Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 12.11.2012, Az.: 13 ME 231/12
Anlehnung eines Rettungsdienstträgers im verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahren zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession für die Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes bei fehlenden speziellen rechtlichen Vorgaben an die Bestimmungen des Vergaberechts
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 12.11.2012
- Aktenzeichen
- 13 ME 231/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 27008
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1112.13ME231.12.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlage
- § 123 Abs. 1 S. 1 VwGO
Fundstellen
- AbfallR 2013, 92
- IBR 2013, 97
- NVwZ-RR 2013, 5-6
- NVwZ-RR 2013, 144
- NZBau 2013, 7
- NordÖR 2013, 117-120
- VS 2013, 7
- Vergabe-Navigator 2013, 26-27
- ZfBR 2013, 310
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Überwiegendes spricht dafür, dass sich ein Rettungsdienstträger in einem verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahren zur Erteilung einer Dienstleistungskonzession für die Durchführung des bodengebundenen Rettungsdienstes bei derzeit fehlenden speziellen rechtlichen Vorgaben an die existierenden Bestimmungen des förmlichen Vergaberechts anlehnen kann. Daraus ergibt sich, dass auch formelle Ausschlussfristen festgelegt werden dürfen, innerhalb derer vollständige Bewerbungsunterlagen vorzulegen sind.
- 2.
Eine weithin greifende Vorverlagerung des gerichtlichen Rechtsschutzes "nicht zum Zuge gekommener" Dritter in den Zeitraum zwischen Auswahlentscheidung und Erlass eines Verwaltungsakts oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages kennt das allgemeine Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht im Gegensatz zum Vergaberecht nicht.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt ihre weitere Berücksichtigung in einem verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahren, das die Antragsgegnerin derzeit auf der Grundlage von selbstentwickelten Kriterien außerhalb des förmlichen (Unions-)Vergaberechts durchführt, um zum 1. Januar 2013 Dritte mit der Durchführung der Leistungen des bodengebundenen Rettungsdienstes zu beauftragen. In den vergangenen Jahren wurden die schon bisher vor Ort tätigen Leistungserbringer wiederholt interimsweise beauftragt, ohne dass ein förmliches Vergabeverfahren durchgeführt worden wäre.
Die Vergabekammer Niedersachsen beim Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr bemängelte diese Vorgehensweise der Antragsgegnerin in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren mit Beschluss vom 3. Februar 2012 - VgK-01/2012 - und entschied, dass eine Beauftragung der bisherigen Leistungserbringer ohne förmliches Vergabeverfahren längstens bis zum 31. Dezember 2012 erfolgen dürfe und im Falle einer weiterhin beabsichtigten Beauftragung Dritter ein förmliches Vergabeverfahren durchzuführen sei, wofür rechtzeitig eine Vergabebekanntmachung zu veröffentlichen sei. Die Antragsgegnerin wartete daraufhin zunächst die zum 7. März 2012 in Kraft getretene Änderung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes - NRettDG - ab, mit der die Beauftragung von Leistungserbringern durch Erteilung von Dienstleistungskonzessionen außerhalb des förmlichen Vergaberechts ermöglicht werden sollte; anschließend entschied sie sich für eine solche Vorgehensweise und entwickelte in Anlehnung an die vergaberechtliche Bestimmungen - insbesondere der Regelungen des Teils A der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) - ein Konzept für ein dreistufiges Auswahlverfahren (Teilnahmewettbewerb, Angebotsphase und Verhandlungsphase) und einen entsprechenden Zeitplan. Einen demgegenüber auf Durchsetzung eines förmlichen Vergabeverfahrens gerichteten Vollstreckungsantrag auf der Grundlage des Beschlusses der Vergabekammer Niedersachsen vom 3. Februar 2012 lehnte diese mit Beschluss vom 15. Juni 2012 - VgK-01/2012 - ab. Dabei wurde u.a. darauf abgehoben, dass die Antragsgegnerin gerade bemüht sei, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren nach dem Konzessionsmodell durchzuführen, was nach der Novellierung des Niedersächsischen Rettungsdienstgesetzes den gesetzlichen Vorgaben entspreche und somit vergaberechtskonform sei (Beschlussabdruck S. 7). Weiterhin wurde ausgeführt, dass der Antragsgegnerin aus dem Beschluss vom 3. Februar 2012 untersagt bleibe, Rettungsdienstleistungen über den 31. Dezember 2012 hinaus erneut freihändig interimsweise zu vergeben (Beschlussabdruck S. 9).
Die Antragsgegnerin forderte ihrem Konzept des Auswahlverfahrens entsprechend mit einer am 21. Juli 2012 im Amtsblatt der Europäischen Union und am 23. Juli 2012 auf ihrer Internetseite veröffentlichen Bekanntmachung zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf (Auftragsbekanntmachung). In der Auftragsbekanntmachung wird u.a. ausgeführt, dass dem Teilnahmeantrag im Einzelnen näher spezifizierte Erklärungen und Nachweise zur Beurteilung der Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit und Fachkunde beizufügen sind. Als eine solche Unterlage wird u.a. die Kopie einer Bescheinigung des zuständigen (kommunalen) Steueramtes bezeichnet, aus der hervorgeht, dass keine Steuer- und Abgabenrückstände bestehen. Das Ende der Frist zur Einreichung der in einem verschlossenen Umschlag einzureichenden Teilnahmeanträge nebst geforderter Erklärungen und Unterlagen war zunächst auf den 8. August 2012 bestimmt, wurde dann aber auch auf Bitte der Antragstellerin bis zum 20. August 2012, 12:00 Uhr verlängert. Die Antragstellerin reichte innerhalb der verlängerten Frist einen Teilnahmeantrag in einem verschlossenen Umschlag ein, der - wie die weiteren elf Bewerbungen auch - mit Eingangsdatum versehen und erst am 20. August 2012 um 12:00 Uhr geöffnet wurde. Bei Prüfung der Vollständigkeit der geforderten Unterlagen stellte die Antragsgegnerin fest, dass die Antragstellerin die geforderte Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes nicht vorgelegt hatte.
Mit einem nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Scheiben vom 3. September 2012 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass ihre Bewerbung im weiteren Auswahlverfahren aufgrund der fehlenden Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen kommunalen Steueramtes keine Berücksichtigung mehr finden könne. Neben der Antragstellerin wurden zwei weitere Bewerber wegen fehlender Unterlagen vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen (vgl. zu einem dieser beiden Bewerber das Verfahren 13 ME 236/12). Gegen das an sie gerichtete Absageschreiben hat die Antragstellerin am 5. September 2012 Rüge und vorsorglich Widerspruch erhoben. Die Auftragsbekanntmachung sei unklar gewesen, zudem hätten im verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahren ohnehin keine Ausschlussfristen gesetzt werden dürfen. Die Antragsgegnerin antwortete der Antragstellerin unter dem 11. September 2012 und vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Absageschreiben nicht um einen Verwaltungsakt handele. Vielmehr solle die Beauftragung einheitlich mittels Zuschlagserteilung und dem hiermit unmittelbar verbundenen Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgen. Im Übrigen sei keinem der Bewerber, die mit ihrem Teilnahmeantrag nicht sämtliche geforderten Unterlagen vorgelegt hätten, die Möglichkeit eines Nachreichens von fehlenden Unterlagen eröffnet worden.
Mit einem am 17. September 2012 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Die unterbliebene Nachforderung der Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes sei diskriminierend, weil bei anderen Bewerbern Informationen zu den eingereichten Unterlagen nachgefordert worden seien, um Anträge zu vervollständigen bzw. wertbar zu machen. Konkretere Angaben könnten dazu mangels gewährter Einsicht in die Verwaltungsvorgänge nicht gemacht werden.
Dem Verwaltungsgericht sind entsprechend einer von der Antragsgegnerin erwirkten Sperrerklärung des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 27. September 2012 die Verwaltungsvorgänge nur in beschränktem Umfang vorgelegt worden; die Teilnahmeanträge der Bewerber wurden gar nicht und die Korrespondenz mit den Bewerbern nur in anonymisierter Form übermittelt. Einen zunächst nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellten Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der verweigerten Aktenvorlage hat die Antragstellerin am 12. Oktober 2012 zurückgenommen.
Das Verwaltungsgericht hat die Antragsgegnerin mit Beschluss vom 18. Oktober 2012 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, die Antragstellerin vorläufig zur zweiten Stufe des Auswahlverfahrens zuzulassen sowie untersagt, einen anderen Bewerber zu beauftragen, ohne dass der Antragstellerin die Abgabe eines Angebots ermöglicht worden ist. Die Nichtvorlage der Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes reiche für einen Ausschluss der Antragstellerin vom weiteren Auswahlverfahren nicht aus. Die Antragsgegnerin hätte in ihre Entscheidung den durch § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG grundsätzlich vermittelten Anspruch der Antragstellerin, vorab Mitteilung über die Vollständigkeit ihrer Unterlagen zu erhalten, in ihre Entscheidung über den Ausschluss einstellen müssen. Die Betreuungs- und Fürsorgepflichten der Behörde regelnde Bestimmung des§ 25 VwVfG sei aufgrund des geplanten Abschlusses eines öffentlich-rechtlichen Vertrages anwendbar; ein atypischer Fall hinsichtlich dieser als "Soll-Vorschrift" ausgestalteten Bestimmung liege nicht schon aufgrund der beabsichtigten Erteilung einer Dienstleistungskonzession vor. Selbst bei Nichtanwendung des § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG wäre die unterbliebene Nachforderung der fehlenden Unterlage ermessensfehlerhaft, weil die Fristverlängerung bis zum 20. August 2012 gerade im Interesse der ordnungsgemäßen Erstellung von Teilnahmeanträgen erfolgt sei, was nur seine Ursache darin haben könne, dass zuvor einzelne oder gar alle Bewerber bislang keinen ordnungsgemäßen Teilnahmeantrag hätten erstellen können.
Dagegen richtet sich die am 26. Oktober 2012 eingelegte und am 6. November 2012 begründete Beschwerde der Antragsgegnerin, auf welche die Antragstellerin unter dem 10. November 2012 erwidert hat.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 und 4 VwGO zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg.
Die von der Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, führen zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel ihrer weiteren Berücksichtigung im Auswahlverfahren insgesamt abzulehnen.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Der Senat vermag bei der aufgrund des engen Zeithorizonts nur sehr kursorisch möglichen Prüfung im Gegensatz zum Verwaltungsgericht weder vom Vorliegen eines Anordnungsanspruchs (dazu nachfolgend 1.) noch eines Anordnungsgrundes (dazu unten 2.) auszugehen.
1.
Nach Einschätzung des Senats sprechen die besseren Gründe dafür, dass die Antragsgegnerin die Antragstellerin aufgrund einer nicht zusammen mit dem Teilnahmeantrag und daher nicht fristgerecht erfolgten Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes zu Recht vom weiteren Auswahlverfahren ausgeschlossen hat, so dass ein Anordnungsanspruch letztlich zu verneinen ist.
a) Die Antragsgegnerin hat sich voraussichtlich zu Recht selbst die Durchführung eines Konzepts für ein Auswahlverfahren unter Festlegung bestimmter Auswahlschritte und Kriterien auferlegt, welches sich an vergaberechtliche Bestimmungen - insbesondere des Teils A der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) - anlehnt und dabei auch allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Regelungen wie den vom Verwaltungsgericht als maßgeblich angesehen § 25 VwVfG überlagert. Die Antragsgegnerin betritt allerdings mit der ihr selbst auferlegten Mischung aus verwaltungsrechtlichem Auswahlverfahren und Vergabeverfahren, die man als "Vergabeverwaltungsrecht" bezeichnen könnte, rechtliches Neuland:
Auf der einen Seite ist förmliches (Unions-)Vergaberecht nicht anwendbar, wenn sich nicht noch herausstellen sollte, dass sich die Regelungen zur Beauftragung Dritter mit der Durchführung der Leistungen des Rettungsdienstes durch Erteilung einer Dienstleistungskonzession in § 5 NRettDG nicht doch als "verkappter Dienstleistungsauftrag" darstellen, für den dann doch förmliches (Unions-)Vergaberecht anwendbar wäre. Bei Dienstleistungskonzessionen handelt es sich i.S.v. Art. 1 Abs. 4 der Vergabekoordinierungsrichtlinie 2004/18/EG um "Verträge, die von öffentlichen Dienstleistungsaufträgen nur insoweit abweichen, als die Gegenleistung für die Erbringung der Dienstleistungen ausschließlich in dem Recht zur Nutzung der Dienstleistung oder in diesem Recht zuzüglich der Zahlung eines Preises besteht". Gegen das tatsächliche Vorliegen einer Dienstleistungskonzession wird vorgebracht, dass zwar die Rettungsdienstunternehmen als Leistungserbringer ihre Vergütung von den Kostenträgern erhalten sollen, das wirtschaftliche Risiko der Leistungserbringer aber - anders als in dem vom Europäischen Gerichtshof entschiedenen Fall zum bayerischen Rettungsdienstrecht (EuGH, Urt. v.10.3.2011, Rs. C-274/09 ("Privater Rettungsdienst und Krankentransport Stadler"), [...]) - eher gering ist (vgl. Freese/Schwind: "Steine statt Brot - Das neue "Konzessionsmodell" im Niedersächsischen Rettungsdienstgesetz", Nds. VBl. 2012, S. 201). Auf der anderen Seite gibt es derzeit noch keine dezidierten rechtlichen Vorgaben für die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen, die sich mithin derzeit als förmlich vergaberechtsfrei darstellen. Es existiert aktuell lediglich ein Vorschlag der Europäischen Kommission vom 20. Dezember 2011 (KOM(2011) 897 endg.; berichtigt am 26. Juni 2012 ) für eine Richtlinie über die Konzessionsvergabe, der noch nicht realisiert ist; zuletzt hatte dazu der Ausschuss der Regionen unter dem 19. Juli 2012 eine Stellungnahme (AdR 100/2012) abgegeben.
Die rechtliche Anerkennung eines zeitlichen und sachlichen Lückenschlusses durch Konstruktion eines "Vergabeverwaltungsrechts" in Gestalt eines geordneten verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahrens, in dem aus dem Vergaberecht entnommene Strukturen - insbesondere formelle Ausschlussfristen - implementiert werden, stellt sich in Anbetracht dieses Befundes nach Auffassung des Senats als rechtlich zulässig, wenn nicht gar geboten dar. Würde man demgegenüber eine solche Vorgehensweise derzeit mangels ausdrücklicher gesetzlicher Regelung für nicht möglich halten bzw. die zulässigerweise heranzuziehenden Verfahrensabläufe insgesamt ausschließlich auf die Regelungen desVerwaltungsverfahrensgesetzes reduzieren, wäre ein Zustand gegeben, der nach Auffassung des Senats rechtlich bedenklicher wäre. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verpflichtet ist, auch bei der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen die primärrechtlichen Grundregeln des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -, insbesondere die Art. 49 und 56 AEUV sowie die daraus fließende Transparenzpflicht jedenfalls dann zu beachten, wenn an einem abzuschließenden Vertrag - wie hier - ein grenzüberschreitendes Interesse besteht (EuGH, Urt. v. 10.3.2011, Rs. C-274/09, [...] Rdnr. 49). Dies spricht nach Auffassung des Senats dafür, dass nach Unionsrecht einem öffentlichen Auftraggeber die Implementierung vergaberechtlicher Grundstrukturen auch im Falle einer Dienstleistungskonzession schon jetzt nahegelegt wird. Ist dem so, kann es dem öffentlichen Auftraggeber nicht rechtlich entgegengehalten werden, wenn er sich für ein formalisiertes Auswahlverfahren mit Vorlagepflichten und Ausschlussfristen entscheidet, wie es für ein vergaberechtliches Verfahren gerade prägend ist. Konkret für die Antragsgegnerin kommt noch der Umstand hinzu, dass diese sich infolge der Entscheidungen der Vergabekammer Niedersachsen vom 3. Februar und 15. Juni 2012 gehalten sieht, ein vergabeförmiges Auswahlverfahren durchzuführen.
b) Aus vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Antragsgegnerin dem Grunde nach entsprechend ihrer Auftragsbekanntmachung auch die Vorlage von Unterlagen in bestimmten Fristen verlangen durfte, ohne dass dieses Konzept sogleich - wie das Verwaltungsgericht der Sache nach annimmt - durch Betreuungs- und Fürsorgepflichten nach § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG wieder "aufgeweicht" würde. Die Regelung des § 25 Abs. 2 VwVfG, die durch Art. 1 Nr. 3 Buchst. b) des Gesetzes vom 11. Dezember 2008 (BGBl. S. 2418) mit Wirkung vom 18. Dezember 2008 in das Verwaltungsverfahrensrecht eingefügt wurde, sollte insbesondere der Unterstützung von Antragstellern in komplexen Genehmigungsverfahren dienen. Der Gesetzgeber hatte bei dieser Vorschrift ersichtlich nicht vergabeförmige Verwaltungsverfahren im Blick, bei denen in rechtmäßiger Weise - was hier nach Auffassung des Senats gerade der Fall ist - in einem Auswahlverfahren formelle Vorlagepflichten und Ausschlussfristen zur Anwendung gelangen. Der Tatbestand des § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ist in einer solchen Konstellation schon deshalb regelmäßig nicht als gegeben anzusehen, weil eine der Verfahrensbeschleunigung dienende Mitteilung über die Vollständigkeit der Unterlagen voraussetzt, dass konkret eine Möglichkeit der Ergänzung von Unterlagen eröffnet ist. Diese Möglichkeit kann sich - wie die Antragsgegnerin zutreffend darstellt - nicht sogleich ihrerseits aus § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG ergeben, sondern wird dort sachlogisch vorausgesetzt. Eine solche Ergänzungsmöglichkeit kann es in einem durch Ausschlussfristen geprägten vergabeförmigen Verwaltungsverfahren indessen nur ausnahmsweise geben, wenn von dieser Möglichkeit für alle Bewerber in gleicher Weise Gebrauch gemacht wird. Das kann nach Einschätzung des Senats nur ausnahmsweise und etwa dann der Fall sein, wenn sich nach Öffnung aller Teilnahmeanträge herausstellt, dass keiner oder im Hinblick auf die Gesamtzahl der zu vergebenden Lose zu wenige Bewerber überhaupt die formelle Voraussetzung der Vorlage vollständiger Unterlagen erfüllt haben. Gibt es hingegen genügend Bewerber, die vollständige und bewertungsfähige Anträge vorgelegt haben, muss eine Ergänzungsmöglichkeit gerade nicht eröffnet werden. Im skizzierten Sinne wird mithin § 25 Abs. 2 Satz 2 VwVfG durch das von der Antragsgegnerin voraussichtlich zu Recht implementierte vergabeähnliche Auswahlverfahren "überlagert". Selbst, wenn man - wie das Verwaltungsgericht es getan hat - den Tatbestand des § 25 Abs. 2 Satz 2 entgegen der vorstehenden Ausführungen hier als erfüllt ansähe, würde diese "Überlagerung" dann zumindest zur Annahme eines atypischen Falles führen, der die in einem normalen Verwaltungsverfahren gegebenen Betreuungs- und Fürsorgepflichten zurücktreten lässt.
c) Es spricht auch Überwiegendes dafür, dass die Antragsgegnerin die Vorgaben zum Auswahlverfahren, die sie sich selbst auferlegt hat, konsequent und unter Beachtung der Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung und damit entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts auch ermessensfehlerfrei angewendet hat. Sie konnte sich voraussichtlich in rechtmäßiger Weise dafür entscheiden, das Erfordernis der Vollständigkeit der Unterlagen ohne die Eröffnung einer Ergänzungsmöglichkeit durchgreifen zu lassen und von dem in Nr. 12.1.1 der Auftragsbekanntmachung geregelten Vorbehalt der Nachforderung fehlender Erklärungen, Angaben und Nachweise keinen Gebrauch zu machen. Eine solche Verpflichtung folgt nicht etwa schon daraus, dass die Antragsgegnerin am 27. Juli 2012 die Ausschlussfrist "im Interesse der ordnungsgemäßen Erstellung der Teilnahmeanträge" auf den 20. August 2012 verlängert hatte. Es erschließt sich schon nicht, warum infolge einer Verlängerung einer Ausschlussfrist diese dann letztlich obsolet sein soll, wenn sie abgelaufen ist. In tatsächlicher Hinsicht war es zudem nicht etwa so, dass der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Verlängerung der Frist am 27. Juli 2012 Teilnahmeanträge schon vorgelegen hätten, die schon zu diesem Zeitpunkt als unvollständig erkannt worden wären. Abgesehen davon ist die Verlängerung der Ausschlussfrist gerade auch auf Intervention der Antragstellerin erfolgt, die als Unternehmung mit einem europäischen Konzernhintergrund mehr Zeit benötigte. Nach Öffnung der verschlossenen Umschläge mit den Anträgen und den beizufügenden Unterlagen war auch nicht etwa eine Situation gegeben, in der keiner oder zu wenige Bewerber das Vollständigkeitskriterium erfüllt haben. Vielmehr haben bei sechs Losen offenbar neun Bewerber den Anforderungen genügt. In einer solchen Situation musste die Antragsgegnerin nicht zu Gunsten der Antragstellerin eine weitere Nachfrist zur Vorlage noch fehlender Unterlagen einräumen. Dies musste sie auch nicht deshalb, weil sie offenbar im Hinblick auf einzelne abgegebene Erklärungen der Bewerber nachgefragt hat, ob sie diese richtig verstanden habe. Nach Auffassung des Senats besteht ein substantieller Unterschied zwischen einer gänzlich fehlenden Unterlage - hier der kommunalen Unbedenklichkeitsbescheinigung - einerseits und einer Erörterung im Hinblick auf bereits vorliegende, möglicherweise aber inhaltlich klärungsbedürftige Unterlagen anderseits. Die Anlehnung des verwaltungsrechtlichen Auswahlverfahrens an vergaberechtliche Strukturen (vgl. insoweit die Differenzierung zwischen Inhaltsaufklärung und Vollständigkeitsprüfung in §§ 18, 19 VOL/A-EG) rechtfertigt insoweit eine streng formalisierte Sichtweise, die von der Antragsgegnerin dann auch gewählt worden ist. Die Bedingungen der Auftragsbekanntmachung waren schließlich für alle Bewerber gleich; neun Bewerber haben es auch geschafft, die geforderten Unterlagen rechtzeitig vorzulegen. Es wäre mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz kaum zu vereinbaren, wenn man bei anderen Bewerbern, die diese "Minimalanforderung" - aus welchen Gründen auch immer - gerade nicht erfüllt haben, die Ausschlussfrist nicht durchgreifen lassen würde.
2.
Einen Anordnungsgrund vermag der Senat ebenfalls nicht anzunehmen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass bereits Überwiegendes für einen rechtmäßigen Ausschluss des Antragstellerin auf der Grundlage der formellen Auswahlkriterien der Antragsgegnerin spricht, überwiegt auch deren (öffentliches) Interesse an einem Fortgang ihres geordneten Auswahlverfahrens nach den selbstgeschaffenen Verfahrensschritten und Kriterien. Das Interesse der Antragstellerin daran, sogleich am weiteren Auswahlverfahren teilzunehmen und sich dadurch die Chance eines Zuschlags ohne Inanspruchnahme nachträglichen Rechtsschutzes zu erhalten, muss hinter dieses Interesse einstweilen zurücktreten:
a) Die Antragsgegnerin hat ein nachvollziehbares und erhebliches Interesse daran, ihr Auswahlverfahren nach dem von ihr selbst erstellten Konzept zum Abschluss zu bringen. Bewerber, die infolge der Auftragsbekanntmachung Teilnahmeanträge abgegeben haben, wussten allesamt, auf welches Verfahren und welches Zeitraster sie sich einlassen. Bei Unklarheiten oder Verständnisschwierigkeiten bezüglich der Auftragsbekanntmachung hat die Antragsgegnerin Auskünfte gegeben. Von dieser Möglichkeit hat auch die Antragstellerin Gebrauch gemacht, allerdings nicht bezüglich der Unbedenklichkeitsbescheinigung des kommunalen Steueramtes, weil sie fälschlich davon ausging, dass die von ihr vorgelegte Bescheinigung des Finanzamtes ausreichend sei. Die Regeln waren für alle Bewerber gleich. Kein Bewerber konnte sich darauf einstellen, dass im Falle fehlender Unterlagen die Möglichkeit zu Nachreichung derselben eröffnet werden würde. Die Ausschlussfrist hat auch gleichzeitig dem Umstand Rechnung getragen, dass sich die Antragsgegnerin aufgrund der Entscheidungen der Vergabekammer Niedersachsen vom 3. Februar und 15. Juni 2012 zu einem Abschluss des Auswahlverfahrens (deutlich) vor der Jahreswende 2012/2013 gezwungen sieht. Auch diese zeitlich prekäre Situation war den Bewerbern bekannt. Die Bewerber, die es geschafft haben, vollständige und wertungsfähige Anträge und Unterlagen vorzulegen, würden benachteiligt, wenn nur der Antragstellerin ermöglicht worden wäre - oder auf Basis einer einstweiligen Anordnung ermöglicht würde - auch mit einer späteren Vervollständigung die nächste Stufe des Auswahlverfahrens eröffnen zu können.
b) Zudem ist der von der Antragstellerin der Sache nach angestrebte vorbeugende Rechtsschutz dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Regelfall fremd, da grundsätzlich nachträglicher Rechtsschutz für angemessen und ausreichend angesehen wird (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 18. Aufl., Vorbemerkung zu § 40 Rdnr. 33; Schoch/Schneider/Bier,Verwaltungsgerichtsordnung, 23. Erg.-Lfg. 2012, § 123 Rn. 45). Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn die Inanspruchnahme lediglich nachträglichen Rechtsschutzes mit unzumutbaren Nachteilen verbunden wäre. Das kann etwa bei einer sonst drohenden wirtschaftlichen Existenzgefährdung oder bei Schaffung irreversibler Zustände in Betracht kommen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 11.06.2010 - 11 ME 583/09 -, [...] Rdnr. 38 m.w.N.).
aa) Beides lässt sich hier für den Fall, dass die Antragstellerin auf nachträglichen Rechtsschutz nach Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages mit einem anderen Bewerber verwiesen würde, nicht erkennen. Eine drohende Existenzgefährdung im Falle des (zunächst) nicht ermöglichten Markteintritts in den Rettungsdienstbereich der Antragsgegnerin steht nicht in Rede und wird auch nicht geltend gemacht. Irreversible Zustände durch den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge drohen ebenfalls nicht; eine§ 114 Abs. 2 Satz 1 GWB entsprechende Regelung, nach der in einem vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren ein wirksam erteilter Zuschlag nicht mehr aufgehoben werden kann, existiert außerhalb des förmlichen Vergaberechts im Hinblick auf den Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge nicht. Eine weithin greifende Vorverlagerung des gerichtlichen Rechtsschutzes "nicht zum Zuge gekommener" Dritter in den Zeitraum zwischen Auswahlentscheidung und Erlass eines Verwaltungsakts oder Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages - wie er ausnahmsweise etwa im beamtenrechtlichen Auswahlverfahren greift (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 04.11.2010 - 2 C 16/09 -, [...] Rdnrn. 31 ff) - kennt das allgemeine Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozessrecht im Gegensatz zum Vergaberecht grundsätzlich nicht. Auch diesbezüglich die Möglichkeit einer Überlagerung der allgemeinen Maßstäbe nach Art eines "Vergabeverwaltungsrechts" anzunehmen, dürfte zu weit gehen. Der Senat vermag sich - jedenfalls bei kursorischer Bewertung und für die hier vorliegende Konstellation - nicht ohne weiteres der Auffassung anzuschließen, dass "nicht anders als bei der Vergabe öffentlicher Aufträge gemäߧ§ 110 GWB oder bei der Vergabe [von] Dienstleistungskonzessionen nach Vertragsschluss mit dem Mitbewerber die Möglichkeit entfällt, dagegen erfolgreich Primärrechtsschutz in Anspruch zu nehmen, weil der Vertrag zwischen diesem und der vergebenden Behörde wirksam zustande gekommen und für die unterlegenen Bewerber nicht angreifbar ist" (so aber: OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 30.11.2010 - 1 S 107/10 -, [...] Rdnr. 8). Woraus ein solcher Ausschluss nachträglichen Rechtsschutzes resultieren und wie dies mit dem Gebot des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG vereinbar sein soll, erschließt sich dem Senat nicht. Vielmehr dürfte insoweit§ 58 Abs. 1 VwVfG Bedeutung entfalten, wonach die Wirksamkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages, der in Rechte Dritter eingreift, von dessen schriftlicher Zustimmung abhängt. Insoweit gilt, dass bei einem subordinationsrechtlichen Vertrag ein solcher Eingriff immer dann vorliegt, wenn der Dritte einen Verwaltungsakt gleichen Inhalts erfolgreich anfechten könnte (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 12. Aufl., § 58 Rdnr. 6; Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, § 58 Rdnr. 5; vgl. zur prozessualen Ausgestaltung etwa: VG Köln, Urt. v. 17.11.2010 - 21 K 5862/09 - (Frequenzzuteilung); VG Karlsruhe, Beschl. v. 27.10.2005 - 1 K 1394/05 - (Finanzierungsvereinbarung zum Linienverkehr); jeweils zit. nach [...]). Diese Überlegung dürfte insbesondere dann gelten, wenn - wie vorliegend - eine Beauftragung einheitlich mittels Zuschlagserteilung und dem hiermit unmittelbar verbundenen Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgen soll und nicht mehr die frühere Verwaltungspraxis verfolgt wird, in einem zweistufigen Verfahren zunächst einen Beauftragungsbescheid zu erlassen.
bb) Auch ansonsten - außerhalb der Frage einer Existenzgefährdung oder irreversibler Zustände - drohen der Antragstellerin keine unzumutbaren Nachteile, wenn sie nicht sogleich am weiteren Auswahlverfahren teilnehmen kann, ihr Ausschluss sich aber in einem Hauptsacheverfahren als rechtsfehlerhaft herausstellen sollte. Die Antragstellerin hat zuletzt selbst erklärt und zugesichert, dass sie gegen eine Interimsvergabe an die bisherigen Leistungserbringer bis zum ordnungsgemäßen Abschluss "des laufenden Vergabeverfahrens einschließlich der zugehörigen Gerichtsverfahren" nicht vorgehen wird. Für die Antragstellerin macht es indessen keinen wesentlichen Unterschied, ob sich ihr denkbarer Marktzutritt durch den vorgesehenen Abschluss öffentlich-rechtlicher Verträge oder durch eine weitere Interimsvergabe verzögert. Nachteilig und erheblich ist dies vielmehr für die ausgewählten Bewerber, die sich zunächst mit einer rechtlichen Unsicherheit und damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken konfrontiert sehen würden; darauf kann sich die Antragstellerin aber nicht berufen.
Abschließend weist der Senat in Anbetracht der diesbezüglichen Ausführungen der Antragstellerin darauf hin, dass es keiner Entscheidung über den Antrag der Antragsgegnerin auf Aussetzung der Vollziehung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts bedurfte bzw. bedarf; dieser Antrag ist unter einer Bedingung gestellt worden, die nicht eingetreten ist (Stellung eines Vollstreckungsantrags durch die Antragstellerin). Auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob sich der Aussetzungsantrag überhaupt als zulässig darstellt, erübrigt sich daher.