Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.10.2004, Az.: 10 Sa 679/04
Austauschbarkeit; Darlegung; Darlegungs- und Beweislast; Einarbeitung; Einarbeitungszeit; Qualifikation; Sozialauswahl; Spezialisierung; Spezialkenntnisse; Vergleichbarkeit
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.10.2004
- Aktenzeichen
- 10 Sa 679/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50919
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG - 01.03.2004 - AZ: 2 Ca 527/03
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs 3 KSchG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. In die Sozialauswahl sind nur die vergleichbaren Arbeitnehmer einzubeziehen. Vergleichbar sind nur die Arbeitnehmer, die nach ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und dem Inhalt ihrer Arbeitsverträge austauschbar sind.
2. Macht der Arbeitnehmer geltend, es sei mit einem anderen Arbeitnehmer vergleichbar, muss er darlegen, welche Qualifikationsforderungen für dessen Tätigkeit erforderlich sind und wann und wie er diese zur Ausfüllung des von ihm angestrebten Arbeitsplatzes erforderlichen Fähigkeiten erworben hat. Soweit er von einer Einarbeitungszeit ausgeht, hat er die von ihm angenommene Dauer anzugeben und zu begründen.
3. Bedarf der Arbeitnehmer einer kurzen Einarbeitungszeit, steht dies der Vergleichbarkeit nicht entgegen. Gefordert ist jedoch alsbaldige Substituierbarkeit. Muss der Arbeitnehmer nicht nur Routinevorsprünge des eingearbeiteten Arbeitnehmers aufholen, sondern erst die für diesen Arbeitsplatz erforderlichen Spezialkenntnisse erwerben, liegt keine Vergleichbarkeit mehr vor. Betriebliche Spezialisierung steht genauso wie ein aktueller Kenntnisstand der Austauschbarkeit entgegen. Benötigt der betroffene Arbeitnehmer eine Einarbeitungszeit, die der eines neu eingestellten Arbeitnehmers oder dessen Probezeit entspricht, scheidet Vergleichbarkeit aus (im Anschluss an BAG, 18.03.1999, 8 AZR 190/98, AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl.
Tenor:
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 01.03.2004 - 2 Ca 527/03 - wird kostenpflichtig nach einem Wert von 11.066,94 € zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Der Kläger macht ausschließlich die Unwirksamkeit der von der Beklagten getroffenen Sozialauswahl geltend.
Der 1959 geborene Kläger ist seit dem 01.04.1986 bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, die mit mehr als 1.000 Mitarbeitern Steckverbinder und Komponenten für die Automobil- und Hausgeräteindustrie sowie Maschinen und Werkzeuge für die Montage von Steckverbindern und Kabelsätzen herstellt, in deren Werk in B... beschäftigt. Er ist gelernter Universalschleifer und Industriemeister der Fachrichtung Metall. Er war zunächst als Schichtführer, seit 1989 als Meister eingesetzt, zuletzt als Leiter der Fertigungsdurchführung im Bereich mechanische Bearbeitung/Werkzeugbau/Stanzwerkzeuge. Er erhielt eine Vergütung der Vergütungsgruppe M 3 nach dem Lohngruppenrahmentarifvertrag für die Metallindustrie Osnabrück Emsland (LGRTV) von zuletzt 3.688,98 €.
Die Beklagte löste die Abteilung mechanische Bearbeitung/Werkzeugbau/ Stanzwerkzeuge am Standort B... auf und zentralisierte die mechanische Bearbeitung für die Bauteil-/Ersatzteilanfertigung für Stanzwerkzeuge an ihrem Hauptsitz in W... Dadurch entfiel das Beschäftigungsbedürfnis für den Kläger. Seine Weiterbeschäftigung auf einem freien Arbeitsplatz war nicht möglich.
Die Beklagte bezog in die Sozialauswahl (vorsorglich) den Leiter der Fertigungsdurchführung der mechanischen Bearbeitung des Geschäftsbereichs Werkzeugbau/Formwerkzeuge, den Arbeitnehmer P..., ein, der unstreitig sozial schutzwürdiger als der Kläger ist. Die Arbeitnehmer, die die übrigen Meisterpositionen besetzten, sah sie wegen des erheblichen Spezialisierungsgrades in den Bereichen, in denen diese Meister eingesetzt waren, als nicht vergleichbar an. Auf die Ausführungen der Beklagten unter III 1 der Betriebsratsanhörung vom 15.10.2003 (Bl. 37 d. A.) wird Bezug genommen.
Der Kläger macht geltend, er sei mit dem Arbeitnehmer B... vergleichbar. Dieser ist sozial stärker als der Kläger. Er ist Meister des Werkzeugmechanikerhandwerks und seit 1988 bei der Beklagten beschäftigt. Er war während der gesamten Zeit seiner Beschäftigung im Werk B... im Bereich der Spritzgießtechnik eingesetzt, zunächst als Stahlformenbauer für Formenbau, seit 1989 als Vorarbeiter, seit 1993 als Meister und zuletzt als Leiter der Abteilung Formenbau/Spritzgießtechnik im Werk B……. Er ist in die Vergütungsgruppe M 4 des LGRTV eingruppiert. Sowohl im Zuständigkeitsbereich des Klägers als auch in dem des Arbeitnehmers B... wird das EDV-Programm SAP R/3 eingesetzt. Der Arbeitnehmer B... ist für die Betreuung, Wartung, Reparatur und Optimierung von rund 360 unterschiedlichen Spritzgießwerkzeugen verantwortlich, von denen ca. 150 ständig im Einsatz sind. Er ist ferner für die Gestaltung, Wartung und Instandhaltung der Entnahme- und Greifertechnik zuständig. Entnahmegreifer sind spezielle Vorrichtungen, die für fast jedes in der Abteilung Formenbau/ Spritzgießtechnik eingesetzte Werkzeug speziell angefertigt sind und nach Beendigung des Spritzvorgangs das gespritzte Teil greifen, ohne es zu verschmutzen oder zu verformen, und an eine Ablagestation bringen. Er ist ferner verantwortlich für die Bestückungsautomatik, also die Zuführung von umzuspritzenden Teilen in den Spritzvorgang. Ferner ist er zuständig für die Fehleranalyse bei Produktionsfehlern. Er muss dabei aufgrund einer Untersuchung des Werkzeugs und des fehlerhaften Artikels die Fehlerursachen finden. Dafür benötigt er eine weitreichende Erfahrung, um Einflussgrößen wie fehlerhaften Materialeinsatz, falsches Material, falsche Trocknung, zu lange Verweilzeit in der Maschine, Unverträglichkeit des verwendeten Kunststoffs mit dem Heißkanalsystem, eine fehlerhafte Bestückungsautomatik, fehlerhafte Kühlung, fehlerhafte Heißkanaltechnik, falschen Maschineneinsatz, Veränderung der Spritzparameter oder fehlerhafte Düsenkonstellationen als Fehlerursachen zu ermitteln oder auszuschließen. Schließlich ist er auch für die Werkzeugoptimierung zuständig, durch die extern zugekaufte Werkzeuge auf Serienstandard gebracht und bereits in Serie laufende Werkzeuge auf Fehleranfälligkeit analysiert werden, um in Zusammenarbeit mit der Werkzeugkonstruktion, dem Produktionsbereich und teilweise mit den Anwendungstechnikern der Maschinenhersteller Lösungen für einen fehlerfreien Einsatz im Bereich der Beklagten zu entwickeln. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers B... steht unter erheblichem Termindruck, um Produktionsstillstände zu vermeiden.
Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers lag auf der Organisation und Sicherstellung der Fertigung innerhalb der von ihm betreuten Abteilung mechanische Bearbeitung/Werkzeugbau/Stanzwerkzeuge. Er hatte insbesondere einzelne Bau-/Ersatzteile für Stanzwerkzeuge und in geringem Maß auch für Kunststoffwerkzeuge herzustellen. Es handelte sich dabei um häufig wiederkehrende, in der Regel planbare und durch entsprechende Zeichnungen und Konstruktionsunterlagen weitgehend vorgegebene Aufgaben. Erforderlich war in erster Linie die termingerechte Fertigung, die richtige Koordination der notwendigen Bearbeitungsschritte und das Zurverfügungstellen benötigter Ressourcen. Soweit der Kläger für die Anfertigung von Bauteilen für Neuwerkzeuge verantwortlich zeichnete, war der Rahmen dafür durch entsprechende Konstruktions- und Zeichnungsunterlagen relativ eng vorgegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten der Tätigkeiten des Klägers und des Arbeitnehmers B... wird auf Seiten 2 bis 5 der Berufungserwiderung (Bl. 98 bis 101 d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 17.10.2003 das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30.04.2004. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner am 23.10.2003 erhobenen Kündigungsschutzklage.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 01.03.2004, das dem Kläger am 24.03. 2004 zugestellt worden ist, die Klage abgewiesen. Dieses greift der Kläger mit seiner am 22.04.2004 eingelegten und am 04.05.2004 begründeten Berufung an.
Der Kläger macht geltend, er sei mit dem Arbeitnehmer B... vergleichbar. Dieser sei genau wie der Kläger Meister und zuständig für die Personaleinsatzplanung einschließlich der Termin- und Kosteneinhaltung. Das eingesetzte EDV-Programm in beiden Abteilungen sei identisch, ebenso die Arbeits- und Sicherheitsvorschriften und Unterweisung der Mitarbeiter. Es bestehe eine vollkommene Vergleichbarkeit der Tätigkeiten, wobei der Kläger für die Bauteilanfertigung, der Mitarbeiter B... für die Anwendung und Gewährleistung des Qualitätsstandards der Werkzeuge zuständig sei. Soweit der Arbeitnehmer B... spezielle Kenntnisse in der Spritzgusstechnik erworben habe, habe der Kläger adäquate Kenntnisse. Seine Kenntnisse und Fähigkeiten seien mit denen des Arbeitnehmers B... hinsichtlich Montage, Einbau und Inbetriebnahme von Spritzgießwerkzeugen vollständig vergleichbar. Sofern Kenntnisse des zu verarbeitenden Kunststoffes und der jeweiligen Einstellung der Spritzmaschinen maßgeblich seien, handele es sich um rein empirische Daten, die der Kläger sich problemlos aneignen könne. Er habe 17 Jahre für die Abteilung Kunststoffformengebung gearbeitet. Die Werkoptimierung und die Fehleranalyse seien für den Kläger exemplarisch geeignete Aufgabenstellungen. Er könne ebenso wie der Arbeitnehmer B... Fehlerursachen beiseitigen, unter erheblichem Termindruck arbeiten und sich mit anderen Bereichen abstimmen. Er sei nach kurzer Zeit der Einarbeitung in der Lage, das Fachwissen anzuwenden, das erforderlich sei, um das Aufgabengebiet des Arbeitnehmers B... auszufüllen. Die Länge dieses Einarbeitungszeitraums hat der Kläger mit einer Woche (Seite 2 der Berufungsbegründung = Bl. 87 d. A.), zwei bis drei Wochen (Seite 3 des Schriftsatzes vom 01.07.2004 = Bl. 109 d. A.) bzw. einem Monat (Seite 2 des Schriftsatzes vom 01.03.2004 = Bl. 63 d. A.) angegeben.
Der Kläger verweist unter Beifügung der Seite 4 (Bl. 64 d. A.) einer Unterlage der Beklagten darauf, dass "im Sozialplan 1999" der Kläger und der Arbeitnehmer B... als vergleichbar angesehen worden seien. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht vom 08.10.2004 ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass nach Auffassung der Kammer dieser Auszug seinen Vortrag nicht stützt. Der Kläger hat nicht ergänzend vortragen können und Schriftsatznachlass beantragt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Osnabrück vom 01.03.2004 - 2 Ca 527/03 - abzuändern und festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2003 nicht zum 30.04.2004 beendet worden ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte macht geltend, dass allein der Arbeitnehmer B... über die für die Erfüllung der Aufgaben als Leiter der Abteilung Formenbau/Spritzgusstechnik erforderliche langjährige Erfahrung im Kunststoffformenbau und über umfassende Kenntnisse des Produktionsverfahrens Spritzgießens verfüge. Allein mit den auch bei dem Kläger unstreitig vorhandenen disziplinarischen/organisatorischen Führungserfahrungen könne diese Tätigkeit nicht ausgeübt werden. Der Kläger habe lediglich Kenntnis in der Anfertigung einzelner Bauteile für Spritzgießwerkzeuge, die mit denen eines Formenbauers, wie sie für die Montage, den Einbau und die Inbetriebnahme eines kompletten Spritzgießwerkzeuges erforderlich seien, nicht vergleichbar seien. Erforderlich seien nicht lediglich Kenntnisse über die konstruktive Auslegung des Werkzeuges, sondern umfangreiche Kenntnisse über die zu verarbeitenden Kunststoffe. Insgesamt stelle die Tätigkeit des Arbeitnehmers Baumann höhere Anforderungen als die des Klägers. Die Beklagte hält eine Einarbeitungszeit von 5 Jahren für erforderlich. Sie verweist insoweit darauf, dass seit einigen Jahren getrennte Ausbildungen zum Werkzeugmechaniker Fachrichtung Stanz- und Umformtechnik bzw. Fachrichtung Formentechnik bestehen. Damit habe man den unterschiedlichen Aufgabengebieten nunmehr Rechnung getragen. Könne man die Kenntnisse der jeweils anderen Fachrichtung innerhalb einer Woche erlernen, so seien nicht zwei unterschiedliche Ausbildungsberufe erforderlich.
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und somit zulässig (§§ 64, 66 ArbGG, 519, 520 Abs. 3 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet. Die Kündigung der Beklagten vom 17.10.2003 ist wirksam. Das Bedürfnis zur Beschäftigung des Klägers ist aufgrund dringender betrieblicher Erfordernisse entfallen (§ 1 Abs. 2 KSchG). Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Beklagte soziale Kriterien nicht ausreichend berücksichtigt hat (§ 1 Abs. 3 KSchG).
1. Die Sozialauswahl hat die Aufgabe, das dringende betriebliche Erfordernis personell zu konkretisieren. Zu prüfen ist, welchem Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitgeber das ihm aus betrieblichen Gründen zustehende Kündigungsrecht konkret ausüben darf (vgl. BAG, 17.09.1998, 2 AZR 725/97, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 2 c der Gründe>). Die Sozialauswahl soll also bei der Festlegung der konkret von den betrieblichen Erfordernissen betroffenen Arbeitnehmer Gerechtigkeit beim Arbeitsplatzverlust wahren (vgl. ErfK/Ascheid, 4. Aufl., 2004, § 1 KSchG, Rz. 463). Der Arbeitgeber muss daher in die Sozialauswahl nur die Arbeitnehmer einbeziehen, die vergleichbar sind. Das sind die Arbeitnehmer, die austauschbar sind, was sich in erster Linie nach der ausgeübten Tätigkeit bestimmt. Austauschbarkeit ist nicht nur bei völliger Identität der Arbeitsplätze, sondern bereits dann zu bejahen, wenn der Beschäftigte aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb und angesichts seiner beruflichen Qualifikation dazu in der Lage ist, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit eines anderen Arbeitnehmers zu verrichten. An der Vergleichbarkeit fehlt es jedoch, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer aufgrund des Vertragsinhaltes nicht durch Ausübung des Direktionsrechts einseitig auf einen anderen Arbeitsplatz um- oder versetzen kann (vgl. BAG, a.a.O. <II 2 a der Gründe>). Vergleichbar sind also die Arbeitnehmer, die nach ihren Fähigkeiten, Kenntnissen und dem Inhalt ihrer Arbeitsverträge austauschbar sind. Erforderlich ist demnach, dass der unmittelbar von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer den Arbeitsplatz eines anderen Arbeitnehmers übernehmen kann, ohne dass der Arbeitgeber dafür eine Änderungskündigung aussprechen muss.
2. Die bisher vom Kläger verrichteten Tätigkeiten als Leiter der Abteilung mechanische Bearbeitung/Werkzeug/Stanzwerkzeuge und die Aufgaben des Arbeitnehmers B... als Leiter der Abteilung Formenbau/Spritzgießtechnik beschränken sich nicht nur auf die Personaleinsatzplanung, die Anwendung der EDV-Software SAP R/3 und die Wahrnehmung disziplinarischer und organisatorischer Führungsaufgaben. Vielmehr erfordern sie unstreitig zusätzliche Spezialkenntnisse hinsichtlich der in der jeweiligen Abteilung verwendeten Werkstoffe und dort anfallenden Aufgabenstellungen. Insoweit unterscheiden sich die Aufgaben des Klägers und die des Arbeitnehmers B... sowohl vom Tätigkeitsfeld als auch vom gestellten Anforderungsprofil her erheblich. In der Abteilung Spritzgießtechnik wird eine Vielzahl unterschiedlicher, jeweils hoch spezialisierter Werkzeuge eingesetzt, über die der Leiter dieser Abteilung detaillierte Kenntnis haben muss, um sie optimal einsetzen und warten lassen sowie ihre stetige Verbesserung überwachen zu können. Insbesondere für letzteres und für die von ihm ebenfalls verlangte Fehleranalyse bei aufgetretenen Problemen sind eingehende Kenntnisse der jeweils verarbeiteten Kunststoffe und der eingesetzten Maschinen und Werkzeuge erforderlich. Demgegenüber erforderte die bisher vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Leiter der Abteilung Werkzeugbau/Stanzwerkzeuge insbesondere detaillierte Kenntnisse der dort angefertigten Bau- und Ersatzteile für Werkzeuge. Überwiegend handelte es sich dabei um Stanzwerkzeuge, nur in geringem Umfang auch um die Bauteile einzelner Kunststoffwerkzeuge, darunter auch von Spritzgießwerkzeugen. Aufgabe des Klägers war dabei die termingerechte Fertigstellung und die Koordination der zur Herstellung dieser Teile nach vorgegebenen Konstruktionszeichnungen notwendigen Bearbeitungsschritte.
Der Kläger hat also die erforderlichen detaillierten Kenntnisse der Einsatzmöglichkeiten und -beschränkungen des gesamten Bestandes der in der Abteilung Formenbau/Spritzgießtechnik eingesetzten Spritzgießwerkzeuge nicht. Er kennt allenfalls einige Bauteile einzelner dort eingesetzter Werkzeuge. Ihm fehlt weiter die erforderliche Kenntnis der dort verwendeten Werkstoffe. Somit ist auch nicht ersichtlich, inwieweit der Kläger bei aufgetretenen Problemen die vom Leiter dieser Abteilung zu leistende Fehleranalyse, die selbständiges Arbeiten ohne Zugrundelegen der Konstruktionszeichnungen verlangt, erbringen will.
3. Angesichts dieser Unterschiede zwischen der von ihm zuletzt ausgeübten und der Tätigkeit des Arbeitnehmers B... hätte der Kläger deshalb im Einzelnen darlegen müssen, dass er ungeachtet der aufgezeigten Unterschiede die Tätigkeit des Arbeitnehmers B... nach allenfalls kurzer Einarbeitungszeit ausüben kann. Dieser Darlegungslast hat der Kläger nicht genügt.
a) Nach § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG obliegt die Darlegungs- und objektive Beweislast für die Tatsachen, aus denen sich die Unrichtigkeit der Sozialauswahl ergibt, zunächst dem Arbeitnehmer. Rügt er, dass der Arbeitgeber die Sozialauswahl nicht auf aus seiner Sicht vergleichbare Arbeitnehmer erstreckt hat, hat daher der Arbeitnehmer zu begründen, warum er mit diesen Arbeitnehmern vergleichbar ist. Die bloße Behauptung, eine Vergleichbarkeit sei gegeben, reicht dafür nicht aus. Soweit es ihm möglich ist, hat er darzulegen, welche Qualifikationsanforderungen bei der Ausübung der Tätigkeit, für die er sich geeignet hält, gefordert sind und wann und wie er diese zur Ausfüllung des von ihm angestrebten Arbeitsplatzes benötigten Fertigkeiten erworben hat. Soweit er von einer gewissen Einarbeitungszeit ausgeht, hat er die von ihm angenommene Dauer anzugeben und zu begründen. Erst wenn der Arbeitnehmer durch diesen Vortrag seiner Darlegungslast genügt hat, muss der Arbeitgeber konkret darlegen, welche Qualifikationsanforderungen er an die als nicht vergleichbar angesehenen Arbeitnehmer stellt und in welcher Zeit Arbeitnehmer diese geforderte Qualifikation erwerben können (vgl. BAG, 05.12.2002, 2 AZR 697/01, AP Nr. 60 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <B III 3 a bb der Gründe>).
b) Diesen Anforderungen hat der Kläger nicht genügt. Der Kläger hat sich darauf beschränkt, schlagwortartig vorzutragen, er habe "adäquate" Kenntnisse, eine Vergleichbarkeit sei "exemplarisch" gegeben, seine Kenntnisse und Fähigkeiten seien denen des Arbeitnehmers B... "völlig vergleichbar", Kenntnisse des zu verarbeitenden Kunststoffes und der Spritzmaschinen könne er sich "problemlos" aneignen.
aa) Der Kläger hat damit nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, inwieweit er bereits die Fertigkeiten besitzt, den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers B... auszufüllen.
bb) Der Kläger hat auch nicht dargelegt, inwieweit er das für die Tätigkeit des Arbeitnehmers B... erforderliche Wissen aufgrund seiner bereits vorhandenen Vorkenntnisse in kurzer Zeit erwerben kann.
Vergleichbar sind, wie ausgeführt, nur solche Arbeitnehmer, die austauschbar sind. Das setzt voraus, dass der unmittelbar von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer die Tätigkeit eines anderen Arbeitnehmers nach einer allenfalls kurzen Einarbeitungszeit ausüben kann. Aus der Funktion der Sozialauswahl, lediglich festzulegen, welchem von den betrieblichen Erfordernissen betroffene Arbeitnehmer konkret gekündigt werden muss (vgl. BAG, AP Nr. 36 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 2 c der Gründe>), und dabei Gerechtigkeit zu wahren (vgl. ErfK/Ascheid, 4. Aufl., 2004, § 1 KSchG, Rz. 463), ergibt sich, dass Vergleichbarkeit nur besteht, wenn der Arbeitnehmer alsbald auf dem Arbeitsplatz eines anderen Arbeitnehmers eingesetzt werden kann, also alsbaldige Substituierbarkeit vorliegt. Das ist nur der Fall, wenn der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer in kurzer Zeit den Routinevorsprung, den der auf diesem Arbeitsplatz eingearbeitete Arbeitnehmer besitzt, aufholen kann, nicht dagegen, wenn der Arbeitnehmer erst nicht vorhandene Spezialkenntnisse erwerben muss. Betriebliche Spezialisierung und aktuelles Wissen schließen Vergleichbarkeit aus (vgl. BAG, 05.05.1994, 2 AZR 917/93, AP Nr. 23 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <II 3 c der Gründe>). Entgegen einer verbreitet in der Literatur vertretenen Auffassung (Nachweise bei APS-Kiel, 2. Aufl., 2004, § 1 KSchG, Rz. 675) scheidet also Vergleichbarkeit bereits dann aus, wenn der von der Kündigung betroffene Arbeitnehmer eine Einarbeitungszeit benötigt, die der eines neu eingestellten Arbeitnehmers oder dessen Probezeit entspricht. Eine derart lange Einarbeitungszeit muss der Arbeitgeber nur hinnehmen, wenn die Möglichkeit besteht, den vom Wegfall des Beschäftigungsbedarfs betroffenen Arbeitnehmer auf einem freien Arbeitsplatz zu geänderten Bedingungen weiterzubeschäftigen, weil in diesem Fall ohnehin eine Beeinträchtigung des Betriebsablaufs durch eine erhebliche Einarbeitungszeit eintritt (vgl. BAG, 18.03.1999, 8 AZR 190/98, AP Nr. 41 zu § 1 KSchG 1969 - Soziale Auswahl <B II 2 d der Gründe>).
Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der Arbeitnehmer B... nur Routinevorsprünge besitzt, die der Kläger innerhalb kurzer Zeit aufholen könnte. Vielmehr besitzt der Arbeitnehmer B... aktuelle und umfangreiche für den Einsatz, die Wartung, Optimierung und das Ausschalten von Fehlerquellen von Spritzgießwerkzeugen benötigte Spezialkenntnisse, die der Kläger erst erwerben müsste. Der Kläger hat nicht hinreichend konkret dargelegt, aufgrund welcher Vorkenntnisse er diese Spezialkenntnisse alsbald erwerben könnte. Der bloße unsubstantiierte Hinweis auf eine Zusammenarbeit mit dem Arbeitnehmer B... und eine 17-jährige Tätigkeit in der Abteilung Kunststoffformgebung reicht im Hinblick auf die aktuell geforderten Spezialkenntnisse des Arbeitnehmers B... zur Darlegung der Vergleichbarkeit des Klägers und des Arbeitnehmers B... nicht aus.
Dem Kläger wäre es auch ohne weiteres möglich gewesen, konkret darzulegen, aufgrund welcher Kenntnisse er in welcher Zeit warum den Arbeitsplatz des Arbeitnehmers B... ausfüllen kann. Wenn er behauptet, er sei mit dem Arbeitnehmer B... vergleichbar, muss er dessen Tätigkeit im Einzelnen kennen, um einschätzen zu können, ob er dessen Tätigkeiten ausüben kann, und diese Behauptung in den Prozess einzuführen. Dann ist es ihm auch möglich, die dieser Einschätzung zugrunde liegenden Tatsachen aktenkundig zu machen.
cc) Der Kläger hat schließlich seiner Darlegungslast auch nicht durch den Vortrag genügt, die Beklagte habe in einem Sozialplan 1999 den Kläger und den Arbeitnehmer B... als vergleichbar angesehen. Diese Behauptung wird durch den vom Kläger mit Schriftsatz vom 01.03.2004 eingereichten Auszug aus einer Unterlage der Beklagten (Bl. 64 f. d. A.) nicht gestützt. Dort ist lediglich unter der Überschrift "Vertretungsplan" geregelt, dass im Bereich Service der Kläger durch anwesende Vorarbeiter vertreten wird und der Arbeitnehmer B... im Bereich Spritzen keine Vertreter hat. Inwieweit sich daraus eine Vergleichbarkeit des Arbeitnehmers B... und des Klägers ergeben soll, ist nicht nachvollziehbar. Darauf ist der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen vom 08.10.2004 hingewiesen worden. Eine Konkretisierung dieses Vortrages oder Erläuterung erfolgte nicht. Der vom Kläger vorsorglich beantragte Schriftsatznachlass, der der Sache nach einen Vertagungsantrag darstellte, war diesem nicht zu gewähren. Die Kammer hat im Termin vom 08.10.2004 darauf hingewiesen, dass der Vortrag des Klägers zu diesem Punkt nicht nachvollziehbar ist. Sie hat damit ihrer Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO genügt. Vom Kläger war zu erwarten, dass er seinen eigenen Vortrag noch im Termin erläutern konnte. Dies entspricht seiner sich aus § 282 Abs. 1 ZPO ergebenden Prozessförderungspflicht.
dd) Der fehlende Sachvortrag des Klägers kann nicht durch das angebotene Sachverständigengutachten zu der Behauptung, der Kläger verfüge über Kenntnisse, die denen des Arbeitnehmers B... adäquat seien, könne sich innerhalb von einem Monat problemlos in dessen Materie einarbeiten und sei in jeder Hinsicht hinsichtlich der ausgeübten Tätigkeit und hinsichtlich seiner Vorkenntnisse mit dem Arbeitnehmer B... vergleichbar, ersetzt werden. Beweisanträge, die nicht dem Beweis der vom Beweisführer vorgetragenen Tatsachen dienen, sondern erst der Beschaffung von Tatsachen, sind unzulässig. Die Substantiierung des Tatsachenvortrags ist Sache der Partei, nicht des Sachverständigen (vgl. LAG Hessen, 09.07.1999, 2 Sa 1720/98, juris). Das Angebot der Einholung eines Sachverständigengutachtens ist in diesen Fällen der Versuch eines verfahrensrechtlich unzulässigen Ausforschungsbeweises (vgl. BAG, 14.08.1985, 4 AZR 21/84, AP Nr. 109 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
5. Die Wertfestsetzung folgt aus § 12 Abs. 7 ArbGG.
Gründe, die Revision zuzulassen (§ 72 Abs. 2 ArbGG), bestanden nicht.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a ArbGG) wird hingewiesen.