Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 01.11.2012, Az.: 5 ME 233/12
Entgegenstehen der Wahrnehmung eines Restmandats i.S.v. § 21b BetrVG im bisherigen Einsatzbetrieb bzgl. der dauerhaften Zuweisung eines Beamten zu einem Tochterunternehmen oder Enkelunternehmen der Telekom AG
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 01.11.2012
- Aktenzeichen
- 5 ME 233/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 27080
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2012:1101.5ME233.12.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 09.08.2012 - AZ: 1 B 203/12
Rechtsgrundlagen
- § 21b BetrVG
- § 38 BetrVG
- § 4 Abs. 4 S. 2 PostPersRG
- Art. 33 Abs. 5 GG
Fundstelle
- NordÖR 2013, 226
Amtlicher Leitsatz
Die Wahrnehmung eines Restmandats im Sinne von § 21 b BetrVG im bisherigen Einsatzbetrieb steht der dauerhaften Zuweisung einer Beamtin (FHS A8) zu einem Tochter- oder Enkelunternehmen der Telekom AG (VCS GmbH) nicht entgegen.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen vom 9. August 2012 hat keinen Erfolg.
Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass das Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.
1. Die Antragsgegnerin hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zuweisungsverfügung in einer den Anforderungen des§ 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise begründet.
Zutreffend und durch das Beschwerdevorbringen nicht durchgreifend beanstandet ist das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des beschließenden Senats (vgl. Beschluss vom 18.5.2011 - 5 ME 5/11 -, [...] = www.dbovg.niedersachsen.de) davon ausgegangen, dass aufgrund der Vielzahl gleichgelagerter Fälle die Antragsgegnerin bei der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung durchaus Erwägungen anstellen darf, die sie in ähnlicher Form auch in anderen Verfahren anführt.
Der Einwand der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht auf ihre konkreten persönlichen Bedingungen Bezug genommen und auch nicht näher dargelegt, weshalb gerade sie - die Antragstellerin - für die Zuweisung ausgewählt worden sei, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg.
Denn die Antragstellerin legt insoweit keine Umstände dar, die entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts das von der Antragsgegnerin geltend gemachte besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegen oder ihm wenigstens gleichwertig sind. Ihre Einwände setzen sich mit der Frage der sofortigen Vollziehung überhaupt nicht auseinander, sondern betreffen ihre Auswahl für eine Stellenzuweisung und die ihr zugewiesene Stelle. Sie richten sich damit gegen die Begründung der angefochtenen Verfügung, nicht aber die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. Dass die Zuweisungsverfügung aus Sicht des Betroffenen rechtswidrig ist, ist indes kein Belang, den die Antragsgegnerin im Rahmen der Anordnung der sofortigen Vollziehung zu berücksichtigen hätte.
2. Die Zuweisungsverfügung erweist sich bei der im Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung auch als rechtmäßig. Nach § 4 Abs. 4 Satz 2 PostPersRG ist die dauerhafte Zuweisung zu einem Unternehmen, dessen Anteile ganz oder mehrheitlich der Aktiengesellschaft gehören, bei der der Beamte beschäftigt ist, ohne dessen Zustimmung zulässig, wenn die Aktiengesellschaft an der Zuweisung ein dringendes betriebliches oder personalwirtschaftliches Interesse hat und die Zuweisung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Grundsätzen zumutbar ist. Diese Voraussetzungen hat das Verwaltungsgericht zu Recht bejaht und dabei auch die frühere bzw. nachwirkende Funktion der Antragstellerin als Vorsitzende des bei ihrem bisherigen Dienstbetrieb gebildeten Betriebsrats gewürdigt.
Gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass mit der Einstellung des Betriebs der C. GmbH auch die Mitgliedschaft der Antragstellerin im Betriebsrat und ihre Freistellung nach § 38 BetrVG beendet worden seien und sie deshalb allenfalls ein Restmandat im Sinne von § 21 b BetrVG wahrzunehmen habe, hat die Antragstellerin keine durchgreifenden Einwände erhoben.
Sie setzt sich aber auch nicht vertieft mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts auseinander, dass die Zuweisung zur D. Services GmbH sie nicht in einer gegen § 78 BetrVG verstoßenden Weise in der Ausübung dieses Restmandats behindern werde, weil sie dort erforderlichenfalls eine Freistellung für die Ausübung des Restmandats beantragen könne. Soweit sie hierzu lediglich anführt, sie müsse an Verhandlungen zwischen dem Betriebsrat und dem Arbeitgeber teilnehmen, nachdem das Landesarbeitsgericht eine Einigungsstelle eingesetzt habe, bleibt ihr Vorbringen unsubstantiiert. Die Antragstellerin hat insofern selbst vorgetragen, es sei nicht absehbar, wie häufig die Sitzungen der Einigungsstelle stattfinden würden; erwartungsgemäß seien es in den nächsten Monaten zwei bis vier mehrstündige Sitzungen. Diese vagen Angaben hat die Antragstellerin auch drei Monate nach Einsetzung und Tätigwerden (vgl. § 76 Abs. 3 Satz 1 BetrVG) der Einigungsstelle ebenso wenig präzisiert wie den zeitlichen Umfang, in dem sie als Ansprechpartnerin für "etwa elf" Tarifbeschäftigte mit noch laufenden Verträgen und etwa 40 weitere Tarifbeschäftigte zur Verfügung steht. Dass sie diese Tätigkeiten nicht auch - erforderlichenfalls unter Freistellung durch die zukünftige Dienststelle - unter den Bedingungen der nunmehr verfügten Zuweisung ausüben kann, ist nicht dargelegt. Zu bemerken ist im Übrigen, dass die Antragstellerin auf die Anhörung zu ihrer beabsichtigten Zuweisung zwar zahlreiche Einwände erhoben, nicht aber ihre Betriebsratstätigkeit als entgegenstehenden Belang erwähnt hat.
Auch soweit die Antragstellerin (in Bezug auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung) sinngemäß den Einwand führt, die Antragsgegnerin hätte auch andere Beamtinnen und Beamte des mittleren Dienstes für die Zuweisung auswählen können, bleibt ihre Beschwerde ohne Erfolg. Dass sie ihren durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Beschäftigungsanspruch nicht geltend macht, verkehrt diesen nicht in einen Nichtbeschäftigungsanspruch oder auch nur einen Anspruch darauf, von einer persönlich zumutbaren Inanspruchnahme durch den Dienstherrn zulasten anderer Beamter unbehelligt zu bleiben.
Die Zuweisung bedeutet für die Antragstellerin auch keine persönlich unzumutbare Härte. Grundsätzlich nimmt ein Bundesbeamter die mit der Möglichkeit der Versetzung oder Umsetzung, insbesondere mit einem Ortswechsel durch das ganze Bundesgebiet generell und unvermeidlich verbundenen persönlichen, familiären und auch finanziellen Belastungen mit seinem Dienstantritt in Kauf. Eine Umsetzungs- oder Zuweisungsverfügung erweist sich deshalb regelmäßig nicht schon dadurch als ermessensfehlerhaft, dass der Dienstherr den dienstlichen Bedürfnissen den Vorrang gegenüber den privaten Belangen des Beamten einräumt, auch wenn damit notwendigerweise Veränderungen im persönlichen und beruflichen Umfeld der Familie des Beamten verbunden sind. Die Bewältigung von dienstlich veranlassten Veränderungen ist eine Frage der persönlichen Lebensgestaltung des Beamten und seiner Familie, die diese allein zu beurteilen und zu entscheiden haben (vgl. BVerwG,Urteil vom 17.10.1986 - BVerwG 6 A 2.84 -, [...] Rn. 16).
Demgegenüber wird die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht durch eine Umsetzungs- oder Zuweisungsverfügung erst dann berührt, wenn ausnahmsweise besondere Umstände des Einzelfalls bei der Ermessensausübung Beachtung verlangen oder gewichtige Grundrechte des Beamten - darunter auch der Schutz von Ehe und Familie - besonders schwer beeinträchtigt werden. Solche Beeinträchtigungen liegen hier ersichtlich nicht vor. Die Antragstellerin ist erst 38 Jahre alt, ledig und kinderlos und hat zu ihrer persönlichen Situation nur geltend gemacht, dass sie im Heimatverein und der Freiwilligen Feuerwehr aktiv sei und mit erheblichem Zeitaufwand privat Nutztiere halte. Diese Umstände hat das Verwaltungsgericht, von der Beschwerde nicht angegriffen, zutreffend als nachrangig erachtet.