Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.11.2012, Az.: 13 LA 92/12

Anspruch eines Grundstückeigentümers auf Erweiterung der Küstenschutzanlagen zugunsten seines Grundstücks

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.11.2012
Aktenzeichen
13 LA 92/12
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2012, 28241
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2012:1121.13LA92.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 20.03.2012 - AZ: 1 A 2618/11

Fundstellen

  • BauR 2013, 506-507
  • NVwZ-RR 2013, 6
  • NVwZ-RR 2013, 5
  • NVwZ-RR 2013, 221
  • NdsVBl 2013, 201-202
  • NordÖR 2013, 83-85
  • ZUR 2013, 171-174

Amtlicher Leitsatz

Der Eigentümer eines Grundstücks, das durch die vorhandenen Küstenschutzanlagen bislang nicht umfassend geschützt ist, hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Erweiterung der Küstenschutzanlagen zugunsten seines Grundstücks.

Gründe

1

I.

Der Kläger ist Eigentümer eines erhöht gelegenen, aber bislang nicht durch einen Hauptdeich oder eine Schutzdüne geschützten Grundstücks auf der Insel Baltrum. Er begehrt die Anlage eines provisorischen Dammes vor einer Flachstelle im Gelände, um auf diese Weise die Überflutung seines Grundstücks auch bei hohen Sturmfluten zu verhindern. Der Beklagte hat die Durchführung einer solchen Maßnahme abgelehnt. Das Verwaltungsgericht hat die darauf gerichtete Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich der Kläger mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung. Er ist der Auffassung, ein solcher Anspruch sei deich- und ordnungsrechtlich begründet. Auch habe die Gemeinde einen Bebauungsplan erlassen und das Grundstück als Bauland ausgewiesen. Deshalb könne ihm der erforderliche Sturmflutschutz nicht verwehrt werden. Zudem schütze der Beklagte auch andere Privatgrundstücke durch Küstenschutzanlagen.

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II.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

3

Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR 2125/97 -, jeweils zit. nach [...]). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.

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Der vom Kläger geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils können nur dann bestehen, wenn gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, [...]). Da das Erfordernis der ernstlichen Zweifel auch auf die Ergebnisrichtigkeit abstellt, dürfen sich die Zweifel indessen nicht ausschließlich auf die vom Verwaltungsgericht gegebene Begründung beziehen, sondern es ist zusätzlich das Ergebnis, zu dem das Verwaltungsgericht gelangt ist, mit in den Blick zu nehmen. Für die Zulassung der Berufung wegen des Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen hingegen nicht vor, wenn zwar einzelne Rechtssätze oder tatsächliche Feststellungen, welche das Urteil tragen, zu Zweifeln Anlass bieten, das Urteil aber im Ergebnis aus anderen Gründen offensichtlich richtig ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, a.a.O.). Ist das Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller Begründungen Zulassungsgründe dargelegt werden (Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll: VwGO, 5. Aufl. § 124a Rdnr. 82).

5

Gemessen an diesen Maßstäben kann die Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht zugelassen werden. Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Klage mit Haupt- und Hilfsantrag abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Errichtung des begehrten provisorischen Dammes zum Schutz seines Grundstücks vor Sturmfluten, da der Beklagte nicht für den Sturmflutschutz des Grundstücks des Klägers zu sorgen hat.

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Ein derartiger Anspruch lässt sich zunächst nicht dem Niedersächsischen Deichgesetz (in der Fassung v. 23. Februar 2004, Nds. GVBl. S. 83, zuletzt geändert durch Gesetz v. 13. Oktober 2011, Nds. GVBl. S. 353) entnehmen. Zur Entscheidung dieser Frage ist es ohne Bedeutung, ob der Kläger begrifflich "die Erhöhung einer Düne" oder die Errichtung eines provisorischen Dammes auf oder vor einer Flachstelle begehrt. Einen Anspruch auf eine dieser Maßnahmen kann der Kläger aus dem Regelungen des Niedersächsischen Deichgesetzes nicht herleiten. Dieses Gesetz enthält keine allgemeine Verpflichtung zur Schaffung konkreter Küstenschutzeinrichtungen zugunsten einzelner Grundstückseigentümer. Schon die Begriffsbestimmungen in § 2 NDG belegen, dass Zweck der dort genannten Küsten- bzw. Hochwasserschutzeinrichtungen der Gebietsschutz bzw. der Schutz des Bestandes einer Insel ist. Es kann im vorliegenden Fall offenbleiben, ob die Eigentümer innerhalb geschützter Gebiete gelegener Grundstücke - korrespondierend zur Deichpflicht (§ 6 Abs. 1 NDG) - ein subjektives Recht auf Deicherhaltung nach § 5 NDG haben (die Schutzdünen als ständiger Veränderung unterworfene Gebilde unterliegen nicht der Erhaltungspflicht, vgl. LT-Drs. 7/2108, S. 13). Das Grundstück des Klägers befindet sich erkennbar nicht innerhalb eines solchen Gebietes, da es bislang an seiner Südseite weder durch einen Hauptdeich (§ 2 Abs. 1 NDG) noch durch eine Schutzdüne (§ 2 Abs. 5 NDG) geschützt wird, was aus der Verordnung der Bezirksregierung Weser-Ems vom 30.10.1987 eindeutig hervorgeht. Es erfährt seinen Schutz in erster Linie aus seiner erhöhten Lage. Ein Anspruch bislang ungeschützter bzw. lediglich auf natürliche Weise vor Sturmfluten geschützter Grundstücke auf Einbeziehung in das durch Deiche bzw. Schutzdünen umfassend geschützte Gebiet besteht nicht. Dementsprechend unterliegen die Eigentümer derartiger Grundstücke auch nicht der Deichpflicht (§ 6 Abs. 1 NDG), die nach § 6 Abs. 2 NDG auf den Ostfriesischen Inseln ohnehin nicht besteht. Es ist Aufgabe des Beklagten, die geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um im öffentlichen Interesse den Küstenschutz und den Bestand der Inseln sicherzustellen, die ihrerseits eine Funktion für den Schutz der Festlandsküste haben. Dies geschieht durch die im Generalplan Küstenschutz - Ostfriesische Inseln - vom Mai 2010 vorgesehenen Maßnahmen, zu denen die Errichtung eines provisorischen Dammes zum Schutz des klägerischen Grundstücks nicht gehört.

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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Lage des Grundstücks des Klägers innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs eines Bebauungsplans. Der fehlende Deichschutz ändert an der baulichen Nutzbarkeit des Grundstücks nichts. Außerhalb festgesetzter Hochwasserschutzgebiete, die im Hinblick auf Küstengewässer nicht vorgesehen sind, steht die Hochwassergefährdung eines Grundstücks dessen Bebaubarkeit nicht grundsätzlich entgegen (vgl. §§ 72 ff. WHG). Wie der Kläger selbst vorträgt, ist das Grundstück auch bereits seit mehreren Jahrzehnten bebaut. Die Existenz eines von der Gemeinde erlassenen Bebauungsplans verpflichtet den Träger der Deicherhaltung - hier das Land Niedersachsen - darüber hinaus nicht zum Schutz des beplanten Gebietes durch Erweiterung seiner Küstenschutzanlagen. Vielmehr hat die Gemeinde bei der Aufstellung eines Bebauungsplanes die natürlichen Gegebenheiten zu beachten, wozu auch die Gefährdung der betroffenen Grundstücke durch Sturmfluten gehört. Soweit dies nicht in ordnungsgemäßer Weise geschehen sein sollte, kann der Kläger daraus keinen Anspruch auf Durchführung von Küstenschutzmaßnahmen zugunsten seines Grundstücks herleiten. Die Ausweisung von Deichschutzflächen im Bebauungsplan ersetzt nicht die für die Eigenschaft einer Schutzdüne erforderliche Widmung durch Rechtsverordnung (§ 20a Abs. 1 NDG).

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Auch auf ordnungsrechtlicher Grundlage lässt sich ein Anspruch des Klägers gegen den Beklagten auf Einbeziehung in den Deichschutz nicht begründen. Der Beklagte ist insoweit bereits nicht passivlegitimiert, da er keine zur Gefahrenabwehr berufene Verwaltungsbehörde im Sinne der ZustVO-SOG ist. Darüber hinaus liegt auch keine konkrete Gefahr im Sinne des § 2 Nr. 1 Buchst. a) Nds. SOG vor, da keine Sachlage gegeben ist, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung eintreten wird. Vielmehr kann im Hinblick auf die Gefährdung des klägerischen Grundstücks lediglich von einer latenten Gefahr ausgegangen werden, die nicht zum ordnungsrechtlichen Eingreifen berechtigt. Das Nds. SOG ermöglicht den zuständigen Behörden lediglich die Ergreifung von Notmaßnahmen im Fall einer konkret bevorstehenden Überflutungsgefahr für das klägerische Grundstück, die nicht auf den vom Kläger begehrten Dammbau beschränkt sind, sondern beispielsweise auch in einer Evakuierung des bedrohten Gebäudes oder der Ergreifung von Schutzmaßnahmen unmittelbar auf dem klägerischen Grundstück bestehen können. Die Errichtung konkreter Küstenschutzbauwerke hat demgegenüber im NDG eine abschließende Regelung gefunden und kann nicht ordnungsrechtlich erzwungen werden.

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Aus Art. 3 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit der Verwaltungspraxis des Beklagten ergibt sich ebenfall kein Anspruch des Klägers auf die begehrte Küstenschutzmaßnahme. Ein derartiger Anspruch hat zur Voraussetzung, dass der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis nicht lediglich den im NDG vorgesehenen Gebiets- und Inselschutz betreibt, sondern zielgerichtet einzelne Privatgrundstücke um ihrer selbst willen schützt. Dafür ist nichts ersichtlich. Aus den Anlagen des vorgelegten Generalplans Küstenschutz ergibt sich eindeutig, dass der Beklagte bemüht ist, einen systematischen Schutz der Inseln und der dort gelegenen Gebiete zu gewährleisten und auf diese Weise ihren Bestand zu sichern. Außerhalb dieses Rahmens findet der Schutz einzelner privater Grundstücke nicht statt. Allein soweit private Grundstücke in den durch Schutzdünen und Deichen geschützten Gebieten gelegen sind, profitieren sie von den Küstenschutzanlagen. Dies gilt auch für das vom Kläger angeführte B. -Heim im Osten Baltrums. Es ist nicht erkennbar, dass der Beklagte seiner Aufgabe nicht in sachgerechter Weise nachkommt. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte den Schwerpunkt auf den Schutz ganzer Ortslagen und der besonders gefährdeten West- und Nordseiten der Inseln legt und nicht jedes einzelne Grundstück an den weniger gefährdeten Wattseiten durch mehr oder weniger aufwändige Bauwerke schützt. Zutreffend weist der Beklagte darauf hin, dass ein absoluter Schutz jedes Grundstückseigentümers vor einer Gefährdung durch Sturmfluten bzw. Hochwasser von staatlicher Seite nicht zu leisten ist. Vielmehr ist der Kläger nach § 5 Abs. 2 WHG verpflichtet, im Rahmen des ihm Möglichen und Zumutbaren geeignete Vorsorgemaßnahmen zum Schutz vor nachteiligen Hochwasserfolgen und zur Schadensminderung zu treffen. Es ist vor diesem Hintergrund sachlich gerechtfertigt, dass der Beklagte seine Maßnahmen und die Verwendung der zur Verfügung stehenden Mittel an Grad und Umfang der Gefährdung orientiert, die hinsichtlich des klägerischen Grundstücks aufgrund der erhöhten Lage eindeutig als gering anzusehen sind. Im Übrigen erfährt auch das Grundstück des Klägers durch den vom Westkopf der Insel in Richtung Hafen verlaufenden Flügeldeich zumindest Schutz vor Wellenschlag. Auf den anderen ostfriesischen Inseln sind ebenfalls keine aktuellen Maßnahmen des Beklagten erkennbar, die ausschließlich dem Schutz einzelner Privatgrundstücke dienen. Insbesondere die Situation der C. -Schule auf Spiekeroog unterscheidet sich von der des Hauses des Klägers nicht nur durch die Funktion einer öffentlichen Schule, sondern auch dadurch, dass sie bereits bislang in einem durch den Beklagten geschützten Gebiet lag und der durch die Schutzdünen gewährleitstete Sturmflutschutz lediglich optimiert wird. Ob die Verwaltungspraxis der zuständigen Küstenschutzbehörden des Landes Niedersachsen vor mehreren Jahrzehnten auch den Schutz einzelner privater Grundstücke vorsah oder ob diese lediglich aufgrund des Gebiets- und Inselschutzes von den errichteten Schutzwerken profitierten, bedarf in diesem Zusammenhang keiner weiteren Erörterung, da das für die Entscheidung des vorliegenden Falles maßgebende aktuelle Verwaltungshandeln des Beklagten ein derartiges Vorgehen jedenfalls nicht erkennen lässt.

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Auch für eine sich unmittelbar aus Art 14 Abs. 1 GG ergebende staatliche Verpflichtung zum Schutz des klägerischen Grundstücks vor Sturmfluten ist nichts ersichtlich. In seiner Bedeutung als grundrechtliche Schutzpflicht vermittelt Eigentum dem Bürger grundsätzlich keine seiner Abwehrfunktion entsprechende subjektive Rechtsstellung. Staatliche Schutzpflichten bestehen insoweit in erster Linie als objektivrechtliche Staatsaufgabe. Nur unter besonderen Voraussetzungen kann sich daraus eine individuelle Rechtsposition ableiten lassen (vgl. Depenheuer in v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 14, Rdnr. 97 m.w.N.). Derartige Umstände bestehen hinsichtlich des Grundstücks des Klägers nicht. Dessen Familie hat sich in den 50er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in Kenntnis der Lage des Grundstücks und des fehlenden Sturmflutschutzes zu dessen Bebauung entschlossen. Ein staatlicher Schutz vor Sturmfluten war weder zugesagt noch geplant. Die Bebauung ist insoweit mithin auf eigenes Risiko durchgeführt worden. Diesen Zustand hat der Kläger aufgrund der Situationsgebundenheit des Grundstücks weiter hinzunehmen und kann aus der objektiv-rechtlichen Gewährleistung des Eigentums nunmehr keine Schutzverpflichtung des Beklagten herleiten.

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Die Angriffe gegen das erstinstanzliche Urteil rechtfertigen auch nicht die Zulassung der Berufung wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache auf, wenn sie mit einem Schwierigkeitsgrad verbunden ist, der signifikant über dem Durchschnitt vergleichbarer verwaltungsgerichtlicher Fälle liegt. Dabei müssen sich die besonderen Schwierigkeiten auf Fragen beziehen, die für den konkreten Fall und das konkrete Verfahren entscheidungserheblich sind (Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. § 124 Rdnr. 9 m.w.N.). Zwar dürfen insoweit die Darlegungserfordernisse nicht überspannt werden, weil sich ein nicht auf das jeweilige Rechtsgebiet spezialisierter Rechtsanwalt mit zumutbarem Aufwand Erkenntnisse über das in vergleichbaren Streitverfahren übliche Maß an Komplexität nicht beschaffen kann, während sie dem angerufenen Gericht ohne weiteres zugänglich sind (BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, [...], Rdnr. 17). Andererseits reicht aber eine Bezugnahme auf die Argumente, die bereits zur Begründung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache vorgebracht worden sind, eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO indes gerade nicht zur Folge haben, nicht aus.

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Der Kläger begründet das Bestehen besonderer tatsächlicher und rechtlicher Schwierigkeiten mit der Problematik der im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG zu bildenden Vergleichsgruppen der geschützten bzw. nicht geschützten Hausgrundstücke. Auf die Bildung dieser Vergleichsgruppen kommt es zur Entscheidung des vorliegenden Falles indes nicht an. Wie bereits ausgeführt, trifft der Beklagte keine zielgerichteten Küstenschutzmaßnahmen zugunsten einzelner Privatgrundstücke. Keine der gebildeten Vergleichsgruppen belegt das Gegenteil. Dem Kläger ist es nicht gelungen darzulegen, dass die genannten Grundstücke nicht vom Gebietsschutz - insbesondere dem Schutz ganzer Ortslagen - profitieren, sondern als Einzelgrundstücke um ihrer selbst geschützt werden. Dagegen sprechen bereits die Vielzahl der genannten Grundstücke und der Umstand, dass der Kläger sich erkennbar auf den Bau des Westdorfdeiches und des Ostdorfdeiches auf Baltrum bezieht, die beide offensichtlich nicht lediglich dem Schutz einzelner Grundstücke, sondern dem Schutz ganzer Ortslagen dienen. Hinzu kommt, dass diese Deichbaumaßnahmen viele Jahre zurückliegen und damit keinerlei Rückschluss auf die aktuelle Verwaltungspraxis des Beklagten zulassen. Die Benennung einzelner aktueller Fälle oder solcher aus der jüngeren Vergangenheit, die die vom Beklagten angeführte Verwaltungspraxis widerlegen, ist - das Vorhandensein derartiger Fälle vorausgesetzt - weder mit tatsächlichen noch mit rechtlichen Schwierigkeiten verbunden.

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Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich ist und im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die Geltendmachung einer grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt daher nur dann den Darlegungserfordernissen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum sie im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

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Die vom Kläger als rechtsgrundsätzlich aufgeworfene Frage, "Besteht zugunsten eines bereits bebauten Hausgrundstücks ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung auf Errichtung eines Deiches, wenn andere bebaute Hausgrundstücke der näheren oder weiteren Umgebung in gleichgelagerter Situation durch Errichtung eines Deiches Deichschutz erhalten haben", bedarf keiner Klärung in einem Berufungsverfahren bzw. ist einer solchen nicht zugänglich. Der Kläger zielt mit dieser Frage erkennbar auf den Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung. Dass dieser an Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit der tatsächlichen Verwaltungspraxis anknüpfende Grundsatz auch im Deichrecht gilt, bedarf keiner weiteren Klärung. Ob eine solche Selbstbindung auch im konkreten Fall besteht, ist hingegen eine nicht allgemein klärungsfähige Frage des Einzelfalles. Insbesondere ist zu ihrer Beantwortung darauf abzustellen, ob die Vergleichsgrundstücke ebenfalls gezielt als Privatgrundstücke um ihrer selbst willen und nicht im Rahmen eines übergreifenden Gebietsschutzes geschützt worden sind. Auch ist zu berücksichtigen, ob diese Maßnahmen Ausfluss einer fortdauernden Verwaltungspraxis sind. Das ist beispielsweise nicht der Fall, wenn die Vergleichsfälle viele Jahre zurückliegen und aus dem jüngeren und aktuellen Handeln der für den Küstenschutz zuständigen Stelle ein gezielter Schutz einzelner privater Grundstücke nicht erkennbar ist. Das Erfordernis der Berücksichtigung dieser Gesichtpunkte des Einzelfalles schließt eine generelle Bejahung oder Verneinung der gestellten Frage aus.

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Auch der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt nicht vor. Das angefochtene Urteil ist nicht verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht entgegen der ausdrücklichen Rüge des Klägers die sich aus § 86 Abs. 1 VwGO ergebende Aufklärungspflicht nicht verletzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Tatsachengericht grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob es sich selbst die für die Aufklärung und Würdigung des Sachverhalts erforderliche Sachkunde zutraut. Dieses Ermessen überschreitet das Gericht erst dann, wenn es sich eine ihm nicht zur Verfügung stehende Sachkunde zuschreibt und sich nicht mehr in den Lebens- und Erkenntnisbereichen bewegt, die den ihm angehörenden Richtern allgemein zugänglich sind (vgl. BVerwG, Urt. v. 11. Juli 2007 - 9 C 1.07 - Rn. 20 m.w.N.). Ein Überschreiten dieses Ermessens lässt sich der Begründung dieses Zulassungsgrundes indes nicht entnehmen. Vielmehr rügt der Kläger, die angefochtene Entscheidung setze sich mit dem eingeführten Prozessstoff nicht hinreichend auseinander. Offensichtlich habe das Gericht den klägerischen Vortrag in entscheidenden Teilen missverstanden und in anderen Teilen ignoriert. Damit rügt der Kläger in der Sache nicht die Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht, sondern einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs. Der verfassungsrechtlich verankerte Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) erfordert, dass die Äußerungen der Beteiligten ernsthaft zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden (BVerfG, Beschl. v. 26. Januar 1983 - 1 BvR 614/80 -, BVerfGE 63, 80, 85 [BVerfG 26.01.1983 - 1 BvR 614/80]; Beschl. v. 17. Juli 1996 - 1 BvR 55/96 -, [...]). Das Prozessgrundrecht soll sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensmängeln ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags der Beteiligten haben (BVerfG, Beschl. v. 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, [...], Rdnr. 9; Beschl. v. 19. Juni 1985 - 1 BvR 933/84 -, BVerfGE 70, 215, 218 [BVerfG 19.06.1985 - 1 BvR 933/84]). Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht seiner diesbezüglichen Verpflichtung nachkommt, ist eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände des Einzelfalles deutlich machen, dass dies wider Erwarten nicht geschehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 20. Februar 2008 - 1 BvR 2722/06 -, [...], Rdnr. 11; Beschl. v. 1. Februar 1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182, 187f).

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Derartige Umstände hat der Kläger in seiner Begründung des Zulassungsantrags nicht vorgetragen. Vielmehr greift er an dieser Stelle erneut diejenigen Gesichtspunkte auf, die nach seiner Auffassung zum Erfolg seiner Klage hätten führen müssen. Er ist erkennbar der Auffassung, bei ordnungsgemäßer "Aufklärung" bzw. Würdigung des Sachverhalts hätte das Verwaltungsgericht nur zu der von ihm vertretenen Auffassung gelangen können. Entscheidend ist jedoch allein, ob das Verwaltungsgericht nach seiner maßgeblichen Auffassung entscheidungserheblichen Vortrag des Klägers unbeachtet gelassen hat (vgl. Neumann in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 138, Rdnr. 116 f.) Dafür ist nichts ersichtlich. Der Kläger benennt kein Vorbringen, das seitens des Verwaltungsgerichts unbeachtet geblieben ist und bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts entscheidungserheblich war. Die Richtigkeit der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist hingegen nicht Gegenstand der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und kann nicht als Verfahrensfehler, sondern nur unter dem Gesichtspunkt ernstlicher Zweifel einer Überprüfung zugeführt werden. Derartige Zweifel bestehen jedoch - wie bereits im Hinblick auf die Ergebnisrichtigkeit des Urteils ausgeführt - nicht.

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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig

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(§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).