Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 24.02.2021, Az.: 1 MN 174/20

Parallelverfahren; Planungshoheit; Veränderungssperre; Verlängerung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
24.02.2021
Aktenzeichen
1 MN 174/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71128
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Veränderungssperre, und erst recht ihre zweite Verlängerung, kann nur mit der Dauer des gemeindlichen Planaufstellungsvorgangs selbst, nicht aber damit begründet werden, dass dessen Abschluss an inhaltlichen Hürden wie entgegenstehendem Recht oder entgegenstehenden nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu beachtenden Planungen Dritter scheitert.

Tenor:

Die vom Rat der Antragsgegnerin am 9. Dezember 2020 beschlossene Satzung über die erneute Verlängerung der Veränderungssperre für den räumlichen Geltungsbereich des zur Aufstellung befindlichen Bebauungsplans Nr. 18 „E. - Erweiterung“ wird bis zur Entscheidung des Senats über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin - Az. 1 KN 173/20 - außer Vollzug gesetzt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich gegen die zweite Verlängerung einer Veränderungssperre der Antragsgegnerin, die ihrem Sandabbauvorhaben entgegensteht.

Die Antragstellerin ist Eigentümerin eines rund 11 ha großen, bisher landwirtschaftlich genutzten Grundstücks im Außenbereich der Antragsgegnerin. Nördlich der Fläche liegt das durch den Bebauungsplan Nr. 12 der Antragsgegnerin ausgewiesene „E.“ am Südwestrand der Ortslage. Im Flächennutzungsplan ist der Bereich als Fläche für die Landwirtschaft dargestellt. Nachdem das LBEG der Antragstellerin im Juni 2016 mitgeteilt hatte, dass sich ihr Grundstück zum Sandabbau eigne, beantragte diese am 27. September 2016 beim Landkreis B-Stadt die Erteilung einer Bodenabbaugenehmigung. Die Antragsgegnerin möchte das Gewerbegebiet nach Süden erweitern und fasste am 12. Dezember 2016 den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan Nr. 17 „E. - Erweiterung“, dessen ca. 16 ha großer Geltungsbereich auch das Grundstück der Antragstellerin einschließen soll. Der Aufstellungsbeschluss wurde durch Aushang vom 13. Dezember 2016 bis zum 30. Januar 2017 bekannt gemacht. Am 16. Dezember 2016 beantragte die Antragsgegnerin bei der Samtgemeinde C-Stadt die Änderung des Flächennutzungsplans. Am 20. Dezember 2016 versagte sie ihr Einvernehmen zu dem Vorhaben der Antragstellerin und beantragte dessen Zurückstellung.

Am 30. Mai 2017 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung zu einem offenbar im Februar 2017 erstellten Vorentwurf des Bebauungsplans Nr. 17, führte diesen Beschluss aber zunächst nicht aus, da die Samtgemeinde noch kein Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans eingeleitet hatte. Im Juli 2017 wurde ein spezieller artenschutzrechtlicher Fachbeitrag für den Bebauungsplan erstellt, im April und Oktober 2017 wurden Baugrunderkundungen abgeschlossen. Am 19. Dezember 2017 beschloss der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin, die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung zu einem geänderten Vorentwurf durchzuführen. Die Änderung beruhte darauf, dass sich die Antragsgegnerin entschlossen hatte, im Süden des bestehenden Gewerbegebiets durch eine 3. Änderung des Bebauungsplans Nr. 12 Raum für einen Eigenbetrieb des Landkreises und in diesem Zusammenhang einen Straßenstutzen nach Süden zu schaffen; die Straßenführung im Geltungsbereich des südlich anschließenden Plangebiets sollte dem angepasst werden.

Ebenfalls am 19. Dezember 2017 beschloss die Antragsgegnerin eine zweijährige Veränderungssperre für den Geltungsbereich des zur Aufstellung beschlossenen Bebauungsplans Nr. 17, die sie mit Beschluss vom 2. Dezember 2019 um ein weiteres Jahr, bis einschließlich 20. Dezember 2020, verlängerte. Unter Berufung auf die Veränderungssperre lehnte der Landkreis B-Stadt den Antrag der Antragstellerin auf Erteilung der Bodenabbaugenehmigung mit Bescheid vom 8. Februar 2018 ab; über den dagegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.

Bereits am 24. Oktober 2018 beschloss der Samtgemeindeausschuss der Samtgemeinde die Aufstellung einer 42. Änderung des Flächennutzungsplans und gab die Erstellung eines Entwurfs in Auftrag. Die Änderung sollte neben den Darstellungen für die von der Antragsgegnerin geplante Gewerbegebietserweiterung noch zahlreiche andere Flächen im Samtgemeindegebiet betreffen. Vom 22. Juli bis 30. August 2019 führte die Samtgemeinde die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung durch. Am 4. März 2020 beschloss der Samtgemeindeausschuss auf Antrag der Antragsgegnerin, die Flächennutzungsplanänderung für die Gewerbegebietserweiterung separat als 46. Änderung zu betreiben, um eine Beschleunigung zu erreichen. Vom 13. August bis zum 18. September 2020 führte die Samtgemeinde die öffentliche Auslegung und parallel dazu die Beteiligung der Träger öffentlicher Belange durch. Am 14. Januar 2021 machte der Samtgemeindebürgermeister bekannt, dass der Samtgemeindeausschuss im Umlaufverfahren nach § 182 Abs. 2 NKomVG über die eingegangenen Stellungnahmen entschieden und den Feststellungsbeschluss gefasst habe. Im Februar 2021 beantragte die Samtgemeinde die Genehmigung der Flächennutzungsplanänderung.

Vom 15. Juni bis zum 17. Juli 2020 führte die Antragsgegnerin die frühzeitige Bürger- und Behördenbeteiligung im Bebauungsplanverfahren durch. Am 1. Oktober 2020 empfahl der Bauausschuss, am 9. November 2020 beauftragte der Verwaltungsausschuss der Antragsgegnerin deren Verwaltung mit der Konkretisierung der Ausgleichsmaßnahmen und der Einholung weiterer Gutachten zur Oberflächenentwässerung, zur Lärmemissionsproblematik und zur Leistungsfähigkeit eines Verkehrsknotenpunktes. Gleichzeitig wurden die Nummer des Bebauungsplans von 17 zu 18 sowie dessen Bezeichnung geändert.

In seiner Sitzung am 8. Dezember 2020 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die streitgegenständliche nochmalige Verlängerung der Veränderungssperre um ein weiteres Jahr; diese wurde vom Bürgermeister am 9. Dezember 2020 ausgefertigt und im Amtsblatt des Landkreises B-Stadt vom 17. Dezember 2020 bekannt gemacht.

Am 22. Dezember 2020 hat die Antragstellerin einen Normenkontroll- sowie den vorliegenden Normenkontrolleilantrag gestellt. Zur Begründung macht sie geltend, es lägen bereits Zweifel an der ordnungsgemäßen Beschlussfassung und Ausfertigung vor. Jedenfalls fehle es an den für die Verlängerung einer Veränderungssperre um ein viertes Jahr erforderlichen besonderen Umständen. Die Antragsgegnerin habe zwischen Aufstellungsbeschluss und frühzeitiger Bürgerbeteiligung dreieinhalb Jahre, zwischen Inkrafttreten der Veränderungssperre und frühzeitiger Bürgerbeteiligung zweieinhalb Jahre weitgehend ungenutzt verstreichen lassen. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei dringend geboten, da anderenfalls der Landkreis ihren Widerspruch unter Berufung auf die geltende Veränderungssperre zurückweisen und sie in ein Klageverfahren drängen werde. Es bestehe die Gefahr, dass bis zur Entscheidung über eine solche Klage der Bebauungsplan in Kraft getreten sei.

Die Antragstellerin beantragt,

die Satzung der Antragsgegnerin über die erneute Verlängerung der Veränderungssperre für den räumlichen Geltungsbereich des zur Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes Nr. 18 „F. [gemeint: E.] - Erweiterung“ vom 9. Dezember 2020, bekannt gemacht im Amtsblatt des Landkreises B-Stadt vom 17. Dezember 2020, bis zur Entscheidung im Normenkontrollverfahren vorläufig außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie führt aus, sie sei auf die Gewerbegebietserweiterung angewiesen, um ihrer im RROP festgelegten besonderen Entwicklungsaufgabe „Sicherung und Entwicklung von Arbeitsplätzen“ nachzukommen. Die Dauer des Planaufstellungsverfahrens sei im Wesentlichen durch die Dauer des Verfahrens zur Änderung des Flächennutzungsplans bedingt. Sie habe seit 2016 immer wieder auf eine Beschleunigung dieses Verfahrens gedrängt. Eine Aufstellung des Bebauungsplans vor Änderung des Flächennutzungsplans nach § 8 Abs. 2 Satz 2 oder § 8 Abs. 4 Satz 1 BauGB sei rechtlich nicht möglich gewesen; in Betracht sei nur das Parallelverfahren nach § 8 Abs. 3 BauGB gekommen. Auf das Planungsverfahren und die Verfahrensabläufe der Samtgemeinde, die sich nicht zuletzt unter dem Einfluss der Corona-Pandemie hingezogen hätten, habe sie keinen Einfluss; die zweite Verlängerung der Veränderungssperre sei daher durch „besondere Umstände“ bedingt. Es könne ihr nicht vorgeworfen werden, dass sie sich mit der Erteilung weiterer Gutachtenaufträge und mit weiteren Planungsschritten zurückhalte, zumal nicht sicher sei, ob der Landkreis auf Drängen der Antragstellerin die Genehmigung der 46. Flächennutzungsplanänderung verweigern werde.

II.

Der zulässige Antrag ist begründet.

Der Senat hat sich mit Beschluss vom 28. Februar 2020 - 1 MN 153/19 -, juris Rn. 15, dem vom 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in ständiger Rechtsprechung (Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5.14 -, ZfBR 2015, 381 = BauR 2015, 968 = juris Rn. 12; v. 16.9.2015 - 4 VR 2.15 -, BRS 83 Nr. 58 = juris Rn. 4; v. 30.4.2019 - 4 VR 3.19 -, BauR 2019, 1442 = juris Rn. 4) vertretenen Prüfungsmaßstab für Anträge nach § 47 Abs. 6 VwGO angeschlossen. Zu prüfen sind danach zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrages, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, so ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer beantragten einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden: Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung - trotz offener Erfolgsaussichten der Hauptsache - dringend geboten ist.

1. Die Erfolgsaussichten des bereits anhängigen Hauptsacherechtsbehelfs der Antragstellerin sind hoch, da die Voraussetzungen für die zweite Verlängerung der Veränderungssperre nicht vorliegen.

Eine zweite Verlängerung der Veränderungssperre ist nach § 17 Abs. 2 BauGB nur möglich, wenn besondere Umstände es erfordern. Besondere Umstände liegen vor, wenn ein Planverfahren durch eine Ungewöhnlichkeit gekennzeichnet wird, die sich vom allgemeinen Rahmen der üblichen städtebaulichen Planungstätigkeit wesentlich abhebt. Dabei kann es sich um Besonderheiten des Umfangs, des Schwierigkeitsgrads oder des Ablaufs des Planungsverfahrens handeln. Notwendig ist ein ursächlicher Zusammenhang, das heißt die Ungewöhnlichkeit des Falls muss ursächlich für den Zeitablauf sein und die Gemeinde darf diese Ungewöhnlichkeiten nicht zu vertreten haben. Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass eine Gemeinde binnen der drei Jahre, die der Gesetzgeber für eine Veränderungssperre ohne besondere Umstände vorsieht, ihre Planungstätigkeit abgeschlossen haben kann, muss die Gemeinde darlegen, dass objektive Gründe einen Abschluss der Planung innerhalb von drei Jahren verhindert haben. Das heißt, es muss erkennbar sein, dass die Gemeinde sich bemüht hat, innerhalb der Frist mit der Planung fertig zu werden, und diese erkennbar vorangetrieben hat, insbesondere nicht aufgrund ihrer eigenen „Entscheidungsschwäche“ die Fertigstellung der Planung vor sich hergeschoben hat (vgl. zu den vorgenannten Maßstäben Senatsurt. v. 12.5.2015 - 1 LB 131/14 -, juris Rn. 32 m.w.N.).

Diese Maßstäbe sind mit Blick auf die Besonderheiten des vorliegenden Verfahren dahingehend zu ergänzen, dass es dann, wenn ein materiell rechtmäßiges Planungsergebnis von vorgreiflichen Verfahrensschritten anderer Normgeber oder Planungsträger abhängt, der Gemeinde versagt ist, sich auf ein zögerliches Voranschreiten dieses anderen Verfahrens zu berufen. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Die Veränderungssperre hat den Zweck, die Planungshoheit der Gemeinde gegen die Schwierigkeit abzusichern, dass das Planaufstellungsverfahren oft mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Genehmigung oder Verwirklichung der Planung entgegenstehender Vorhaben (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, § 14 Rn. 1 <Stand d. Bearb.: 124. EL 2017>). Die Gemeinde soll m. a. W. gegenüber Vorhaben, die ihren Planungsabsichten zuwiderlaufen, so gestellt werden, als könne sie den beabsichtigten Bebauungsplan ohne Zeitverzug aufstellen. Dieser Zweck deckt nicht Fälle ab, in denen der Verwirklichung der gemeindlichen Planungsabsicht neben dem zeitlichen Aufwand des eigentlichen Planaufstellungsverfahrens noch weitere, materiell-rechtliche Hindernisse entgegenstehen, deren Beseitigung nicht in der Hand der Gemeinde liegt. Es muss hier nicht entschieden werden, ob vor diesem Hintergrund eine Planung, solange sie im Widerspruch zu (noch) geltendem höherrangigem Recht steht, überhaupt durch eine Veränderungssperre abgesichert werden kann. Dagegen spricht immerhin, dass dies auf einen - wenn auch vorläufigen und inhaltlich begrenzten - Eingriff in die Regelungskompetenzen des übergeordneten Rechts- bzw. Plangebers hinausliefe, dessen noch nicht aufgehobene Regelung die Planungshoheit ja beschränkt und das gesperrte Vorhaben unmittelbar oder mittelbar zulässt. Jedenfalls aber kann die Veränderungssperre, und erst recht ihre zweite Verlängerung, nur mit der Dauer des gemeindlichen Planaufstellungsvorgangs selbst, nicht aber damit begründet werden, dass dessen Abschluss an inhaltlichen Hürden wie entgegenstehendem Recht oder entgegenstehenden nach § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu beachtenden Planungen Dritter scheitert.

Die Modalitäten des Parallelverfahrens nach § 8 Abs. 3 Satz 1 BauGB, das ein Mindestmaß an zeitlicher Koordination des Flächennutzungsplan- und des Bebauungsplanaufstellungsverfahrens voraussetzt (BVerwG, Urt. v. 3.10.1984 - 4 N 4.84 -, BVerwGE 70, 171 = juris Rn. 22), ändern daran nichts. Macht die planende Gemeinde von der Möglichkeit des Parallelverfahrens Gebrauch und verläuft das parallel von einem Dritten durchgeführte Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans derart schleppend, dass die Gemeinde das Bebauungsplanverfahren nicht innerhalb des regelmäßig angemessenen Dreijahreszeitraums abschließen kann, so sind die Verzögerungsgründe nicht im Bebauungsplanverfahren als solchem, sondern darin zu suchen, dass die Gemeinde einen Plan aufstellen möchte, der mit den den Vorhabenträger begünstigenden materiellen Vorgaben des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB eben (noch) nicht vereinbar ist.

Zutreffend ist, dass im Parallelverfahren Verzögerungen, die im Planaufstellungsverfahren der Gemeinde und solche, die im Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans begründet sind, nicht immer klar zu trennen sind. So werden regelmäßig Gutachten erstellt, die in beiden Plänen Verwendung finden, und die Verfahren der Bürger- und Behördenbeteiligung werden oft gebündelt durchgeführt. In solchen Fällen mag es der Gemeinde unbenommen sein, sich zur Begründung der notwendigen Dauer einer Veränderungssperre auf Verfahrensschritte zu berufen, die zwar formal dem Flächennutzungsplanverfahren zuzuordnen sind, aber - dieses hinweggedacht - im Bebauungsplanverfahren hätten durchgeführt werden müssen. Eine solche hypothetische Erforderlichkeit der Verfahrensschritte (und ihrer Dauer) ist allerdings unabdingbar. Verzögerungen, die im Bebauungsplanverfahren nicht hätten auftreten müssen - sei es, dass die für die Flächennutzungsplanung zuständigen Organe das Verfahren zunächst nicht gewollt oder aus anderen Gründen schleppend betrieben haben, sei es, dass das Flächennutzungsplanverfahren aufgrund der Einbeziehung weiterer Änderungsgegenstände nicht mit einer dem Bebauungsplanverfahren vergleichbaren Geschwindigkeit vorangetrieben werden konnte -, sind spezifisch durch die Wahl des Parallelverfahrens und damit letztlich durch materiell-rechtliche Planungshindernisse bedingt und können nicht als „besondere Umstände“ i.S.d. § 17 Abs. 2 BauGB zulasten des Vorhabenträgers berücksichtigt werden.

Gemessen daran hat die Antragsgegnerin besondere Umstände, die eine Verlängerung der Veränderungssperre über den 20. Dezember 2020 hinaus rechtfertigen könnten, nicht darlegen können. Die von ihr skizzierte Chronologie der beiden Bauleitplanverfahren lässt keine Umstände erkennen, die - sieht man von der Unmöglichkeit ab, den Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln - einem Abschluss des Planaufstellungsverfahrens innerhalb von drei Jahren entgegengestanden hätten. Die Antragsgegnerin wäre spätestens im Dezember 2017 zur Durchführung der frühzeitigen Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung in der Lage gewesen; ob bereits vor diesem Zeitpunkt eine zeitliche Straffung des Verfahrens durch frühzeitige Koordination der Planungen zur südlichen Erweiterung des Gewerbegebiets und zur Ansiedelung des Eigenbetriebs SBU des Landkreises möglich gewesen wäre, ist den vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen, aber auch unerheblich. Tatsächlich durchgeführt wurde die frühzeitige Behörden- und Öffentlichkeitsbeteiligung erst zweieinhalb Jahre später, im Juni/Juli 2020. Die Verzögerung war, soweit erkennbar, ausschließlich dadurch bedingt, dass die Antragsgegnerin Verfahrensschritte der Samtgemeinde zur Änderung des Flächennutzungsplans abwarten wollte. Dabei handelte es sich nicht um Schritte, die - wäre eine Flächennutzungsplanänderung nicht erforderlich gewesen - im Bebauungsplanverfahren hätten vollzogen werden müssen. Die Samtgemeinde hat keine zeitaufwendigen, für beide Verfahren relevanten Gutachten eingeholt. Wesentlichen Anteil am „Nachhinken“ des Flächennutzungsplanverfahrens hatte vielmehr dessen zögerliche Einleitung. Die Antragsgegnerin plante mithin auf lange Zeit ohne eine in der vorgesehenen Form artikulierte Rückendeckung durch die für die Flächennutzungsplanung zuständigen Entscheidungsorgane. Darauf kann sie sich zur Verteidigung der Verfahrensdauer nicht berufen.

Ob es der Antragsgegnerin unabhängig davon vorzuwerfen ist, dass sie die von § 8 Abs. 3 BauGB eingeräumten Möglichkeiten, Verfahrensschritte im Bebauungsplanverfahren auch vor entsprechenden Schritten im Flächennutzungsplanverfahren vorzunehmen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 3.10.1984 - 4 N 4.84 -, BVerwGE 70, 171 = juris Rn. 22), keinen Gebrauch gemacht hat, kann dahinstehen.

2. Die weiter gebotene Abwägung der wechselseitigen Interessen fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Außervollzugsetzung der Veränderungssperre dazu führen kann, dass durch Erteilung der Bodenabbaugenehmigung im Widerspruchsverfahren vollendete Tatsachen zulasten der Planungsvorstellungen der Antragsgegnerin geschaffen werden. Umgekehrt gilt jedoch Entsprechendes; die Antragsgegnerin hat ein hohes Interesse daran, den Bebauungsplan zeitnah in Kraft zu setzen. Geschieht dies vor einer Entscheidung des Senats im Hauptsacheverfahren, so wäre die Antragstellerin - die Wirksamkeit des Bebauungsplans unterstellt - endgültig an der Verwirklichung ihres Vorhabens gehindert. Ein klares Übergewicht des hinter der Planung stehenden öffentlichen Interesses an der Bereitstellung von Gewerbeflächen über das Abbauinteresse der Antragstellerin ist ebenfalls nicht erkennbar; denn auch das letztere ist, wie das Schreiben des LBEG vom 6. Juni 2016 und seine entsprechenden Stellungnahmen in den Verfahren der Behördenbeteiligung verdeutlichen, von nicht unerheblichen öffentlichen Interessen flankiert. Vor diesem Hintergrund geben die hohen Erfolgsaussichten des Normenkontrollantrags den Ausschlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).