Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.02.2021, Az.: 10 LC 88/20
2018; Anrechnung; Auflage; Bau; Baufinanzierung; Dürre; Dürrebeihilfe; Dürrehilfe; Ermessen; Finanzierung; Privatvermögen; Rückforderung; Schenkung; Vermögen; Verwertung; zumutbar; Zumutbarkeit; zweckgebundene Zuwendung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 03.02.2021
- Aktenzeichen
- 10 LC 88/20
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2021, 71129
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 19.02.2020 - AZ: 6 A 980/19
Rechtsgrundlagen
- Art 3 Abs 1 GG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Eine Schenkung unter der Auflage, den Betrag für den Bau eines Hauses zu verwenden, ist schon nicht verwertbar und anrechenbar als Privatvermögen im Rahmen der Berechnung der Dürrehilfe.
2. Ein für den Hausbau vorgesehener Betrag ist jedenfalls dann nicht zumutbar verwertbar, wenn der Bau vor dem Stichtag begonnen hatte, der Antragsteller bereits schuldrechtliche Verpflichtungen eingegangen und der Bau für ihn nicht vollständig auf Kredit finanzierbar war.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Vollstreckungsgläubiger zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Dürrehilfe für das Jahr 2018.
Bereits unter dem 15. Juni 2017 erstellte ein Bauunternehmer für den Kläger und seine Ehefrau ein Angebot zum Neubau eines Wohnhauses zum Preis von 266.000,00 Euro. Unter dem 6. April 2018 erteilte der zuständige Landkreis dem Kläger eine Baugenehmigung für den Neubau eines Betriebsleiterwohnhauses mit Doppelcarport. Nach Angaben des Klägers ist zeitnah mit dem Bau begonnen worden. Die ersten Rechnungen für den Hausbau seien etwa im Juli bis September 2018 eingegangen. Das Richtfest fand am 7. September 2018 statt.
Der Kläger beantragte am 20. November 2018 die Gewährung einer Dürrehilfe für einen Schaden von 68.162,90 Euro. Im Rahmen der Selbstauskunft zum kurzfristig verwertbaren Privatvermögen gab der Kläger private Sparanlagen in Höhe von 16.255,00 Euro an. Handschriftlich vermerkte er unter der Tabelle, dass er 112.176 Euro nicht angegeben habe. Diese seien von den Eltern seiner Ehefrau als Abfindung aus dem elterlichen Betrieb zweckgebunden zur Finanzierung des Baus eines Betriebsleiterwohnhauses in 2018 gezahlt worden.
Mit Bescheid vom 17. Juni 2019 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers ab. Der Schaden sei um das zumutbar verwertbare Privatvermögen zu kürzen. Der Kläger habe in seinem Antrag angegeben, zum 30. Juni 2018 über privates Vermögen zu verfügen, welches die Höhe des Schadens übersteige. Somit sei eine Berechnung der Billigkeitsleistung nicht mehr möglich. Gesichtspunkte, die eine anderweitige Entscheidung rechtfertigen würden, seien nicht erkennbar.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 19. Juli 2019 Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, dass das hier betroffene Privatvermögen seiner Ehefrau sei nicht zumutbar verwertbar im Sinne von Nr. 5.4 der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind, vom 18. April 2019 - VV -. Der Betrag von 112.176,61 Euro stamme aus einer Abfindungszahlung, welche seine Ehefrau von ihren Eltern zur vollständigen Abfindung vom elterlichen Hof bekommen habe. Es handele sich dabei um eine Zahlung, die ihrer Bestimmung nach nicht in den landwirtschaftlichen Betrieb einfließen solle. Außerdem sei diese Zahlung - ihrer Zweckbindung entsprechend - in die Finanzierung des Neubaus des Betriebsleiterwohnhauses gegenüber der eigentlichen Hofstelle geflossen. Hierzu legt er eine Bescheinigung seiner Schwiegereltern vom 3. Februar 2020 vor, aus der sich ergibt, „dass die Summe ausschließlich zur Errichtung des Wohnhauses verwendet werden darf.“ Weiter führt der Kläger aus, die Baumaßnamen hätten längst begonnen gehabt, bevor der eingetretene Dürreschaden für ihn erkennbar geworden sei. Somit habe er nicht die Möglichkeit gehabt, den am 30. Juni 2018 auf dem Konto seiner Ehefrau noch vorhandenen Betrag zur Abwendung des Schadens einzusetzen. Die Ablehnung des Antrags verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Es sei zu beachten, dass seine Ehefrau nicht am landwirtschaftlichen Betrieb beteiligt sei und der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft vorliege, wodurch die Eheleute nicht für die Verbindlichkeiten des jeweils anderen hafteten. Daher sei die Verwertung des Vermögens des Ehegatten im Regelfall unzumutbar. Hier sei es überdies noch mit der Zweckbestimmung ausgezahlt worden, es für den beabsichtigten Hausbau zu verwenden.
Der Kläger hat beantragt,
den Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 17. Juni 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrehilfeprogramms 2018 von 28 339,84 Euro nebst Zinsen in Höhe von 6 % ab Klageerhebung zu bewilligen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidend sei, ob der Kläger und seine Ehefrau zum Stichtag 30. Juni 2018 die Verfügungsgewalt über das Vermögen gehabt haben. Der Zweck und die in der Finanzplanung vorgesehene Verwendung seien für die Bewilligung der Billigkeitsleistung nicht zu berücksichtigen. Nach Nr. 5.4 VV sei der errechnete Schaden um das, insbesondere kurzfristig, verwertbare Privatvermögen zu kürzen. Diese Vorgaben seien in dem zu benutzenden Antragsvordruck vorgesehen und in dem Merkblatt zum Dürrehilfsprogramm veröffentlicht worden. Mit Erlass vom 29. Mai 2019 habe das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - ML - die Nr. 5.4 VV endgültig dahingehend konkretisiert, dass auch Vermögenswerte auf privaten Konten, die Rücklagen für anstehende Investitionen im Betrieb beinhalten, bei der Berechnung der Schadenshöhe zu berücksichtigen seien. Auch wenn die Abfindungszahlung der Ehefrau zur Errichtung des gemeinsam genutzten Betriebsleiterhauses gedacht sei, müsse sie sie berücksichtigen. Es werde davon ausgegangen, dass eine Abfindungszahlung nicht einer anderen Bestimmung unterliege und daher zur Existenzsicherung der landwirtschaftlichen Unternehmerfamilie mit zu berücksichtigen sei. Das Privatvermögen betrage daher hier 128.431,27 Euro und der darüberhinausgehende Betrag von 94.349,82 Euro (50 % des Schadens von 68.162,90 Euro = 34.081,45 Euro und dieser Betrag abgezogen von 128.431,27 Euro = 94.349,82 Euro anrechenbares Vermögen gem. Nr. 5.4 VV) liege deutlich über dem angegebenen Schaden von 68.162,90 Euro. Dem Bund komme es ausweislich der Gestaltung der VV nicht darauf an, ob eine Abfindungszahlung von dem Geldgeber an einen bestimmten Zweck gebunden sei.
Mit Urteil vom 19. Februar 2020 hat das Verwaltungsgericht Stade den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2019 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger 28.339,84 Euro als Billigkeitsleistung im Rahmen des Dürrebeihilfeprogramms 2018 zu bewilligen und auf diesen Betrag 6 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz ab Klageerhebung zu zahlen. Der Kläger habe einen Anspruch auf die Zahlung. Das Ermessen der Beklagten sei auf Null reduziert. Die 112.176,61 Euro hätten zwar zum Stichtag 30. Juni 2018 zur Verfügung gestanden. Die Beklagte habe ihr Ermessen jedoch fehlerhaft ausgeübt, weil sie von dem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei, dass die Abfindungszahlung keiner besonderen Bestimmung unterlegen habe. Dies widerspreche dem Vermerk der Beklagten vom 12. Februar 2019, nach dem dieser Betrag „zweckgebunden für Wohnhaus“ sei. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass die Schwiegereltern des Klägers ihrer Tochter den Betrag mit der Zweckbindung zur Verfügung gestellt hätten, diesen für den Bau eines Wohnhauses für die Familie zu verwenden. Die Beklagte habe ihre Ermessenserwägungen auf die Erörterung dieses Punktes in der mündlichen Verhandlung hin nicht ergänzt oder modifiziert. Schon wegen dieser Zweckbindung sei dieser Betrag nicht zumutbar verwertbar. Selbständig tragend komme hinzu, dass der Kläger und seine Ehefrau am 30. Juni 2018 wegen des Hausbaus bereits Verpflichtungen eingegangen waren, aus denen sie sich nicht mehr zumutbar lösen konnten. Den Bau stillzulegen sei nicht zumutbar gewesen. Das gelte sowohl wegen der möglichen Kosten für die Sicherung und Erhaltung der bereits ins Werk gesetzten Teile als auch wegen der Kreditfinanzierung in Höhe von 185.000,00 Euro. Die Beklagte habe nach alledem eine erneute Ermessensentscheidung zu treffen. Das Verwaltungsgericht verpflichte sie jedoch nicht zu einer erneuten Ermessensentscheidung, weil das Ermessen auf Null reduziert sei, weil zumutbar verwertbares Vermögen nicht vorhanden sei, das den Schaden übersteige, und die übrigen Voraussetzungen für die Dürrebeihilfe nicht streitig seien. Der Zinsanspruch ergebe sich entsprechend §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Kläger habe nur 6 Prozent Zinsen über dem Basiszinssatz beantragt, was weniger sei als die in § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB vorgesehenen 5 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 22. April 2020 Berufung eingelegt. Sie habe ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Das Verwaltungsgericht lasse Sinn und Zweck der Billigkeitsleistung sowie deren Auslegung und die tatsächliche Verwaltungspraxis der Beklagten außer Acht. Die nationale Rahmenrichtlinie finde auf die VV vollumfänglich Anwendung, es sei denn, die VV enthalte strengere Bestimmungen. Damit werde die Möglichkeit eröffnet, die in der VV gemachen Vorgaben auch strenger auslegen zu können. Dies habe das ML in seinem Erlass vom 29. Mai 2019 bezüglich der Berücksichtigung von Vermögenswerten aufgegriffen, indem auch Vermögenswerte heranzuziehen seien, die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollten, z.B. Rücklagen für Investitionen oder weichende Erben. Die Verschärfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Billigkeitsleistungen liege auch in der Knappheit der Haushaltsmittel begründet. Es sollten möglichst alle förderungswürdigen Antragsteller eine Billigkeitsleistung erhalten. Aufgrund der knappen Haushaltsmittel habe das Land Niedersachsen die Bruttointensität bereits auf 41,57665 % gekürzt. Das ML habe vorgegeben, wie die Anträge einheitlich zu bearbeiten seien. Entscheidend sei, ob der Betriebsleiter und seine Ehefrau zum Stichtag 30. Juni 2018 die Verfügungsgewalt über das Vermögen hatten. Der Zweck und die in der Finanzplanung vorgesehene Verwendung seien für die Bewilligung der Billigkeitsleistung nicht zu berücksichtigen. Sie sei nicht von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Ihr sei durch den Schriftsatz vom 28. Juni 2019 bekannt gewesen, dass die Abfindungszahlung zur Errichtung des gemeinsam genutzten Betriebsleiterhauses gedacht gewesen sei und dass bereits entsprechende Verpflichtungen eingegangen worden seien. Also habe sie diesen Sachverhalt bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Das Vermögen sei entsprechend der Vorgaben des ML und im Zuge einer einheitlichen Bewilligungspraxis zu berücksichtigen gewesen. Es stelle sich angesichts der übrigen Kreditfinanzierung des Hausbaus die Frage, ob der Kläger zwingend auf Billigkeitsleistungen angewiesen sei. Auch habe er Zusatzleistungen in Anspruch genommen, obwohl zu dem Zeitpunkt des Hausbaus die Wettersituation der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2018 bereits absehbar gewesen sei. Hätte es keine Dürrebeihilfe gegeben, hätte der Kläger seinen theoretisch errechneten Schaden bestimmt mit den vorhandenen Vermögenswerten oder über eine Zwischenfinanzierung ausgeglichen. Dies bedeute, dass mit der Gewährung der Billigkeitsleistung indirekt der Hausbau mitfinanziert werde. Dies entspreche aber nicht dem Sinn und Zweck der Beihilfe. Die Verwaltungsvereinbarung sei durch den Bund bewusst so ausgestaltet worden, dass zugunsten eines möglichst einfachen Verwaltungsverfahrens ohne Ausnahmetatbestände, klarer Vorgaben für die Antragsteller, Kontrollierbarkeit und einer schnellen Umsetzung in diesem Massenantragsverfahren keine Ermittlungen oder umfangreiche Nachforderungen, Rücksprachen oder Datenabgleiche durch sie vorgesehen seien. Dies werde auch daran deutlich, dass der Bund für 2018 insgesamt 170.000.000,00 Euro bereitgestellt habe, die möglichst schnell an die betroffenen Antragsteller auszuzahlen gewesen seien. Nach Ablauf der Antragsfrist am 30. November 2018 seien bis Ende 2018 schon ca. 60 Anträge bewilligt worden. Bis Anfang August 2019 seien insgesamt 3.291 Anträge bewilligt und 1.231 Anträge abgelehnt worden. Die Mittel seien nach der Verwaltungsvereinbarung vom 18. April 2019 bis zum 31. August 2019 auszuzahlen gewesen. Etliche Antragsteller hätten kurzfristig verfügbare private Vermögenswerte angezeigt und gleichzeitig darauf hingewiesen, dass diese in die Schadensberechnung nicht mit einfließen sollten. Diese Angaben seien notwendig, weil die Antragsteller zu wahrheitsgemäßen Angaben verpflichtet seien. Die Aufzählung der Gründe im Erlass des ML vom 29. Mai 2019 sei nicht abschließend. Es sei auch unerheblich, ob betriebliche oder private Investitionen gemeint seien. Es sei bekannt, dass überschüssiges betriebliches Vermögen zwecks gewinnbringender Geldanlage in privates Vermögen überführt werde, auch wenn es für eventuell spätere betriebliche Investitionen gedacht sei. Die Regelung in dem Erlass des ML vom 29. Mai 2019 (3. Spiegelstrich) schränke ihren Ermessensspielraum stark ein.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stade vom 19. Februar 2020 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Die Regelung im Erlass des ML vom 29. Mai 2019, dass auch Vermögenswerte heranzuziehen seien, die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollten, wie beispielsweise Rücklagen für anstehende Investitionen oder für weichende Erben, erfasse den vorliegenden Sachverhalt nicht und sei auch deshalb unbeachtlich, weil Nr. 5.4 VV dabei außer Acht gelassen werde, wonach nur zumutbar verwertbares Privatvermögen in gewissem Umfang anrechenbar sei. Das Bankguthaben der Ehefrau zum 30. Juni 2018 sei rein privat, nämlich zur Finanzierung eines schon begonnenen privaten Hausbaus des Ehepaares, verwendet worden. Es habe sich mithin weder um eine Rücklage für anstehende Investitionen noch für weichende Erben gehandelt. Die in dem Erlass enthaltene Anweisung sei zudem undifferenziert und unterlaufe das Kriterium der Zumutbarkeit. Es sei im Ergebnis unbeachtlich, ob die von der Beklagten getroffene Ablehnung auf einer nur ihr anzulastenden unsachgemäßen Ermessensausübung beruhe, oder ob insoweit aufgrund der bestehenden Weisungsverhältnisse die Verantwortlichkeit beim ML zu suchen sei. Denn in letzterem Fall würde dessen fehlerhafte Vorgabe auch die auf dieser Basis erfolgte Ermessensbetätigung der Beklagten erfassen und zu deren Rechtswidrigkeit führen. Hinsichtlich einer Abweichung von den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften sei Urheber der VV neben dem Land in erster Linie der Bund. Es sei nichts dafür ersichtlich, dass dieser eine Abweichung von Nr. 5.4 VV ausdrücklich gebilligt oder wissentlich geduldet habe. Selbst wenn dies der Fall wäre, so müsste das Kriterium der Zumutbarkeit bei der Berücksichtigung privater Vermögenswerte dennoch berücksichtigt werden. Denn es sei unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit in die Abwägung einzustellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid zu Recht aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger 28.339,84 Euro Dürrehilfe zu bewilligen.
Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Bewilligung einer Dürrehilfe für das Antragsjahr 2018 ist der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Der die Gewährung dieser Hilfe ablehnende Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2019 ist rechtswidrig, weil er entgegen Art. 3 Abs. 1 GG die in den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften der Beklagten vorgesehenen Erwägungen zur Berücksichtigung des zumutbar verwertbaren Privatvermögens nicht enthält, und solche Erwägungen auch im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht ergänzt worden sind (Heranziehungsdefizit) und der von den Schwiegereltern des Klägers zur Verfügung gestellte Betrag von 112.176,61 Euro weder überhaupt verwertbar noch zumutbar verwertbar ist und damit die Anrechnung dieses Betrages als Vermögen der Ehefrau des Klägers den das Ermessen der Beklagten bindenden Vorgaben zu den Verwaltungsvorschriften widerspricht.
Das Land Niedersachsen gewährt unter Beteiligung des Bundes Dürrehilfen für das Jahr 2018 aufgrund der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft erlassenen nationalen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse vom 26. August 2015 - Rahmenrichtlinie - (BAnz AT 31.8.2015 B4) und der auf dieser Rahmenrichtlinie beruhenden Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Beteiligung des Bundes an Hilfsprogrammen der Länder für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch die Folgen der Dürre 2018 in ihrer Existenz gefährdet sind vom 8. Oktober 2018 und vom 18. April 2019 - VV -. Weiter konkretisiert und - im Außenverhältnis zum Antragsteller maßgeblich - modifiziert werden die Vorgaben durch verschiedene Erlasse des ML.
Solche Richtlinienbestimmungen begründen nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als bloße ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, anders als Gesetze und Rechtsverordnungen, nicht schon durch ihr Vorhandensein subjektive Rechte und damit verbundene Ansprüche der Zuwendungsbewerber auf Gewährung der Zuwendung (BVerwG, Urteile vom 14.3.2018 – 10 C 1.17 –, juris Rn. 15, vom 23.4.2003 – 3 C 25.02 –, juris Rn. 14 und vom 17.1.1996 - 11 C 5.95 -, juris Rn. 21, jeweils m.w.N.; Senatsbeschluss vom 16.9.2020 – 10 LA 167/19 –; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 19.5.2015 – 8 LB 92/14 –, juris Rn. 27). Die ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften unterliegen auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen (BVerwG, Urteil vom 17.1.1996 – 11 C 5.95 –, juris Rn. 21). Eine über die ihnen zunächst nur innewohnende verwaltungsinterne Bindung hinausgehende anspruchsbegründende Außenwirkung wird nur durch den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 Abs. 3 GG) vermittelt, dies zudem nur in der Ausprägung, die die Verwaltungsvorschriften durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben. Maßgeblich ist mithin, wie die zu ihrer Anwendung berufene Behörde die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, vom Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligter oder jedenfalls geduldeter Praxis gehandhabt hat (BVerwG, Urteile vom 14.3.2018 – 10 C 1.17 –, juris Rn. 15, vom 23.4.2003 – 3 C 25.02 –, juris Rn. Rn. 17 und vom 2.2.1995 – 2 C 19.94 –, juris Rn. 18; Senatsbeschluss vom 16.9.2020 – 10 LA 167/19 –; Niedersächsisches OVG, Urteil vom 19.5.2015 – 8 LB 92/14 –, juris Rn. 27).
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Subventionsgeber nicht nur ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen, sondern überdies begründet er zugunsten jedes Zuwendungsbewerbers einen Anspruch darauf, entsprechend dem aufgestellten Verteilungsprogramm behandelt zu werden (BVerwG, Urteil vom 8.4.1997 – 3 C 6.95 –, juris Rn. 20).
1. Die streitgegenständlichen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften sehen im Einklang mit ihrem rechtlichen Charakter vor, dass ein Rechtsanspruch auf Zuwendungen nicht besteht (Nr. 1.2 Satz 1 Rahmenrichtlinie, Nr. 2 Abs. 2 Satz 2 VV). Die jeweilige Bewilligungsstelle entscheidet nach Antragstellung aufgrund pflichtgemäßen Ermessens und nach Maßgabe der Rahmenrichtlinie unter dem Vorbehalt der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel (Nr. 1.2 Satz 2 und 3 Rahmenrichtlinie, Nr. 2 Abs. 2 Satz 3 VV). Die Rahmenrichtlinie findet auf die VV vollumfänglich Anwendung, es sei denn, dass die Vereinbarung strengere Bestimmungen enthält (Nr. 2 Abs. 1 VV).
Die maßgebliche Verwaltungspraxis der Beklagten richtet sich zunächst nach Nr. 1.1 der Rahmenrichtlinie, wonach die Zuwendungen zum (Teil-)Ausgleich von Schäden land- und forstwirtschaftlicher Unternehmen gewährt werden, die unmittelbar durch Naturkatastrophen verursacht wurden. Nach Nr. 2 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Nr. 5.1 Satz 1 VV werden aufgrund der Verwaltungsvereinbarung Billigkeitsleistungen zum Teilausgleich von Schäden landwirtschaftlicher Unternehmen gewährt, die unmittelbar durch die Dürre entstanden sind, womit nach Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 VV die Dürre im Jahr 2018 gemeint ist.
Die hier streitgegenständliche Schadensberechnung wird nach den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften im Wesentlichen wie folgt durchgeführt. Der Schaden wird aus der Summe der Einkommensminderung in der Boden- und Tierproduktion sowie aus den sonstigen Kosten, die infolge der Dürre entstanden sind (z.B. Futterzukäufe) berechnet (Nr. 5.1 Satz 2 VV). Die Berechnung des Schadens erfolgt auf der Ebene des einzelnen Empfängers (Nr. 5.1 Satz 4 VV). Alternativ kann der Schaden auf Basis von regionalen Referenzwerten berechnet werden (Nr. 5.1 Satz 5 VV). Der so berechnete Schaden ist um etwaige Versicherungsleistungen, zweckgebundene Hilfen Dritter und um aufgrund der Dürre nicht entstandene Kosten zu kürzen (Nr. 5.2 Abs. 1 VV). Der auf diese Weise ermittelte Betrag ist um das - insbesondere kurzfristig - zumutbar verwertbare Privatvermögen zu kürzen (Nr. 5.4 Satz. 1 VV). Bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften wird die Summe des - insbesondere kurzfristig - zumutbar verwertbaren Privatvermögens der haftenden natürlichen Personen und ihrer Ehegatten oder Lebenspartner, die über 50 % des bisher errechneten Schadens liegt, berücksichtigt (Nr. 5.4 Satz. 2 VV). Dabei gelten die Vermögensverhältnisse, die am 30. Juni 2018 bestanden (Nr. 5.4 Satz 5 VV). Der Mindestauszahlungsbetrag beträgt je Empfänger 2.500,00 Euro (Nr. 9.1 VV).
Weiter konkretisiert und modifiziert werden diese ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften durch verschiedene Erlasse des Niedersächsischen Ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz - ML -. Nach dem von der Beklagten vorgelegten Erlass vom 29. Mai 2019 sind auch Vermögenswerte heranzuziehen, die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollen, z.B. Rücklagen für anstehende Investitionen oder für weichende Erben. Bei Fällen in denen die Einhaltung der Bewilligungsvoraussetzungen fraglich sei, sei durchweg eine strenge Vorgehensweise anzuwenden. Die Beklagte hat außerdem den Durchführungserlass des ML zur Gewährung von Billigkeitsleistungen zur Bewältigung von Dürreschäden 2018 in landwirtschaftlichen Unternehmen aus Niedersachen und Bremen vom 1. November 2018, nebst Ergänzung vom 23. August 2019 sowie das zugehörige Merkblatt vom 12. November 2018 vorgelegt und ausgeführt, dass ihr somit vom ML vorgegeben worden sei, wie Anträge nach den vorgegebenen Kriterien, speziell auch bezüglich der Berücksichtigung des Privatvermögens, einheitlich zu bearbeiten seien. Nach Nr. 5.4 Satz 3 des Durchführungserlasses vom 1. November 2018 sind kurzfristig zumutbar verwertbare Privatvermögen solche, die unterhalb eines Jahres liquidierbar sind. Aus dem Merkblatt des ML vom 12. November 2018 ergibt sich hinsichtlich der Anrechnung von Privatvermögen, dass das private Vermögen des Unternehmers und der Unternehmensbeteiligten sowie deren Ehegatten und Lebenspartner anzugeben ist, das innerhalb eines Jahres nach dem Antragsstichtag dem antragstellenden Unternehmen tatsächlich oder potentiell zur Bewältigung der Dürreschäden zur Verfügung steht oder zur Verfügung stehen könnte (Nr. 4 b) Satz 1 des Merkblattes). Dazu zählen Bar- und Bankvermögen, Aktien, Fondsanteile, Edelmetalle und vergleichbares Vermögen mit schneller Verfügbarkeit (Nr. 4 b) Satz 2 des Merkblattes). Als nicht kurzfristig zumutbar verwertbar gelten insbesondere Immobilien (Nr. 4 c) Satz 1 des Merkblattes).
Weichen die Erlasse des Ministeriums von der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ab, so kann der Antragsteller hieraus keine subjektiven Rechte herleiten. Denn die Verwaltungsvereinbarung hat keine unmittelbare Außenwirkung und wirkt insbesondere nicht unmittelbar auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten. Etwaige Abweichungen von der Verwaltungsvereinbarung seitens der Beklagten wirken sich lediglich im Verhältnis zwischen Bund und Land aus. Denn die Verwaltungsvereinbarung haben der Bund und die Länder geschlossen, um die finanzielle Beteiligung des Bundes an dem Dürrehilfsprogramm zu regeln. Subventionsgeber ist hier aber allein das Land Niedersachsen, welches die Zuwendung in eigener Zuständigkeit unter finanzieller Beteiligung des Bundes gewährt (vgl. Vorbemerkung Abs. 3 der Rahmenrichtlinie und Nr. 1 VV). Dass sich der Bund über die VV an der Dürrehilfe beteiligt, macht diese nicht zu einer Zuwendung des Bundes. Soweit jedoch die Erlasse des ML nicht von der Verwaltungsvereinbarung abweichen, ist davon auszugehen, dass auch diese das Ermessen der Beklagten im Land Niedersachsen lenken soll. Dementsprechend bestimmt Nr. 1.2 a) des Erlasses des ML vom 1. November 2018 ausdrücklich, dass die Billigkeitsleistung zur Bewältigung der Dürreschäden 2018 auch nach Maßgabe der Verwaltungsvereinbarung gewährt wird.
2. Die Entscheidung der Beklagten ist ermessensfehlerhaft.
Die Überprüfung der Anwendung von Richtlinien - wie der hier streitgegenständlichen Verwaltungsvorschriften - durch die Verwaltungsgerichte hat sich an den Maßstäben zu orientieren, die in § 114 VwGO für die Fälle gesetzt sind, in denen die Behörden durch Rechtsvorschriften des materiellen Rechts ermächtigt worden sind, nach ihrem Ermessen zu handeln (BVerwG, Urteil vom 26.4.1979 – 3 C 111.79 –, juris Rn. 25). Gemäß § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist, soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln.
Hier sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung zunächst die Erlasse des Landes und die Verwaltungspraxis der Beklagten maßgeblich, weil das Land alleiniger Zuwendungsgeber ist (Nr. 1 VV). Soweit die Erlasse die VV nicht modifizieren, ist auch diese nach dem oben Gesagten zu berücksichtigen.
Soweit das Vermögen der Ehefrau des Klägers dem Grunde nach berücksichtigt wurde, hält sich die Entscheidung der Beklagten im Rahmen der ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften (vgl. Nr. 5.4 Satz 2 VV).
Es liegt gleichwohl ein Ermessensfehler vor, weil die Beklagte den Kläger hinsichtlich des Betrages von 112.176,61 Euro entgegen ihrer Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht entsprechend den ihr Ermessen bindenden Verwaltungsvorschriften behandelt hat.
Hinsichtlich der nach Nr. 5.4 VV, Nr. 5.4 des Erlasses des ML vom 1. November 2018 und Nr. 4 des Merkblatts vom 12. November 2018 erforderlichen Feststellung, ob das Privatvermögen des Antragstellers kurzfristig zumutbar verwertbar ist, kann die Beklagte sich nicht darauf berufen, dass eine (aufwändige) Sachverhaltsermittlung für sie nicht möglich (gewesen) sei. Denn wenn die das Ermessen der Beklagten lenkenden Verwaltungsvorschriften vorsehen, dass nur das kurzfristig zumutbar verwertbare Privatvermögen anzurechnen ist, dann kann die Beklagte die insoweit erforderliche Feststellung nur treffen, wenn sie den gesamten (für sie erkennbaren) Sachverhalt in den Blick nimmt, also nicht nur feststellt, ob überhaupt Vermögen vorhanden ist, sondern auch prüft, ob dieses zumutbar verwertet werden kann, wenn - wie hier - konkrete Anhaltspunkte vorliegen, die gegen dessen Verwertbarkeit sprechen. Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus dem Erlass des ML vom 29. Mai 2019, soweit danach „eine strenge Vorgehensweise anzuwenden“ ist und „auch Vermögenswerte heranzuziehen“ sind, „die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollen.“
a) Der streitgegenständliche Betrag von 112.176,61 Euro, den die Schwiegereltern des Klägers dem Ehepaar für die Errichtung eines neu zu erstellenden Wohnhauses zur Verfügung gestellt haben ist schon nicht verwertbar im Sinne von Nr. 5.4 Satz 1 VV, da es sich hier um eine gemischte Schenkung unter einer Auflage handelt, die der Kläger zu erfüllen hatte. Anderenfalls hätten seine Schwiegereltern den Betrag zurückfordern können.
Gemäß § 516 Abs. 1 BGB ist eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, eine Schenkung, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt. Bei Vorliegen einer oder mehrerer Gegenleistungen ist die Schenkung regelmäßig als gemischte Schenkung anzusehen. Hierfür reicht eine bloße Wertdifferenz zu Gunsten des Beschenkten aus. Ein Überwiegen des unentgeltlichen Charakters des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen ist für die Einordnung als gemischte Schenkung nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 18.10.2011 - X ZR 45/10 -, beckonline Rn. 14). Hier handelt es sich um eine gemischte Schenkung, weil die Zuwendung von 112.176,61 Euro nicht vollständig unentgeltlich, sondern nach Angaben der Schwiegereltern in Höhe von 5.000,00 Euro als Abfindung nach § 12 Höfeordnung erfolgt ist.
Diese gemischte Schenkung ist auch mit einer Auflage verbunden. Denn ausweislich des Schreibens vom 3. Februar 2020 haben die Schwiegereltern des Klägers mit ihrer Tochter vereinbart, dass die geschenkte Summe „ausschließlich zur Errichtung des Wohnhauses verwendet werden“ dürfe.
Dass die Schenkung nicht entsprechend den Vorgaben des § 518 Abs. 1 BGB notariell beurkundet worden ist, macht den Vertrag nicht gemäß § 125 BGB nichtig. Denn der Mangel der Form wurde durch die Bewirkung der versprochenen Leistung geheilt (§ 518 Abs. 2 BGB). Die Heilung erstreckt sich dabei auch auf eine nicht beurkundete Auflage (Gehrlein in BeckOK BGB/, 56. Ed. 1.11.2020, § 518 Rn. 5).
Rechtsfolge der Nichterfüllung der Auflage wäre, dass die Schwiegereltern einen Rückforderungsanspruch gemäß § 527 Abs. 1 BGB erlangen würden. Nach § 527 Abs. 1 BGB kann der Schenker die Herausgabe des Geschenkes unter den für das Rücktrittsrecht bei gegenseitigen Verträgen bestimmten Voraussetzungen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung insoweit fordern, als das Geschenk zur Vollziehung der Auflage hätte verwendet werden müssen, wenn die Vollziehung der Auflage unterbleibt.
Dass es sich um eine gemischte Schenkung handelt, lässt das Recht der Schenkenden aus § 527 Abs. 1 BGB unberührt (Gehrlein in BeckOK BGB/, 56. Ed. 1.11.2020 § 516 Rn. 16). Bei einer gemischten Schenkung gilt, dass der Schenker die vollständige Herausgabe des Geschenks in Natur gegen Rückgewähr der Gegenleistung nur verlangen kann, wenn der unentgeltliche Charakter des Vertrags überwiegt. Dies ist der Fall, wenn die Zuwendung des Schenkers im Vergleich zur Gegenleistung den doppelten Wert aufweist. Überwiegt der unentgeltliche Charakter nicht, kann der Schenker mit seinem Herausgabeanspruch nur einen Wertersatz in Höhe der Leistungsdifferenz zwischen Geschenk und Gegenleistung verlangen (BGH, Urteil vom 18.10.2011 - X ZR 45/10 -, beckonline Rn. 15).
Hier überwiegt der unentgeltliche Charakter im vorbeschriebenen Sinn, weil der Anspruch nach § 12 Höfeordnung nach Angaben der an der Schenkung beteiligten Personen lediglich 5.000,00 Euro beträgt. Zwar ist in dem Schreiben vom 3. Februar 2020 auch erwähnt, dass die Ehefrau des Klägers damit auch auf spätere „Abfindungsansprüche“ verzichte. Dieser Verzicht ist indes so unbestimmt, dass nicht klar wird, worauf überhaupt verzichtet worden sein soll. Sollte es sich um Regelungen für den Erbfall handeln, wären diese jedenfalls formunwirksam. Unentgeltlich zugewendet ist hier demnach im Vergleich zur Gegenleistung jedenfalls mehr als das Doppelte.
Bei Nichterfüllung der Auflage, mithin wenn der Kläger den Geldbetrag nicht für den Hausbau, sondern für den landwirtschaftlichen Betrieb verwendet hätte, hätten die Schwiegereltern nach erfolgloser Nachfristsetzung (§ 323 Abs. 1 BGB) also das Geschenk zurückfordern können.
b) Zum anderen widerspricht die Berücksichtigung des geschenkten Betrages den Vorgaben in Nr. 5.4 VV sowie in Nr. 4 a) bis c) des Merkblatts des ML vom 12. November 2018, weil es sich danach um nicht kurzfristig zumutbar verwertbares Privatvermögen handelt, und die Beklagte folglich den Kläger entgegen ihrer Verpflichtung aus Art. 3 Abs. 1 GG nicht entsprechend diesen ihr Ermessen insoweit bindenden Verwaltungsvorschriften behandelt hat.
Nach Nr. 5.4 VV ist der errechnete Schaden um das, insbesondere kurzfristig, zumutbar verwertbare Privatvermögen zu kürzen. Der Erlass des ML vom 1. November 2018 enthält dazu unter Nr. 5.4 lediglich den Hinweis, dass kurzfristig zumutbar verwertbares Privatvermögen Vermögen sei, das unterhalb eines Jahres liquidierbar sei. Auch der von der Beklagten wiederholt angeführte Erlass des ML vom 29. Mai 2019 enthält zur Frage der Zumutbarkeit außer der Vorgabe, dass „durchweg eine strenge Vorgehensweise anzuwenden“ sei, keine weiterführenden konkreten Angaben, soweit es dort heißt, es seien „auch Vermögenswerte heranzuziehen, die nach Ansicht der Antragsteller nicht einbezogen werden sollten, z.B. um Rücklagen für anstehende Investitionen oder für weichende Erben“. Konkrete Hinweise zur Frage der kurzfristigen zumutbaren Verwertbarkeit von Privatvermögen enthält jedoch das Merkblatt vom 12. November 2018. Nach Nr. 4 a) Satz 1 dieses Merkblatts soll nur das kurzfristig zumutbar verwertbare Privatvermögen zur Schadensminderung angerechnet werden. Anzugeben ist nach Nr. 4 b) Satz 1 des Merkblatts das private Vermögen, das innerhalb eines Jahres nach dem Antragsstichtag dem antragstellenden Unternehmen tatsächlich oder potentiell zur Bewältigung der Dürreschäden zur Verfügung steht oder zur Verfügung stehen könnte. Dazu zählt nach Satz 2 der Nr. 4 b) des Merkblatts Vermögen mit schneller Verfügbarkeit. Die in Nr. 4 c) aufgeführten Beispiele für nicht kurzfristig zumutbar verwertbares bzw. schnell verfügbares Vermögen - Immobilien und vermögensbildende Versicherungen mit einer Restlaufzeit von mehr als einem Jahr - zeigen, dass die Verwertung von Vermögen immer dann als unzumutbar angesehen wird, wenn durch die (kurzfristige) Verwertung ein „unverhältnismäßig geringer Erlös“ bzw. verhältnismäßig hohe Vermögensnachteile entstehen.
Hier hätte der Kläger das auf seinem Konto befindliche Vermögen von 112.176,61 Euro zwar ohne jede Berücksichtigung der für ihn damit verbundenen Folgen von seinem Konto abbuchen und für entstehende Dürreschäden einsetzen können, doch wäre die Verwertung dieses Betrages für ihn unzumutbar gewesen im Sinne der oben genannten Verwaltungsvorschriften. Denn der Kläger hatte bereits erhebliche Zeit vor der Stellung des Antrags auf Bewilligung einer Dürrehilfe am 20. November 2018 mit dem Neubau eines Wohnhauses begonnen und den Betrag von 112.176,61 Euro in die hierfür erforderliche Baufinanzierung fest eingebunden:
Das Angebot mit einem Gesamtpreis von 266.000 Euro des später beauftragten Bauunternehmers erhielt er unter dem 15. Juni 2017. Die tatsächlichen Gesamtkosten beliefen sich nach den Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 18. Juli 2019 auf 300.000 Euro. Zur Finanzierung des Hausbaus benötigte der Kläger daher neben dem genannten Betrag von 112.176,61 Euro eine Kreditfinanzierung in Höhe von 185.000 Euro. Eine vollständige Kreditfinanzierung wäre nach der vom Senat eingeholten Auskunft der Bank des Klägers vom 29. Januar 2021 nicht möglich gewesen. Denn danach hätte das vorhandene Eigenkapital „nicht zweckentfremdet zur Stärkung des landwirtschaftlichen Betriebes verwendet werden dürfen“, weil „aufgrund des erforderlichen Eigenkapitals im Rahmen der Voraussetzungen zur Erfüllung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie ohne weiteres eine Krediterhöhung nicht möglich gewesen“ wäre. Der Kläger war also auf den Betrag von 112.176,61 Euro als Eigenkapital zur Finanzierung des Hausbaus angewiesen.
Unter dem 6. April 2018 erteilte der zuständige Landkreis die Baugenehmigung. Nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht begann kurz danach der Hausbau. Die ersten Rechnungen trafen nach dem 30. Juni 2018 bei dem Kläger ein. In dem Zeitraum von Juli bis September 2018 hat der Kläger nach seinen Angaben in der erstinstanzlichen mündlichen Verhandlung diese und die folgenden Rechnungen beglichen. Das Richtfest fand am 7. September 2018 statt.
Ein Einsatz des Betrages von 112.176,61 Euro für die sich im Sommer 2018 möglicherweise abzeichnenden, aber erst nach der Ernte dieses Jahres eingetretenen Dürreschäden wäre daher zumindest mit unverhältnismäßig hohen Vermögensnachteilen für den Kläger verbunden gewesen. Denn der Kläger hätte das bereits im Frühjahr 2018 begonnene Bauvorhaben stilllegen müssen, Handwerker nicht bezahlen können und wahrscheinlich auch die Kreditfinanzierung von 185.000 Euro aufgeben müssen, was möglicherweise auch zur Veräußerung des Grundstücks und zu unverhältnismäßig hohen Verlusten geführt hätte. Es liegt auf der Hand, dass es sich aus diesen Gründen bei dem Betrag von 112.176,61 Euro um nicht zumutbar verwertbares Privatvermögen im Sinne der Nr. 5.4 VV und sowie der Nr. 4 a) bis c) des Merkblatts des ML vom 12. November 2018 handelt.
Mit der Berücksichtigung dieses Betrages hat die Beklagte daher gegen die ihr Ermessen bindenden Vorgaben in Nr. 5.4 VV und Nr. 4 a) bis c) des Merkblatts des ML vom 12. November 2018 verstoßen.
c) Es ist auch nicht erkennbar, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten in dieser Frage eine von den ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften abweichende Ausprägung gefunden hat.
So beruft sich die Beklagte einerseits zur Rechtfertigung ihrer Entscheidung selbst ausdrücklich auf Nr. 5.4 VV und den Erlass des ML vom 29. Mai 2019. Andererseits ist nicht erkennbar, dass das Land Niedersachsen als Urheber der Erlasse die vorliegende Abweichung billigt oder duldet. Die Verwaltungsvorschriften antizipieren die Verwaltungspraxis insoweit, als sie eine generalisierende Willenserklärung der die Richtlinie erlassenden Behörde enthalten, eine unbestimmte Vielzahl künftiger Fälle in einer bestimmten Weise zu behandeln. Die tatsächliche Verwaltungspraxis ist bei der Auslegung der Willenserklärung (nur) insoweit heranzuziehen, als sie - unter Beachtung des Gleichheitssatzes - vom Urheber der Verwaltungsvorschrift gebilligt oder doch geduldet wird (BVerwG, Urteil vom 24.3.1977 – II C 14.75 –, juris Rn. 20). Weichen untere Behörden in Einzelfällen ohne rechtfertigenden Grund von einer Richtlinie ab, könnte eine stillschweigende Aufgabe oder Änderung der Verwaltungspraxis nur angenommen werden, wenn dies von der für die Richtlinie verantwortlichen Stelle in seinen Willen aufgenommen worden wäre (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 19.3.2009 – 10 S 1578/08 –, juris Rn. 31). Hierfür ist nichts ersichtlich oder vorgetragen.
Nach alledem hat das Verwaltungsgericht daher zu Recht die Unzumutbarkeit der Verwertung des betreffenden Vermögensbetrags von 112.176,61 Euro festgestellt und die Beklagte wegen des „nicht streitigen“ Vorliegens der übrigen Voraussetzungen der Dürrehilfe und mangels eines verbleibenden Ermessenspielraums verpflichtet, dem Kläger die begehrte Dürrehilfe zu gewähren.