Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.11.2012, Az.: 11 LA 281/12
Herausgabe eines sichergestellten Betrages nach § 29 Abs. 1 Nds. SOG bei Sicherstellung eines Bargeldbetrages nach § 26 Nds. SOG
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.11.2012
- Aktenzeichen
- 11 LA 281/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 29569
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1122.11LA281.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Osnabrück - 05.09.2012 - AZ: 6 A 216/11
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DÖV 2013, 200
- NVwZ-RR 2013, 362
- NdsVBl 2013, 172-173
- NordÖR 2013, 225
Amtlicher Leitsatz
Ist ein Bargeldbetrag weiterhin wirksam nach § 26 Nds. SOG durch Bescheid sichergestellt, so kann ein Dritter unter Berufung darauf, er habe demjenigen, bei dem das Bargeld sichergestellt worden ist, dieses Geld übergeben, nach § 29 Abs. 1 Nds. SOG nicht erfolgreich die Herausgabe des sichergestellten Betrages an sich verlangen.
Gründe
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg, weil die Zulassungsgründe, auf die sich die Klägerin beruft, bereits nicht den Anforderungen § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechend dargelegt worden sind und im Übrigen auch in der Sache nicht vorliegen, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO.
Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Es obliegt dabei nicht dem Oberverwaltungsgericht, sondern dem Rechtsbehelfsführer, einzelne Zulassungsgründe ausdrücklich oder konkludent zu bezeichnen und ihnen dann jeweils diejenigen Elemente seiner Kritik an der erstinstanzlichen Entscheidung klar zuzuordnen, mit denen er das Vorliegen des jeweiligen Zulassungsgrundes darlegen möchte (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 4. 2. 2010 - 5 LA 37/08 - [...], Rn. 7 , m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Begründung des Zulassungsantrages nicht. Zwar werden darin eingangs sinngemäß die Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 5 VwGO bezeichnet; nachfolgend wird das Vorbringen zu vermeintlichen Verstößen gegen das rechtliche Gehör sowie gegen §§ 86 Abs. 2, 108 Abs. 1 Satz 1, 108 Abs. 2 VwGO und die Berufung auf neue Tatsachen jedoch weder ausdrücklich noch konkludent hinreichend einem oder beiden dieser Zulassungsgründe zugeordnet und insbesondere nicht dargelegt, auf welcher Rechtsgrundlage das streitige Herausgabeverlangen danach begründet sein soll, d.h. welche Tatbestandsvoraussetzungen des allenfalls in Betracht kommenden § 29 Abs. 1 Nds. SOG vom Verwaltungsgericht zu Unrecht verneint (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bzw. inwieweit vom ihm i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO entscheidungserhebliche Verfahrensfehler begangen worden sein sollen.
Im Übrigen ergeben sich auch in der Sache keine ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO an der Richtigkeit der Annahme des Verwaltungsgerichts, das sichergestellte Bargeld dürfe nach § 29 Abs. 1 Nds. SOG nicht an die Klägerin herausgegeben werden. Ihr Kernvorbringen, ihr Enkel B. habe das bei ihm im Oktober 2010 durch Bescheid der Beklagten sichergestellte streitige Bargeld in Höhe von 18.200 EUR rechtmäßig besessen, nämlich kurz zuvor von ihr bzw. seinem Bruder zwecks Erwerbs von Wohnwagen erhalten, ist insoweit unerheblich. Mit diesem Vorbringen wird weder dargelegt, dass die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind und das Geld nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG an sie herauszugeben sei, noch eine Unmöglichkeit der Herausgabe an ihren Enkel als die Person, bei dem die Sicherstellung erfolgte, und stattdessen eine Herausgabepflicht an sie gemäß § 29 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG begründet.
Vielmehr wird die Berechtigung der Sicherstellung nach § 26 Nrn. 1 und 2 Nds. SOG in Zweifel gezogen, wie sinngemäß auf Seite 5 der Begründung des Zulassungsantrages und zuvor ausdrücklich in der Klageschrift vom 15. September 2011 auch ausgeführt worden ist. Die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung ist aber weder unmittelbar noch inzident Streitgegenstand dieses Klageverfahrens. Vielmehr hat der Enkel der Klägerin B. seine Anfechtungsklage gegen den an ihn gerichteten Sicherstellungsbescheid der Beklagten vom 28. Oktober 2010 zurückgenommen, d.h. dieser Bescheid ist ihm gegenüber bestandskräftig geworden. Er kann also nicht mehr erfolgreich geltend machen, die Sicherstellung habe nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entsprochen. Bildet ihm gegenüber der Sicherstellungsbescheid weiterhin die Rechtsgrundlage für die Verwahrung des streitigen Betrages, steht ihm also kein Herausgabeanspruch zu, so existiert kein Herausgabeanspruch nach § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG, den er wirksam an die Klägerin hätte abtreten können.
Das Zulassungsvorbringen ist insoweit auch nicht unter dem Gesichtspunkt erheblich, dass die Sicherstellungsvoraussetzungen des § 26 Nds. SOG aus der maßgeblichen Sicht der Beklagten anfänglich ggf. vorgelegen haben mögen, nunmehr aber auf Grund der nachträglichen Angaben u.a. der Klägerin i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG "weggefallen" seien und deshalb der sichergestellte Betrag kraft Abtretung an die Klägerin herauszugeben sei. Dazu wäre auch in diesem Fall zunächst der Sicherstellungsbescheid, sei es nun mit Wirkung ex tunc oder zumindest aber ex nunc aufzuheben, woran es hier gerade mangelt. Zudem ist sehr zweifelhaft, ob die Sicherstellungsvoraussetzungen ursprünglich nur aus Sicht der Behörde, nicht aber objektiv vorgelegen haben müssen. Selbst wenn man hiervon aber ausgeht, kann von einem nachträglichen Wegfall der Sicherstellungsvoraussetzungen nur ausgegangen werden, wenn eine weitere Aufklärung im Zeitpunkt der Sicherstellung objektiv nicht möglich war. Hieran mangelt es aber ebenfalls. Denn die Beklagte verweist zu Recht darauf, dass es B., dem Enkel der Klägerin, bereits lange vor der am 28. Oktober 2010 erfolgten Sicherstellung selbst möglich gewesen wäre, auf den vermeintlich rechtmäßigen Erwerb des Geldes von seiner Großmutter bzw. seinem Bruder und damit auf das Fehlen der Voraussetzungen für die Sicherstellung nach § 26 Nds. SOG hinzuweisen, was er jedoch nicht getan hat; ein "Wegfall" der Sicherstellungsvoraussetzungen kann auch deshalb nicht bejaht werden.
Für eine entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG auf den Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit der Sicherstellung besteht weder allgemein noch gar im vorliegenden Fall eine Notwendigkeit. Denn bei einer anfänglichen Rechtswidrigkeit der Sicherstellung ergibt sich die Pflicht zur Herausgabe bereits aus dem allgemeinen, etwa in § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorausgesetzten Folgenbeseitigungsanspruch (vgl. Gusy, Polizeirecht, 4. Aufl., S. 151, Fn. 191). Im Übrigen liegt aus den vorgenannten Gründen hier ohnehin kein Fall der anfänglichen Rechtswidrigkeit des Sicherstellungsbescheides vor.
Da der streitige Betrag bei der Klägerin nicht sichergestellt worden ist, kann sie schon deshalb auch nicht unmittelbar herausgabeberechtigte Person i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG sein.
Dass eine Herausgabe an ihren Enkel i.S.d. § 29 Abs. 1 Satz 2 Nds. SOG etwa wegen unbekannten Aufenthaltes unmöglich sei, trägt die Klägerin nicht vor und ist auch sonst nicht zu erkennen. Dass wegen des Fortbestandes der Sicherstellung zwar gegenüber ihrem Enkel eine Herausgabe "unmöglich" sei, dafür aber an sie als "berechtigte" Person zu erfolgen habe, macht die Klägerin ebenfalls nicht geltend und träfe auch nicht zu. "Berechtigte Person" ist in diesem Fall derjenige, zu dessen Gunsten der Betrag sichergestellt, d.h. dem er deliktisch entzogen worden ist; dies ist bei der Klägerin nicht der Fall. Zudem ergibt sich aus ihrem Zulassungsvorbringen ohnehin nicht, woraus sich eine eigene unmittelbare Rückgabeberechtigung ergeben soll. Dass sie kurz vor der Sicherstellung ihrem Enkel B. und dessen Bruder zwecks Erwerbs von Wohnwagen einen Betrag in Höhe von 20.000 EUR zu jeweils gleichen Teilbeträgen übergeben haben soll, führt weder zwingend zu der Annahme, dass sie im Zeitpunkt der Sicherstellung (noch) Eigentümerin der sichergestellten 18.200 EUR gewesen ist, noch zu einem sonstigen Besitzrecht hieran.
Hiervon ausgehend ist auch nicht zu erkennen, welche entscheidungserheblichen Verfahrensfehler i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO gegeben sein sollen. Auch das - soweit verständlich - diesbezügliche Zulassungsvorbringen der Klägerin bezieht sich allein auf die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung und nicht auf die o. a. gesonderten Voraussetzungen der Herausgabe an die Klägerin nach § 29 Abs. 1 Nds. SOG.