Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.02.2021, Az.: 10 LC 13/19
Angebote; Auftragsvergabe; Bedingungen wirtschaftliche; Beihilfeantrag; Fahrlässigkeit; Gesichtspunkte wettbewerbliche; Unregelmäßigkeit; Vorsatz; Zahlungsantrag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.02.2021
- Aktenzeichen
- 10 LC 13/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71109
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 08.11.2018 - AZ: 1 A 340/15
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Bezieht sich ein Zahlungsantrag auf das Haushaltsjahr 2015, ist auch dann die Sanktionsregelung des Art. 35 Abs. 6 Satz 1 der VO (EU) 640/2014, und nicht die des Art. 30 Abs. 2 VO (EG) 65/2011 anzuwenden, wenn die Förderung vor dem Jahr 2015 dem Grunde nach bewilligt worden ist (Art. 44 Abs. 2 VO (EG) 640/2014).
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 8. November 2018 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Vollstreckungsschuldnerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubigerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt in der Berufungsinstanz noch die Auszahlung einer Zuwendung nach dem Programm zur Förderung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2007 - 2013 in Höhe von 287.796,78 Euro.
Mit Bescheid vom 16. Dezember 2013 bewilligte die Beklagte der Klägerin einen nicht rückzahlbaren Zuschuss in Form einer Projektförderung und im Wege der Anteilfinanzierung (20 % der zuwendungsfähigen Ausgaben) bis zur Höhe von maximal 369.566,00 Euro. Der Bewilligungszeitraum sollte am 16. Dezember 2013 beginnen und am 31. März 2015 enden. Zur Begründung bezog sie sich auf die Projektförderung nach VO (EG) 1698/2005, das Programm zur Förderung im ländlichen Raum Niedersachsen und Bremen 2007 - 2013 (PROFIL 2007 - 2013) und die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ zur Förderung von Investitionen für die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse, sowie auf die Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Projekten im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in der Freien Hansestadt Bremen und im Land Niedersachsen. Die Förderung erfolge mit Mitteln des Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums - ELER - sowie der Gemeinschaftsaufgabe und des Landes Niedersachsen. Der Zuschuss sei zweckgebunden und dürfe nur für die im Antrag vom 10. September 2013 bezeichnete und nachfolgend näher beschriebene Maßnahme „Bau von 3 Stahlsilos zur Lagerung von 9.000 to Getreide sowie einer Annahmegosse mit den erforderlichen technischen Einrichtungen einschließlich Anbindung an vorhandene technische Einrichtungen in J., Niedersachsen“ verwendet werden. Die Beklagte machte die Anlage 3 mit dem Titel „Europäischen Sanktionsregelungen / Materielle Fehler“ ausdrücklich zum Bestandteil des Bescheides. Zudem wurde unter anderem die folgende Bestimmung getroffen:
„Die Zuwendung erfolgt unter dem Vorbehalt des Widerrufs für den Fall, dass (…)
2. Sie für dieses Vorhaben Aufträge nicht an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen vergeben. Soweit möglich, sind dazu mindestens drei vergleichbare Angebote vor Auftragsvergabe einzuholen.“
In der Begründung heißt es dazu, die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebots sei anhand des beigefügten Vordrucks - Anlage 12 - zu dokumentieren und sei der Beklagten spätestens mit dem Auszahlungsantrag zu übersenden. Das ausgewählte Angebot sei vollständig vorzulegen. Die weiteren Angebote seien nur soweit vorzulegen, dass die Unterlagen die wesentlichen Angaben enthielten (Nr. 3 der Begründung).
Auf den Änderungsantrag der Klägerin vom 4. März 2014 änderte die Beklagte mit Bescheid vom 13. März 2014 den Zuwendungsbescheid hinsichtlich des Finanzierungs- und Investitionsplans, da die Finanzierung nun nicht mehr von einer Bank, sondern von der Vereinigte Saatzuchten F. übernommen wurde.
Die Klägerin stellte mit Schreiben vom 3. Februar 2015 einen am 9. Februar 2015 bei der Beklagten eingegangenen Antrag auf Auszahlung der Förderung. Die Beklagte forderte daraufhin verschiedene Unterlagen und eine weitere Stellungnahme an.
Mit Bescheid vom 1. Oktober 2015 widerrief die Beklagte ihren Zuwendungsbescheid vom 16. Dezember 2013 in der Fassung vom 13. März 2014 mit Wirkung für die Vergangenheit (Nr. 1), lehnte den Auszahlungsantrag vom 3. Februar 2015 ab (Nr. 2) und setzte für den Widerruf Kosten in Höhe von 1.160,00 Euro fest.
Zur Begründung des Widerrufs nahm sie Bezug auf § 49 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG. Bei der Prüfung des Auszahlungsantrags seien verschiedene Verstöße gegen die Auflage Nr. 2 der Nebenbestimmungen des Zuwendungsbescheides festgestellt worden. In mehreren näher ausgeführten Einzelfällen sei eine Direktvergabe oder eine Vergabe aufgrund nicht vergleichbarer Angebote erfolgt. In zwei Fällen seien Nachverhandlungen nicht mit allen Bietern geführt worden und jeweils eines der nachverhandelten Angebote sei zum günstigsten Angebot geworden. Teilweise seien unzulässige Vergabekriterien verwendet worden.
Wegen des Widerrufs des Zuwendungsbescheides sei auch der Zahlungsantrag abzulehnen. Unabhängig davon sei eine Kürzung, Sanktionierung und gänzliche Ablehnung auch nach Art. 63 Abs. 1 Satz 2 VO (EU) 809/2014 und Art. 35 Abs. 2, 3 und 6 VO (EU) 640/2014 erfolgt, weil in den näher ausgeführten Einzelfällen Verwendungsnachweise fehlten, weil die Klägerin nicht Rechnungsadressat sei, die bereits zuvor beschriebenen Verstöße gegen eine Vergabe nach wettbewerblichen Gesichtspunkten erfolgt seien und bei einer Vor-Ort-Kontrolle zu dem Gewerk Beton- und Stahlbetonarbeiten ein weiteres vergleichbares Angebot der Fa. G. sowie ein weiterer Preisspiegel vorgefunden worden seien. Dieses vierte Angebot sei zunächst das günstigste Angebot gewesen. Nach Nachverhandlungen mit zwei anderen Bietern, sei ein anderes regionales Angebot das Günstigste geworden. Da die Klägerin es damit versäumt habe, die für die Prüfung erforderlichen Informationen vorzulegen, sei die Förderung gemäß Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 in Gänze abzulehnen. Zudem werde die Klägerin für dieses und das folgende Kalenderjahr für Förderungen gemäß Art. 28 VO (EG) 1698/2005 ausgeschlossen. Hinsichtlich der einzelnen näher ausgeführten Verstöße wird auf die Begründung des Widerrufsbescheides verwiesen.
Gegen den Widerrufsbescheid vom 1. Oktober 2015 hat die Klägerin am 29. Oktober 2015 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt:
Es liege ein Ermessensausfall vor. Sie habe die Inanspruchnahme der bewilligten Fördermittel sogar dadurch reduziert, dass das Vorhaben außerordentlich wirtschaftlich durchgeführt worden sei. Sie habe die streitgegenständlichen Aufträge nach wettbewerblichen Gesichtspunkten vergeben. Als Vergabekriterien habe sie die fachliche Eignung, Qualität, Wirtschaftlichkeit, Termintreue und Regionalität genutzt. Auf Basis der eingeholten Angebote habe sie einen Preisspiegel als Basis für Vergabeverhandlungen und -entscheidungen erstellt. Wenn in Einzelfällen Verfahrensabläufe festzustellen wären, die nach den Maßstäben der Nebenbestimmung Nr. 2 des Zuwendungsbescheides zu beanstanden sein sollten, würde dies nichts daran ändern, dass den Anforderungen der Nr. 2 dem Grunde nach entsprochen worden sei. Für den vollständigen Widerruf des Zuwendungsbescheides käme es deshalb darauf an, ob einzelne Verstöße gegen diese Nebenbestimmung so gewichtig wären, dass sie jeweils für sich oder in ihrer Gesamtheit den vollständigen Widerruf erfordert hätten. Es sei auch ein gravierender Ermessensfehler, dass die Anlage 3 „Europäischen Sanktionsregelungen / Materielle Fehler“ im angefochtenen Bescheid keine Berücksichtigung gefunden habe. Die Klägerin nimmt zu den einzelnen Verstößen gegen die Nebenbestimmung Nr. 2 des Zuwendungsbescheides umfangreich Stellung. Insoweit wird auf die Klageschrift und die Replik verwiesen. Ferner führt sie aus, die Beweislast für etwaige Auflagenverstöße liege bei der Beklagten. Dass unabhängig von dem Widerruf eine Kürzung, Sanktionierung und Ablehnung zu erfolgen habe, überzeuge nicht, weil die von der Beklagten zitierten Verordnungen (EU) 809/2014 und (EU) 640/2014 im Zeitpunkt der Bewilligung noch nicht in Kraft gewesen seien. Maßgeblich seien vielmehr die Regelungen zu Art. 31 VO (EG) 1975/2006 in Verbindung mit den Sanktionsregelungen. Die Klägerin führt zu den von der Beklagten im Widerrufsbescheid benannten Einzelfällen umfangreich aus, worauf verwiesen wird. Ferner trägt sie vor, sie bzw. ihr Architekt sei davon ausgegangen, dass mindestens drei Angebote vorgelegt werden müssten. Sie habe daher keine Notwendigkeit zur Vorlage von vier Angeboten gesehen. Nach dem Ergebnis der Nachverhandlungen sei die Fa. G. nicht einmal mehr der günstigste Bieter gewesen. Sie habe keine Täuschungsabsicht gehabt. Vielmehr sei das Angebot der Fa. G. nicht subventionserheblich gewesen, weil es gute Gründe gegeben habe, die Firma nicht zu beauftragen. Dem Architekten gegenüber sei fernmündlich definitiv erklärt worden, dass Nachverhandlungen zum Preis sinnlos seien, weil auf Seiten der Fa. G. keine Bereitschaft zum „Rabatt“ bestehe. Für die Auswahl sei im Übrigen entscheidend gewesen, dass die Fa. H. & I. aus der Region komme, was im Falle der Störung der Anlage von erheblicher Bedeutung sei. Der Ausschluss werde auf den Umstand gestützt, dass das Angebot der Fa. G. nicht vorgelegt worden sei. Dies ergebe aber keineswegs eine vorsätzliche Falschangabe oder Täuschung, weshalb sich ihr Ausschluss nicht rechtfertigen lasse.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin die Zuwendung in Höhe von 287.796,78 Euro auszuzahlen,
hilfsweise, hinsichtlich des Ausschlusses von der Förderung nach Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 für die Jahre 2015 und 2016 die Rechtswidrigkeit festzustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei der freihändigen Vergabe sei es zu schweren Mängeln gekommen. Sie habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt und den im Ablehnungsbescheid deutlich gemachten Ermessenserwägungen nichts hinzuzufügen. Die Baumaßnahme umfasse sieben Gewerke. Bei sechs Gewerken seien die Aufträge nicht nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen erteilt worden. Es handele sich mithin nicht nur um einzelne Verstöße. Bei derart massiven Verstößen sei ein Widerruf der Bewilligung wegen Nichteinhaltung der Bestimmungen durchaus gerechtfertigt, wenn nicht fast schon unausweichlich. Nach dem Erlass des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - ML - vom 19. Dezember 2014 gelte für Zahlungsanträge, die nach dem 1. Januar 2015 eingehen, bereits das Durchführungsrecht zur horizontalen ELER-Verordnung (VO (EU) 1306/2013). Es stelle also keinen gravierenden Ermessensfehler dar, wenn die dem Zuwendungsbescheid beigefügten Sanktionsregelungen (Anlage 3) nicht angewandt worden seien. Die Klägerin treffe die Beweislast für die Einhaltung aller Bestimmungen des Zuwendungsbescheides. Die Verordnungen (EU) 809/2014 und 640/2014 müssten für Auszahlungsanträge, die noch auf Bewilligungen nach der VO (EG) 1698/2005 basieren, bereits angewandt werden, wie sich auch aus dem Erlass des ML vom 12. März 2015 ergebe. Natürlich seien alle Angebote, die eingeholt worden seien, bei der Bewilligungsstelle vorzulegen. Die Mindestzahl betrage drei. Ausgerechnet das billigste Angebot nicht der Bewilligungsstelle vorzulegen, sei ein massiver Verstoß gegen die Informationspflicht der Klägerin. In dem Formular zur Angebotsdokumentation seien zu dem Gewerk Beton- und Stahlbauarbeiten Angebotssummen unterschiedlicher Verhandlungsstadien eingetragen worden, sodass danach die Fa. H. & I. der günstigste Anbieter gewesen sei. In der Wirtschaftlichkeitsabwägung sei die Entscheidung mit dem Argument, das Angebot der Fa. H. & I. sei das billigste Angebot gewesen, begründet worden. Diese Aussage sei definitiv falsch. Nach Auswertung der Unterlagen aus der Vor-Ort-Kontrolle habe die Klägerin den Zuschlag nur dem drittgünstigsten Anbieter erteilt. Das Argument der Regionalität sei im Rahmen des Gewerkes Beton- und Stahlbauarbeiten völlig abwegig, da es sich konkret um die Erstellung der Fundamente der Silos handele. Störungen der Anlage, die schnell behoben werden müssten, kämen in diesem Bereich nicht vor. Der Ausschluss betreffe nur Förderungen der Maßnahme PROFIL, die 2013 ausgelaufen sei, und habe daher praktisch keine Auswirkungen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 8. November 2018 den Bescheid der Beklagten vom 1. Oktober 2015 aufgehoben, soweit er den Widerruf des Zuwendungsbescheides vom 15. Dezember 2013 (Nr. 1) sowie die Festsetzung der Kosten für den Widerruf (Nr. 2) betrifft, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klage sei hinsichtlich der Anfechtung des Widerrufs begründet. Rechtsgrundlage für den Widerruf sei § 49 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwVfG. Der Widerruf sei formell rechtswidrig, weil die Klägerin entgegen § 28 VwVfG vor Erlass nicht angehört worden sei. Der Widerruf sei auch materiell rechtswidrig, weil die Beklagte ihr Ermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt habe. Sie habe verkannt, dass sie überhaupt ein Ermessen habe. Sie habe keine Erwägungen dazu angestellt, in welchem Umfang der Zuwendungsbescheid zu widerrufen sei. Aus den angestellten Erwägungen sei nicht erkennbar, dass die Beklagte einen nur teilweisen Widerruf ernsthaft in Betracht gezogen habe. Bei Verstößen gegen Auflagen entbinde allein der Hinweis auf das stets bestehende öffentliche Interesse an einer wirtschaftlichen und sparsamen Haushaltsführung die Behörde nicht von der Pflicht, die jeweiligen Verstöße zu gewichten. Insbesondere bei geringfügigen Auflagenverstößen könne der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit einem Widerruf des gesamten Bescheides entgegenstehen. Ein vollständiger Widerruf sei auch nicht aus europarechtlichen Gründen zwingend gewesen. Die Voraussetzungen des Art. 30 Abs. 2 VO (EU) 65/2011 lägen nicht vor, weil die Klägerin nicht vorsätzlich falsche Angaben gemacht habe. Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 sei nicht anwendbar, weil sowohl der Antrag auf Gewährung der Zuwendung als auch der Förderzeitraum vor dem 1. Januar 2015 lägen (Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014). Ein Nachholen von Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren sei unzulässig, weil es sich um die vollständige Nachholung von Ermessenserwägungen hinsichtlich des Umfangs des Widerrufs handeln würde.
Hinsichtlich des Verpflichtungsbegehrens auf Auszahlung der beantragten Zuwendung sei die Klage unbegründet. Zu Recht habe die Beklagte die Auszahlung der Zuwendung aufgrund des Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 versagt. Gemäß Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 sei für die Anwendbarkeit der VO darauf abzustellen, auf welches „Antragsjahr“ sich der Zahlungsantrag beziehe. Ausweislich der Nebenbestimmung Nr. 3 des Zuwendungsbescheides sei der Zahlungsantrag bis zum 10. März 2015 für das Haushaltsjahr 2015 zu stellen. Die Klägerin habe diesen Antrag am 3. Februar 2015 rechtzeitig gestellt. Insoweit beziehe sich der Zahlungsantrag der Klägerin auf das Jahr 2015 mit der Folge, dass die VO (EU) 640/2014 anwendbar sei. Die Rechtsfolge des Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 trete bereits dann ein, wenn die erforderlichen Informationen fahrlässig nicht beigebracht worden seien. Es sei zwingend erforderlich, dass der Beklagten alle eingeholten Angebote einschließlich der Angebotspreise bekannt seien. Die Klägerin habe indes für das Gewerk Beton- und Stahlbetonarbeiten lediglich drei von vier Angeboten vorgelegt. Es sei für die Beurteilung auch von Bedeutung, mit welchen Anbietern nachverhandelt worden sei. Indem die Klägerin das vierte Angebot bei der Aufstellung der Angebote für das Gewerk Beton- und Stahlbauarbeiten nicht angegeben habe, habe sie fahrlässig gehandelt. Rechtsfolge sei gemäß Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014, dass die Förderung abzulehnen oder vollständig zurückzunehmen sei. Einen Ermessensspielraum räume die Vorschrift nicht ein. Die anderen von der Beklagten aufgeführten Auflagenverstöße seien daher rechtlich unerheblich. Die Anfechtung des Ausschlusses von weiteren Fördermaßnahmen sei mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, weil sich der Ausschluss nur auf Förderungen nach PROFIL 2007 - 2013 bezogen habe, die Klägerin aber hierzu keine weiteren Förderanträge gestellt habe. Auch der Feststellungsantrag hinsichtlich des Ausschlusses sei mangels Fortsetzungsfeststellungsinteresse unzulässig.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin am 11. Januar 2019 Berufung eingelegt. Der Zuwendungsbescheid verweise mittels Anlage 3 auf Art. 28, 30 und 31 VO (EG) 1975/2006 sowie in der textlichen Erläuterung innerhalb dieser Anlage auf Art. 30 Abs. 2 VO (EU) 65/2011. In Anwendung des Art. 30 Abs. 2 VO (EU) 65/2011 ergebe sich auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts kein Grund, der Klägerin die Auszahlung zu verweigern. Es gelte der Grundsatz der rückwirkenden Anwendung der milderen Sanktionsnorm, mithin Art. 30 Abs. 2 VO (EU) 65/2011. Erst recht könne sich die Klägerin auf eine Sanktionsnorm berufen, die Grundlage der Entscheidung über den Zuwendungsantrag gewesen sei. Die VO (EU) 640/2014 sei nicht anwendbar. „Antragsjahr“ im Sinne des Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 sei nicht das Jahr, in dem der Auszahlungsantrag gestellt werde, sondern das Jahr, für das die Zuwendung beantragt werde. Auch für den Auszahlungsantrag komme es auf das Jahr an, in dem die zu fördernde Maßnahme durchgeführt worden sei. Sollte Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 anwendbar sein, könne es auf das Versäumnis des Hinweises auf das Angebot der Fa. G. nur ankommen, soweit dies subventionserheblich sein könne. Der Unternehmer habe Nachverhandlungen aber abgelehnt. Das Verwaltungsgericht habe hierzu mindestens den Architekten als Zeugen hören müssen. Sie habe im Nachgang alle Informationen gegeben. Bei der Entscheidung über den Widerruf und die Auszahlung habe die Beklagte also alle relevanten Informationen gehabt. Die Beklagte habe deshalb berücksichtigen müssen, dass das Angebot der Fa. G. eben doch nicht das günstigste Angebot gewesen sei. Auch für die Anwendung des Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 müsse es darauf ankommen, welches Gewicht es habe, dass eine Information fahrlässig versäumt worden sei (Art. 35 Abs. 2 b) VO (EU) 640/2014).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 8. November 2018 zu ändern, soweit mit dem Urteil ihr Antrag auf Auszahlung der Zuwendung abgewiesen worden ist, und die Beklagte zu verpflichten, ihr die Zuwendung in Höhe von 287.796,78 EUR auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und trägt zur Begründung vor:
Die Angaben in den Anträgen seien subventionserhebliche Tatsachen im Sinne des § 264 StGB. Hierauf sei in der Erklärung zum Förderantrag auch hingewiesen worden. Es sei nicht Aufgabe der Vor-Ort-Kontrolle, ergänzende Feststellungen zu treffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Denn das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich des Zahlungsantrages der Klägerin zu Recht abgewiesen.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Auszahlung der Zuwendung ist der Zuwendungsbescheid in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
1. Das Land Niedersachsen gewährt nach Maßgabe der vom ML erlassenen Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung von Projekten im Bereich der Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in der Freien Hansestadt Bremen und im Land Niedersachsen vom 31. August 2007 - Förderrichtlinie - (Nds. MBl. Nr. 38/2007, S. 982 ff.) Zuwendungen für Projekte, mit denen die Verarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Erzeugnisse in Bezug auf Menge, Qualität und Art des Angebots an die Markterfordernisse angepasst werden sollen. Es handelt sich dabei um eine Förderung im Rahmen des Programms PROFIL 2007 - 2013 im Schwerpunkt 1 „Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Land- und Forstwirtschaft durch Förderung der Umstrukturierung, der Entwicklung und der Innovation“ und um die darin vorgesehene Maßnahme „Verarbeitung und Vermarktung“ mit dem „ELER-Code 123“.
Diese Förderung erfolgt auf Grundlage des Art. 28 Abs. 1 b) 1. Spiegelstreich VO (EG) 1698/2005 des Rates vom 20. September 2005 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums - ELER- und wird im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ und unter Bezugnahme auf den Staatsvertrag zwischen der Freien Hansestadt Bremen und dem Land Niedersachsen im Bereich der beiden EU-Fonds „Europäischer Garantiefonds für die Landwirtschaft“ und „Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes“ umgesetzt (Nr. 1.1 der Förderrichtlinie).
Die VO (EU) 65/2011 wurde von der Kommission am 27. Januar 2011 mit Durchführungsbestimmungen zur VO (EG) Nr. 1698/2005 des Rates hinsichtlich der Kontrollverfahren und der Einhaltung anderweitiger Verpflichtungen bei Maßnahmen zur Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums erlassen.
Die VO (EG) 1698/2005 ist zwischen Erlass des Zuwendungsbescheides und Erlass des Widerrufsbescheides von der VO (EU) 1305/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung durch den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums - ELER - und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 1698/2005 abgelöst worden. Gemäß Art. 90 Abs. 2 VO (EU) 1305/2013 gilt diese ab dem 1. Januar 2014. Gemäß Art. 88 Abs. 2 VO (EU) 1305/2013 gilt die VO (EG) 1698/2005 weiterhin für Vorhaben, die gemäß von der Kommission im Rahmen der genannten Verordnung vor dem 1. Januar 2014 genehmigten Programmen durchgeführt werden.
Die VO (EU) 65/2011, die Durchführungsbestimmungen zu der VO (EG) 1698/2005 enthielt, wurde ebenfalls zwischen Erlass des Zuwendungsbescheides und Erlass des Widerrufsbescheides abgelöst. Am 11. März 2014 wurde die VO (EU) 640/2014 der Kommission zur Ergänzung der Verordnung (EU) 1306/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf das integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem und die Bedingungen für die Ablehnung oder Rücknahme von Zahlungen sowie für Verwaltungssanktionen im Rahmen von Direktzahlungen, Entwicklungsmaßnahmen für den ländlichen Raum und der Cross-Compliance erlassen. Gemäß Art. 43 Abs. 1 VO (EU) 640/2014 wird unter anderem die VO (EU) 65/2011 mit Wirkung vom 1. Januar 2015 aufgehoben. Die VO (EU) 65/2011 gilt gemäß Art. 43 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 jedoch weiterhin für (a) Beihilfeanträge für Direktzahlungen, die für vor dem 1. Januar 2015 beginnende Prämienzeiträume eingereicht wurden und (b) Zahlungsanträge für das Jahr 2014 und (c) das Kontrollsystem und die Verwaltungssanktionen im Zusammenhang mit Cross-Compliance-Verpflichtungen der Betriebsinhaber gemäß den Art. 85 t) und 103 z) der VO (EG) 1234/2007. Gemäß Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 gilt die VO (EU) 640/2014 für Beihilfe- oder Zahlungsanträge, die sich auf die Antragsjahre oder Prämienzeiträume beziehen, die ab dem 1. Januar 2015 beginnen.
Sowohl die Verordnungen zu ELER (EG) 1698/2005 und (EU) 1305/2013 als auch die Verordnungen (EU) 65/2011 und (EU) 640/2014, die entsprechende Durchführungsbestimmungen enthalten, gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Denn gemäß Art. 288 Abs. 2 AEUV haben die Verordnungen allgemeine Geltung. Sie sind in allen ihren Teilen verbindlich und gelten unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Entsprechend ist auch ihr sachlicher und zeitlicher Anwendungsbereich unmittelbar dem Unionsrecht zu entnehmen (vgl. Senatsbeschluss vom 21.1.2016 – 10 LA 55/15 –, juris Rn. 4).
In sachlicher Hinsicht sind die vorgenannten Verordnungen auf den vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar, da die streitgegenständliche Förderung ausweislich Nr. 1.1 der Förderrichtlinie aufgrund von Art. 28 VO (EG) 1698/2005 erfolgte und damit Förderungen im Rahmen von ELER betrifft.
In Bezug auf die Anwendung der Verordnungen ist zunächst zwischen dem Förder-/Beihilfeantrag, aufgrund dessen die Förderung auf der ersten Stufe dem Grunde nach bewilligt wird - hier durch Bescheid vom 16. Dezember 2013 -, und dem Auszahlungsantrag auf der zweiten Stufe, der hier gemäß dem Bescheid vom 16. Dezember 2013 bis zum 10. März 2015 und „für das Haushaltsjahr 2015“ gestellt werden sollte, zu unterscheiden.
In Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 VO (EU) 640/2014 wird zwar der Begriff des „Zahlungsantrages“, nicht aber der des „Beihilfeantrages“ legal definiert. In dieser Norm wird aber in Art. 2 Abs. 2 Nr. 2 a) VO (EU) 640/2014 von der „Gewährung der Beihilfe oder Stützung“ gesprochen. Dies spricht dafür, den Begriff des „Beihilfeantrages“ in Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 insoweit wie den des Stützungsantrages (Art. 2 Abs. 2 Nr. 3 VO (EU) 640/2014) zu verstehen, d.h. als auf die Gewährung der Förderung gerichtet. Demgegenüber ist der Zahlungsantrag auf die - eine Bewilligung voraussetzende und ihr gesondert nachfolgende - (Aus-)Zahlung gerichtet. Wenn Antragsjahr bzw. Bewilligungszeitraum für die Förderung und Auszahlungsjahr auseinanderfallen, ist nach Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 also die Anwendbarkeit dieser Verordnung jeweils getrennt für den Förderantrag und den Zahlungsantrag festzustellen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut („oder“) in Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 (vgl. Senatsbeschluss vom 21.1.2016 – 10 LA 55/15 –, juris Rn. 7). Ferner unterscheidet auch Art. 43 a) und b) VO (EU) 640/2014 klar zwischen beiden Anträgen.
Vorliegend ist das „Antragsjahr“ für den Auszahlungsantrag das (Haushalts-)Jahr 2015, wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat. Diese Trennung zwischen Zuwendungs- und Zahlungsantrag wird auch aus dem Zuwendungsbescheid deutlich, wonach die Zuwendung erst im Haushaltsjahr 2015 zur Verfügung steht (Seite 2 des Zuwendungsbescheides), der Zuwendungsantrag bis zum 10. März 2015 für das Haushaltsjahr 2015 zu stellen ist (Seite 4 des Zuwendungsbescheides) und dementsprechend auch erst am 9. Februar 2015 fristgerecht gestellt worden ist.
Aus dem Unionsrecht ergibt sich, dass in zeitlicher Hinsicht auf den streitgegenständlichen Zahlungsantrag die VO (EU) 640/2014 - und nicht wie die Klägerin meint die VO (EU) 65/2011 - anzuwenden ist.
Art. 43 Abs. 1 VO (EU) 640/2014 hebt die VO (EU) 65/2011 mit Wirkung vom 1. Januar 2015 grundsätzlich auf. Nur ausnahmsweise ist die VO (EU) 65/2011 noch anwendbar und zwar nur in den in Art. 43 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 enumerativ aufgezählten Fällen, von denen hier keiner einschlägig ist. Es handelt sich vorliegend zum einen nicht um einen Beihilfeantrag und zum anderen nicht um Direktzahlungen (vgl. dazu Art. 1 a) und Art. 14 Abs. 1 VO (EU) 1307/2013), sodass Art. 43 Abs. 2 a) VO (EU) 640/2014 ausscheidet. Auch Art. 43 Abs. 2 lit c) VO (EU) 640/2014 scheidet aus, weil die Regelung den vorliegenden Fall offensichtlich nicht betrifft. Um hier zur Anwendung der VO (EU) 65/2011 zu gelangen, käme allein Art. 43 Abs. 2 lit. b) VO (EU) 640/2014 in Betracht. Es müsste sich also um Zahlungsanträge für das Jahr 2014 handeln. Dies ist hier indes nicht der Fall. Weder der Bewilligungszeitraum vom 16. Dezember 2013 bis zum 31. März 2015, die Antragsfrist bis zum 10. März 2015, das tatsächliche Antragsdatum 9. Februar 2015 noch die Bestimmung im Zuwendungsbescheid vom 16. Dezember 2013, dass die Zuwendung im Haushaltsjahr 2015 zur Verfügung steht und für dieses Jahr zu beantragen ist, geben etwas dafür her, dass es sich um einen Zahlungsantrag für das Jahr 2014 handeln könnte. Mithin ist keiner der enumerativ aufgezählten Fälle, für die die VO (EU) 65/2011 trotz ihrer Aufhebung noch weiterhin gilt, hier einschlägig.
In der Folge ist die VO (EU) 640/2014 anzuwenden, die im Einklang mit den vorstehenden Ausführungen ausweislich ihres Art. 44 Abs. 2 für Beihilfe- oder Zahlungsanträge gilt, die sich auf Antragsjahre oder Prämienzeiträume beziehen, die ab dem 1. Januar 2015 beginnen. Denn hier ist am 9. Februar 2015 ein Auszahlungsantrag gestellt worden, der sich unter Berücksichtigung der genannten Bestimmung im Zuwendungsbescheid klar auf das Jahr 2015 bezieht. Die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 VO (EU) 640/2014 sind damit erfüllt.
Die dagegen von der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch:
a) Da die Beteiligten über die Anwendbarkeit unionsrechtlicher Verordnungen, wie ausgeführt, nicht disponieren können, ist es rechtlich unerheblich, ob die Förderrichtlinie des ML und/oder der Zuwendungsbescheid der Beklagten mit oder ohne die Anlage 3 „Europäische Sanktionen / Materielle Fehler“ auf die VO (EU) 65/2011 verweisen, oder wie der Hinweis in Nr. 7.8 der Förderrichtlinie des ML auf eine „gesonderte Sanktionsregelung“ zu verstehen ist.
b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Begriffsbestimmungen der VO (EU) 640/2014. Gemäß Art. 2 Abs. 2 Nr. 4 VO (EU) 640/2014 ist ein „Zahlungsantrag“ definiert als der Antrag eines Begünstigten auf eine Zahlung durch die nationalen Behörden im Rahmen der VO (EU) 1305/2013. Dies ist folgerichtig. Denn die VO (EU) 640/2014 enthält ergänzende Regelungen bzw. Durchführungsbestimmungen zu der VO (EU) 1306/2013, aber auch (u. a.) zu der VO (EU) 1305/2013 sowie die Vorgängerverordnung (EU) 65/2011 Durchführungsbestimmungen zu der - vor der VO (EU) 1305/2013 geltenden - VO (EU) 1698/2005 enthielt, aufgrund derer hier die Förderung im Zuwendungsbescheid letztlich erfolgte. Daraus kann aber keineswegs geschlossen werden, dass die VO (EU) 640/2014 auf Sachverhalte im Zusammenhang mit der VO (EG) 1698/2005 auch für die Übergangszeit in keinem Fall mehr angewandt werden kann. Denn für die Übergangszeit enthalten die Art. 43 und 44 der VO (EU) 640/2014 spezielle Regelungen. Danach ist die VO (EU) 65/2011 – wie oben ausgeführt – mit Wirkung vom 1. Januar 2015 aufgehoben, gilt aber weiter für Zahlungsanträge für das Jahr 2014 (Art. 43). Für Zahlungsanträge, die sich auf Antragsjahre ab dem 1. Januar 2015 beziehen, gilt jedoch ausschließlich die Nachfolgeverordnung VO (EU) 640/2014 (Art. 44), die folglich auch im vorliegenden Fall anzuwenden ist.
c) Etwas anderes ergibt sich letztlich auch nicht aus dem in Art. 2 Abs. 2 VO (EG/Euratom) 2988/95 verankerten Günstigkeitsprinzip.
Die VO (EG) 2988/95 enthält eine Rahmenregelung für einheitliche Kontrollen sowie für verwaltungsrechtliche Maßnahmen und Sanktionen bei Unregelmäßigkeiten, die mit ihren allgemeinen, horizontal geltenden Vorschriften alle Bereiche der Unionspolitik erfasst und grundsätzlich von allen sektorbezogenen Verordnungen zu beachten ist (vgl. EuGH, Urteil vom 11.3.2008 - Rs. C-420/06, Jager - Slg. I-1315, juris Rn. 61). Die verwaltungsrechtliche Sanktionierung einer Unregelmäßigkeit setzt nach Art. 2 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 2988/95 voraus, dass sie in einem - gültigen - Rechtsakt vor dem Zeitpunkt der Unregelmäßigkeit vorgesehen wurde, was dem strafrechtlichen Grundsatz nulla poena sine lege entspricht (BVerwG, Urteil vom 1.10.2014 – 3 C 31.13 –, juris Rn. 15). Art. 2 Abs. 2 Satz 2 VO (EG) 2988/95 bestimmt, dass bei einer späteren Änderung der in einer Gemeinschaftsregelung enthaltenen Bestimmungen über verwaltungsrechtliche Sanktionen die weniger strengen Bestimmungen rückwirkend gelten. Das damit auf verwaltungsrechtliche Sanktionen anzuwendende Günstigkeitsprinzip ist Ausdruck des Grundsatzes der rückwirkenden Anwendung des milderen Strafgesetzes, der zu den gemeinsamen Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten gehört und als allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts anzusehen ist (EuGH, Urteil vom 11.3.2008 - Rs. C-420/06, Jager - Slg. I-1315, juris Rn. 59; BVerwG, Urteil vom 1.10.2014 – 3 C 31/13 –, juris Rn. 24).
Keiner dieser Grundsätze ist hier verletzt. Denn die VO (EU) 640/2014 war bereits erlassen und gültig, als die Klägerin die Unregelmäßigkeit beging.
Die Regelung des Art. 30 Abs. 2 VO (EU) 65/2011 ist zwar hinsichtlich des subjektiven Tatbestandes für die Klägerin günstiger (Erforderlichkeit von Vorsatz), eine rückwirkende Anwendung kommt indes nicht in Betracht, da die Bestimmungen nicht später weniger streng geworden sind. Vielmehr liegt hier der Regelfall vor, in welchem die Regelungen vor Begehung der Unregelmäßigkeit geändert worden sind und damit schlicht Anwendung finden.
Gemäß Art. 1 Abs. 2 VO (EG) 2988/95 ist der Tatbestand der Unregelmäßigkeit bei jedem Verstoß gegen eine Gemeinschaftsbestimmung als Folge einer Handlung oder Unterlassung eines Wirtschaftsteilnehmers gegeben, die einen Schaden für den Gesamthaushaltsplan der Gemeinschaften oder die Haushalte, die von den Gemeinschaften verwaltet werden, bewirkt hat bzw. haben würde, sei es durch die Verminderung oder den Ausfall von Eigenmitteleinnahmen, die direkt für Rechnung der Gemeinschaften erhoben werden, sei es durch eine ungerechtfertigte Ausgabe. Dabei geht es dem Unionsgesetzgeber um den Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft, mithin um Verstöße gegen Rechtsvorschriften, die zu ungerechtfertigten Ausgaben führen. Das sind die Vorschriften, deren Einhaltung Voraussetzung der Leistungsgewährung ist und die in diesem Sinne förderrelevant sind (BVerwG, Urteil vom 1.10.2014 – 3 C 31.13 –, juris Rn. 18). Die Unregelmäßigkeit ist hier die Nichtangabe des vierten Angebots der Fa. G. in der Angebotsaufstellung sowie die Nichtvorlage des Angebots als Anlage zu derselben im Rahmen des Zahlungsantrages der Klägerin vom 3. Februar 2015. Die VO (EU) 640/2014 ist bereits am 27. Juni 2014 und damit deutlich vor der Begehung der Unregelmäßigkeit in Kraft getreten.
Die Klägerin kann sich auch nicht, wie sie vorträgt, im Wege eines Erst-Recht-Schlusses aus dem Günstigkeitsprinzip auf eine Sanktionsnorm berufen, die Grundlage der Entscheidung über den Zuwendungsantrag gewesen ist. Denn aus der Nennung der aufgehobenen Verordnungen (EG) 1975/2006 und (EU) 65/2011 im Zuwendungsbescheid folgt nicht deren unbegrenzte zeitliche Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall. Die Geltung der europäischen Verordnungen steht vielmehr, wie ausgeführt, weder in sachlicher noch in zeitlicher Hinsicht zur Disposition der Beteiligten und damit auch nicht zur Disposition der Beklagten. Sie konnte in ihren Zuwendungsbescheid keine Regelung aufnehmen, die der VO (EG) 1975/2006 oder der VO (EU) 65/2011 zeitlich unbegrenzte Geltung verschafft und damit die Anwendung unmittelbar geltenden Unionsrechts ausschließt. Umgekehrt kann die Klägerin aus im Zuwendungsbescheid genanntem Unionsrecht - welches nun nicht mehr anwendbar ist - auch keine Rechte herleiten.
d) Die Klägerin kann sich auch nicht auf einen Vertrauensschutztatbestand berufen. Das Vertrauen auf den Fortbestand der milderen Sanktionsnorm ist nicht geschützt. Denn nach Art. 288 Abs. 2 AEUV gelten Verordnungen unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Da eine Sanktionsnorm mithin jederzeit und unmittelbar durch den europäischen Normgeber geändert werden kann, kann es kein geschütztes Vertrauen in die Nichtverschärfung einer Sanktionsregelung durch eben diesen geben.
2. Die Voraussetzungen für eine vollständige Ablehnung der Auszahlung nach Art. 35 Abs. 6 Satz 1 Alt. 2 VO (EU) 640/2014 liegen vor, wie die Beklagte und das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt haben.
Gemäß Art. 35 Abs. 6 Satz 1 VO (EU) 640/2014 wird die Förderung abgelehnt oder vollständig zurückgenommen, wenn festgestellt wird, dass der Begünstigte falsche Nachweise vorgelegt hat, um die Förderung zu erhalten, oder er verabsäumt hat, die erforderlichen Informationen zu liefern.
Ein vorsätzliches Verhalten, wie es unter Geltung von Art. 30 Abs. 2 VO (EU) 65/2011 noch Voraussetzung für diese Rechtsfolge gewesen ist, ist unter Geltung der VO (EU) 640/2014 nicht (mehr) erforderlich. Dies ergibt sich bereits klar aus dem Wortlaut des Art. 35 Abs. 6 Satz 1 VO (EU) 640/2014 und zudem systematisch aus dem Vergleich mit der Vorgängervorschrift. Zutreffend weist das Verwaltungsgericht in diesem Zusammenhang ferner auf die englische und die französische Sprachfassung der VO (EU) 640/2014 hin, die jeweils den subjektiven Tatbestand bezogen auf die hier einschlägige 2. Tatbestandsalternative eindeutig auf Fahrlässigkeit festlegen („negligence“ bzw. „néglicence“).
Die Klägerin legte zumindest fahrlässig erforderliche Informationen nicht vor, indem sie für das Gewerk Beton- und Stahlbetonarbeiten das Angebot der Fa. G. nicht in der Angebotsübersicht eintrug und nicht mit den anderen drei Angeboten vorlegte.
Erforderliche Informationen sind jedenfalls diejenigen Informationen, die die Bewilligungsbehörde benötigt, um die Einhaltung der Zuwendungsvoraussetzungen zu prüfen. Vorliegend ist die Zuwendung nach dem Zuwendungsbescheid davon abhängig, dass die Klägerin für ihr Vorhaben Aufträge an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen vergibt und soweit möglich dazu mindestens drei vergleichbare Angebote vor Auftragsvergabe einholt (Nr. 2 des Widerrufsvorbehalts im Zuwendungsbescheid). Dazu ist die Auswahl des wirtschaftlichsten Angebotes anhand des dem Zuwendungsbescheid beigefügten Vordruckes - Anlage 12 - zu dokumentieren und der Beklagten spätestens mit dem Auszahlungsantrag zuzusenden. Die Anlage 12 enthält Felder für die Eintragung von 4 Angeboten. Das ausgewählte Angebot ist vollständig vorzulegen. Die weiteren Angebote sind nur soweit vorzulegen, dass die Unterlagen die wesentlichen Angaben enthalten (Nr. 3 der Hinweise im Zuwendungsbescheid). Die Pflicht zur Vergabe von Aufträgen nur an fachkundige und leistungsfähige Anbieter nach wettbewerblichen Gesichtspunkten zu wirtschaftlichen Bedingungen und zur Vorlage von mindestens drei Angeboten, soweit möglich, ergibt sich darüber hinaus auch aus Nr. 6.4 der Förderrichtlinie.
Das Angebot der Fa. G. ist eine erforderliche Information im Sinne von Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014, weil die Existenz eines vierten Angebotes für die Prüfung einer Vergabe nach wettbewerblichen Gesichtspunkten und zu wirtschaftlichen Bedingungen offensichtlich von Relevanz ist. Dies zeigt sich insbesondere am vorliegenden Fall, in welchem das Angebot der Fa. G. zunächst das günstigste Angebot gewesen ist und sich die Bieterreihenfolge nur durch Nachverhandlungen mit zwei anderen Bietern änderte. Dieser Prozess ist gerade der Kern der Auftragsvergabe, der auf seine Wettbewerblichkeit hin überprüft werden soll. Die Vorlage aller Angebote, die die Klägerin eingeholt hat, ist für eine Überprüfung des Vergabeprozesses mithin zwingend erforderlich. Dies gilt auch für den Fall, dass die Fa. G. dem Architekten gegenüber telefonisch erklärt haben sollte, zu Nachverhandlungen nicht bereit zu sein, weshalb über diesen Umstand entgegen der Auffassung der Klägerin kein Beweis erhoben werden muss. Auch für den vorgenannten Fall muss der Beklagten nämlich durch Vorlage des Angebots der Fa. G. ermöglicht werden, den von der Klägerin beschriebenen Ablauf zu überprüfen. Denn nur bei Kenntnis des gesamten Sachverhalts konnte die Beklagte überhaupt beurteilen, ob die Klägerin sich an wettbewerbliche Grundsätze gehalten hat.
Die Beklagte hat die Notwendigkeit der Vorlage von Angeboten auch an keiner Stelle auf drei begrenzt, so lauten die diesbezüglichen Formulierungen im Zuwendungsbescheid auf „mindestens drei vergleichbare Angebote.“ Zudem können auf der hierfür vorgesehenen Anlage 12 schon formularmäßig vier Angebote eingetragen werden.
Die Klägerin handelte jedenfalls auch fahrlässig. Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt. Die Klägerin ließ die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht, als sie in das von ihr dem wesentlichen Inhalt nach übernommene Formular Anlage 12 nicht alle vier vorhandenen Angebote für das Gewerk Beton- und Stahlbetonarbeiten eintrug und das Angebot der Fa. G. nicht vorlegte (Bl. 4 ff. BA 002), obwohl für das vierte Angebot sogar ein eigenes Feld im Formular vorgesehen und von ihr in ihr eigenes Formular übernommen worden war und sie bei dem Gewerk Erdarbeiten - entgegen ihrer eigenen noch bei dem Gewerk Beton- und Stahlbetonarbeiten angewandten Logik - vier Angebote angegeben und vorgelegt hat (Bl. 49 BA 002).
Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, kommt es auf die weiteren streitigen Verstöße nicht an, da Rechtsfolge des Art. 35 Abs. 6 VO (EU) 640/2014 bereits die vollständige Ablehnung des Zahlungsantrages ist. Es handelt sich ausweislich des Wortlautes um eine gebundene Entscheidung, sodass die von der Klägerin für notwendig gehaltenen Erwägungen in Anlehnung an Art. 35 Abs. 2 b) VO (EU) 640/2014, welches Gewicht es habe, dass eine Information fahrlässig versäumt worden sei, an dieser Stelle keine Berücksichtigung finden dürfen.
Im Übrigen ging es bei den Betonarbeiten um ein Auftragsvolumen von über 300.000,00 Euro und damit um eine der gewichtigsten/teuersten Auftragsvergaben im Rahmen des Silo-Baus, sodass Unregelmäßigkeiten in diesem Bereich eine erhebliche Bedeutung zukommt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.