Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 29.03.2021, Az.: 3 B 3/21

Abgaben, öffentliche; Gebühr, Feuerwehr

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
29.03.2021
Aktenzeichen
3 B 3/21
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2021, 70845
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Die Gebühren für Einsätze der Feuerwehr auf der Grundalge von § 29 Abs. 3 NBrandSchG werden als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrich-tung erhoben und sind damit Benutzungsgebühren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG. Gebühren für Leistungen der Feuerwehr sind damit öffentliche Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO

Gründe

Der Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (gerichtliches Az. 3 A 98/21) gegen den Gebührenbescheid der Beklagten vom 19. Januar 2021 wegen des Einsatzes der Feuerwehr A-Stadt am 14. August 2020 anzuordnen, hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist unzulässig.

Bei den durch Bescheid vom 19. Januar 2021 festgesetzten Gebühren in Höhe von insgesamt 568,25 EUR wegen des Einsatzes der Feuerwehr A-Stadt am 14. August 2020 handelt es sich um die Anforderung von öffentlichen Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Öffentliche Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO sind neben Steuern, Beiträgen und Gebühren auch sonstige Abgaben, die eine Finanzierungsfunktion erfüllen. Das ist der Fall, wenn der Hoheitsträger sich mit ihrer Hilfe eine Einnahmequelle erschließt, die es ihm ermöglicht, seine eigenen Ausgaben voll oder jedenfalls teilweise zu decken (BVerwG, Urt. v. 17.12.1992 - 4 C 30.90 -, juris Rn. 17; Nds. OVG, Beschl. v. 26.3.2014 - 13 ME 21/14 -, juris Rn. 8 und v. 20.1.2009 - 4 ME 3/09 -, juris Rn. 5). Die Beklagte stützt ihre Kostenforderung auf § 1 Abs. 2 der Satzung der Hansestadt A-Stadt über die Erhebung von Gebühren für Dienst- und Sachleistungen der Feuerwehr A-Stadt außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben (Feuerwehrgebührensatzung – FwGebS) vom 19. September 2018 (Amtsblatt für den Landkreis A-Stadt Nr. 17, S. 444 ff.). Gemäß § 1 Abs. 2 FwGebS werden für Einsätze und Leistungen der Feuerwehr der Hansestadt A-Stadt außerhalb der unentgeltlich zu erfüllenden Pflichtaufgaben Gebühren nach § 29 Absatz 2 und Absatz 3 NBrandSchG nach Maßgabe dieser Satzung in Verbindung mit dem NKAG nach Maßgabe des als Anlage zu dieser Satzung erlassenen Gebührentarifs erhoben. Nach § 29 Abs. 2 Satz 1 NBrandSchG können die Kommunen von den nach Absatz 4 Verpflichteten Gebühren und Auslagen nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz für die in § 29 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 bis 7 NBrandSchG genannten Einsätze und sonstigen Leistungen erheben. Die hier geltend gemachten Gebühren für den Einsatz der Feuerwehr zur Hilfeleistung werden danach „nach dem Niedersächsischen Kommunalabgabengesetz“ erhoben. Mit der durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Niedersächsischen Katastrophenschutzgesetzes vom 21. September 2017 (Nds. GVBl. S. 297) erfolgten Änderung des § 29 Abs. 2 NBrandSchG finden die Begriffe „Kosten“, „Kostenerstattung“ und „Erstattung von Kosten“ in dieser Vorschrift keine Verwendung mehr. Die Gebühren für Einsätze der Feuerwehr werden nach dem Niedersächsischen Landesrecht damit als Gegenleistung für die Inanspruchnahme einer öffentlichen Einrichtung erhoben und sind damit Benutzungsgebühren im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 NKAG (VG Lüneburg, Beschl. v. 11.5.2016 - 5 B 73/16 -, V. n. b.; a. A. Scholz/Runge, NBrandSchG, 9. Aufl., § 29 Rn. 9). Das Gebührenaufkommen soll die Kosten der jeweiligen Einrichtungen decken (§ 5 Abs. 1 Satz 2 NKAG), so dass die Gebühren für Feuerwehreinsätze eine Finanzierungsfunktion erfüllen. Gebühren für Leistungen der Feuerwehr sind damit öffentliche Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO (VG Lüneburg, Beschl. v. 11.5.2016 - 5 B 73/16 -, V. n. b.; Rosenzweig/Freese/von Waldthausen, NKAG, Stand: Oktober 2020, § 5 Rn. 1179; so auch für Kostenerstattungsansprüche nach dem Hessischen Brand- und Katastrophenschutzgesetz Hess. VGH, Beschl. v. 3.5.2016 - 5 B 603/16 -, juris Rn. 3; a. A. für das jeweilige Landesrecht Thüringisches OVG, Beschl. v. 14.2.2008 - 3 EO 838/07 -, juris Rn. 3 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 12.2.2014 - 7 B 11346/13 -, juris Rn. 5 ff. ; Bayerischer VGH, Beschl. v. 18.8.2011 - 4 CS 11.504 -, juris Rn. 7 ff.; offengelassen für das niedersächsische Landesrecht vom Nds. OVG, Beschl. v. 6.7.2018 - 11 ME 191/18 -, V. n. b.).

Nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in den Fällen der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde zuvor einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder teilweise abgelehnt hat. Nach § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO gilt das nicht, wenn die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat (Nr. 1) oder eine Vollstreckung droht (Nr. 2). Die in § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO getroffene Regelung begründet eine Zugangsvoraussetzung, die bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht gegeben sein muss und im Verlaufe eines Eilverfahrens nicht nachgeholt werden kann. Einem Antragsteller steht aber die Möglichkeit offen, gegebenenfalls später ein weiteres gerichtliches Verfahren zur Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes durchzuführen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 9.7.2009 - 4 ME 163/09 -, juris Rn. 3 ff.; Beschl. v. 30.1.2008 - 1 ME 270/07 -, juris Rn. 4; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 25.6.2004 - 1 M 127/04 -, juris Rn. 15).

Die Zugangsvoraussetzung nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO ist hier nicht erfüllt, weil die Antragsteller den Aussetzungsantrag bei der Antragsgegnerin zeitgleich mit dem Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht gestellt haben und eine Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Beantragung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht nicht vorgelegen hat. Da zum Zeitpunkt der Beantragung des vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht die Antragsgegnerin auch nicht ohne zureichenden Grund in angemessener Frist noch nicht über den zeitgleich gestellten Aussetzungsantrag entschieden hatte, ist das Erfordernis einer Ablehnung des Aussetzungsantrags bei der Behörde nicht gemäß § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 VwGO entbehrlich. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ist auch nicht trotz des Fehlens der Ablehnung eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung durch die Antragsgegnerin nach § 80 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 VwGO ausnahmsweise zulässig, weil eine Vollstreckung droht. Eine Vollstreckung droht im Sinne dieser Vorschrift erst dann, wenn der Beginn konkreter Vollstreckungsmaßnahmen von der Behörde für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt worden ist, konkrete Vorbereitungen der Behörde für eine alsbaldige Vollstreckung getroffen worden sind oder die Vollstreckung bereits begonnen hat (Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 9.7.2009 - 4 ME 163/09 -, juris Rn. 5 m. w. N.). Für ein solches Drohen einer Vollstreckung fehlen hier jegliche Anhaltspunkte.

Die in § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO getroffene Regelung begründet - wie bereits ausgeführt - eine Zugangsvoraussetzung, die bereits im Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht gegeben sein muss und im Verlaufe des Eilverfahrens nicht nachgeholt werden kann. Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes kann in diesem Verfahren daher auch nicht mit Erfolg dahingehend umgestellt werden, dass die aufschiebende Wirkung für den Fall angeordnet wird, dass die Antragsgegnerin den zeitgleich mit dem Antrag bei Gericht bei ihr gestellten Aussetzungsantrag ablehnt oder nicht in angemessener Frist entscheidet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz, orientiert sich an Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11) und beträgt ein Viertel des geforderten Betrags.