Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.11.2012, Az.: 5 ME 249/12
Abfertigungsbeamter; Organisationsermessen; Telearbeit; Zollamt
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.11.2012
- Aktenzeichen
- 5 ME 249/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2012, 44485
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 15.08.2012 - AZ: 1 B 48/12
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zur Frage, ob ein bei einem Zollamt tätiger Abfertigungsbeamter (Zollobersekretär) beanspruchen kann, ihm die Teilnahme an der alternierenden Telearbeit zu gewähren.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 1. Kammer - vom 15. August 2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert wird unter Änderung der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Streitwertfestsetzung für beide Rechtszüge auf jeweils 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 15. August 2012, mit dem dieses es abgelehnt hat, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, dem Antragsteller bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache die Teilnahme an der alternierenden Telearbeit auf dem Dienstposten A 1.9 als Abfertigungsbeamter beim Zollamt C. zu gewähren.
Die Beschwerde des Antragstellers hat keinen Erfolg. Die von dem Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Änderung des angefochtenen Beschlusses nicht.
Es kann offen bleiben, ob dem Erfolg der Beschwerde bereits entgegensteht, dass der Antragsteller gegen den Bescheid des Hauptzollamtes D. vom 16. April 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides der Bundesfinanzdirektion Mitte vom 1. August 2012 nicht fristgemäß Klage erhoben hat. Ob die vorgenannten Bescheide deshalb bestandskräftig geworden sind, steht noch nicht fest, da der Antragsteller am 17. September 2012 bei dem Verwaltungsgericht Lüneburg Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zugleich die versäumte Klageerhebung nachgeholt hat. Über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat das insoweit gemäß § 60 Abs. 4 VwGO zuständige Verwaltungsgericht noch nicht entschieden.
Es kann auch dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung des Antragstellers einen bestimmten Antrag im Sinne des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO enthält.
Offen bleiben kann schließlich, ob der Antragsteller einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht hat.
Denn die Beschwerde hat jedenfalls deshalb keinen Erfolg, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO nicht glaubhaft gemacht hat. Der von dem Antragsteller geltend gemachte Anspruch, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die ihm ab dem 1. März 2011 zunächst für ein Jahr befristete Teilnahme an der alternierenden Telearbeit auf dem Dienstposten A 1.9 als Abfertigungsbeamter beim Zollamt C. bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache weiter zu gewähren, besteht nicht.
Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Beschluss im Einzelnen und unter Bezugnahme (§ 117 Abs. 5 VwGO analog) auf die erstinstanzliche Antragserwiderung vom 4. Juli 2012 ausgeführt, aus welchen Gründen die behördliche Entscheidung, die Teilnahme an der alternierenden Telearbeit nicht zu verlängern, rechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Annahme des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht den Sachverhalt nicht verkannt; es hat zu Recht auch die behördliche Ermessensentscheidung nicht beanstandet. Der beschließende Senat macht sich gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO die Gründe des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist gemäß § 117 Abs. 5 VwGO analog ergänzend auch auf die Gründe des Widerspruchsbescheides vom 1. August 2012, denen er folgt.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Antragstellers im Beschwerdeverfahren ist das Folgende hervorzuheben bzw. zu ergänzen:
Ein Beamter hat keinen Rechtsanspruch auf Einrichtung eines Telearbeitsplatzes. Es besteht vielmehr nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung. Die Behörden sind zur Einrichtung von Telearbeitsplätzen einzelnen Beamten gegenüber nach pflichtgemäßem Ermessen lediglich im Rahmen ihrer dienstlichen Möglichkeiten verpflichtet. Dies ergibt sich unmissverständlich aus dem Gesetzeswortlaut und der Systematik des § 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGleiG und den diesbezüglichen Gesetzgebungsmaterialien (vgl. dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 31.1.2008 - BVerwG 2 C 31.06 -, juris Rn 22 - 24).
In der erstinstanzlichen Antragserwiderung vom 4. Juli 2012, dem Widerspruchsbescheid vom 1. August 2012 und der Beschwerdeerwiderung vom 11. Oktober 2012 ist ausführlich dargestellt worden, warum der Dienstposten eines Abfertigungsbeamten (Dienstpostenbezeichnung A 1.9), den der Antragsteller inne hat, nicht für eine Teilnahme an der alternierenden Telearbeit geeignet ist. Die in jeder Hinsicht nachvollziehbare Darstellung der Antragsgegnerin, die sich im Rahmen des ihr zustehenden Organisationsermessens hält, zeigt, dass das Begehren des Antragstellers, insbesondere sein Ansinnen, ihm ein Einzelbüro ohne Publikumsverkehr zuzuweisen, den Rahmen der dienstlichen Möglichkeiten der Antragsgegnerin übersteigt. Es sind keine Anhaltpunkte dafür ersichtlich, dass die Antragsgegnerin in Überschreitung der rechtlichen Grenzen ihres Ermessens dem Antragsteller einen alternierenden Telearbeitsplatz aus sachlich nicht mehr vertretbaren, willkürlichen Gründen verweigert.
Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Ansicht des Antragstellers zu Recht auch angenommen, dass die Erwägung der Antragsgegnerin, der Antragsteller sei an seinem Telearbeitsplatz nicht ausgelastet gewesen, rechtlich nicht zu beanstanden ist. In der erstinstanzlichen Antragserwiderung vom 4. Juli 2012 und dem Widerspruchsbescheid vom 1. August 2012 ist anschaulich sowie nachvollziehbar und unter Vorlage von Dokumenten dargestellt worden, in welchem Umfang die Arbeitsanfälle, die für eine Erledigung an einem heimatlichen Telearbeitsplatz geeignet sind, seit März 2011 zurückgegangen sind.
Soweit sich der Antragsteller gegen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Frage der Kinderbetreuung (S. 4, 2. Absatz BA) wendet, ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei um ergänzende Erwägungen handelt, die den Beschluss nicht allein tragen. Denn das Verwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung in erster Linie und - wie ausgeführt - zutreffend angenommen, dass der Dienstposten eines Abfertigungsbeamten (Dienstpostenbezeichnung A 1.9), den der Antragsteller inne hat, nicht für eine Teilnahme an der alternierenden Telearbeit geeignet ist (S. 3 f. BA). Abgesehen davon hat das Verwaltungsgericht entgegen der Annahme des Antragstellers aber auch nicht grundsätzliche Zweifel an „der Vereinbarkeit von Aufsicht/Betreuung und Telearbeit“ geäußert. Es hat allerdings in dem hier vorliegenden Einzelfall zu Recht die Frage aufgeworfen, wie der Antragsteller angesichts der im Raum stehenden Präsenzzeiten am Telearbeitsplatz in der Lage sein will, gleichzeitig seinen Dienstpflichten und der Betreuung und Beaufsichtigung seiner Kinder nachzukommen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Der Streitwert ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht auf lediglich 2.500 EUR, sondern auf 5.000 EUR festzusetzen. Eine Halbierung des Auffangwertes in Anlehnung an Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der am 7./.8. Juli 2004 beschlossenen Änderungen - Streitwertkatalog 2004 - (veröffentlicht u. a. in DVBl 2004, 1525) kommt nach der ständigen Festsetzungspraxis des Senats nicht in Betracht, weil der Auffangwert unabhängig von der Verfahrensart gesetzlich festgelegt ist und mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zudem eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden war (vgl. zur Festsetzung des Auffangwertes in einem ähnlich gelagerten Rechtsstreit Nds. OVG, Beschluss vom 12.3.2008 - 5 ME 2/08 -, juris). An dieser Festsetzungspraxis hält der Senat auch in Kenntnis der zu vergleichbaren Fallkonstellationen ergangenen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Münster (Beschluss vom 12.12.2006 - 1 B 1537/06 -, juris) und des Verwaltungsgerichtshofs München (Urteil vom 9.2.2012 - 6 B 11.417 -, juris) fest. Dementsprechend war der Streitwert für das erstinstanzliche Verfahren entsprechend zu ändern (vgl. § 63 Abs. 3 GKG).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).