Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 23.02.2021, Az.: 2 ME 444/20

Ausbildung Gesundheits- und Krankenpflege; Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Berufe in der Krankenpflege; Begründungsdefizit; Begründungsmangel; Dokumentation - pflegerische; Krankenpflegerausbildung; KrPflAPrV; KrPflG; Nachteilsausgleich; Pflegedokumentation; praktische Prüfung; Prüfungleistung; Prüfungsangst; Prüfungsausschuss; Prüfungsbewertung; Prüfungsniederschrift; Prüfungsnote; Prüfungsphobie; Staatliche Abschlussprüfung Gesundheits- und Krankenpflege; Überdenkensverfahren; Überdenkungsverfahren

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
23.02.2021
Aktenzeichen
2 ME 444/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 71131
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 16.10.2020 - AZ: 5 B 21/20

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Verfahrensfehler können nur dann zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Fehler auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, der Fehler also (wenigstens) möglicherweise von Einfluss auf das Prüfungsergebnis gewesen ist (im Anschluss an BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 - 6 C 8.19 -).

Defizite der Prüfungsniederschrift begründen für sich genommen keinen Anspruch auf die Aufhebung der Prüfungsentscheidung (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Senatsbeschl. v. 27.1.2021 - 2 ME 379/20 -).

Die Begründung der Prüfungsentscheidung (Bewertung) in der praktischen Prüfung kann im Überdenkungsverfahren und/oder im gerichtlichen Verfahren bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz ergänzt bzw. nachgebessert werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Senatsbeschl. v. 27.1.2021 - 2 ME 379/20 -).
Prüfungsangst (Prüfungsphobie) begründet regelmäßig keinen Anspruch auf einen Nachteilsausgleich (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 2 ME 312/20 -).

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 16. Oktober 2020 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den angefochtenen Beschluss des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.

Die Antragstellerin begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zur erneuten Wiederholungsprüfung im praktischen Prüfungsteil der Abschlussprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege zuzulassen.

Die Antragstellerin hat an der Gesundheits- und Krankenpflegeschule C. in D. eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin durchlaufen. Die aus drei Prüfungsteilen (schriftlicher, mündlicher und praktischer Prüfungsteil) bestehende Abschlussprüfung, an der sie im Sommer 2019 erstmalig teilnahm, wurde im schriftlichen und im mündlichen Prüfungsteil jeweils mit ausreichend, aber im praktischen Prüfungsteil mit mangelhaft und deshalb als nicht bestanden bewertet. Nach einer Ausbildungsverlängerung ließ die Antragsgegnerin die Antragstellerin am 10. Januar 2020 zur Wiederholung des nicht bestandenen Teils der Abschlussprüfung zu. Auf den Vorschlag der Gesundheits- und Krankenpflegeschule wurde für die Wiederholungsprüfung ein Prüfungsausschuss nebst Vertretern, bestehend aus einem Prüfungsvorsitzenden und zwei Fachprüferinnen (eine Lehrkraft der Schule und einer Praxisanleiterin) bestellt. Von der Zulassung zur Wiederholungsprüfung und dem Termin (25. und 26. Februar 2020) sowie der Besetzung des Prüfungsausschusses wurde die Antragstellerin am 23. Januar 2020 in Kenntnis gesetzt (Beiakte 02, Bl. 23). Die von der Antragstellerin in der Wiederholungsprüfung am 25. und 26. Februar 2020 erbrachten praktischen Prüfungsleistungen bewertete der Prüfungsvorsitzende auf der Grundlage der übereinstimmenden Bewertungen der beiden Fachprüferinnen mit der Note 5 (mangelhaft). Über die Prüfung (Fachprüferinnen, Aufgabenstellung, Ergebnis und Begründung der Notenvergabe) fertigten die Fachprüferinnen eine Prüfungsniederschrift (Beiakte 02, Bl. 25 ff.).

Mit Bescheid vom 9. März 2020 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihre Abschlussprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege aufgrund der wiederholt mangelhaften Leistungen in der praktischen Prüfung endgültig mit nicht bestanden gewertet werde und die Möglichkeit einer weiteren Wiederholung dieses Prüfungsteils nicht bestehe. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin nach Durchführung des Überdenkungsverfahrens unter Berücksichtigung der weiteren Stellungnahmen der beiden Fachprüferinnen vom 4. Mai 2020 und 8. Mai 2020 (Beiakte 01, Bl. 43 ff.) mit Widerspruchsbescheid vom 28. Mai 2020 - zugestellt am 2. Juni 2020 - zurück.

Die Antragstellerin hat bereits am 29. April 2020 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und am 2. Juli 2020 Klage in der Hauptsache - 5 A 158/20 - erhoben.

Den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz, mit dem die Antragstellerin sinngemäß beantragt hat,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,

1. sie vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu einer Wiederholungsprüfung im praktischen Prüfungsteil der Abschlussprüfung Gesundheits- und Krankenpflege zuzulassen, sowie

2. vorläufig und bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache eine Überschreitung der Höchstdauer für die weitere Ausbildung einschließlich der für die Prüfung erforderlichen Zeit von einem Jahr nach § 8 Abs. 4 KrPflAPrV zuzulassen,

hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Oktober 2020 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Antragstellerin habe einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Das Prüfungsverfahren und die Bewertung der Prüfungsleistungen der Wiederholungsprüfung seien bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Zwar stehe die Regelung des § 15 Abs. 3 Satz 1 der für die Wiederholungsprüfung maßgeblichen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV), der sich die konkrete Zahl der Prüferinnen und Prüfer nicht entnehmen lasse, nicht im Einklang mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Festlegung der Prüfer bzw. Prüfungskommission. Nach der von dem Gericht bis zur Herstellung der verfassungsmäßigen Ordnung durch den Normgeber anzuwendenden Übergangsregelung, die sich an der ständigen Prüfungspraxis der Antragsgegnerin im praktischen Prüfungsteil zu orientieren habe, sei die Prüfung indes nicht zu beanstanden. Die Prüfung leide auch nicht an beachtlichen Verfahrensfehlern. Solche ergäben sich zunächst nicht aus etwaigen Mängeln der Prüfungsniederschrift. Mängel der Prüfungsniederschrift stellten für sich genommen keinen Verfahrensfehler dar, der einen Anspruch auf Wiederholung der Prüfung begründen könne. Die Bewertung der Prüfung erfolge zudem an Hand des tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht auf der Grundlage des Protokolls. Außerdem könnten Mängel des Protokolls nachträglich im Überdenkensverfahren und auch noch im gerichtlichen Verfahren behoben werden. Soweit die Antragstellerin zudem rüge, dass ihr trotz ihrer Prüfungsangst kein Nachteilsausgleich gewährt worden sei, sich die Prüferinnen durch ihr Verhalten und ihre Bemerkungen in der Prüfung und in der Prüfungspause aus ihrer Sicht unfair verhalten und das zur Prüfung gehörende Reflexionsgespräch vorzeitig abgebrochen hätten, habe die Antragstellerin diese und andere Mängel, wie die Zusammensetzung der zu versorgenden Patientengruppe, entgegen ihrer Obliegenheit im Prüfungsverfahren nicht unverzüglich gerügt, so dass diese nicht berücksichtigungsfähig seien. Die Antragstellerin habe auch durchgreifende Fehler bei der Bewertung ihrer praktischen Prüfungsleistungen, insbesondere ihrer Leistungen im Zusammenhang mit der Vorstellung der zu versorgenden Patientinnen, der Vorbereitung der Medikation sowie bei dem Erstkontakt mit den Patientinnen, der Delegation einzelner Aufgaben, der Gabe von Augentropfen, der Mundpflege, der Kontrolle des Inkontinenzmaterials, der Dekubitusprophylaxe, der Vitalzeichenkontrolle, der Überprüfung der Körpertemperatur, der Körperpflege und Mobilisation, der Körperhygiene (Fußpilz), und der Dokumentation der jeweils vorgenommenen pflegerischen Handlungen sowie bei der Übergabe der Patientinnen an die zuständige Schwester nicht glaubhaft gemacht.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde, hinsichtlich deren Einzelheiten auf die Beschwerdebegründung vom 19. November 2020 und die vertiefenden Ausführungen vom 20. Januar 2021 und 4. Februar 2021 Bezug genommen wird.

II.

Die Beschwerde, mit der die Antragstellerin sinngemäß beantragt,

die Antragsgegnerin unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2020 einstweilen zu verpflichten, sie vorläufig bis zu eine Entscheidung in der Hauptsache - 5 A 158/20 - erneut zur Wiederholungsprüfung im praktischen Prüfungsteil der staatlichen Abschlussprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege zuzulassen,

bleibt ohne Erfolg. Die mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die begehrte Änderung des angegriffenen Beschlusses. Der Senat folgt zunächst den zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf diese Bezug (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Die Antragstellerin vermochte auch im Beschwerdeverfahren einen für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch auf die Wiederholung der praktischen Prüfung nicht glaubhaft zu machen.

Aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG folgt für den Rechtsschutz des Prüflings gegen berufsbezogene Prüfungsentscheidungen, dass Prüfungsteilnehmern eine wirkungsvolle gerichtliche Nachprüfung ermöglicht werden muss. Die Gerichte sind berechtigt und verpflichtet, Prüfungsentscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt nachzuprüfen. Sofern es aber um die Bewertung der Prüfungsleistung geht, d.h. insbesondere die sich in der Punkt- oder Notenvergabe ausdrückenden wertende Einschätzung einer Prüfungsleistung, die Einordnung des Schwierigkeitsgrades einer Aufgabenstellung, die Gewichtung verschiedener Aufgaben untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie der Gewichtung der Bedeutung eines Mangels geht, steht den Prüferinnen und Prüfern indes ein Bewertungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt dahingehend kontrolliert werden kann, ob die Prüfer die Grenzen des Bewertungsspielraums überschritten haben (vgl. Tegethoff, Anmerkung zur Entscheidung des BVerwG, Beschl. v. 5.3.2018 - 6 B 71.17 -, juris). Prüfer überschreiten diese Grenzen, wenn sie bzw. die Prüfungsbehörden Verfahrensfehler begehen, anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen oder sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen (stRspr, vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 - 6 C 8.19 - juris Rn. 11 ff., Beschl. v. 9.10. 2012 - 6 B 39.12 - juris Rn. 5). Bei einem Verfahrensfehler kann der Prüfling die Aufhebung der Prüfungsentscheidung indes nur dann verlangen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass sich der Fehler auf das Prüfungsergebnis ausgewirkt hat, er also (wenigstens) möglicherweise von Einfluss auf das Prüfungsergebnis gewesen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 - 6 C 8.19 -, juris Rn. 12, Beschl. v. 8.11.2005 - 6 B 45.05 -, juris Rn. 4).

Die in Bezug auf die Leistungsbewertung beschränkte gerichtliche Kontrolldichte wird dadurch ausgeglichen, dass Prüflinge ein Überdenken der Leistungsbewertung durch die Prüferinnen und Prüfer, d.h. eine ergänzende Ausübung des Bewertungsspielraums, verlangen können (stRspr., vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 - 6 C 8/19 - juris Rn. 11 ff, Urt. v. 10.4. 2019 - 6 C 19.18 -, juris Rn. 25; Beschl. v. 9.10. 2012 - 6 B 39.12 - juris Rn. 5; Beschl. v. 5.3.2018 - 6 B 71.17 -, juris, Beschl. v. 21.12.2016 - 2 B 109.15 -, juris Rn. 13). Damit das durch die Einwände des Prüflings veranlasste eigenständige verwaltungsinterne Kontrollverfahren des Überprüfens und Überdenkens der Prüfungsentscheidung (Überdenkensverfahren) seinen Zweck, das Grundrecht der Berufsfreiheit des Prüflings effektiv zu schützen, konkret erfüllen kann, muss gewährleistet sein, dass die Prüfer ihre Bewertungen hinreichend begründen, dass der Prüfling seine Prüfungsakten mit den Korrekturbemerkungen der Prüfer einsehen kann, dass die daraufhin vom Prüfling erhobenen substantiierten Einwände den beteiligten Prüfern zugeleitet werden, dass diese sich mit den Einwänden des Prüflings auseinandersetzen und, soweit diese berechtigt sind, ihre Bewertung der betroffenen Prüfungsleistung korrigieren sowie alsdann auf dieser - möglicherweise veränderten - Grundlage erneut über das Ergebnis der Prüfung entscheiden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.10.2012 - 6 B 39.12 -, juris Rn. 6; Urt. v. 24.2.1993 - 6 C 35.92 -, juris Rn. 23 ff.).

Davon ausgehend führt das Beschwerdevorbringen nicht zu einer Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts. Auch im Beschwerdeverfahren vermochte die Antragstellerin einen Anspruch auf eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung und Zulassung zur erneuten Wiederholungsprüfung nicht glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).

Bei der staatlichen Abschlussprüfung in der Gesundheits- und Krankenpflege handelt es sich um eine berufsbezogene Prüfung, denn der staatliche Abschluss ist regelmäßig Voraussetzung für die Erteilung der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ oder „Gesundheits- und Krankenpfleger“ (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 des hier noch maßgeblichen Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz - KrPflG) vom 16.7.2003 (BGBl. I S. 1442), zuletzt geändert durch Art. 12 FachkräfteeinwanderungsG vom 15.8.2019 - BGBl. I S. 1307) und grundsätzlich Voraussetzung für die Ausübung des Berufs der Gesundheits- und Krankenpflegerin bzw. des Gesundheits- und Krankenpflegers.

Rechtsgrundlage der staatlichen Abschlussprüfung ist die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 8 KrPflG beruhende Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263) in der zum Zeitpunkt der Prüfung geltenden Fassung vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886). Zwar ist diese Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gemäß § 62 der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 56 Abs. 1 und 2 des Pflegeberufegesetzes vom 17. Juli 2017 (BGBl. I S. 2581) beruhenden und am 1. Januar 2020 in Kraft getretenen Pflegeberufe- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV) vom 2. Oktober 2018 (BGBl. I. S. 1572) zum 31. Dezember 2019 außer Kraft getreten. Nach der Übergangsvorschrift des § 61 Abs. 1 PflAPrV ist die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege (KrPflAPrV) aber noch für Ausbildungen anzuwenden, die - wie hier - vor Ablauf des 31. Dezember 2019 begonnen wurden.

1. Die von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren gegenüber der Krankenpflege- Ausbildungs- und Prüfungsverordnung - KrPflAPrV - erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken begründen keinen Anspruch auf eine erneute Wiederholungsprüfung.

Soweit die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 10.4.2019 - 6 C 19.18 -) meint, die Prüfungsverordnung, namentlich § 15 Abs. 3 KrPflAPrV sei verfassungswidrig, weil die Regelung keine Vorgaben für die Bewertung der Leistungen der praktischen Prüfung enthalte, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Zunächst bestimmt § 15 Abs. 3 Satz 3 KrPflAPrV hinsichtlich der Bewertung/Benotung der Prüfungsleistungen, dass der praktische Teil der Prüfung bestanden ist, wenn die Prüfungsnote, die der Prüfungsvorsitzende im Benehmen mit den Fachprüferinnen oder Fachprüfern aus den Noten der Fachprüferinnen oder Fachprüfern bildet, mindestens „ausreichend“ beträgt. Damit knüpft die Regelung an die in § 7 KrPflAPrV enthaltene Begriffsdefinition des sechstufigen Notenskala der Leistungen in der mündlichen und praktischen Prüfung an, nach der eine Prüfungsleistung „ausreichend“ (4) ist, wenn sie zwar Mängel aufweist, aber im Ganzen den Anforderungen noch entspricht. Mangelhaft (5) ist eine Prüfungsleistung danach dann, wenn die Leistung den Anforderungen nicht entspricht, jedoch erkennen lässt, dass die notwendigen Grundkenntnisse vorhanden sind und die Mängel in absehbarer Zeit behoben werden können. Die einzelnen „Anforderungen“ der praktischen Prüfung regelt § 15 Abs. 1 KrPflAPrV, indem er bestimmt:

„Der praktische Teil der Prüfung erstreckt sich auf die Pflege einer Patientengruppe von höchstens vier Patientinnen oder Patienten. Der Prüfling übernimmt in dem Fachgebiet seines Differenzierungsbereichs nach Anlage 1 Buchstabe B, in dem er zur Zeit der Prüfung an der praktischen Ausbildung teilnimmt, alle anfallenden Aufgaben einer prozessorientierten Pflege einschließlich der Dokumentation und Übergabe. In einem Prüfungsgespräch hat der Prüfling sein Pflegehandeln zu erläutern und zu begründen sowie die Prüfungssituation zu reflektieren. Dabei hat er nachzuweisen, dass er in der Lage ist, die während der Ausbildung erworbenen Kompetenzen in der beruflichen Praxis anzuwenden sowie befähigt ist, die Aufgaben in der Gesundheits- und Krankenpflege gemäß § 3 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes eigenverantwortlich auszuführen.“

Durch die in Satz 2 der Regelung enthaltene Bezugnahme auf die Anlage 1 (zu § 1 Abs. 1) Buchstabe B (Praktische Ausbildung), die die Inhalte der praktischen Ausbildung im allgemeinen Bereich (I) und im Differenzierungsbereich (II) skizziert, werden die relevanten Prüfungsleistungen der praktischen Prüfung zudem weiter konkretisiert. Zusätzlich regelt § 15 Abs. 2 Satz 2 KrPflAPrV Umfang und der Dauer der praktischen Prüfung. Danach soll der praktische Teil der Prüfung für den einzelnen Prüfling in der Regel in sechs Stunden abgeschlossen sein und kann auf zwei aufeinander folgende Tage verteilt werden.

Soweit die Antragstellerin ferner meint, die Prüfungsverordnung sei verfassungswidrig, weil § 5 Abs. 4 KrPflAPrV, der bestimme, dass die besonderen Belange behinderter Prüflinge zur Wahrung ihrer Chancengleichheit bei Durchführung der Prüfungen zu berücksichtigen seien, dem prüfungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung und Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 3 GG) nicht hinreichend Rechnung trage, dringt sie mit ihrer Rüge nicht durch. Diese Rüge, mit der die Antragstellerin ausgehend von ihrer weiteren Beschwerdebegründung im Kern geltend macht, die Wiederholungsprüfung leide an einem Verfahrensfehler, weil ihr trotz Kenntnis ihrer Prüfungsangst bei der Prüfung kein Nachteilsausgleich gewährt worden sei, ist bereits deshalb unbegründet, weil es sich bei der geschilderten Prüfungsangst der Antragstellerin, die bereits 2009 diagnostiziert und seither wiederholt behandelt wurde, augenscheinlich um eine Behinderung bzw. um ein Dauerleiden handelt, das als persönlichkeitsbedingte Eigenschaft die geistige Leistungsfähigkeit der Antragstellerin prägt. Derartige Behinderungen und Dauerleiden, die als persönlichkeitsbedingte Eigenschaft die geistige Leistungsfähigkeit des Prüflings prägen, sind nicht ausgleichsfähig (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13.12.1985 - 7 B 210.85 -, juris Rn. 6; Senatsbeschl. v. 29.7.2020 - 2 ME 312/20 -, juris Rn. 15 und v. 24.6.2019 - 2 ME 570/19 - juris Rn. 18; BayVGH, Beschl. v. 28.1.2011 - 7 ZB 10.2236 -, juris Rn 17; VGH BW, Beschl. v. 29.4.2016 - 9 S 582/16 -, juris Rn. 8; OVG NRW, Urt. v. 8.6.2010 - 14 A 1735/09 -, juris Rn. 35 f.). Eine solche Beeinträchtigung kann äußerstenfalls - wie sich auch aus § 9 KrPflAPrV ergibt - einen Rücktritt von der Prüfung wegen Prüfungsunfähigkeit rechtfertigen (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.8.1977 - VII C 50.76 -, juris Rn. 11).

Dessen ungeachtet hat die Antragstellerin eine Prüfungsbeeinträchtigung für die Wiederholungsprüfung im Februar 2020 entgegen ihrer Mitwirkungspflicht im Prüfungsverfahren auch nicht geltend gemacht. Dass die Antragstellerin ihrer Schulleiterin in einem Telefonat am 26. Juni 2019 von ihrer Angststörung berichtet hat, führt zu keiner anderen Betrachtung. Soweit die Antragstellerin meint, sie habe damit einen Nachteils-ausgleich für die streitgegenständliche Prüfung rechtzeitig geltend gemacht, dringt sie damit - ungeachtet der Zweifel an einer wirksamen Geltendmachung eines Nachteilsausgleichs - schon deshalb nicht durch, weil dieses Telefonat mehr als ein halbes Jahr vor ihrer Zulassung zur Wiederholungsprüfung stattgefunden hat und offensichtlich nicht im Zusammenhang mit einem prüfungsrechtlichen Nachteilsausgleich für die hier streitgegenständlichen Wiederholungsprüfung stand. Zudem hat die Antragstellerin trotz ihrer Angststörung im Weiteren, nämlich im Juli und August 2019 die schriftliche und die mündliche Prüfung zur Kranken- und Gesundheitspflegerin mit Erfolg bestanden und ihre Angststörung in diesem Zusammenhang augenscheinlich nicht ernstlich neu thematisiert. Selbst wenn aber zugunsten der Antragstellerin die wirksame Geltendmachung eines Nachteilsausgleichs im Juni 2019 unterstellt würde, so war dieser zum Zeitpunkt der Wiederholungsprüfung aufgrund ihrer Teilnahmen an der mündlichen und der schriftlichen Prüfung, hinsichtlich derer sie den Mangel eines fehlenden Nachteilsausgleichs nicht gerügt hat, sichtlich verbraucht. Denn in dieser Situation durfte die Schulleitung davon ausgehen, dass sich die behauptete Angststörung augenscheinlich nicht (mehr) auf die Prüfungsfähigkeit der Antragstellerin auswirkt. Mit anderen Worten hätte es infolge des Zeitablaufs und der zwischenzeitlich abgelegten Prüfungen der Antragstellerin im Rahmen des vertrauensvollen Ausbildungsverhältnisses und ihrer Mitwirkungspflichten im Prüfungsverfahren oblegen, einen „Antrag auf Nachteilsausgleich“ zeitnah vor der Wiederholungsprüfung am 25./26. Februar 2020 (erneut) geltend zu machen.

Selbst wenn zugunsten der Antragstellerin unterstellt würde, dass die Prüfung an einem entsprechenden Verfahrensmangel leidet, so wäre dieser unbeachtlich, weil sie den Verfahrensmangel - worauf bereits das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss zutreffend hingewiesen hat - entgegen ihrer Obliegenheit im Prüfungsverfahren nicht unverzüglich, sondern erst nach der Mitteilung des Nichtbestehens der Prüfung gerügt hat. Mit der Obliegenheit des Prüflings zur „unverzüglichen“ Rüge von Verfahrensmängeln - die durch den das gesamte Prüfungsrecht prägenden Grundsatz der Chancengleichheit gerechtfertigt ist und als ungeschriebene Regel die Prüfungsverordnung ergänzt - wird verhindert, dass dem Prüfling gleichheitswidrig ein weiterer, gegenüber anderen Prüflingen nicht gerechtfertigter Prüfungsversuch eröffnet wird. Der Prüfungsbehörde wird damit zugleich die Möglichkeit einer zeitnahen Überprüfung des gerügten Mangels mit dem Ziel einer noch rechtzeitigen Korrektur oder Kompensation eröffnet (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2010 - 6 B 24.10 -, juris Rn. 3 mwN, Urt. v. 15.12.1993 - 6 C 28.92 -, juris Rn. 24, Urt. v. 7.10.1988 - 7 C 8.88 - juris, Rn. 11, jeweils zu den Anforderungen an die Geltendmachung einer nachträglichen Prüfungsunfähigkeit).Lässt sich ein Prüfling dagegen in Kenntnis eines Prüfungsmangels auf die Prüfung ein, um sich im Falle des Misserfolgs der Prüfung durch eine nachträgliche Rüge des Prüfungsmangels eine ihm nicht zustehende weitere Prüfungschance zu verschaffen, liegt darin eine gegenüber den Mitbewerbern ungerechtfertigte, gleichheitswidrige Verbesserung der eigenen Prüfungssituation, der den Anspruch des Prüflings auf Beseitigung des Mangels und dessen Folgen erlöschen lässt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 18.8.2010 - 6 B 24.10 -, juris Rn. 3; NdsOVG, Urt. v. 8.6.2011 - 8 LB 199/09 -, juris Rn.; OVG NRW, Beschl. v. 19.12.2016 - 6 A 1699/15 -, juris Rn. 18). Besondere Umstände, aufgrund derer der Antragstellerin eine „unverzügliche“ Rüge etwaiger Verfahrensfehler nicht zuzumuten war, hat sie nicht glaubhaft gemacht. Soweit die Antragstellerin geltend macht, auf die Mitteilung ihrer Prüfungsangst sei ihr seitens der Schulleiterin lediglich gesagt worden, sie könne jederzeit kündigen und die Schule verlassen und einen anderen Beruf ausüben, lag es in ihrer Eigenverantwortung, dagegen ggf. auch rechtlich vorzugehen.

2. Auch andere beachtliche Verfahrensfehler, die zur Aufhebung der Prüfungsentscheidung führen könnten liegen nicht vor. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus einem etwaigen Mangel der Prüfungsniederschrift. Nach § 6 KrPflAPrV ist über die Prüfung eine Niederschrift zu fertigen, aus der Gegenstand, Ablauf und Ergebnis der Prüfung und etwa vorkommende Unregelmäßigkeiten hervorgehen. Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob die gerügten Mängel (unzureichende Protokollierung des Prüfungsablaufs, mangelnde Dokumentation positiver Aspekte der praktischen Prüfung) tatsächlich die Annahme eines mangelhaften Prüfungsprotokolls rechtfertigen. Denn Mängel des Prüfungsprotokolls begründen - worauf auch das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für sich genommen keinen Anspruch auf eine Aufhebung der Prüfungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.10.2020 - 6 C 8.19 -, juris Rn. 12, Beschl. v. 8.11.2005 - 6 B 45.05 -, juris Rn. 4). Solche Mängel haben für sich genommen keinen Einfluss auf das Prüfungsergebnis, weil die Bewertung der Prüfungsleistungen auf der Grundlage des gesamten tatsächlichen Prüfungsgeschehens und nicht anhand des Prüfungsprotokolls erfolgt. Mängel des Prüfungsprotokolls machen mit anderen Worten das Ergebnis der Prüfung nicht fehlerhaft, sondern beeinträchtigen nur den Beweis des Prüfungshergangs. (Erst) im Rahmen der Beweiswürdigung, etwa bei Streitigkeiten über den Prüfungshergang oder die Bewertung können sich aus einem fehlerhaften oder unvollständigen Prüfungsprotokoll entscheidende Konsequenzen ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.11.1957 - II C 50.57 -, BVerwGE 6, 33; NdsOVG Urt. v. 8.6.2011 - 8 LB 199/09 -, juris Rn. 69, Senatsbeschl. v. 23.5.2016 - 2 LA 6/16 - und v. 17.2.2016 - 2 ME 218/15 -, nv.; OVG NRW, Urt. v. 14.8.1991 - 22 A 502/90 -, juris Rn. 11 ff.; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 466).

3. Die Bewertung der praktischen Prüfungsleistungen leidet auch nicht an einem Begründungsdefizit. Soweit die Antragstellerin meint, für die Beurteilung, ob die Begründung der Bewertung in ihrem Umfang und ihrer Tiefe dem Begründungserfordernis entspreche, sei allein auf den Inhalt der Prüfungsniederschrift abzustellen, geht sie fehl. Eine weitere Begründung der Prüfungsbewertung durch die Prüferinnen ist sowohl m Überdenkungsverfahren und auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zulässig.

Das Grundrecht auf freie Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und das Recht auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) gebieten es zwar, dass Prüferinnen und Prüfer die Bewertung berufsrelevanter Prüfungsleistung begründen. Denn die effektive Wahrnehmung von Rechtsschutzmöglichkeiten gegen Prüfungsentscheidungen setzt voraus, dass die tragenden Erwägungen, die zu der Bewertung der Prüfungsleistung geführt haben, dargelegt werden. Nur so ist der Prüfling in der Lage, seine Rechte sachgemäß zu verfolgen. Der anerkannte Informationsanspruch des Prüflings richtet sich dabei grundsätzlich auch auf eine angemessene Begründung der Prüfungsentscheidung, d.h. auf die Bekanntgabe der wesentlichen Gründe, mit denen die Prüfer zu einer bestimmten Bewertung der Prüfungsleistung gelangt sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.5.1998 - 6 B 50.97 -, juris Rn. 7 f., Urt. v. 6.9.1995 - 6 C 18.93 -, juris Rn. 18.; Urt. v. 8.3.2012 - 6 B 36.11 -, juris Rn. 8 ff.; Senatsbeschl. v. 27.1.2021 - 2 ME 379/20 -, juris Rn. 11; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 705, mwN.).

Aus der hier maßgeblichen Regelung des § 6 KrPflAPrV, wonach aus der Prüfungsniederschrift der Prüfungsgegenstand, Ablauf und Ergebnis der Prüfung und etwa vorkommende Unregelmäßigkeiten hervorzugehen haben, folgt nichts Anderes. Auch denklogisch kann die Prüfungsniederschrift, die das maßgebliche Prüfungsgeschehen in den wesentlichen Punkten zunächst aus der Sicht der Prüferinnen und Prüferin wiedergibt, keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben. Denn die Notwendigkeit einer weiteren Begründung entsteht im Regelfall erst nachträglich dadurch, dass der Prüfling aus seiner Sicht Einwendungen gegen die Prüfungsbewertung erhebt, denen im Zuge der Erfüllung seines Informationsanspruchs durch die weitere Begründung der Prüfungsentscheidung im Überdenkungsverfahren und/oder ggf. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Rechnung zu tragen ist.

In welcher Tiefe dem Begründungsverlangen des Prüflings nachgekommen werden muss, richtet sich danach, mit welchem konkreten Begehren und mit welcher Begründung er seinen Informationsanspruch geltend macht (vgl. BVerwG, Urt. v. 6.9.1995 - 6 C 18.93 -, juris Rn. 22; Senatsbeschl. v. 27.1.2021 - 2 ME 379/20 -, juris Rn. 11; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 716). Weder der aus Art. 12 Abs. 1 GG folgende Grundrechtsschutz im Hinblick auf die Gestaltung des Prüfungsverfahrens noch das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verbieten es, die Bewertung einer Prüfungsleistung mit entsprechender neuer Begründung nachzuholen und auf diese Weise einen früheren Begründungsmangel zu korrigieren. Zwar sollen die inhaltliche Befassung mit der Prüfungsleistung und deren Bewertung (samt Begründung) grundsätzlich in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Prüfung erfolgen, sie sind aber auch zu einem späteren Zeitpunkt möglich (BVerwG, Beschl. v. 21.9.2016 - 6 B 14./16 -, juris Rn. 14). Dies gilt grundsätzlich auch für das Überdenkensverfahren. Eine fehlende oder unvollständige Begründung kann grundsätzlich gemäß § 1 Abs. 1 NVwVfG i. V. m. §§ 2 Abs. 3 Nr. 2, 45 Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachgeholt bzw. nachgebessert werden (Senatsbeschl. v. 27.1.2021 - 2 ME 379/20 -, juris Rn. 11; Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Aufl. 2018, Rn. 712).

4. Die Bewertung der Prüfungsleistungen der Antragstellerin lässt auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht erkennen, dass die Prüferinnen die Grenzen des ihnen eingeräumten Beurteilungsspielraums überschritten haben.

Dass die Prüferinnen der Bewertung der Prüfungsleistungen einen unzutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt und/oder sachwidrige Erwägungen angestellt haben, ist nicht ersichtlich. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin ist die medizinisch/pflegerische Dokumentation, die sie während der Prüfung am Computer vorgenommen hat, nicht geeignet die Qualität und Vollständigkeit der Dokumentation und der dokumentierten krankenpflegerischen Leistungen und die Unrichtigkeit der Beanstandungen der Prüferinnen im Prüfungsverfahren zu belegen. Nach der Prüfungsniederschrift und in Übereinstimmung mit § 18 KrPflAPrV war die Dokumentation im Dokumentationssystem selbst Teil der Prüfungsaufgaben, die die Antragstellerin in der praktischen Prüfung eigenverantwortlich zu erfüllen hatte. Damit handelte es sich bei der Dokumentation um eine einseitig subjektive, von der Antragstellerin zu erbringende Prüfungsleistung. Die abschließende Bewertung der Prüfungsleistung „Dokumentation“ ebenso wie die Bewertung der einzelnen dokumentierten Pflegeleistungen als weitere Bestandteile der Aufgabenstellung oblag nach Abschluss der Prüfung der Beurteilung der Prüferinnen. Dass die Prüferinnen die Einträge in der Dokumentation vor dem Abspeichern der Daten jeweils evaluiert und als richtig und vollständig genehmigt haben, ist nicht ersichtlich und wäre - da es sich ja gerade um „Prüfungsstoff“ handelt - auch unlogisch. Dagegen sprechen auch die Stellungnahmen der Prüferinnen zu den Einwänden der Antragstellerin. So hat die Fachprüferin E. bereits in ihrer Stellungnahme vom 8. Mai 2020 im Überdenkungsverfahren (Beiakte 01, Bl. 57) zur Dokumentation im Dokumentationssystem ausgeführt: „Die Dokumentation an sich war deutlich zu oberflächlich und beschrieb kaum den aktuellen Pflegebedarf der Patientinnen des Zimmers“. Soweit die Antragstellerin meint, die Prüferinnen hätten in der zusammenfassenden Schlussfolgerung in unzulässiger Weise ausgeführt, dass die Prüfungsleistung menschenunwürdig, körperverletzend, unethisch, extrem vernachlässigend und gänzlich unzulässig gewesen sei, reißt sie damit zunächst eine einzelne Textpassage sinnentstellend aus dem Gesamtzusammenhang der Stellungnahme der Fachprüferin vom
8. Mai 2020. Tatsächlich hat die Fachprüferin E. der beanstandeten Bewertung eine ganze Reihe von Mängeln der praktischen Prüfungsleistungen vorangestellt und in diesem Zusammenhang unter anderem ausgeführt:

“…Frau A. geht nun von Patient zu Patient und verabreicht die Nüchternmedikation, bahnt bei einer der Patientinnen eine Mundpflege an, setzt dann jedoch nur die Zahnprothese in den völlig trockenen Mund der Patientin ein, ohne eine fachgerechte Mundpflege durchzuführen, die Prothese klebte beim Einsetzen an der trockenen Mundschleimhaut fest und verkeilte sich, so dass Frau A. nachhelfen musste. Die Oberlippe war dabei eingeklemmt, die Patientin musste sich also sehr abmühen, um den richtigen Sitz zu finden. Diese Behandlung ist nicht nur absolut unwürdig, sondern auch eine konkrete Gefährdung, denn es hat dadurch keine Soor- und Parotitisprophylaxe stattgefunden. Leider war sogar das Gegenteil der Fall: eine Verletzung der Mundschleimhaut aufgrund der Trockenheit und Schmerzen beim Tragen der Zahnprothese sind sehr wahrscheinlich.

- Frau A. mobilisiert dann zwischendurch eine der Patientinnen am Tisch, sie hatte zu diesem Zeitpunkt bei der pflegebedürftigen Hauptpatientin weder das Inkontinenzmaterial gewechselt, noch wurde die Patientin positioniert obwohl sie bereits ein gerötetes Gesäß hatte und stark Dekubitusgefährdet war! Auch war die Patientin inkontinent.

- Die erste Kontrolle des Inkontinenzmaterials erfolgte erst über 3 Stunden nach Prüfungsbeginn und ist somit als gefährdend für die Patientin einzustufen. Die Patientin kann sich bezüglich der Ausscheidung nicht selbst versorgen, sie kann sich auch nicht selbstständig melden. Die regelmäßige Kontrolle des Inkontinenzmaterials ist auch im Sinne der Menschlichkeit von überragender Bedeutung. Die Kontrolle war auch keine Kontrolle in dem Sinne, sondern lediglich ein Schritt im Ablauf der Körperpflege - Frau A. hat die Notwendigkeit der regelmäßigen Kontrolle und Versorgung nicht erkannt. Die ihr anvertraute Patientin musste mehr als 3 Stunden in ihren Ausscheidungen liegen, weil Frau A. die Notwendigkeit der Ausscheidungsüberprüfung nicht als wichtig erachtete!

- Die braunen Ablagerungen unter den Fingernägeln sind ein Indiz dafür, dass sich die Patientin aus Juckreiz und Schmerz durch den Stuhl am Gesäß gekratzt hat. Denn mehr konnte die Patientin für sich nicht tun.

- Die ganze Zeit bis zur Körperpflege lag die Patientin in ihren Ausscheidungen und musste mit der nassen und bestuhlten Inkontinenzhose im Bett die Nahrung zu sich nehmen. Sie hat mit den verschmutzten Fingern ihr Brot aufgenommen und gegessen. Das selbstständige, seitliche Verschieben des Körpers beim Sitzen ist eindeutig auf die Wahrnehmung des unangenehmen Gefühls am Gesäß zurückzuführen. Die Patientin hat alles versucht, um diesem unangenehmen und schmerzenden Gefühl am Gesäß- und unteren Rückenbereich zu entkommen.

- Und somit entstand wieder eine Situation, die für die Patientin nicht nur als absolut unwürdig zu werten ist, auch ist es als eine Gefährdung ihres Wohls zu bewerten und könnte für die Patientin nicht nur seelische, sondern auch körperliche Folgen haben.“

Vor dem Hintergrund dieser und der weiteren Ausführungen der Fachprüferin, die nachvollziehbar zeigen, dass die praktischen Prüfungsleistungen der Antragstellerin den Anforderungen des Berufs der Gesundheits- und Krankenpflegerin nicht genügten, rechtfertigt sich die am Ende des Prüfungsabschnitts „Erstes Betreten des Patientenzimmers, Vitalzeichenkontrolle, Mobilisation“ vorgenommene berufsethische Bewertung. Die weiteren Gründe, weshalb die praktischen Prüfungsleistungen der Antragstellerin insgesamt und auch im Zusammenhang mit der Mundpflege, der Kontrolle des Inkontinenzmaterials der Hauptpatientin, der Durchführung einer Dekubitusprophylaxe bei der Hauptpatientin und der Ausführung der Körperpflege unzulänglich waren und den Anforderungen der praktischen Prüfung (§ 15 KrPflAPrV) nicht genügten, so dass sie gemäß § 7 KrPflAPrV mit mangelhaft (5) zu bewerten waren, haben die Prüferinnen zudem im Zuge des Überdenkungsverfahrens und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nachvollziehbar dargelegt. Diese Ausführungen ebenso wie die Einwendungen der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigt und einen Anordnungsanspruch zu Recht verneint. Die Antragstellerin vermochte insoweit und im Übrigen aus den zutreffenden Gründen der Entscheidung des Verwaltungsgerichts durchgreifende Mängel der Bewertung auch im Beschwerdeverfahren nicht glaubhaft zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).