Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.02.2021, Az.: 10 LC 149/20

2018; Anrechnung; Dürre; Dürrebeihilfe; Dürrehilfe; Erlös; Ermessen; Fonds; kurzfristig; Privatvermögen; Riester; Riester-Rente; Vermögen; Verwertung; zumutbar; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.02.2021
Aktenzeichen
10 LC 149/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2021, 71106
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 13.05.2020 - AZ: 6 A 928/19

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung sind die Erlasse des Landes auch dann maßgeblich, wenn diese von der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Land abweichen.
2. Die Landwirtschaftskammer muss zur Beantwortung der Frage der Zumutbarkeit der Verwertung von Privatvermögen im konkreten Einzelfall den gesamten (erkennbaren) Sachverhalt in den Blick nehmen.
3. Riester-Verträge unterfallen regelmäßig nicht dem kurzfristig zumutbar verwertbaren Privatvermögen im Sinne der bei der Dürrehilfe zu beachtenden Verwaltungsvorschriften.

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade - 6. Kammer - vom 13. Mai 2020 geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts neu zu bescheiden.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Dürrehilfe für das Jahr 2018.

Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer einen landwirtschaftlichen Betrieb. Seine Ehefrau ist Bankkauffrau.

Am 28. November 2018 beantragte der Kläger die Gewährung einer Dürrehilfe für einen Schaden von 31.566,38 Euro. Dabei gab er als Privatvermögen mit Stand vom 30. Juni 2018 ein Barvermögen von 2.431,00 Euro sowie ein Depot zu einem Wert von 40.563,00 Euro an. Das Depot enthält neben einem Riester-Fondsprodukt noch andere Fondsprodukte. Zum Nachweis der angegebenen Werte legte er eine Bestätigung der Bank vor, auf der von seiner Ehefrau hinsichtlich des Depots im unteren Bereich der Seite handschriftlich vermerkt worden ist, dass es sich bei dem Depot-Guthaben um private Ersparnisse handele, die sie für ihren Ruhestand vorgesehen habe.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Der Schaden sei um das zumutbar verwertbare Privatvermögen zu kürzen. Der Kläger habe in seinem Antrag angegeben, zum 30. Juni 2018 über privates Vermögen zu verfügen, welches die Höhe des Schadens übersteige. Somit sei eine Berechnung der Billigkeitsleistung nicht mehr möglich. Gesichtspunkte, die eine anderweitige Entscheidung rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 12. Juli 2019 Klage erhoben. Da er Einzelunternehmer sei, könnten ausschließlich die Vermögenswerte des Betriebes bzw. seine eigenen betrachtet werden. Es sei nicht zumutbar, die private Altersvorsorge seiner Ehefrau einzubeziehen, da sie an dem landwirtschaftlichen Unternehmen nicht beteiligt sei. Das private Vermögen seiner Ehefrau sei über einen Zeitraum von über 30 Jahren aufgebaut worden. Vergleichbare Beträge könnten innerhalb eines absehbaren Zeitraums nicht wiederaufgebaut werden. Die Einbeziehung des Vermögens seiner Ehefrau sei daher unzumutbar.

Der Kläger hat beantragt,

den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 17. Juni 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Dürrebeihilfe von 13.124,24 Euro zu bewilligen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Privatvermögen des Ehepartners sei zu berücksichtigen. Entscheidend sei, ob die Ehefrau des Klägers zum Stichtag am 30. Juni 2018 Verfügungsgewalt über das Vermögen gehabt habe. Der Zweck und die in der Finanzplanung vorgesehene Verwendung seien für die Bewilligung der Billigkeitsleistung unerheblich. Aus Nr. 5.4 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, vom 18. April 2019 - VV - folge, dass das zumutbar verwertbare Privatvermögen anzurechnen sei. Mit Erlass vom 29. Mai 2019 habe das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - ML - die Nr. 5.4 VV endgültig dahingehend konkretisiert, dass auch Vermögenswerte auf privaten Konten, die Rücklagen für anstehende Investitionen im Betrieb beinhalten, bei der Berechnung der Schadenshöhe zu berücksichtigen seien. Demzufolge sei eine strenge Vorgehensweise anzuwenden. Auch das Vermögen, welches als Altersvorsorge der Ehefrau gedacht sei, müsse vor diesem Hintergrund berücksichtigt werden, da auch dieses aufgrund der Heirat der Existenzsicherung der landwirtschaftlichen Unternehmerfamilie diene. Umgekehrt profitiere die Ehefrau auch vom finanziellen Erfolg des Ehegatten und letztendlich auch von seiner Altersvorsorge.

Mit Urteil vom 13. Mai 2020 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2019 aufgehoben, die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden und die Klage im Übrigen abgewiesen. Der Kläger habe zwar keinen Anspruch auf die Bewilligung der Dürreihilfe, wohl aber auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Die Beklagte habe ermessensfehlerhaft keine Überlegungen dazu angestellt, ob es der Berücksichtigung des Privatvermögens entgegenstehe, dass es sich um die Altersvorsorge der Ehefrau des Klägers handele. Die Beklagte habe weder den Zweck, noch die in der Finanzplanung vorgesehene Verwendung des Vermögens in ihre Überlegungen einbezogen. Nach seiner Rechtsauffassung seien bei der Neubescheidung folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Es sei grundsätzlich nicht zu beanstanden, das Vermögen der Ehefrau zu berücksichtigen. Allein der Umstand, dass es sich bei dem Vermögen um eine Altersvorsorge handele, stehe der Berücksichtigung ebenfalls nicht entgegen. Um von einer Berücksichtigung abzusehen, bedürfe es entsprechend § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II weiterer Umstände des Einzelfalls, die dem Betroffenen ein deutlich größeres Opfer abverlangten, als eine einfache Härte oder Einschnitte, die mit der Vermögensverwertung stets einhergingen. Dies seien beispielsweise eine Kumulation von Belastungen (Versorgungslücke, Behinderung, Lebensalter, Berufsausbildung) oder der Einsatz der Altersvorsorge kurz vor dem Rentenalter, obwohl die Rentenversicherung Lücken aufweise. Zu dem Verlust der Altersvorsoge müsse also noch eine Versorgungslücke hinzutreten. Es komme darauf an, inwieweit die Ehefrau des Klägers noch in der Lage sei, durch Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt das seinerzeitige Niveau der Altersvorsorge zu erhalten oder zu verbessern. Die Frage, ob besondere Umstände des Einzelfalles vorliegen, stelle sich nur in Bezug auf das Riesterprodukt. Hier stelle sich in Ansehung des Verlustes staatlicher Zulagen und steuerlicher Förderungen auch die Frage nach der Zumutbarkeit der Verwertung. In Bezug auf den restlichen Teil des Depots seien keine besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Gegen dieses Urteil, der Beklagten am 23. Juni 2020 zugestellt, hat sie am 8. Juli 2020 Berufung eingelegt. Sie habe von ihrem Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht. Sie habe die kennzeichnenden Belange in ihre Entscheidung eingestellt und angemessen gewichtet, um eine einheitliche Praxis für alle Antragsteller dieses Massenverfahrens zu gewährleisten. Das ML habe ihr als Bewilligungsbehörde vorgegeben, wie Anträge, insbesondere hinsichtlich der Berechnung des Privatvermögens, einheitlich zu bearbeiten seien. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Durchführungserlass des ML vom 1. November 2018 und dem dazugehörigen Merkblatt vom 12. November 2018. Unter anderem sei vorgegeben, das Privatvermögen der Antragsteller und der Ehepartner zum Stichtag am 30. Juni 2018 zu berücksichtigen. Der Zweck des Privatvermögens und die in der Finanzplanung vorgesehene Verwendung seien dagegen unerheblich. Somit müsse auch derjenige Teil des Privatvermögens in die Berechnung eingestellt werden, der für die Altersvorsorge des Ehepartners gedacht sei. Es sei vor diesem Hintergrund nicht ermessensfehlerhaft, dass sie Erwägungen zu der Altersvorsorge der Ehefrau des Klägers und dem Umstand, dass ein Teil des Fondsvermögens ein Riesterprodukt sei, nicht in ihre Entscheidung eingestellt habe. Nach der von ihr praktizierten Anwendung der Förderungsvoraussetzungen sei das anrechenbare Privatvermögen einheitlich gehandhabt worden. Mit dem ML sei der Begriff Ehepartner abgestimmt worden. Dieser sei eng auszulegen, sodass die Ehepartner immer gegenseitig ihre Vermögenswerte vorlegen müssten, unabhängig davon, ob irgendwelche Verträge vorlägen oder steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten genutzt worden seien. Die Beklagte habe sich eindeutig an den Vorgaben der VV und des ML orientiert. Eine praktikable Umsetzung sei auch wegen der zeitlichen Begrenzung der Abwicklung der Anträge und der Verausgabung der Haushaltsmittel notwendig gewesen. Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Billigkeitsleistungen liege auch in der Knappheit der Haushaltsmittel begründet. So habe die Bruttobeihilfeintensität bereits auf 41,57664% gekürzt werden müssen. Allein in Niedersachsen und Bremen seien über 4.600 Anträge gestellt worden. Wäre die Beklagten den Überlegungen des Verwaltungsgerichts zur Berechnung des Privatvermögens gefolgt, so hätte eine sachgerechte und zeitnahe Bewilligung der Haushaltsmittel nicht erfolgen können. Die Verwaltungsvereinbarung sei durch den Bund bewusst so ausgestaltet worden, dass zugunsten eines möglichst einfachen Verwaltungsverfahrens ohne Ausnahmetatbestände, klarer Vorgaben für die Antragsteller, Kontrollierbarkeit und einer schnellen Umsetzung in diesem Massenantragsverfahren keine Ermittlungen oder umfangreiche Nachforderungen, Rücksprachen oder Datenabgleiche durch die Beklagte vorgesehen seien. Dies werde auch daran deutlich, dass der Bund für 2018 insgesamt 170.000.000,00 Euro bereitgestellt habe, die möglichst schnell an die betroffenen Antragsteller auszuzahlen gewesen seien. Nach Ablauf der Antragsfrist am 30. November 2018 seien bis Ende 2018 schon ca. 60 Anträge bewilligt worden. Bis Anfang August 2019 seien insgesamt 3.291 Anträge bewilligt und 1.231 Anträge abgelehnt worden. Die Mittel seien nach der Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2019 bis zum 31. August 2019 auszuzahlen gewesen. Nach dem Erlass des ML vom 29. Mai 2019 seien auch solche Vermögenswerte heranzuziehen, die nach Ansicht der Antragsteller nicht einzubeziehen seien, z.B. Rücklagen für Investitionen oder weichende Erben. Damit sei die Möglichkeit eröffnet worden, die in der Verwaltungsvereinbarung gemachten Vorgaben auch strenger auslegen zu können. Der Kläger habe seine privaten Vermögenswerte selbst ermitteln und angeben sollen. Da er zur Mitarbeit und nach dem Antragsvordruck auch zur Wahrheit verpflichtet sei, sei die Beklagte von einer ordnungsgemäßen Antragstellung ausgegangen und habe die Werte entsprechend übertragen. Aufgrund der ausgeführten Grundsätze zum Förderverfahren sei es bei der Beklagten nicht vorgesehen, die Gründe zur Anlage und möglichen zukünftigen Verwertung der angemeldeten Vermögenswerte zu beurteilen und abzuwägen. Das zu berücksichtigende Privatvermögen betrage nach alledem hier insgesamt 42.994,52 Euro. Der darüberhinausgehende Betrag liege bei 27.211,33 Euro (50 % des Schadens von 31.566,38 Euro = 15.783,19 Euro und dieser Betrag abgezogen von 42.994,52 Euro = 27.211,33 Euro anrechenbares Vermögen gemäß Nr. 5.4 VV), sodass sich ein anrechenbarer Schadensbetrag von 4.355,05 Euro (27.211,33 Euro abgezogen von 31.566,38 Euro) ergebe. Die Billigkeitsleistung nach vorgenanntem Prozentsatz (41,57664 %) würde damit 1.810,68 Euro betragen und damit unter der Bagatellgrenze von 2.500,00 Euro liegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 13. Mai 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Nr. 5.4 der Verwaltungsvereinbarung müsse auch vor dem Hintergrund des allgemeinen Gleichheitssatzes so ausgelegt werden, dass die Regelungen in das vorgefundene System passten. Nr. 5.4 Satz 2 VV treffe Regelungen zur personellen Seite des Problems, wessen Vermögen zu berücksichtigen sei. Welches Vermögen dieser Person zu berücksichtigen sei, ergebe sich aus der Vorschrift dagegen nicht. Der Gesetzgeber habe etwa Leistungen nach dem SGB II ganz bewusst als eine Art letzte Haltelinie ausgestaltet. Zu dieser letzten Haltelinie gehöre, trotzdem ein Restvermögen zu belassen, welches vor Erreichen dieser letzten Haltelinie nicht eingesetzt werden müsse. Hierzu gehörten auch Vermögensgegenstände, die zum Aufbau einer angemessenen Altersversorgung dienten. Es sei systemwidrig, eine Beihilfe wie die Dürrebeihilfe so auszulegen, dass Vermögen einzusetzen sei, welches nach dem SGB II nicht eingesetzt werden müsse. Dagegen sei es systematisch stimmig, § 12 SGB II bei der Gewährung von sonstigen Leistungen, die - wie hier - ebenfalls der Existenzsicherung dienten, entsprechend anzuwenden. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Dürrebeihilfe nicht nur den Bedarf des Landwirtes sichern solle, sondern daneben gewährleisten solle, dass das landwirtschafte Unternehmen dabei nicht zerschlagen werden müsse. Bezogen auf den Zweck, das Unternehmen abzusichern, könne aber von einer nahestehenden Person nicht das gleiche Ausmaß an finanziellem Einsatz erwartet werden, wie bei der reinen Existenzsicherung, etwa im Falle einer Bedarfsgemeinschaft nach dem SGB II.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat teilweise Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid zu Recht aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers neu zu bescheiden, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die vom Verwaltungsgericht dargelegte Rechtsauffassung zur Anrechnung von Privatvermögen ist indes zu ändern. Im Übrigen war die Berufung zurückzuweisen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der Verpflichtungsklage grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung. Im konkreten Einzelfall entscheidet aber allein das materielle Recht über den maßgeblichen Zeitpunkt der Sach- und Rechtslage (Riese in Schoch/Schneider VwGO/Riese, 39. EL Juli 2020, § 113 Rn. 267). Der Umstand, dass es sich bei einem Teil des Fondsvermögens um ein Riesterprodukt handelt, kann hier Berücksichtigung finden. Zwar ergibt sich aus Nr. 8.1 des Durchführungserlasses des ML zur Gewährung von Billigkeitsleistungen zur Bewältigung von Dürreschäden 2018 in landwirtschaftlichen Unternehmen aus Niedersachsen und Bremen vom 1. November 2018, dass Anträge bis zum 30. November 2018 bei der Bewilligungsbehörde einzureichen waren und Änderungsanträge nicht zulässig sind. Der Kläger hat aber bereits mit seinem rechtzeitig gestellten Dürrehilfeantrag die Tatsache offengelegt, dass es sich bei dem Fondsvermögen um die Altersvorsorge seiner Ehefrau handelt. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat er dies dahingehend konkretisiert, dass es sich um einen Riester-Vertrag handelt. Dieser Vortrag ist genauso zu berücksichtigen wie - vorbehaltlich der Voraussetzungen des § 114 Satz 2 VwGO - etwaige daraufhin nachgeschobene Ermessenserwägungen der Beklagten.

Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Bewilligung einer Dürrehilfe für das Antragsjahr 2018 ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Der die Gewährung dieser Hilfe ablehnende Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2019 ist materiell rechtswidrig. Die Entscheidung ist ermessensfehlerhaft, weil sie entgegen Art. 3 Abs. 1 GG die in den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der Beklagten vorgesehenen Erwägungen nicht enthält, solche Erwägungen auch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht ergänzt worden sind (Heranziehungsdefizit) und die von der Beklagten als zumutbar angesehene Verwertung des Riester-Vertrages der Ehefrau des Klägers den ihr Ermessen bindenden Vorgaben des ML widerspricht.

Das Land Niedersachsen gewährt unter Beteiligung des Bundes Dürrehilfen für das Jahr 2018 aufgrund der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassenen nationalen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse vom 26. August 2015 - Rahmenrichtlinie - (BAnz AT 31.8.2015 B4) und der auf dieser Rahmenrichtlinie beruhenden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind vom 8. Oktober 2018 und vom 18. April 2019 - VV -. Weiter konkretisiert und - im Außenverhältnis zum Antragsteller maßgeblich - modifiziert werden die Vorgaben durch verschiedene Erlasse des ML.

Solche Richtlinienbestimmungen begründen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als bloße ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, anders als Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht schon durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte und damit verbundene Ansprüche der Zuwendungsbewerber auf Gewährung der Zuwendung (BVerwG, Urteile vom 14.3.2018 – 10 C 1.17 –, juris Rn. 15, vom 23.4.2003 – 3 C 25.02 –, juris Rn. 14 und vom 17.1.1996 - 11 C 5.95 -, juris Rn. 21, jeweils m.w.N.; Senatsbeschluss vom 16.9.2020 – 10 LA 167/19 –; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 19.5.2015 – 8 LB 92/14 –, juris Rn. 27). Die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften unterliegen auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen (BVerwG, Urteil vom 17.1.1996 – 11 C 5.95 –, juris Rn. 21). Eine über die ihnen zunächst nur innewohnende verwaltungsinterne Bindung hinausgehende anspruchsbegründende Außenwirkung wird nur durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) vermittelt, dies zudem nur in der Ausprägung, die die Verwaltungsvorschriften durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben. Maßgeblich ist mithin, wie die zu ihrer Anwendung berufene Behörde die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, vom Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligter oder jedenfalls geduldeter Praxis gehandhabt hat (BVerwG, Urteile vom 14.3.2018 – 10 C 1.17 –, juris Rn. 15, vom 23.4.2003 – 3 C 25.02 –, juris Rn. Rn. 17 und vom 2.2.1995 – 2 C 19.94 –, juris Rn. 18; Senatsbeschluss vom 16.9.2020 – 10 LA 167/19 –; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 19.5.2015 – 8 LB 92/14 –, juris Rn. 27).

Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Subventionsgeber nicht nur ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen, sondern überdies begründet er zugunsten jedes Zuwendungsbewerbers einen Anspruch darauf, entsprechend dem aufgestellten Verteilungsprogramm behandelt zu werden (BVerwG, Urteil vom 8.4.1997 – 3 C 6.95 –, juris Rn. 20).

1. Die streitgegenständlichen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften sehen im Einklang mit ihrem rechtlichen Charakter vor, dass ein Rechtsanspruch auf Zuwendungen nicht besteht (Nr. 1.2 Satz 1 Rahmenrichtlinie, Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VV). Die jeweilige Bewilligungsstelle entscheidet nach Antragstellung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens und nach Maßgabe der Rahmenrichtlinie unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel (Nr. 1.2 Satz 2 und 3 Rahmenrichtlinie, Nr. 2 Abs. 2 Satz 3 VV). Die Rahmenrichtlinie findet auf die VV vollumfänglich Anwendung, es sei denn, dass die Vereinbarung strengere Bestimmungen enthält (Nr. 2 Abs. 1 VV).

Die maßgebliche Verwaltungspraxis der Beklagten richtet sich zunächst nach Nr. 1.1 der Rahmenrichtlinie, wonach die Zuwendungen zum (Teil-)Ausgleich von Schäden land- und forstwirtschaftlicher Unternehmen gewährt werden, die unmittelbar durch Naturkatastrophen verursacht wurden. Nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Nr. 5.1 Satz 1 VV werden aufgrund der Verwaltungsvereinbarung Billigkeitsleistungen zum Teilausgleich von Schäden landwirtschaftlicher Unternehmen gewährt, die unmittelbar durch die Dürre entstanden sind, womit nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VV die Dürre im Jahr 2018 gemeint ist.

Die hier streitgegenständliche Schadensberechnung wird nach den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften im Wesentlichen wie folgt durchgeführt. Der Schaden wird aus der Summe der Einkommensminderung in der Boden- und Tierproduktion sowie aus den sonstigen Kosten, die infolge der Dürre entstanden sind (z.B. Futterzukäufe) berechnet (Nr. 5.1 Satz 2 VV). Die Berechnung des Schadens erfolgt auf der Ebene des einzelnen Empfängers (Nr. 5.1 Satz 4 VV). Alternativ kann der Schaden auf Basis von regionalen Referenzwerten berechnet werden (Nr. 5.1 Satz 5 VV). Der so berechnete Schaden ist um etwaige Versicherungsleistungen, zweckgebundene Hilfen Dritter und um aufgrund der Dürre nicht entstandene Kosten zu kürzen (Nr. 5.2 Abs. 1 VV). Der auf dieser Weise ermittelte Betrag ist um das - insbesondere kurzfristig - zumutbar verwertbare Privatvermögen zu kürzen (Nr. 5.4 Satz. 1 VV). Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird die Summe des - insbesondere kurzfristig - zumutbar verwertbaren Privatvermögens der haftenden natürlichen Personen und ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die über 50 % des bisher errechneten Schadens liegt, berücksichtigt (Nr. 5.4 Satz. 2 VV). Dabei gelten die Vermögensverhältnisse, die am 30. Juni 2018 bestanden (Nr. 5.4 Satz 5 VV). Der Mindestauszahlungsbetrag beträgt je Empfänger 2.500,00 Euro (Nr. 9.1 VV).

Weiter konkretisiert und modifiziert werden die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften durch verschiedene Erlasse des ML. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Erlass vom 29. Mai 2019 sind auch Vermögenswerte heranzuziehen, die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollen, z.B. Rücklagen für anstehende Investitionen oder für weichende Erben. Bei Fällen, in denen die Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen fraglich sei, sei durchweg eine strenge Vorgehensweise anzuwenden. Die Beklagte hat außerdem den Durchführungserlass des ML zur Gewährung von Billigkeitsleistungen zur Bewältigung von Dürreschäden 2018 in landwirtschaftlichen Unternehmen aus Niedersachen und Bremen vom 1. November 2018, nebst Ergänzung vom 23. August 2019 sowie das zugehörige Merkblatt vom 12. November 2018 vorgelegt und ausgeführt, dass ihr somit vom ML vorgegeben worden sei, wie Anträge nach den vorgegebenen Kriterien, speziell auch bezüglich der Berücksichtigung des Privatvermögens, einheitlich zu bearbeiten seien. Nach Nr. 5.4 Satz 3 des Durchführungserlasses vom 1. November 2018 sind kurzfristig zumutbar verwertbare Privatvermögen solche, die unterhalb eines Jahres liquidierbar sind. Aus dem Merkblatt des ML vom 12. November 2018 ergibt sich hinsichtlich der Anrechnung von Privatvermögen, dass das private Vermögen des Unternehmers und der Unternehmensbeteiligten sowie deren Ehegatten und Lebenspartner anzugeben ist, das innerhalb eines Jahres nach dem Antragsstichtag dem antragstellenden Unternehmen tatsächlich oder potentiell zur Bewältigung der Dürreschäden zur Verfügung steht oder zur Verfügung stehen könnte (Nr. 4 b) Satz 1 des Merkblattes). Dazu zählen Bar- und Bankvermögen, Aktien, Fondsanteile, Edelmetalle und vergleichbares Vermögen mit schneller Verfügbarkeit (Nr. 4 b) Satz 2 des Merkblattes). Als nicht kurzfristig zumutbar verwertbar gelten insbesondere Immobilien (Nr. 4 c) Satz 1 des Merkblattes). Nicht zumutbar ist auch die Verwendung von Privatvermögen, wenn ersichtlich ist, dass durch die Verwertung nur ein unverhältnismäßig geringer Erlös erzielt werden würde (Nr. 4 c) Satz 2 des Merkblattes). Dies ist z.B. bei vermögensbildenden Versicherungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr der Fall (Nr. 4 c) Satz 3 des Merkblattes).

Anhaltspunkte dafür, dass diese Verwaltungsvorschriften sich nicht am Zweck der Ermächtigung orientieren oder selbst nicht sachgerecht sind (Kyrill/Schwarz in HK-VerwR, 4. Aufl. 2016, § 114 VwGO Rn. 39), sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist die Berücksichtigung des Vermögens der Ehegatten der haftenden Personen vor dem Hintergrund der mit der Ehe begründeten Schicksalsgemeinschaft keine sachfremde Erwägung.

Weichen die Erlasse des Ministeriums von der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ab, so kann der Antragsteller hieraus keine subjektiven Rechte herleiten. Denn die Verwaltungsvereinbarung hat keine unmittelbare Außenwirkung und wirkt insbesondere nicht unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Etwaige Abweichungen von der Verwaltungsvereinbarung seitens der Beklagten wirken sich lediglich im Verhältnis zwischen Bund und Land aus. Denn die Verwaltungsvereinbarung haben der Bund und die Länder geschlossen, um die finanzielle Beteiligung des Bundes an dem Dürrehilfsprogramm zu regeln. Subventionsgeber ist hier aber allein das Land Niedersachsen, welches die Zuwendung in eigener Zuständigkeit unter finanzieller Beteiligung des Bundes gewährt (vgl. Vorbemerkung Abs. 3 der Rahmenrichtlinie und Nr. 1 VV). Dass sich der Bund über die VV an der Dürrehilfe beteiligt, macht diese nicht zu einer Zuwendung des Bundes. Soweit jedoch die Erlasse des ML nicht von der Verwaltungsvereinbarung abweichen, ist davon auszugehen, dass auch diese das Ermessen der Beklagten im Land Niedersachsen lenken soll. Dementsprechend bestimmt Nr. 1.2 a) des Erlasses des ML vom 1. November 2018 ausdrücklich, dass die Billigkeitsleistung zur Bewältigung der Dürreschäden 2018 auch nach Maßgabe der Verwaltungsvereinbarung gewährt wird.

2. Die Entscheidung der Beklagten ist ermessensfehlerhaft.

Die Überprüfung der Anwendung von Richtlinien - wie der hier streitgegenständlichen Verwaltungsvorschriften - durch die Verwaltungsgerichte hat sich an den Maßstäben zu orientieren, die in § 114 VwGO für die Fälle gesetzt sind, in denen die Behörden durch Rechtsvorschriften des materiellen Rechts ermächtigt worden sind, nach ihrem Ermessen zu handeln (BVerwG, Urteil vom 26.4.1979 – 3 C 111.79 –, juris Rn. 25). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln.

Hier sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung zunächst die Erlasse des Landes und die Verwaltungspraxis der Beklagten maßgeblich, weil das Land alleiniger Zuwendungsgeber ist (Nr. 1 VV). Soweit die Erlasse die VV nicht modifizieren, ist auch diese nach dem oben Gesagten zu berücksichtigen.

Soweit das Vermögen der Ehefrau des Klägers dem Grunde nach berücksichtigt wurde, hält sich die Entscheidung der Beklagten im Rahmen der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften (vgl. Nr. 5.4 Satz 2 VV).

Es liegt gleichwohl ein Ermessensfehler vor, weil die Beklagte den Kläger hinsichtlich des Riester-Vertrages entgegen ihrer Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht entsprechend den ihr Ermessen bindenden Verwaltungsvorschriften behandelt hat. Zum einen hat sie schon keine Erwägungen zu Nr. 4 c) des Merkblattes zur Dürrehilfe für landwirtschaftliche Betriebe 2018 vom 12. November 2018 angestellt, wonach die Verwendung von Privatvermögen nicht zumutbar ist, wenn ersichtlich ist, dass durch die Verwertung nur ein unverhältnismäßig geringer Erlös erzielt werden würde, obwohl sie sich ausdrücklich u.a. auf dieses Merkblatt als ermessenslenkend beruft. Als Beispiel werden in dem Merkblatt vermögensbildende Versicherungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr genannt. Zum anderen widerspricht die Berücksichtigung des Riester-Vertrages der Ehefrau des Klägers den Vorgaben in Nr. 4 c) des genannten Merkblatts, weil es sich danach insoweit um nicht kurzfristig zumutbar verwertbares Privatvermögen handelt.

Hinsichtlich der nach Nr. 5.4 VV, Nr. 5.4 des Erlasses des ML vom 1. November 2018 und Nr. 4 des Merkblatts vom 12. November 2018 erforderlichen Feststellung, ob das Privatvermögen des Antragstellers kurzfristig zumutbar verwertbar ist, kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, dass eine (aufwändige) Sachverhaltsermittlung für sie nicht möglich (gewesen) sei. Denn wenn Die das Ermessen der Beklagten lenkenden Verwaltungsvorschriften vorsehen, dass nur das kurzfristig zumutbar verwertbare Privatvermögen anzurechnen ist, dann kann die Beklagte die insoweit erforderliche Feststellung nur treffen, wenn sie den gesamten (für sie erkennbaren) Sachverhalt in den Blick nimmt, also nicht nur feststellt, ob überhaupt Vermögen vorhanden ist, sondern auch prüft, ob dieses zumutbar verwertet werden kann, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte vorliege, die gegen dessen Verwertbarkeit sprechen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erlass des ML vom 29. Mai 2019, soweit danach „eine strenge Vorgehensweise anzuwenden“ ist und „auch Vermögenswerte heranzuziehen“ sind, „die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollen.“

Vorliegend ist ohne Weiteres und ohne eine aufwändige Prüfung ersichtlich, dass durch die Verwertung eines Riester-Vertrages ein unverhältnismäßig geringer Erlös erzielt werden würde. Denn es ist allgemein bekannt, dass bei Auflösung eines Riester-Vertrages erhebliche finanzielle Nachteile entstehen. Das Konstrukt der Riesterrente ist gerade darauf ausgelegt, das angesparte Vermögen bis zum Rentenbezug zu binden.

Dies ergibt sich außerdem aus den nachfolgenden Berechnungen. Der Riester-Vertrag in dem Depot der Ehefrau des Klägers hatte ausweislich der Jahresinformation 2019 einen Gesamtwert von 26.963,66 Euro. Davon waren 18.320,00 Euro eingezahlte Altersvorsorgebeiträge und 5.599,62 Euro Grund- und Kinderzulagen. Die Wertentwicklung des Produktes betrug seit Vertragsbeginn +3.044,04 Euro. Damit waren 2019 allein 20,77 % des Gesamtwertes staatliche Zulagen. Nach Nr. 5.4 Satz 5 VV kommt es für die Beklagte zwar auf den Stand des Vermögens zum 30. Juni 2018 an. Das prozentuale Verhältnis der Zulagen zum Gesamtwert wird zu diesem Zeitpunkt indes ähnlich gewesen sein. Die vorzeitige Verwertung des Riesterproduktes würde im vorliegenden Fall eine sogenannte schädliche Verwendung darstellen, weshalb die gewährten Zulagen bzw. die durch den Sonderausgabenabzug entstandenen Steuerermäßigungen zurückzuzahlen wären. Denn das mit staatlicher Förderung während der Ansparphase angesammelte Kapital soll zwingend im Alter für eine Rentenzahlung eingesetzt werden. In der Folge ist grundsätzlich jede Verfügung über das staatlich geförderte Altersvorsorgevermögen während der Anspar- und auch während der Auszahlungsphase eine schädliche Verwendung, die zur Rückzahlung der gewährten Steuervorteile, also der gewährten Zulagen und des Sonderausgabenabzugs (§ 93 Abs. 1 EStG) sowie zur Versteuerung der auf das geförderte Altersvermögen entfallenden Zuwächse, wie Zinserträge oder Kursgewinn führt (§ 22 Nr. 5 EStG) (Wacker in Schmidt, EStG, 39. Aufl. 2020, § 93 Rn. 1). Der Verkauf des Produktes würde mithin dazu führen, dass die Ehefrau des Klägers gut 20% des Gesamtwertes an Zulagen zurückzahlen müsste. Hinzu käme der Verlust der sonstigen steuerlichen Begünstigungen und die Versteuerung des Kursgewinnes.

Nach Nr. 4 a) des genannten Merkblatts vom 12. November 2018 soll jedoch nur das kurzfristig zumutbar verwertbare Privatvermögen bzw. nach Nr. 4 b) Satz 2 „Vermögen mit schneller Verfügbarkeit“ zur Schadensminderung angerechnet werden. Die in Nr. 4 c) aufgeführten Beispiele für nicht kurzfristig zumutbar verwertbares bzw. schnell verfügbares Vermögen - Immobilien und vermögensbildende Versicherungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr - zeigen, dass die Verwertung von Vermögen immer dann als unzumutbar angesehen wird, wenn gerade durch die Kurzfristigkeit einer Verwertung ein „unverhältnismäßig geringer Erlös“ bzw. unverhältnismäßig hohe Vermögensnachteile entstehen, was z. B. bei der Verwertung „vermögensbildender Versicherungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr“, aber genauso auch bei einem Riester-Vertrag, wie dem vorliegenden, der Fall ist. Dies zeigen die dargestellten Verluste deutlich, weshalb dahinstehen kann, ob ein “Riester-Rentenvertrag“ nicht bereits als vermögensbildende Versicherung anzusehen ist. In jedem Fall hat die Beklagte mit der Berücksichtigung dieses Vertrages als zumutbares Vermögen gegen die Vorgaben aus Nr. 4 a) und c) des Merkblatts verstoßen.

Im Übrigen hat die Beklagte sich mit der Frage der Berücksichtigung des Riester-Vertrages nach wie vor nicht konkret auseinandergesetzt. Vielmehr hat sie noch im Berufungsverfahren schriftsätzlich vorgetragen, dass es ermessensgerecht sei, dass sie „die Auswirkungen u.a. der Altersvorsorge der Ehefrau sowie der Riesterrente, der als Riester-Vertrag abgeschlossen wurde und dem restlichen Teil des Depots der Finanzplanungen der Ehefrau in ihren Überlegungen nicht einbezogen“ habe. Bereits darin ist ein Ermessensfehler zu sehen, den die Beklagte im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht behoben hat. Die Beklagte hat ihre Ermessenserwägungen damit während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch nicht hinreichend ergänzt (§ 114 Satz 2 VwGO).

3. Es ist auch nicht erkennbar, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten in dieser Frage eine von den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften abweichende Ausprägung gefunden hat.

So beruft sich die Beklagte einerseits zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung selbst auf die von ihr vorgelegten Verwaltungsvorschriften und insbesondere auch auf den Durchführungserlass des ML vom 1. November 2018 und das zugehörige Merkblatt vom 12. November 2018.

Andererseits ist nicht erkennbar, dass der Urheber der Verwaltungsvorschriften, hier das ML, die vorliegende Abweichung billigt oder duldet. Die Verwaltungsvorschriften antizipieren die Verwaltungspraxis insoweit, als sie eine generalisierende Willenserklärung der die Richtlinie erlassenden Behörde enthalten, eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle in einer bestimmten Weise zu behandeln. Die tatsächliche Verwaltungspraxis ist bei der Auslegung der Willenserklärung (nur) insoweit heranzuziehen, als sie - unter Beachtung des Gleichheitssatzes - vom Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligt oder doch geduldet wird (BVerwG, Urteil vom 24.3.1977 – II C 14.75 –, juris Rn. 20). Weichen untere Behörden in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund von einer Richtlinie ab, könnte eine stillschweigende Aufgabe oder Änderung der Verwaltungspraxis nur angenommen werden, wenn dies von der für die Richtlinie verantwortlichen Stelle, hier dem ML, in seinen Willen aufgenommen worden wäre (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.3.2009 – 10 S 1578/08 –, juris Rn. 31). Hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Abstimmung des Begriffes “Ehepartner“ mit dem ML. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich aus einer E-Mail des ML ergebe, dass unabhängig davon, ob irgendwelche Verträge vorlägen, Ehepartner ohne weitere Differenzierung betrachtet werden sollten. Dies ergibt sich aus dem vorgelegten E-Mail-Verkehr der Beklagten mit dem ML erkennbar nicht. Vielmehr bezieht sich die Anfrage der Beklagten bei dem ML auf die unterschiedlichen Lebenskonstellationen von Ehepartnern, namentlich hinsichtlich von Gütertrennung, Eheverträgen, steuerlich getrennter Veranlagung, Getrenntleben und bereits eingereichter Scheidung. Die Beklagte schlug dazu die Auslegung vor, „dass die Ehepartner immer gegenseitig ihre Vermögenswerte vorlegen müssen, unabhängig davon, ob irgendwelche Verträge vorliegen oder steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten vorgenommen wurden.“ Das ML bestätigte mit E-Mail vom 21. November 2018 diese Auslegung und ergänzte, dass die VV keine Differenzierung vornähmen, sondern nur den Begriff Ehepartner kennen würden. Auch werde eine Gütertrennung nicht während der Ehe, sondern nur im Scheidungsfalle wirksam. All diese Erwägungen beziehen sich auf die Frage, wer im Sinne der VV als Ehepartner angesehen wird. Hinsichtlich der Frage, ob die Verwertung von Privatvermögen unter Hinnahme von unverhältnismäßig geringen Erlösen zumutbar ist, ergibt sich hieraus nichts. Die Wendung „unabhängig davon, ob irgendwelche Verträge vorliegen“ bezieht sich ersichtlich nicht auf vermögensbildende Versicherungen oder Riesterprodukte, sondern auf interne Vermögensregelungen zwischen den Ehepartnern.

4. Hinsichtlich der Frage der Anrechnung des Riester-Vertrages der Ehefrau des Klägers steht der Beklagten nach allem kein Ermessensspielraum mehr zu. Da die Beklagte ihr Ermessen in dem angegriffenen Bescheid hinsichtlich der Prüfung der weiteren gemäß der VV und der Erlasse zu beachtenden Punkte noch nicht vollständig ausgeübt hat, ist die Sache gleichwohl nicht spruchreif. Unabhängig davon kann eine Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Dürrehilfe auch deshalb nicht ausgesprochen werden, weil das Bescheidungsurteil des Verwaltungsgerichts wegen des Fehlens eines Rechtsmittels des Klägers insoweit nicht Gegenstand der Berufung geworden ist (siehe § 129 VwGO). Der Senat hat die Beklagte aus diesen Gründen verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.