landgericht Lüneburg im vorausgegangenen strafgerichtlichen Verfahren angeregten Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht H. (vgl. den B. v. 29.8.2011 über die Einrichtung einer Betreuung, Blatt 530 der Beiakte 1/IV) eingeholt worden war, wurde dem seinerzeit 27-jährigen Kläger eine volle Geschäftsfähigkeit attestiert und festgestellt, dass die Fähigkeit zur freien Willensbestimmung nicht aufgehoben oder in erheblichem Maße beeinträchtigt sei. Es liege eine seelische Störung in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren und vermeidenden Zügen sowie reaktiven depressiven Symptomen, eine Suchtproblematik, v.a. Alkohol und Cannabis, sowie eine intellektuelle Grenzbegabung im Grenzbereich zwischen unterem Intelligenznormalniveau und beginnender Minderbegabung vor. Die sozialen und emotionalen Kompetenzen des Klägers seien gemindert. Er sei antriebsarm und im Hinblick auf die Alltags- und Lebensgestaltung völlig orientierungslos. Zur Behebung dieser Defizite seien eine stationäre und später ambulante Psychotherapie unter Einhaltung von Alkohol- und Drogenabstinenz, eine angemessene Psychopharmakotherapie und ein soziales Kompetenztraining wichtig. Diese Maßnahmen würden vom Kläger aber bisher nicht in Anspruch genommen.

In einem weiteren psychiatrischen Gutachten des Dr. F. vom 19. Juni 2012 (Blatt 128 ff. der Beiakte 2), das im laufenden Betreuungsverfahren vor dem Amtsgericht H. eingeholt worden war, wurde festgestellt, dass der Kläger zwar eine Erwerbstätigkeit ausübe, aber immer noch nicht in der Lage sei, mit dem ihm zur Verfügung stehenden Geld auszukommen und vernünftig zu wirtschaften. "Die Alltagsprobleme des Betroffenen stammen weniger von einer Intelligenzminderung oder einer eingeschränkten kognitiven Leistungsfähigkeit, sondern eher von einer geminderten Frustrationstoleranz sowie einer eingeschränkten Steuerungsfähigkeit und Leichtsinnigkeit. Es besteht eine Neigung spontanen inneren Impulsen zu folgen, ohne zu überprüfen, ob diese Handlungen mit den tatsächlich gegebenen Möglichkeiten zu vereinbaren sind. Die emotionale Reife und die sozialen Kompetenzen sind gemindert. ... Das Nachreifungspotenzial kann derzeit noch nicht eingeschätzt werden, hier muss der Verlauf der kommenden Jahre abgewartet werden. ... "

Mit Urteil vom 7. November 2012 verhängte das Amtsgericht H. - ... - (Blatt 729 f. und 751 der Beiakte 1/V) gegen den Kläger wegen Urkundenfälschung eine weitere Freiheitsstrafe von zwei Monaten.

Am 19. November 2012 (Blatt 668 ff. der Beiakte 1/IV) erhob die Staatsanwaltschaft K. vor dem Amtsgericht H. - Schöffengericht - Anklage gegen den Kläger und legte ihm zur Last, am 24. September 2011 durch den Wurf eines sog. Molotow-Cocktails in ein Einzelhandelsgeschäft vorsätzlich ein fremdes Gebäude in Brand gesetzt zu haben sowie am 5. Juli 2012 vor Gericht als Zeuge uneidlich falsch ausgesagt zu haben. In dieser Sache befand sich der Kläger sei dem 27. Oktober 2012 in Untersuchungshaft und anschließend in Strafhaft zur Vollstreckung der gegen ihn verhängten Freiheitsstrafen. Mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 18. April 2013 ... - (Blatt 822 der Beiakte 1/V) verurteilte das Amtsgericht H. den Kläger unter Freispruch im Übrigen wegen falscher uneidlicher Aussage zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten.

Am 24. Dezember 2012 (Blatt 681 ff. der Beiakte 1/IV) erhob die Staatsanwaltschaft K. bei dem Landgericht K. - Große Strafkammer - eine weitere Anklage gegen den Kläger und warf ihm vor, bei Überfällen auf Spielhallen am 15. Juli 2011 eine gefährliche Körperverletzung und eine schwere räuberische Erpressung und am 7. September 2011 eine versuchte gefährliche Körperverletzung und eine versuchte schwere räuberische Erpressung begangen zu haben. Mit weiterer Anklageschrift vom 31. März 2013 warf die Staatsanwaltschaft K. ihm vor, in der Zeit vom 15. Oktober 2009 bis zum 24. September 2010 in weiteren acht Fällen Raubüberfälle auf Ladengeschäfte, Restaurants und Spielhallen verübt zu haben (vgl. zum Verfahrensstand die Auskunft der StA K. v. 14.10.20213, Blatt 774 der Beiakte 1/V).

Nachdem die Staatsanwaltschaft K. ihr - aufgrund der laufenden Strafvollstreckung und weiterer laufender strafrechtlicher Ermittlungsverfahren erforderliches - Einvernehmen mit der Aufenthaltsbeendigung erklärt hatte, wurde der Kläger am 21. Januar 2014 aus der Haft heraus in die Türkei abgeschoben.

Die so beschriebene Entwicklung des Klägers seit dem Erlass der Ausweisungsverfügung am 25. April 2007 bis zur Abschiebung am 21. Januar 2014 bestätigt die ursprüngliche Einschätzung, dass zur Erreichung des mit der Ausweisung verfolgten Zwecks die Fernhaltung des Klägers aus dem Bundesgebiet für eine Dauer erforderlich ist, die sich an der oberen Grenze des durch § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (Höchstfrist von fünf Jahren) und § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (Regelhöchstfrist von zehn Jahren) gezogenen Rahmens orientiert. Der Kläger hat die begangenen Straftaten unverändert nicht aufgearbeitet und sich nicht einsichtig gezeigt. Nach einer - gemessen an seiner bisherigen Delinquenz - relativ kurzen Phase straffreien Verhaltens und unbeeindruckt von den zurückliegenden strafgerichtlichen Verurteilungen, der Strafvollstreckung und auch der Ausweisung sowie der bevorstehenden Aufenthaltsbeendigung ist er erneut wiederholt straffällig geworden. Einsicht in das verwirklichte Unrecht ist nicht ansatzweise festzustellen. Die zeitweise ausgeübte Erwerbstätigkeit zeigte ebenso wie sein familiäres Umfeld im Bundesgebiet keinen nachhaltig positiven Einfluss auf das Verhalten und den Lebenswandel. Die festgestellten sozialen und emotionalen Defizite, die ganz maßgeblich zu den strafrechtlichen Verfehlungen geführt haben, sind nicht therapeutisch aufgearbeitet worden. Selbst ein bloßes Bemühen hierum ist nicht erkennbar und dies, obwohl der Kläger ohne Weiteres Zugang zu erforderlicher medizinischer Versorgung im Bundesgebiet hatte.

(cc) Auch unter Berücksichtigung des Geschehens seit der Abschiebung am 21. Januar 2014 über die Befristungsentscheidung im Bescheid vom 26. Juni 2014 bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat spricht nichts dafür, dass der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck derzeit bereits erreicht oder entfallen ist oder dass dies vor Ablauf der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots am 20. Januar 2022 zu erwarten ist.

Für den Senat bestehen zwar keine nachvollziehbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger seit seiner Abschiebung erneut straffällig geworden ist (vgl. die Bestätigung türkischer Behörden v. 10.4.2017, Blatt 1075 der Beiakte 1/VII). Dies spricht fraglos für den Kläger und deutet auf eine Änderung seines Verhaltens und Lebenswandels hin, ist allein aber noch kein Grund, den Ausweisungszweck als erreicht anzusehen oder die festgesetzte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verkürzen. Die Straffreiheit für einen gewissen, und zwar regelmäßig für den durch die bestehende Befristungsentscheidung bestimmten Zeitraum ist vielmehr erforderlich, um eine nachhaltige Verhaltensänderung zu dokumentieren und um überhaupt annehmen zu können, die Ausweisung werde ihren Zweck erreichen. Eine auch nach Ausweisung und Aufenthaltsbeendigung während eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots fortdauernde oder erneute Delinquenz bietet hingegen Anlass für eine Verlängerung der Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach § 11 Abs. 4 Satz 4 AufenthG (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 37: "Eine Verlängerung ... kann zum Beispiel dann angezeigt sein, wenn der Ausländer nachträglich weitere Ausweisungstatbestände erfüllt hat.").

Andere (unerwartet) positive Veränderungen sind nicht festzustellen.

Unverändert sind die bestehenden sozialen und emotionalen Defizite, die ganz maßgeblich zu den strafrechtlichen Verfehlungen geführt haben, nicht therapeutisch aufgearbeitet worden. Der Kläger weist insoweit lediglich auf die mangelnde Verfügbarkeit medizinischer Versorgung in der Türkei hin. Dieser Hinweis überzeugt den Senat nicht, da der Kläger, wie dargestellt, bereits im Bundesgebiet trotz mehrfachen Hinweises in Straf- und Betreuungsverfahren keinerlei Bemühungen um eine Therapie angestellt und solche Bemühungen ernsthafter Art auch in der Türkei nicht nachgewiesen hat. Die mangelnde Verfügbarkeit medizinischer Versorgung in der Türkei ist in Ansätzen sogar dadurch widerlegt, dass der Kläger ein Attest der ihn medizinisch begutachtenden Ärzte Dr. E. und Dr. F. aus dem türkischen Batman vom 9. Juli 2018 (Blatt 62 der Gerichtsakte) vorgelegt hat. Die dort ohne nähere, geschweige denn nachvollziehbare Erklärung getroffene Feststellung, der Gesundheitszustand des Klägers sei normal und er leide nicht an einer psychiatrischen Erkrankung, überzeugt den Senat nicht davon, dass der Kläger die bestehenden sozialen und emotionalen Defizite ohne Weiteres beseitigt hätte. Ohne dass der Kläger konkrete Anhaltspunkte für eine erfolgreiche (therapeutische) Aufarbeitung seiner Defizite aufzeigt, besteht für den Senat auch kein Anlass, "ins Blaue hinein" ein psychiatrisches Gutachten einzuholen. Denn bei der Gefahrenprognose bewegen sich die Tatgerichte regelmäßig in Lebens- und Erkenntnisbereichen, die dem Richter allgemein zugänglich sind; es bedarf der Hinzuziehung eines Sachverständigen nur ausnahmsweise, wenn die Prognose aufgrund besonderer Umstände nicht ohne spezielle, dem Gericht nicht zur Verfügung stehende fachliche Kenntnisse erstellt werden kann (vgl. BVerwG, Beschl v. 1.3.2016 - BVerwG 1 B 30.16 -, juris Rn. 7 m.w.N.). Ein derartiger Ausnahmefall ist hier schon deshalb nicht gegeben, weil keinerlei nachvollziehbarer Anhalt dafür besteht, dass die in mehreren psychiatrischen Gutachten festgestellten Defizite des Klägers ohne jedwedes Zutun entfallen sein könnten. Der schlichte Hinweis darauf, durch den schweren und gefährlichen Aufenthalt in der Türkei beeindruckt zu sein, genügt hierfür nicht.

Selbst wenn aber die festgestellten sozialen und emotionalen Defizite, die ganz maßgeblich zu den strafrechtlichen Verfehlungen geführt haben, (vollständig) nicht mehr bestehen sollten, bestünde für den Senat kein Anlass anzunehmen, dass der mit der konkret verfügten Ausweisung verfolgte Zweck derzeit bereits erreicht oder entfallen ist oder dass dies vor Ablauf der Geltungsdauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots am 20. Januar 2022 zu erwarten ist. Dies erfordert angesichts des zurückliegenden Verhaltens des Klägers über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren und seiner dort gezeigten zunehmenden und von staatlichen Sanktionen unbeeindruckten Delinquenz vielmehr, dass die behauptete Verhaltensänderung über den gesamten durch die bestehende Befristungsentscheidung bestimmten Zeitraum dokumentiert wird, zumal weitere straftatenauslösende oder -bestimmende Umstände bei einer Rückkehr in das Bundesgebiet unverändert fortbestehen. So würde der Kläger in sein altes familiäres Umfeld zurückkehren, das ihn auch bisher nicht von der Begehung von Straftaten abgehalten hat. Auch besteht die Gefahr, dass die voraussichtlich prekären wirtschaftlichen Verhältnisse des Klägers, der unverändert nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, ihn erneut zur Begehung von Vermögensdelikten verleiten. Schließlich ist nicht nachgewiesen, dass er die ihm gegenüber festgesetzten Abschiebekosten in Höhe von 3.168,83 EUR (Bescheid v. 18.8.2014, Blatt 971 ff. der Beiakte 1/VI) beglichen hat.

(b) Nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann das Einreise- und Aufenthaltsverbot auch zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Solche schutzwürdigen Belange ergeben sich aus Umständen, die das Gewicht des öffentlichen Interesses, den Ausländer weiterhin aus dem Bundesgebiet fernzuhalten oder ihm die Erteilung eines Aufenthaltstitels im Bundesgebiet vorzuenthalten, verringern (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung, BT-Drs. 18/4097, S. 36).

Dieser Tatbestand des § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nimmt Bezug auf den bei der erstmaligen Fristbemessung nach § 11 Abs. 2 Satz 3, Abs. 3 und Abs. 5 ff. AufenthG vorzunehmenden 2. Prüfungsschritt (vgl. zur Systematik der Fristbemessung: BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - BVerwG 1 C 27.16 -, BVerwGE 157, 356, 363 - juris Rn. 23; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 9.12.2015 - 11 S 1857/15 -, juris Rn. 33; Niedersächsisches OVG, Urt. v. 14.2.2013 - 8 LC 129/12 -, juris Rn. 50 ff.), in dem die zur Erreichung des Ausweisungszwecks erforderliche (Höchst-)Frist (siehe oben II.2.a.(1)(a)) an höherrangigem Recht, insbesondere an verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen (etwa mit Blick auf Art. 2, 6 GG) und unions- und völkervertragsrechtlichen Vorgaben (etwa Art. 7 GRCh und Art. 8 EMRK) gemessen und gegebenenfalls relativiert werden muss. Dieses normative Korrektiv bietet der Ausländerbehörde und den Verwaltungsgerichten ein rechtsstaatliches Mittel, um die fortwirkenden einschneidenden Folgen des Einreise- und Aufenthaltsverbots für die persönliche Lebensführung des Betroffenen zu begrenzen. Dabei sind insbesondere die in § 53 Abs. 2 AufenthG genannten schutzwürdigen Belange des Ausländers in den Blick zu nehmen. Nach Maßgabe des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit bedarf es auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls einer umfassenden Abwägung der betroffenen Belange (vgl. BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - BVerwG 1 C 27.16 -, BVerwGE 157, 356, 363 - juris Rn. 23; Urt. v. 10.7.2012 - BVerwG 1 C 19.11 -, juris Rn. 42 m.w.N.).

Diese Maßstäbe sind auch bei der Entscheidung über die Aufhebung oder Verkürzung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anzuwenden. Unter Berücksichtigung aller aktuellen tatsächlichen Erkenntnisse, die auch insoweit nicht notwendig "neu" sein müssen (vgl. Senatsbeschl. v. 20.11.2020 - 13 ME 374/20 -, juris Rn. 10; Dollinger, in: Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 13. Aufl. 2020, AufenthG, § 11 Rn. 83), ist zu beurteilen, ob eine Änderung des bestehenden und zu überprüfenden Einreise- und Aufenthaltsverbots geboten ist, weil schutzwürdige Belange des Ausländers eine Aufhebung oder Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ermöglichen. Bejahendenfalls entscheidet die Ausländerbehörde über die Aufhebung oder Verkürzung nach Ermessen.

Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist eine Aufhebung oder Verkürzung des im Bescheid vom 26. Juni 2014 für die Dauer von acht Jahren angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht deshalb geboten, weil dies zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers erforderlich wäre.

Nach Art. 8 EMRK schutzwürdige Belange des Klägers im Hinblick auf das im Bundesgebiet vor der Aufenthaltsbeendigung geführte Privat- und Familienleben standen weder der Ausweisung noch der Abschiebung entgegen. Denn der mit der Aufenthaltsbeendigung verbundene Eingriff in diese Rechtsposition war gerechtfertigt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts im Beschluss vom 7. September 2012 (- 11 LA 208/12 -, Umdruck S. 6 = Blatt 646 ff. der Beiakte 1/IV). Gleiches galt für nach Art. 6 GG schutzwürdige Belange, die unter Berücksichtigung der Volljährigkeit des Klägers und seiner im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen, insbesondere seiner Eltern und seines Bruders, sowie des mangelnden Angewiesenseins auf im Bundesgebiet zu erbringende Hilfe- und Unterstützungsleistungen (vgl. zu den insoweit bestehenden Anforderungen: Senatsbeschl. v. 9.8.2017 - 13 ME 167/17 -, juris Rn. 18 m.w.N.) von nur geringem Gewicht gewesen und von den widerstreitenden öffentlichen Ausweisungs- und Ausreiseinteressen deutlich überwogen worden sind.

Diesen nach Art. 8 EMRK und Art. 6 GG schutzwürdigen Belangen ist dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass die nach ordnungsrechtlichen Aspekten ermittelte Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots, die sich, wie dargestellt, an der oberen Grenze des durch § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG (Höchstfrist von fünf Jahren) und § 11 Abs. 5 Satz 1 AufenthG (Regelhöchstfrist von zehn Jahren) gezogenen Rahmens orientiert, auf acht Jahre beginnend mit der Ausreise reduziert worden ist.

Dies gilt für das Interesse des Antragstellers, (wieder) mit seinen Familienangehörigen im Bundesgebiet zusammenleben zu können. Dieses Interesse erscheint, ohne dass die Art und Intensität der Bindung vom Kläger näher beschrieben worden ist, rein affektiv. Abgesehen von den finanziellen Unterstützungsleistungen, die den Kläger auch in der Türkei erreichen, ist nicht ersichtlich, dass der Kläger und seine Familienangehörigen auf Hilfe und Unterstützung angewiesen sind, die sich nur im Bundesgebiet erbringen ließen.

Dies gilt aber auch für das Interesse des Antragstellers, wieder im Bundesgebiet ein Privatleben führen zu dürfen. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger derzeit einen Aufenthalt im Bundesgebiet beanspruchen könnte (vgl. zum mangelnden Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung humanitärer Aufenthaltstitel unten II.2.a.(2)). Dabei kann der Senat dahinstehen lassen, ob allein eine etwa eingetretene Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit, ein Privatleben im Zielstaat der Abschiebung zu führen, überhaupt einen schutzwürdigen Belang begründen kann, der eine Aufhebung oder Verkürzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und damit eine Ermöglichung der Wiedereinreise gerade in das Bundesgebiet erfordern könnte. Denn der Kläger hat den Senat nicht davon überzeugt, dass es ihm unmöglich oder unzumutbar ist, weiterhin (wie in den vergangenen sechs Jahren) ein Privatleben in der Türkei zu führen. Seine Ausführungen und Hinweise zur allgemeinen Lage in der Türkei und zur besonderen Lage der Kurden jesidischen Glaubens in der Türkei sind insoweit nicht ausreichend (vgl. insbesondere die Schriftsätze v. 9.2.2017, Blatt 14 ff. der Gerichtsakte, v. 23.2.2017, Blatt 21 ff. der Gerichtsakte, v. 13.3.2017, Blatt 30 ff. der Gerichtsakte, v. 15.5.2017, Blatt 40 ff. der Gerichtsakte), da jedwede nachvollziehbare Angabe zur unmittelbaren Betroffenheit des Klägers fehlt.

(2) Nach § 11 Abs. 4 Satz 2 AufenthG soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen.

Daran fehlt es für die hier allein in Betracht zu ziehenden Rechtsgrundlagen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes ("Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen") in §§ 25 Abs. 1 bis 3 und 5, 22 AufenthG.

(a) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 1 oder 2 AufenthG liegen nach den insoweit negativen Feststellungen des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in dem bestandskräftig gewordenen, die beklagte Ausländerbehörde und die Verwaltungsgerichte in aufenthaltsrechtlichen Verfahren gemäß § 6 Satz 1 AsylG bindenden Bescheid vom 17. März 1987 (Blatt 8 ff. der Beiakte 1/I) nicht vor.

(b) Auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG erfüllt der Kläger nicht.

Bei den vom Kläger geltend gemachten Umständen einer verfolgungsbedingten Gefahr für Leib oder Leben im Herkunftsland handelt es sich um einen materiellen Asylgrund, der zunächst im Rahmen eines Asyl- oder Asylfolgeverfahrens geltend zu machen ist. In dieser Fallgestaltung hat der Kläger kein Wahlrecht zwischen asylrechtlichem und ausländerrechtlichem Schutzbegehren, und es steht weder der beklagten Ausländerbehörde noch den Verwaltungsgerichten in aufenthaltsrechtlichen Verfahren zu, ohne eine positive Entscheidung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge von einer zielstaatsbezogenen Gefahr auszugehen (vgl. Senatsbeschl. v. 26.9.2018 - 13 ME 159/18 -, V.n.b. Umdruck S. 8 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 29.3.2011 - 8 LB 121/08 -, juris Rn. 40).

Bei den vom Kläger darüber hinaus geltend gemachten Umständen mit Bezug zu dem vormals im Bundesgebiet geführten und auch wieder erstrebten Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK handelt es sich um inlandsbezogene Ausreisehindernisse. Der in § 25 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Bezug genommene § 60 Abs. 5 AufenthG verweist aber nur insoweit auf die Europäische Menschenrechtskonvention, als sich aus ihr Abschiebungsverbote ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote"; vgl. BVerwG, Urt. v. 31.1.2013 - BVerwG 10 C 15.12 -, BVerwGE 146, 12, 27 - juris Rn. 35; Urt. v. 11.11.1997 - BVerwG 9 C 13.96 - BVerwGE 105, 322, 324 ff. - juris Rn. 8 (zu § 53 Abs. 4 AuslG a.F.); Hailbronner, Ausländerrecht, § 60 Rn. 54 (Stand: August 2016)). Inlandsbezogene Ausreisehindernisse fallen hingegen nicht unter § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. Senatsurt. v. 8.2.2018 - 13 LB 43/17 -, juris Rn. 103).

(c) Wegen eines inlandsbezogenen Ausreisehindernisses kann der Kläger aber auch die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht beanspruchen. Nach dieser Bestimmung setzt die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis voraus, dass die Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist, mithin sich der Ausländer bereits oder noch im Bundesgebiet aufhält (vgl. Hamburgisches OVG, Beschl. v. 25.8.2006 - 3 Bf 51/06 -, juris Rn. 5; Nr. 25.5.0 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - AVwV AufenthG - v. 26.10.2009, GMBl. S. 878). Daran fehlt es hier, nachdem der Kläger aus dem Bundesgebiet abgeschoben worden ist.

Unabhängig davon fordert der Schutz des Privatlebens nach Art. 8 EMRK kein Absehen von der Aufenthaltsbeendigung und gebietet damit auch nicht die Gestattung der Rückkehr des Klägers in das Bundesgebiet. Der Senat nimmt insoweit auch unter Berücksichtigung der aktuellen Umstände Bezug auf die unverändert zutreffenden Ausführungen im Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 7. September 2012 im vorausgegangenen Verfahren 11 LA 208/12 - (dort Umdruck S. 6 = Blatt 646 ff. der Beiakte 1/IV).

(d) Für Ausländer, die sich im Ausland aufhalten, kann vielmehr eine Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes nur aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen gemäß § 22 AufenthG erteilt werden. Diese Bestimmung ist aber keine allgemeine Härtefallregelung, die Ausländern, die die Voraussetzungen für die Einreise nach anderen Vorschriften nicht erfüllen, die Einreise nach Deutschland ermöglichen soll bzw. kann (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 19.9.2017 - 3 S 52.17 -, juris Rn. 11 f. m.w.N.). Die Entscheidung über eine Aufnahme aus dem Ausland nach § 22 Satz 1 AufenthG ist vielmehr Ausdruck autonomer Ausübung staatlicher Souveränität, auf die kein gesetzlicher Rechtsanspruch besteht (vgl. BVerwG, Urt. v. 15.11.2011 - BVerwG 1 C 21.10 -, BVerwGE 141, 151, 154 - juris Rn. 10 f.; Nr. 22.0.1.2 AVwV AufenthG). § 22 Satz 2 AufenthG dient insoweit insbesondere der Wahrung des außenpolitischen Handlungsspielraums des Bundes (vgl. OVG Bremen, Beschl. v. 13.2.2018 - 1 B 268/17 -, juris Rn. 13).

b. Erfüllt der Kläger schon die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 4 Satz 1 und 2 AufenthG für eine Verkürzung der Geltungsdauer des gegenüber ihm angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht, hat die Beklagte den dahingehenden Antrag des Klägers vom 16. Dezember 2016 im Bescheid vom 26. Juli 2017 rechtmäßig abgelehnt, ohne dass es noch auf das Vorliegen von nach § 114 Satz 1 VwGO relevanten Ermessensfehlern ankommt. Unabhängig davon sind solche Fehler bei der Betätigung des Ermessens, das auch schon bei Erlass des Bescheids vom 26. Juli 2017 gemäß § 11 Abs. 4 Satz 1 und 4 in Verbindung mit Abs. 3 AufenthG in der zuletzt durch Gesetz vom 13. April 2017 (BGBl. I S. 872) geänderten Fassung auszuüben war und von der Beklagten auch tatsächlich ausgeübt worden ist, nicht festzustellen. Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das nach § 11 Abs. 4 Satz 5 in Verbindung mit § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG eröffnete Ermessen (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 22.2.2017 - BVerwG 1 C 27.16 -, BVerwGE 157, 356, 361 f. - juris Rn. 19 f.) der Beklagten dahin reduziert sein könnte, die Geltungsdauer des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zu verkürzen oder gar mit sofortiger Wirkung aufzuheben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.