Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.02.2021, Az.: 13 ME 545/20

Aroma; Aromaextrakt; Beschwerde; Cannabidiol; CBD; Hanf-Aroma-Extrakt; vorläufiger Rechtsschutz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.02.2021
Aktenzeichen
13 ME 545/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71111
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 18.11.2020 - AZ: 15 B 753/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Erzeugnis ist nicht schon dann als "Aroma" oder "Aromaextrakt" anzusehen, wenn es selbst einen besonderen Geruch und/oder Geschmack hat oder wenn es Lebensmitteln einen besonderen Geruch und/oder Geschmack verleihen oder diese verändern kann. Erforderlich ist vielmehr, dass diese aromatisierende Wirkung der mit der konkreten Verwendung des Erzeugnisses hauptsächlich verfolgte Zweck ist.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer - vom 18. November 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes versagenden Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - 15. Kammer -vom 18. November 2020 bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. Januar 2020 über die sofort vollziehbare Untersagung des Inverkehrbringens von "C. - Natürliches Hanfsamenöl mit Hanf-Aroma-Extrakt" und die Androhung eines Zwangsgelds für den Fall der Nichtbefolgung wiederherzustellen bzw. anzuordnen, zutreffend abgelehnt. Die hiergegen von der Antragstellerin mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Beschwerdeverfahren zu beschränken hat, gebieten eine Änderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung nicht.

1. Die Antragstellerin macht mit ihrer Beschwerde geltend, die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO nicht. Der Begründung fehle der erforderliche Einzelfallbezug. Entgegen der Begründung bestehe weder eine Zulassungspflicht noch ein Gesundheitsrisiko bei der Verwendung. Die Begründung ignoriere ihren - der Antragstellerin - Tatsachenvortrag vollständig.

Diese Einwände greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid des Antragsgegners vom 9. Januar 2020 den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt (Beschl. v. 18.11.2020, Umdruck S. 7).

Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen der Anordnung der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das besondere Interesse der Behörde an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dazu bedarf es einer konkreten und substantiierten Darstellung der wesentlichen Erwägungen, aus denen sich aus der Sicht der Behörde ergibt, dass im vorliegenden Fall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht und dass das Interesse des Betroffenen, von der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts vorerst verschont zu bleiben, hinter diesem öffentlichen Interesse zurückzutreten hat (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 27.3.2018 - 4 ME 41/18 -, NJW 2018, 1989 f. - juris Rn. 3; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 745 ff. jeweils m.w.N.).

Diesen Anforderungen trägt die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 9. Januar 2020 (Blatt 78 ff. der Beiakte 1) hinreichend Rechnung. Der Antragsgegner hat darin das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung damit begründet, dass die Antragstellerin ein cannabidiolhaltiges Produkt in den Verkehr bringt, ohne über die hierfür erforderliche Genehmigung zu verfügen oder ein erforderliches Zulassungsverfahren durchlaufen zu haben. Dem Verbraucher drohten Gesundheitsrisiken durch das nicht zugelassene Produkt. Deshalb könne das weitere Inverkehrbringen bis zu einem Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht abgewartet werden. Diesen öffentlichen Interessen an einem sofortigen Vollzug hat der Antragsgegner die privaten wirtschaftlichen Aussetzungsinteressen der Antragstellerin gegenübergestellt und nachvollziehbar dargestellt, warum er erstgenannte Interessen für überwiegend erachtet (Bescheid v. 9.1.2020, dort S. 5). Diese konkrete und substantiierte Darstellung genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Unerheblich ist - entgegen der Beschwerde - insoweit, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und ein überwiegendes öffentliches Interesse am Sofortvollzug tatsächlich gegeben ist (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 23.2.2016 - 3 S 2225/15 -, juris Rn. 8; Senatsbeschl. v. 10.5.2010 - 13 ME 181/09 -, ZLR 2010, 493, 495 - juris Rn. 3; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80 Rn. 246 (Stand: September 2011) m.w.N.).

2. Die Antragstellerin macht mit ihrer Beschwerde weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für ein Einschreiten nach Art. 138 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) 2017/625 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2017 über amtliche Kontrollen und andere amtliche Tätigkeiten zur Gewährleistung der Anwendung des Lebens- und Futtermittelrechts (ABl. EU L 95 v. 7.4.2017, S. 1; Verordnung über amtliche Kontrollen) erfüllt seien. Es liege schon deshalb kein Verstoß gegen die Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel (ABl. L 327 v. 11.12.2015, S. 1; sog. Novel Food-Verordnung) vor, weil das streitgegenständliche Produkt als Aromaextrakt ein Lebensmittelaroma im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Aromen und bestimmte Lebensmittelzutaten mit Aromaeigenschaften zur Verwendung in und auf Lebensmitteln (ABl. EU L 354 v. 31.12.2008, S. 34) sei und als solches gemäß Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. iii der Novel Food-Verordnung dieser nicht unterfalle. Die widerstreitende Annahme des Verwaltungsgerichts überzeuge nicht. Die Kennzeichnung des Produkts sei klar. Nach der Zutatenliste sei ein Hanf-Aroma-Extrakt zugesetzt, und zwar - ausweislich der Werbung - zu dem Zweck, eine aromatische Eigenschaft zu entfalten. Dieser Aroma-Extrakt sei kein ernährungsphysiologisch aktiver Bestandteil. Sensorische Unterschiede zu früheren Produkten und damit einen aromatischen Effekt habe auch das LAVES festgestellt, selbst wenn es keinen Geschmackstest vorgenommen habe. Dass der aromatische Effekt nur schwach sei, stehe dem Vorliegen eines Lebensmittelaromas nicht entgegen. Das Prüflaboratorium D. habe die Verkehrsfähigkeit des Produkts als Aroma bescheinigt. Auch der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige Dr. E. habe festgestellt, dass das Produkt als Aroma anzusehen sei. Selbst der Antragsgegner habe in einer internen E-Mail vom 7. Januar 2020 die Aromaeigenschaft anerkannt. Angesichts dieser Umstände und unter Berücksichtigung der erheblichen Eingriffswirkung des angeordneten Verbots dürfe bei summarischer Prüfung im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes das Vorliegen eines Lebensmittelaromas nicht verneint werden.

Diese Einwände greifen nicht durch.

Die Antragstellerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass für das streitgegenständliche Produkt der Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung (vgl. zur grundsätzlichen Eröffnung deren Anwendungsbereichs auf Lebensmittel, die durch Extraktion gewonnenes Cannabidiol (CBD) enthalten: Senatsbeschl. v. 12.12.2019 - 13 ME 320/19 -, juris Rn. 16 ff. mit eingehender Begründung) nach deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. iii ("Diese Verordnung gilt nicht für Lebensmittel, die verwendet werden als Lebensmittelaromen gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008.") nicht eröffnet ist.

a. "Aroma" ist nach der Begriffsbestimmung in Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 ein Erzeugnis, das als solches nicht zum Verzehr bestimmt ist und Lebensmitteln zugesetzt wird, um ihnen einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern, (Ziff. i) und das aus Kategorien der Aromastoffe, Aromaextrakte, thermisch gewonnenen Reaktionsaromen, Raucharomen, Aromavorstufen sowie sonstigen Aromen oder deren Mischungen hergestellt wurde oder besteht (Ziff. ii). "Aromaextrakt" ist nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. d der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 ein Erzeugnis, das kein Aromastoff ist und gewonnen wird aus Lebensmitteln, und zwar durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren, bei denen sie als solche verwendet oder mittels eines oder mehrerer der in Anhang II aufgeführten herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren für den menschlichen Verzehr aufbereitet werden (Ziff. i), und/oder Stoffen pflanzlichen, tierischen oder mikrobiologischen Ursprungs, die keine Lebensmittel sind, und zwar durch geeignete physikalische, enzymatische oder mikrobiologische Verfahren, wobei die Stoffe als solche verwendet oder mittels eines oder mehrerer der in Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 1334/2008 aufgeführten herkömmlichen Lebensmittelzubereitungsverfahren aufbereitet werden (Ziff. ii).

Ein Erzeugnis ist hiernach nicht schon dann als "Aroma" oder "Aromaextrakt" anzusehen, wenn es selbst einen besonderen Geruch und/oder Geschmack hat oder wenn es Lebensmitteln einen besonderen Geruch und/oder Geschmack verleihen oder diese verändern kann. Erforderlich ist vielmehr, dass diese aromatisierende Wirkung der mit der konkreten Verwendung des Erzeugnisses hauptsächlich verfolgte Zweck ist (vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, VO (EG) 1334/2008, Art. 3 Rn. 7 und 10 (Stand: März 2013)). Gerade die in der Herstellung von Lebensmitteln eingesetzten Extrakte haben neben den aromatisierenden auch andere, etwa färbende oder antioxidative Eigenschaften. Maßgeblich für die dann erforderliche Abgrenzung der Aromaextrakte, die keine Lebensmittelzusatzstoffe sind, von anderen Extrakten, etwa mit färbender oder antioxidativer Wirkung, die unter den Begriff Lebensmittelzusatzstoff fallen können, kann auch insoweit nur die hauptsächliche Zweckbestimmung sein (vgl. Rathke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, VO (EG) 1334/2008, Art. 3 Rn. 61 (Stand: März 2013)).

Eine abweichende Betrachtung ist bei dem hier zu beurteilenden Anwendungsausschluss für die Novel Food-Verordnung nach deren Art. 2 Abs. 2 Buchst. b Ziff. iii nicht geboten. Denn auch dieser greift nicht bereits dann ein, wenn ein Erzeugnis aromatische Eigenschaften haben kann. Er setzt vielmehr voraus, dass ein Erzeugnis konkret als Lebensmittelaroma "verwendet" wird (vgl. Ballke, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, VO (EU) 2015/2283, Art. 2 Rn. 28 (Stand: November 2018)).

b. Die Antragstellerin hat bisher nicht glaubhaft gemacht (vgl. zum Glaubhaftmachungserfordernis im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO: Senatsbeschl. v. 4.9.2019 - 13 ME 282/19 -, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 31.5.1999- 10 S 2766/98 -, NVwZ 1999, 1243, 1244 - juris Rn. 12; Hessischer VGH, Beschl. v. 1.8.1991 - 4 TG 1244/91 -, NVwZ 1993, 491, 492 [VGH Hessen 01.08.1991 - 4 TH 1244/91] - juris Rn. 34; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 80 Rn. 125 m.w.N.), dass der dem streitgegenständlichen Produkt zugesetzte "Hanf-Aroma-Extrakt" eine aromatisierende Wirkung bezweckt. Der Senat hält es nicht für überwiegend wahrscheinlich (vgl. zu dieser Herabsetzung des Beweismaßes bei einer im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes erforderlichen Glaubhaftmachung: BVerfG, Beschl. v. 29.7.2003 - 2 BvR 311/03 -, NVwZ 2004, 95, 96 - juris Rn. 16; BVerwG, Beschl. v. 26.2.2014 - BVerwG 6 C 3.13 -, NVwZ 2014, 1229, 1231 - juris Rn. 27; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 94 f. (Stand: März 2014) m.w.N.), dass der "Hanf-Aroma-Extrakt" dem streitgegenständlichen Produkt deshalb zugesetzt wurde, um dem in diesem Produkt ebenfalls enthaltenen Lebensmittel "Hanfsamenöl" einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern.

Ausweislich der dem Senat vorliegenden Verpackung (Blatt 15 f. der Beiakte 1) bewirbt die Antragstellerin das streitgegenständliche Produkt zwar als "Natürliches Hanfsamenöl mit Hanf-Aroma-Extrakt", weist bei einer "Zusammensetzung pro Tagesdosis / 1 Tropfen entspricht: OMEGA 3: 4,8 mg, OMEGA 6: 14 mg, Cannabidiol: 2 mg, Vitamin E: 0,26 mg" auf ein "Kräftiges Hanf Aroma" hin und zeichnet als "Zutaten: Bio Hanfsamenöl Bio Hanfaromaextrakt" (alle Hervorhebungen durch den Senat aus) aus.

Dass mit dem Zusatz des Hanf-Extraktes zu dem Hanfsamenöl tatsächlich eine aromatisierende Wirkung bezweckt wird, ist aber eher fernliegend.

Nach den Feststellungen des Niedersächsischen Landesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit im Schreiben vom 9. September 2019 (Blatt 59 f. der Beiakte 1) weist der dem streitgegenständlichen Produkt zugesetzte Hanf-Aroma-Extrakt einen vergleichbaren Gehalt an Cannabidiol (CBD) auf wie die in anderen von der Antragstellerin vertriebenen Hanfsamenölen verwendeten Hanfextrakte, denen auch von der Antragstellerin eine aromatisierende Wirkung nicht zugedacht wird. Auch hinsichtlich der sensorischen Eigenschaften seien zwischen den Produkten "kaum Unterschiede feststellbar". Alle drei Produkte "wiesen die typische Hanfnote mit etwa gleicher Intensität auf". Bei der Geruchsintensität falle das streitgegenständliche Produkt gegenüber den anderen Produkten "sogar etwas ab". Aromaeigenschaften des von der Antragstellerin zugesetzten Hanf-Aroma-Extrakts seien "nicht feststellbar".

Diese für den Senat nachvollziehbaren und durch das etwaige Fehlen eines Geschmackstests nicht minder tragfähigen Feststellungen hat die Antragstellerin bisher nicht ansatzweise entkräftet.

Die Antragstellerin hat sich im erstinstanzlichen Verfahren darauf beschränkt herauszustellen, dass der von ihr verwendete Hanf-Aroma-Extrakt aromatische Eigenschaften in Bezug auf Geschmack und/oder Geruch aufweist und dass "eine entsprechende Intensivierung des Hanfgeschmacks durch den enthaltenen Extrakt gerade nicht ausgeschlossen ist" (Schriftsatz der Antragstellerin v. 16.1.2020, dort S. 3 f. = Blatt 3 f. der Gerichtsakte). Hierauf kommt es nach dem eingangs dargestellten Maßstab aber nicht an. Entscheidend für die Einstufung als Aroma ist, dass der Hanf-Aroma-Extrakt von der Antragstellerin verwendet wird, um dem Lebensmittel "Hanfsamenöl" einen besonderen Geruch und/oder Geschmack zu verleihen oder diese zu verändern. Eine solche Zweckbestimmung hat die Antragstellerin für die hier zu beurteilende konkrete Verwendung nicht nachvollziehbar aufgezeigt. Gegen eine hauptsächlich bezweckte aromatisierende Wirkung spricht auch schon der hohe Gehalt an CBD in dem zugesetzten Extrakt, der diesen als wertgebende Zutat (so auch LAVES, Prüfbericht v. 22.7.2019, dort S. 3 = Blatt 9 der Beiakte 1) mit eher ernährungsphysiologischer Zweckbestimmung erscheinen lässt.

Nichts Anderes ergibt sich aus dem Prüfbericht bzw. der Verkehrsfähigkeitsbescheinigung der D. GmbH vom 15. Mai 2019 (Blatt 28 ff. der Gerichtsakte) und den dortigen "Anmerkungen: Wir gehen dabei davon aus, dass das Hanfaromaextrakt der Definition 'Aroma' sowie 'Aromaextrakt' aus der Verordnung (EG) 1334/2008 entspricht und somit nicht im Anwendungsbereich der Verordnung (EU) 2015/2283 liegt." Schon der Anknüpfungspunkt und der Aussagegehalt dieser Anmerkungen sind offen, da nicht erkennbar ist, ob es sich um eine schlichte Annahme der D. GmbH oder eine eigene Feststellung handelt. Selbst in letztgenanntem Falle fehlte es zudem an einer Begründung, anhand derer die Feststellung nachvollzogen und auf ihre inhaltliche Richtigkeit hin überprüft werden könnte.

Das Sachverständigengutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Arzneimittel, Lebensmittel und Kosmetika Dr. E. vom 4. März 2020 (Blatt 93 ff. der Gerichtsakte) erschöpft sich in rechtlichen Ausführungen, beantwortet die letztlich erhebliche Frage aber nicht, ob der dem streitgegenständlichen Produkt zugesetzte "Hanf-Aroma-Extrakt" eine aromatisierende Wirkung bezweckt.

Die von der Antragstellerin schließlich bemühte E-Mail eines Mitarbeiters des Antragsgegners vom 7. Januar 2020 (Blatt 76 der Beiakte 1) ist unergiebig. Sie erschöpft sich in den Hinweisen, dass ein Aroma keiner Zulassung nach der Novel Food-Verordnung bedürfe und dass die von der Antragstellerin begehrte Einstufung als Aroma "rechtlich nicht ausreichend gewürdigt" sei.

3. Die Antragstellerin macht mit ihrer Beschwerde schließlich geltend, das Verwaltungsgericht habe das öffentliche Vollzugsinteresse unzutreffend höher gewichtet als ihr Aussetzungsinteresse. Ein öffentliches Vollzugsinteresse könne nicht mit Gesundheitsrisiken der Verwendung des Produkts begründet werden. Das Verwaltungsgericht habe insoweit bloße Vermutungen angestellt. Der Europäische Gerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 19. November 2020 - C-663/18 - hingegen ausdrücklich festgestellt, dass CBD keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit habe. Auch die WHO habe Cannabinoide in ihrer Erklärung vom 24. Januar 2019 "als gesundheitlich völlig unbedenklich" eingestuft.

Auch dieser Einwand greift nicht durch. Ein besonderes Vollzugsinteresse ist tatsächlich gegeben (a.), und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die die Antragstellerin treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung (b.).

a. Schon zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit und des vorbeugenden Gesundheits- und Verbraucherschutzes potenzieller Konsumenten ist es unabdingbar, mit sofortiger Wirkung zu unterbinden, dass die Antragstellerin weiterhin ein nicht zugelassenes neuartiges Lebensmittel herstellt und in Verkehr bringt. Hierfür ist es unerheblich, ob die Verwendung des Produkts eine konkrete Gesundheitsgefahr für die Konsumenten bedingt. Im Übrigen ist - entgegen der Beschwerde - eine solche Gesundheitsgefahr auch nicht nachweislich ausgeschlossen. Dies gilt zum einen mit Blick auf das von der Antragstellerin in Bezug genommene Schreiben der WHO an den UN-Generalsekretär vom 24. Januar 2019, weil sich hieraus - entgegen der Beschwerde - eine Einstufung "als gesundheitlich unbedenklich" keinesfalls ergibt (Schreiben der WHO v. 24.1.2019, dort S. 2: "Cannabidiol preparations. To give effect to the recommendation of the fortieth meeting of the ECDD that preparations considered to be pure cannabidiol (CBD) should not be scheduled within the International Drug Control Conventions by adding a footnote to the entry for cannabis and cannabis resin in Schedule I of the Single Convention on Narcotic Drugs (1961) to read 'Preparations containing predominantly cannabidiol and not more than 0,2 percent of delta-9-tetrahydrocannabinol are not under international control'", veröffentlicht unter www.who.int/medicines/access/controlled-substances/UNSG_letter_ECDD41_recommendations_cannabis_24Jan19.pdf?ua=1, Stand: 10.1.2020; vgl. Senatsbeschl. v. 10.1.2020 - 13 ME 391/19 -, V.n.b. Umdruck S. 11). Dies gilt zum anderen aber auch mit Blick auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 19. November 2020, die die Einordnung von CBD als Suchtstoff betrifft und die die Bewertung der Gesundheitsrisiken im jeweiligen Einzelfall unter Berücksichtigung des konkreten Produkts den nationalen Gerichten überlässt (- C-663/18 -, juris Rn. 72, 75, 93 und 95: "Aus den in Rn. 34 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Angaben in den dem Gerichtshof vorliegenden Akten ergibt sich jedoch, dass nicht ersichtlich ist, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende CBD auf der Grundlage der verfügbaren wissenschaftlichen Daten psychotrope Wirkungen und schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit hat."; "In Anbetracht dieser Umstände, deren Überprüfung Sache des vorlegenden Gerichts ist, würde es dem Ziel und dem Grundgedanken des Einheits-Übereinkommens widersprechen, CBD als Cannabisextrakt in die Definition der "Suchtstoffe" im Sinne dieses Übereinkommens einzubeziehen, da es beim gegenwärtigen Stand der in Rn. 34 des vorliegenden Urteils angeführten wissenschaftlichen Erkenntnisse keinen psychoaktiven Wirkstoff enthält."; "Es ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts, anhand der in den Rn. 83 bis 92 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu beurteilen, ob das Verbot der Vermarktung des in einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellten CDB, wenn es aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, geeignet ist, die Erreichung des Ziels des Schutzes der öffentlichen Gesundheit zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist."; "Zur Erforderlichkeit des Verbots der Vermarktung von CBD, wenn dieses aus der gesamten Cannabis-sativa-Pflanze und nicht nur aus ihren Fasern und Samen gewonnen wird, ist anzumerken, dass die Französische Republik nicht verpflichtet ist, nachzuweisen, dass die gefährliche Eigenschaft eines solchen Erzeugnisses identisch ist mit derjenigen von Suchtstoffen wie den in den Tabellen I und II des Einheits-Übereinkommens angeführten Stoffen. Gleichwohl ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die ihm zur Verfügung stehenden und vorgelegten wissenschaftlichen Daten zu würdigen, um sich im Licht der in den Rn. 88 bis 92 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung und unter Berücksichtigung der Erwägungen in Rn. 72 dieses Urteils zu vergewissern, dass die geltend gemachte tatsächliche Gefahr für die öffentliche Gesundheit nicht auf rein hypothetischen Erwägungen beruht."). Dass die danach gegebenen Interessen am sofortigen Vollzug mit den öffentlichen Interessen am Erlass und der Durchsetzung der streitgegenständlichen Verfügung als solcher übereinstimmen, steht der Annahme eines besonderen Vollzugsinteresses nicht entgegen. Das Verbot des Inverkehrbringens nicht zugelassener neuartiger Lebensmittel dient der Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und ist auf den Schutz überragend wichtiger Gemeinwohlbelange gerichtet. Das öffentliche Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr begründet für sich ein hinreichendes besonderes Interesse an einer sofortigen Vollziehung (vgl. Senatsbeschl. v. 17.10.2018 - 13 ME 107/18 -, GewArch 2019, 45 - juris Rn. 30; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.1.2008 - 3 M 196/07 -, juris Rn. 5; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.9.2006 - 8 ME 115/06 -, juris Rn. 21 ff.; Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, Rn. 759 jeweils m.w.N.).

b. Die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen auch die die Antragstellerin treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung.

Bei einem Aufschub des Vollzugs bis zur Entscheidung in der Hauptsache dürfte die Antragstellerin die streitrelevanten Produkte weiter in Verkehr bringen. Die hiermit verbundenen Verstöße gegen das Lebensmittelrecht und Beeinträchtigungen der Lebensmittelsicherheit würden irreparabel realisiert. Der Gesundheits- und Verbraucherschutz potenzieller Konsumenten wäre gefährdet. Diese erheblichen konkreten Nachteile auch für überragend wichtige Rechtsgüter werden nicht von schutzwürdigen wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin überwogen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen des vom Antragsgegner verfügten Verbots, die streitrelevanten Produkte in Verkehr zu bringen, hat die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht konkret beziffert, so dass eine etwaige Existenzgefährdung nicht angenommen werden kann. Unabhängig davon wiesen die von der Antragstellerin beschriebenen wirtschaftlichen Auswirkungen auch nicht ein solches Gewicht auf, dass sie das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegen könnten. Denn die hier maßgeblich betroffenen bloßen künftigen Erwerbsmöglichkeiten der Antragstellerin sind schon als solche (grundgesetzlich) nicht schutzwürdig (vgl. BVerfG, Beschl. v. 28.7.2004 - 1 BvR 2566/95 -, juris Rn. 26 m.w.N.) und stehen im zu entscheidenden Fall zudem nicht im Einklang mit der Rechtsordnung (siehe hierzu oben 2.).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG und Nr. 1.5 Satz 1 Halbsatz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).