Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 16.10.2023, Az.: 13 ME 184/23

Befristung; Beschwerde; Einreise- und Aufenthaltsverbot; Verfahrensduldung; vorläufiger Rechtsschutz; Keine Erteilung einer sog. Verfahrensduldung für Klage auf kürzere Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
16.10.2023
Aktenzeichen
13 ME 184/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 39212
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2023:1016.13ME184.23.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 15.09.2023 - AZ: 5 B 3922/23

Fundstelle

  • NordÖR 2023, 673

Amtlicher Leitsatz

Ein Ausländer kann die Erteilung einer sog. Verfahrensduldung zum Zwecke der Durchführung eines Klageverfahrens im Bundesgebiet mit dem Ziel, die Dauer eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots auf Null zu befristen, nicht beanspruchen.

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Vorsitzende der 5. Kammer - vom 15. September 2023 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Hannover - Vorsitzende der 5. Kammer - vom 15. September 2023 bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den mit der Beschwerde weiter verfolgten sinngemäßen Antrag, die Antragsgegnerin im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegen den Antragsteller bis zum Abschluss des Klageverfahrens (VG Hannover, 5 A 3921/23) abzusehen, zutreffend abgelehnt. Die hiergegen mit der Beschwerde geltend gemachten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Beschwerdeverfahren zu beschränken hat, gebieten eine Änderung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung nicht.

1. Der Antragsteller moniert, das Verwaltungsgericht habe den von ihm geltend gemachten Anspruch auf eine kürzere Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots zu Unrecht nicht berücksichtigt. Würden die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots und daran anknüpfend die Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet, dürfte er mit Blick auf sein minderjähriges Kind im Bundesgebiet verbleiben und wäre nicht mehr gehalten, erst aus- und anschließend wieder einzureisen. Aufgrund der grundlegenden Änderung seines Verhaltens nach den strafrechtlichen Verfehlungen und während der Behandlung im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen, der er sich selbst gestellt habe, könne davon ausgegangen werden, dass er in Zukunft straffrei leben werde.

Diese Einwände greifen nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat in der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung einen im Verfahren nach § 123 VwGO sicherungsfähigen Anspruch des Antragstellers auf Aussetzung der Abschiebung zum Zwecke der Durchführung des Klageverfahrens (VG Hannover, 5 A 3921/23) auf Aufhebung des Bescheids der Antragsgegnerin vom 11. Juli 2023 (Blatt 4 ff. der Gerichtsakte) und auf Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Befristung des bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots auf Null im Bundesgebiet (sog. Verfahrensduldung) zutreffend verneint (Beschl. v. 15.9.2023, S. 2 f.).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 18.12.2019 - BVerwG 1 C 34.18 -, BVerwGE 167, 211, 221 - juris Rn. 30) und auch des Senats (vgl. grundlegend den Beschl. v. 22.8.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3 m.w.N.) folgt im Umkehrschluss aus den in § 81 Abs. 3 und 4 AufenthG getroffenen, begrenzten Regelungen, dass für die Dauer von Verwaltungs- oder gerichtlichen Verfahren nicht stets eine Verfahrensduldung zu erteilen ist. Sie kann aber zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erteilt werden, wenn eine Aussetzung der Abschiebung notwendig ist, um die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Verfahrens aufrechtzuerhalten und so sicherzustellen, dass eine aufenthaltsrechtliche Regelung einem möglicherweise Begünstigten zugutekommen kann (vgl. dies bejahend etwa für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Abs. 1 AufenthG: Senatsbeschl. v. 21.8.2018 - 13 ME 56/18 -, juris Rn. 4; nach § 25b Abs. 1 AufenthG: Senatsbeschl. v. 17.3.2022 - 13 ME 91/22 -, juris Rn. 4; nach § 28 Abs. 1 Satz 4 AufenthG: Senatsbeschl. v. 26.4.2018 - 13 ME 71/18 -, juris Rn. 7; und dies verneinend etwa für die Verlängerung oder Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 2 AufenthG: Senatsbeschl. v. 25.4.2019 - 13 ME 86/19 -, juris Rn. 5; nach §§ 18, 18a AufenthG: Senatsbeschl. v. 14.5.2021 - 13 ME 264/21 -, Umdruck S. 2; nach § 19c Abs. 3 AufenthG: Senatsbeschl. v. 15.1.2021 - 13 ME 406/20 -, Umdruck S. 3 f.; nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 AufenthG: Senatsbeschl. v. 10.3.2022 - 13 ME 53/22 -, Umdruck S. 7; v. 22.8.2017 - 13 ME 213/17 -, juris Rn. 3; nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG: Senatsbeschl. v. 19.9.2017 - 13 ME 192/17 -, Umdruck S. 3; nach § 36 Abs. 2 AufenthG: Senatsbeschl. v. 15.8.2022 - 13 ME 187/22 -, Umdruck S. 3).

Nach diesem Maßstab kommt die Erteilung einer Verfahrensduldung zum Zwecke der Durchführung eines Klageverfahrens im Bundesgebiet mit dem Ziel, die Dauer eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots auf Null zu befristen, von vorneherein nicht in Betracht. Eine solche Verfahrensduldung wäre nicht darauf gerichtet, die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erforderlichen und tatsächlich gegebenen tatbestandlichen Voraussetzungen für die Dauer des Klageverfahrens aufrechtzuerhalten. Die Erteilung einer solchen Verfahrensduldung ist auch nicht zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich. Denn gegebene tatbestandliche Voraussetzungen für eine nachträgliche Verkürzung eines bestehenden Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 4 AufenthG (vgl. hierzu im Einzelnen: Senatsurt. v. 18.2.2021 - 13 LB 269/19 -, juris Rn. 35 ff. m.w.N.) bleiben von einer etwaigen Aufenthaltsbeendigung des Ausländers regelmäßig unberührt. Ebenso kann das auf eine kürzere Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gerichtete Klageverfahren von dem Ausländer regelmäßig hinreichend effektiv auch aus dem Ausland betrieben werden. Der demgegenüber von dem Antragsteller erhobene Einwand, würden die Dauer des Einreise- und Aufenthaltsverbots und daran anknüpfend die Wirkungen der Ausweisung auf Null befristet, dürfte er mit Blick auf sein minderjähriges Kind im Bundesgebiet verbleiben und wäre nicht mehr gehalten, erst aus- und anschließend wieder einzureisen, greift demgegenüber ersichtlich zu kurz. Denn die Aufhebung oder Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots ist nur eine notwendige, nicht aber eine hinreichende Bedingung für einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet. Neben der Beseitigung der Einreise- und Aufenthalts- sowie Titelerteilungsverbote des § 11 Abs. 1 AufenthG bedürfen Ausländer für einen legalen Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG grundsätzlich eines Aufenthaltstitels, müssen mithin auch die allgemeinen und besonderen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels erfüllen. Dass diese Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Antragsteller nicht dargelegt.

2. Der Antragsteller macht mit seiner Beschwerde weiter geltend, das Verwaltungsgericht habe die von ihm geltend gemachten Nachteile für das Wohl seines minderjährigen Kindes bei seiner Abschiebung aus dem Bundesgebiet nicht hinreichend beachtet. Sein 2013 geborener Sohn F. sei krankheitsbedingt erheblich beeinträchtigt und auf regelmäßigen Kontakt zu seinem Vater angewiesen. Die Kindesmutter habe dies unter dem 22. März 2023 bestätigt. Eine langjährige Trennung führe zu einer erheblichen Verschlechterung der Gesundheit des Kindes. Die sein Kind behandelnde Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. G. habe unter dem 12. April 2023 darauf hingewiesen, dass die Unterstützung beider Elternteile wichtig sei und dass der Verlust des Vaters durch eine Abschiebung vermutlich zu einer Dekompensation der emotionalen Symptomatik des Kindes führen würde. Bei dieser fachärztlichen Einschätzung handele es sich entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts nicht um eine bloße Vermutung, sondern um die hinreichende Bewertung einer prognostischen Erwartbarkeit. Es sei auch gerichtsbekannt und bedürfe keines weiteren Nachweises, dass die mehrjährige Trennung eines zehnjährigen Kindes von seinem Vater die Vater-Kind-Beziehung dauerhaft und irreparabel schädige.

Diese Einwände ziehen die in der erstinstanzlichen Entscheidung vom Verwaltungsgericht getroffene Feststellung, der Antragsteller könne eine Aussetzung seiner Abschiebung nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG in Verbindung mit Art. 6 GG und Art. 8 EMRK nicht beanspruchen (Beschl. v. 15.9.2023, S. 3), nicht durchgreifend in Zweifel. Der Antragsteller hat einen dahingehenden Anordnungsanspruch auch mit seinem Beschwerdevorbringen nicht in einer den Anforderungen des § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO genügenden Weise glaubhaft gemacht.

Nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG ist die Abschiebung eines Ausländers auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Eine rechtliche Unmöglichkeit im Sinne dieser Bestimmung liegt vor, wenn sich etwa aus unmittelbar anwendbarem Unionsrecht, innerstaatlichem Verfassungsrecht oder einfachem Gesetzesrecht sowie in innerstaatliches Recht inkorporiertem Völker- und Völkervertragsrecht ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis ergibt (vgl. Senatsbeschl. v. 11.9.2018 - 13 ME 392/18 -, juris Rn. 7; GK-AufenthG, § 60a Rn. 168 (Stand: März 2021) jeweils m.w.N.).

a) Nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdige Belange können einer (zwangsweisen) Beendigung des Aufenthalts des Ausländers dann entgegenstehen, wenn es dem Ausländer nicht zuzumuten ist, seine familiären Bindungen durch Ausreise auch nur kurzfristig zu unterbrechen (vgl. BVerwG, Urt. v. 4.6.1997 - BVerwG 1 C 9.95 -, BVerwGE 105, 35, 39 ff. - juris Rn. 27 ff.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 20.5.2009 - 11 ME 110/09 -, juris Rn. 10 jeweils m.w.N.).

Der Senat stellt nicht in Abrede, dass die familiäre Beziehung zwischen dem Antragsteller und seinem 2013 geborenen, pflegebedürftigen Sohn F. nach Art. 6 Abs. 1 GG schutzwürdig ist. Unterstellt, was vom Antragsteller aber nicht glaubhaft gemacht ist, seinem Sohn und der Kindesmutter ist es unzumutbar, gemeinsam mit dem Antragsteller das Bundesgebiet zu verlassen und in einem anderen Land die familiäre Lebensgemeinschaft zu führen (vgl. zur Maßgeblichkeit dieses Aspekts für den Schutz familiärer Lebensgemeinschaften von Ausländern im Bundesgebiet: BVerfG, Beschl. v. 12.5.1987 - 2 BvR 1226/83 -, BVerfGE 76, 1 ff. - juris Rn. 114; Senatsbeschl. v. 30.8.2018 - 13 ME 325/18 -, juris Rn. 6 m.w.N.), führt die Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers voraussichtlich zu einer mehrjährigen Trennung von Vater und Kind. Diese Trennung beeinträchtigt fraglos auch das Wohl des Kindes: Erziehungsbeiträge des Vaters bleiben weitgehend aus, und abgesehen von Möglichkeiten der Fernkommunikation und Urlaubsbesuchen ist ein alltägliches, familiäres Zusammenleben nicht möglich. Eine erhebliche Verschlechterung der gesundheitliches Situation des Kindes durch eine Aufenthaltsbeendigung des Antragstellers erachtet aber der Senat - ebenso wie zuvor das Verwaltungsgericht in der angefochtenen Entscheidung (Beschl. v. 15.9.2023, S. 3) - nicht für überwiegend wahrscheinlich und damit nicht für glaubhaft gemacht (vgl. zu dieser Herabsetzung des Beweismaßes bei der nach § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO erforderlichen Glaubhaftmachung: BVerfG, Beschl. v. 29.7.2003 - 2 BvR 311/03 -, NVwZ 2004, 95, 96 - juris Rn. 16; BVerwG, Beschl. v. 26.2.2014 - BVerwG 6 C 3.13 -, NVwZ 2014, 1229, 1231 - juris Rn. 27; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 123 Rn. 94 f. (Stand: Februar 2022) m.w.N.). Die Kindesmutter äußert in ihrer Stellungnahme vom 22. März 2023 (Blatt 9 der Gerichtsakte) durchaus eine dahingehende Sorge. Diese ist für den Senat aus der Sicht eines Elternteils verständlich, aber mangels konkreter Begründung nicht hinreichend gewichtig. Die Stellungnahme der das Kind behandelnden Fachärztin für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Dr. G. vom 12. April 2023 (Blatt 3 der Gerichtsakte) stellt zwar verschiedene Diagnosen (Aufmerksamkeitsdefizit und Hyperaktivitätsstörung, Störung des Kindesalters, kombinierte Störung schulischer Fertigkeiten, Schlafstörung, Tic-Störung) und weist nachvollziehbar auf die Notwendigkeit einer medikamentösen Therapie und einer intensiven ambulanten Förderung durch Lerntherapie und Ergotherapie hin. Der gezogene Schluss, ein "Verlust des Vaters durch die Abschiebung würde vermutlich zu einer Dekompensation der emotionalen Symptomatik" des Kindes führen, wird aber nicht näher begründet und ist daher für den Senat nicht plausibel. Insbesondere fehlt die mangelnde Berücksichtigung bereits absolvierter längerer Trennungsphasen von Vater und Kind während der Untersuchungshaft in 2020/2021 und während der Unterbringung im Maßregelvollzug seit September 2022. Insoweit hätte es nicht nur nahegelegen, sondern wäre erforderlich gewesen, etwaige Auswirkungen dieser Trennung darzustellen und zu bewerten.

Unter Berücksichtigung der derart bewerten familiären Belange stehen die Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG einer Abschiebung des Antragstellers aus dem Bundesgebiet nicht entgegen. Denn der Schutz nach dieser Bestimmung wirkt nicht absolut, sondern ist bei aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen neben den sonstigen Umständen des Einzelfalls im Rahmen einer Abwägung zu berücksichtigen (vgl. zu diesem Berücksichtigungsgebot: BVerfG, Beschl. v. 9.12.2021 - 2 BvR 1333/21 -, juris Rn. 45 ff.; Senatsbeschl. v. 28.11.2018 - 13 ME 473/18 -, juris Rn. 9 ff. jeweils m.w.N.). Diese Abwägung geht zu Lasten des Antragstellers aus. Sein Interesse sowie das Interesse seines Kindes und der Kindesmutter, eine familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zu führen, wird von den gewichtigen widerstreitenden öffentlichen Ausreiseinteressen überwogen. Diese Ausreiseinteressen finden ihren Ausgangspunkt in der zurückliegenden Delinquenz des Antragstellers, der daran anknüpfenden bestandskräftigen Ausweisung der Antragsgegnerin im Bescheid vom 25. September 2019 und dem angeordneten Einreise- und Aufenthaltsverbot. Das Gewicht dieser Ausreiseinteressen erhöht sich maßgeblich dadurch, dass der Antragsteller auch nach der Ausweisung und in Kenntnis seiner familiären Lebensumstände erneut in ganz erheblicher Weise straffällig geworden und vom Landgericht B-Stadt in 2021 rechtskräftig wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt worden ist, er sein Verhalten mithin weder an den öffentlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland noch an den privaten Belangen seines Kindes orientiert hat. Gerade letztgenannte Belange sind ihm bekannt gewesen, als er sich in einem mit der Antragsgegnerin im Januar 2021 geschlossenen Vergleich darauf einließ, dass die ihm seiner Zeit nur erteilte Duldung erlischt, wenn er erneut wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird (vgl. zur Vorstehendem die Darstellung im Bescheid der Antragsgegnerin v. 11.7.2023, S. 3 ff. = Blatt 5 ff. der Gerichtsakte). Unter Berücksichtigung der langjährigen, erheblichen Straffälligkeit des Antragstellers ist die nun seit kurzem im Maßregelvollzug gezeigte Verhaltensbesserung (vgl. die Stellungnahmen des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen v. 3.3.2023 und v. 5.4.2023, Blatt 11 f. der Gerichtsakte) beachtlich. Sie vermag das ganz erhebliche Gewicht der öffentlichen Ausreiseinteressen aber noch nicht derart zu reduzieren, dass die widerstreitenden privaten Bleibeinteressen überwiegen würden. Es ist von ihm, seinem Kind und der Kindesmutter vielmehr derzeit hinzunehmen, dass der Aufenthalt beendet wird und die familiäre Lebensgemeinschaft für längere Zeit im Bundesgebiet nicht gelebt werden kann.

b) Vermittelt der Schutz der Familie nach Art. 6 GG danach kein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis, gilt Gleiches für den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 Abs. 1 EMRK. Art. 8 EMRK kann dort, wo sein Anwendungsbereich sich mit dem des Art. 6 Abs. 1 GG deckt, keine weitergehenden als die durch Art. 6 Abs. 1 GG vermittelten Schutzwirkungen entfalten. Das ist unter anderem für das Verhältnis von Eheleuten untereinander und von Eltern und minderjährigen Kindern der Fall; deren Beziehung wird vom Schutzbereich beider Vorschriften umfasst (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 - BVerwG 1 C 20.97 -, NVwZ 1998, 748, 750 - juris Rn. 28; Senatsbeschl. v. 9.7.2018 - 13 ME 212/18 -, Umdruck S. 4 f.).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.