Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.01.2004, Az.: 7 Sa 219/03
Wirksamkeit einer verhaltensbedingten Kündigung ; Frage des Vorliegens einer arbeitsvertraglichen Pflichtverletzung bei der Absicht eines Angestellten zur Übernahme seines Arbeitgebers im Wege eines Management Buy-Outs ; Folgen einer heimlichen Vorbereitung der Übernahme des Arbeitgebers im Wege eines Management Buy-Outs; Zulässigkeit der Kündigung eines Personalleiters aus dringenden betrieblichen Erfordernissen; Voraussetzungen für die Einordnung eines Gesamtpersonalleiters für Werke mit mehr als 1000 Beschäftigten als leitenden Angestellten im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.01.2004
- Aktenzeichen
- 7 Sa 219/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 20271
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2004:0108.7SA219.03.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Hameln - 05.12.2002 - AZ: 1 Ca 356/01
Rechtsgrundlagen
- § 14 Abs. 2 KSchG
- § 1 Abs. 2 KSchG
Fundstellen
- AuA 2004, 56 (amtl. Leitsatz)
- AuA 2005, 46-47
- NZA-RR 2004, 524-526 (Volltext mit red. LS)
- schnellbrief 2004, 7
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Absicht eines Angestellten, die A Arbeitgeberin im Wege eines Management Buy-Outs zu übernehmen, stellt keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung dar. Solange die entsprechenden Planungen nicht über den Status der Vorbereitungshandlungen hinausgehen, besteht keine Offenbarungspflicht.
- 2.
Ein Gesamtpersonalleiter für Werke mit mehr als 1000 Beschäftigten ist leitender Angestellter im Sinne von § 14 Abs. 2 KSchG, wenn er zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von einer nicht unerheblichen Zahl von Arbeitnehmern berechtigt war. Das ist nicht der Fall, wenn für eine Einstellung oder Entlassung die Zustimmung des jeweiligen Fachvorgesetzten oder die Abstimmung mit dem Geschäftsführer oder anderen Mitgliedern des Management-Teams erforderlich war.
In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 08.01.2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold und
die ehrenamtlichen Richter Gerking und Bachmann
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Anschlussberufung des Beklagten gegen das Urteil des wird Arbeitsgerichts Hameln vom 05.12.2002, zurückgewiesen. 1 Ca 356/01,
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 05.12.2002, 1 Ca 356/01, teilweise abgeändert.
Der Auflösungsantrag des Beklagten wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 10 % und der Beklagte zu 90 %.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von dem Beklagten . ausgesprochenen fristgerechten Kündigung sowie darüber, ob der Kläger leitender Angestellter im Sinne von 4 14 Abs.2 KSchG ist.
Der am 11.November 1948 geborene, verheiratete und 3 Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war seit dem 01.April 1991 bei der Firma H. H., beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis zugrunde lag der Arbeitsvertrag vom 05.11.1990 (B1.5-8 d.A.). Zuletzt wurde der Kläger beschäftigt als Direktor Personal- und Materialwesen und trug dabei Personalverantwortung für mehr als 1000 Arbeitnehmer in den werken der Fa. H. in Obernkirchen und Germersheim. Der Kläger war Mitglied des aus 6 Personen bestehenden Management-Teams und hatte Gesamtprokura. Zuletzt bezog er eine monatliche Bruttovergütung von 17.200,00 DM, die dreizehnmal gezahlt wird. Ferner erhielt er eine jährliche Tantieme sowie einen Dienstwagen auch zur privaten Nutzung.
Am 29.Mai 2001 beantragte der persönlich haftende Gesellschafter der Firma H. H. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde der Beklagte bestellt. Dieser stellte am 06.JUni 2001 den Kläger, den Produktionsdirektor sowie den Direktor des Finanz- und Rechnungswesens der Insolvenzschuldnerin mit sofortiger Wirkung von der Arbeitsleistung frei. Diesen Mitgliedern des Management-Teams wurde vorgeworfen, hinter dem Rücken der Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten versucht zu haben, das finanziell angeschlagene Unternehmen der Insolvenzschuldnerin in Form eines Management Buy-out zu übernehmen.
Gegen die Freistellung wandte sich der Kläger mit seiner am 25.Juni 2001 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen Klage. Das Arbeitsgericht verurteilte den Beklagten durch rechtskräftiges Teil-Urteil vom 11.09.2001 (B1.97-103 d.A.), den Kläger bis zum 30.11.2001 als Direktor des Personal- und Materialwesens zu beschäftigen.
Am 01.August 2001 wurde über das Vermögen der Fa.H. H das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt (B1.37,38 d.A.).
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 09.08.2001 (B1.73,74 d.A.) zum 30.November 2001. Er führte den Betrieb fort und veräußerte die Vermögenswerte der Insolvenzschuldnerin mit Wirkung zum 01.Januar 2003.
Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 13.Januar 2003 zugestelltes Schlussurteil vom 05.Dezember 2002, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl..324-332 d.A.) festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 09.08.2001 nicht aufgelöst worden ist und das Arbeitsverhältnis auf Antrag des Beklagten zum 30.November 2001 gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 98.168,04 EUR aufgelöst. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt, das Verhalten des Klägers, das der Beklagte zum Anlass genommen habe, den Kläger am 31.Mai 2001 von der Arbeitspflicht freizustellen, mache die Kündigung nicht erforderlich. Es rechtfertige nicht einmal die Suspendierung, was im Teilurteil vom 11.09.2001 begründet worden sei.
Die Kündigung sei auch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt. Auch wenn der Beklagte die Unternehmensleitung neu strukturiert und dabei die Bereiche Beschaffung, Einkauf und Materialwirtschaft zu einem Geschäftsbereich zusammengelegt und die Personalwirtschaft verselbständigt habe, stehe damit nicht fest, dass diese Umstrukturierung der Grund und nicht die Folge der Kündigung gewesen sei. Zudem sei nicht feststellbar, dass dem Kläger nicht die Aufgaben des Bereichsleiters Beschaffung, Einkauf und Materialwirtschaft hätten zugeordnet werden können. Es sei nicht ausreichend dargelegt, dass der Kläger diesen Bereich mangels Kenntnissen und Fähigkeiten nicht hätte leiten können.
Das Arbeitsverhältnis sei auf den Hilfsantrag des Beklagten aufzulösen. Die ausgesprochene Kündigung sei nur wegen Sozialwidrigkeit unwirksam und nicht auch aus einem anderen Grund. Insbesondere habe die Kündigung des Klägers nicht der Zustimmung des Beirats der Kommanditgesellschaft H. H. bedurft. Mit der Insolvenzeröffnung sei das Recht der Insolvenzschuldnerin, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Beklagten übergegangen. Dieses Recht umfasse auch das Recht zur Kündigung der Arbeitsverträge, die mit der Kommanditgesellschaft beständen.
Der Auflösungsantrag habe keiner Begründung bedurft, da der Kläger leitender Angestellter und zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt gewesen sei. Dies sei dem Gericht aus früheren Prozessen bekannt, in denen der Kläger als Gesamtpersonalleiter der Werke in 0. und G. bezeichnet worden sei. Die den Kündigungsschutzklagen zugrunde liegenden Kündigungen seien in ihrer Mehrzahl vom Kläger gemeinsam mit der ihm unterstellten Personalleiterin für das Werk O. unterzeichnet worden. In den Verhandlungen über die Kündigungsschutzklagen habe der Kläger die Entscheidung für die Arbeitgeberin getroffen, ob ein Vergleich geschlossen werde oder nicht. Zweifel an seiner Entscheidungsbefugnis seien dabei niemals in Erscheinung getreten.
Die festzusetzende Abfindung sei in Höhe von 10 Monatseinkommen des Klägers angemessen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers habe 10 Jahre bestanden, weshalb ein Betrag von 12 Monatsverdiensten die gesetzliche Höchstgrenze bilde. Zu berücksichtigen sei auch die lange vertragliche Kündigungsfrist von 12 Monaten zum Jahresende, die auch der wirtschaftlichen Absicherung des Klägers im Falle einer Beendigung seines Arbeitsverhältnisses diene. Auf der anderen Seite sei zu beachten, dass Abfindungen, die im Insolvenzverfahren in einem Sozialplan festgelegt seien, den Betrag von 2,5 Monatsverdiensten nicht übersteigen dürften.
Auch wenn diese Bestimmung nicht unmittelbar für Abfindungen nach §§ 9,10 KSchG gelten, zeige die gesetzliche Vorschrift, dass die gleichmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger im Vordergrund stehe und deshalb keine Bevorzugung der Arbeitnehmer durch hohe Abfindungen stattfinden dürfe. Dieser Gedanke führe dazu, dass trotz der Einkommensverluste des Klägers durch die verkürzte Kündigungsfrist ein Abfindungsbetrag von mehr als 10 Monatsverdiensten nicht angemessen wäre.
Hiergegen richtet sich die am 11.Februar 2003 eingelegte und am 12.März 2003 begründete Berufung des Klägers, während der Beklagte am 14.April 2003 Anschlussberufung eingelegt hat.
Der Kläger behauptet, jede Einstellung und Entlassung sei von der individuellen Zustimmung des jeweiligen für den bestimmten Bereich zuständigen Mitgliedes des Management-Teams abhängig gewesen. Er habe nur mit ausdrücklicher Zustimmung des für den jeweiligen Fachbereichs zuständigen Mitglieds des Management-Teams Einstellungen und Entlassungen vornehmen können. Darüberhinaus habe jede Einstellung oder Entlassung, die vom Management-Team beschlossen worden sei, der ausdrücklichen Zustimmung der Geschäftsführung bedurft. Selbstverständlich sei auch im Management-Team abgestimmt worden, ob und gegebenenfalls zu welchen Konditionen eine einvernehmliche Regelung abgeschlossen werde. Der Kläger sei, soweit es die Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht angehe, insoweit lediglich "Exekutivorgan" gewesen. Bestimmte Eckpunkte für einen Vergleich seien durch die Geschäftsführung nach Abstimmung festgelegt worden. In diesem ihm vorgegebenen, vorbesprochenen und genehmigten Rahmen habe der Kläger Erklärungen abgegeben.
Der Kläger ist weiterhin der Auffassung, die Kündigung sei auch aus anderen Gründen unwirksam. Durch Gesellschafterbeschluss vom 01.09.1981 zu § 4 der Geschäftsordnung sei unter den zustimmungsbedürftigen Maßnahmen geregelt, dass unter anderem die Kündigung von Anstellungsverträgen mit Mitarbeitern über einem bestimmten Jahresverdienst der Zustimmung des Beirates bedürfe. An dieses Zustimmungserfordernis sei auch der Insolvenzverwalter gebunden.
Der Beklagte setze sich mit seinem eigenen Verhalten in Widerspruch. Der Beklagte habe in einem gemeinsamen Gespräch vom 12. Juni 2001 erklärt, er sei zur Weiterbeschäftigung des Klägers bereit, wenn dieser seine "Unschuld" nachweisen würde. Genau dies sei im vorliegenden Verfahren geschehen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Klägers im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 11.03.20D3, 22.05.2003 und 18.12.2003.
Der Kläger verfolgt sein Weiterbeschäftigungsbegehren gegenüber dem Beklagten im Berufungsverfahren nicht weiter und beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 05.12.2002 abzuändern und den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hameln vom 05.12.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen,
hilfsweise
das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aber 21.985,55 EUR brutto nicht übersteigen sollte, aufzulösen.
Der Kläger beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Der Beklagte ist der Auffassung, die ausgesprochene Kündigung sei sozial gerechtfertigt.
Dem Kläger sei der Vorwurf zu machen, dass er Ende Mai 2001, als die Insolvenzschuldnerin sich in einer sehr schwierigen finanziellen Lage befunden habe, heimlich einen nicht freundschaftlichen Management Buy-out geplant und vorbereitet habe. Da der Kläger diese Pläne heimlich verfolgt habe, sei offensichtlich, dass nicht die Ziele des Arbeitgebers, sondern eigene Ziele gefördert werden sollten. Gerade in der Unternehmenskrise sei von leitenden Angestellten, die der Unternehmensführung angehörten, ein hohes Maß an Loyalität zu fordern. Verfolge gerade in dieser Zeit ein Mitarbeiter offenkundig seine eigenen Ziele hinter dem Rücken seines Arbeitgebers, so handele er illoyal und verstoße gegen seine arbeitsvertragliche Treuepflicht.
Der Arbeitsplatz des Klägers sei auch infolge der erfolgten Umstrukturierung weggefallen. Der Beklagte habe nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die unternehmerische Entscheidung getroffen. sowohl den Betrieb der Insolvenzschuldnerin in 0. als auch die Unternehmensleitung selbst neu zu. strukturieren. Diese Umorganisation sei zum 07.August 2001 umgesetzt worden. Die Umstrukturierungsmaßnahme habe ausweislich des Überreichten Organigramms (B1.96 d.A.) sämtliche Unternehmensbereiche betroffen. Der Personalbereich sei unter Leitung der Mitarbeiterin des Klägers Z. vom Bereich Material losgelöst und organisatorisch dem Bereich Finanz- und Rechnungswesen, EDV, Controlling, Recht zugeschlagen. Die Materialwirtschaft sei verselbständigt worden.
Der Kläger sei mangels hinreichender Kenntnisse und Erfahrungen in den Bereichen Beschaffung und Einkauf von vornherein nicht für den Arbeitsplatz eines Leiters des Geschäftsbereichs Beschaffung, Einkauf und Materialwirtschaft in Betracht gekommen. Vielmehr sei die Leitung dem Zeitmanager G. übertragen worden, der über eine langjährige Erfahrung in der Materialwirtschaft der Glasindustrie verfügt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Beklagten im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 14.Anril 2003 und 13.August 2003.
Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 28.08.2003 (B1.432 d.A.). Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf die Sitzungsniederschrift vom 08.01.2004 (B1.462-466 d.A.).
Entscheidungsgründe
Die Berufung des Klägers ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG. Sie ist auch begründet (nachfolgend zu II.).
Die Anschlussberufung des Beklagten ist statthaft, form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit ebenfalls zulässig, § 524 ZPO. Sie ist jedoch nicht begründet (nachfolgend zu 1.).
I.
Das Arbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 09.08.2001 nicht zum 30.November 2001 aufgelöst worden ist.
Die Kündigung ist nicht durch Gründe, die in dem Verhalten des Klägers liegen, bedingt, § 1 Abs.2 KSchG.
Eine verhaltensbedingte Kündigung ist sozial gerechtfertigt, wenn im Verhalten des Arbeitnehmers Umstände vorliegen, die bei verständiger Würdigung in Abwägung der Interessen der Vertragsparteien und des Betriebes die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lassen. Maßgeblich ist dabei nicht der Standpunkt des jeweiligen Arbeitgebers, sondern ein objektiver Maßstab.
Der Beklagte wirft dem Kläger vor, hinter dem Rücken der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten einen nicht freundschaftlichen Management Buy-out geplant und vorbereitet zu haben. Eine konkrete Pflichtverletzung des Klägers kann insofern allerdings nicht festgestellt werden.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht in seinem Teilurteil vom 11.September 2001 bereits darauf hingewiesen, dass allein die mögliche Absicht des Klägers, die Insolvenzschuldnerin im Wege eines Management Buy-outs zu übernehmen, keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten darstellt. Daran ändert sich nichts dadurch, dass dies "heimlich" hinter dem Rücken der Insolvenzschuldnerin und des Beklagten vorbereitet worden sein soll. Eine entsprechende Offenbarungspflicht besteht nämlich so lange nicht, solange mögliche Planungen nicht über den Status der Vorbereitungshandlungen hinausgehen. Erst bei Vorliegen eines konkreten Übernahmekonzeptes durch den Kläger und die beiden anderen Direktoren bestand die Verpflichtung, den Beklagten hierüber zu informieren.
Ein Interessenkonflikt des Klägers kann während dieser Planungsphase nicht festgestellt werden. Dass der Kläger die betrieblichen Interessen der Insolvenzschuldnerin im Auge hatte, ergibt sich auch aus seiner Äußerung vom 01.Juni 2001 gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden. Auf die Frage, auf welcher Seite er stehe, hat der Kläger geantwortet, er habe einen Arbeitsvertrag mit der Insolvenzschuldnerin und werde sich, wenn es sein müsste, gegen die Familie B., die Gesellschafter der Insolvenzschuldnerin, stellen.
Konkrete Vorbereitungshandlungen, die eine andere Wertung rechtfertigen könnten, werden dem Kläger im übrigen von dem Beklagten nicht vorgeworfen. Die umfangreiche erstinstanzliche Sachverhaltsdarstellung bezieht sich im Wesentlichen auf den Kollegen des Klägers Bo., der im Übrigen zwischenzeitlich wieder für die frühere Insolvenzschuldnerin bzw. eine Tochtergesellschaft tätig ist. Die Äußerung des. Klägers vom 01.06.2001 stellt, wie erörtert, keine Pflichtverletzung dar, sondern gibt zutreffend wieder, dass der Kläger ein Arbeitsverhältnis zur Insolvenzschuldnerin und nicht deren Gesellschafter hatte.
Äußerungen des Produktionsleiters F. gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden Seifert am 02.06.2001 über ein geplantes Management Buy-out können dem Kläger nicht ohne weiteres zugerechnet werden. Zudem ist nicht ersichtlich, dass derartige Pläne, soweit sie vorhanden waren, bereits am 02.Juni 2001 so weit fortgeschritten waren, dass eine entsprechende Information des Beklagten als damaligen vorläufigen Insolvenzverwaltete erforderlich war.
II.
Die ausgesprochene Kündigung ist auch nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 12.04.2002, 2 AZR 256/01, AP Nr.120 Zu § 1 KSchG 1969 betriebsbedingte Kündigung) können sich betriebliche Erfordernisse für eine Kündigung im Sinne von § 1 Abs.2 KSchG aus innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einstellung der Produktion oder durch außerbetriebliche Gründe (z.B.Auftragsmangel oder Umsatzrückgang) ergeben. Die betrieblichen Erfordernisse müssen dringend sein und eine Kündigung im Interesse des Betriebes notwendig machen. Die Kündigung muss dabei wegen der betrieblichen Lage unvermeidbar sein.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Beklagte macht mit den vorgetragenen Umstrukturierungsmaßnahmen innerbetriebliche Umstände geltend. Zutreffend ist insoweit, dass durch die erfolgte Umstrukturierung der ursprüngliche Arbeitsplatz des Klägers als Direktor des Personal- und Materialwesens entfallen ist. Dies bedeutet allerdings nicht, dass hierdurch das Bedürfnis an der Tätigkeit des Klägers weggefallen ist. Denn die Arbeiten, die der Kläger bislang im Bereich des Personalwesens und des Materialwesens verrichtet hat, müssen auch künftig im Betrieb der Insolvenzschuldnerin wahrgenommen werden. Zu Recht hat das Arbeitsgericht darauf hingewiesen, dass dem Kläger die Aufgaben des Bereichsleiters Beschaffung, Einkauf und Materialwirtschaft hätten zugeordnet werden können. Weshalb der Kläger nicht über hinreichende Kenntnisse und Erfahrungen diesem Bereich verfügt, wurde auch im erstinstanzlichen Schriftsatz des Beklagten vom 10.09.2001 nicht konkret dargelegt. weitere Ausführungen wären jedoch erforderlich gewesen, da der Kläger in der Vergangenheit dem Bereich Materialwesen vorgestanden hat.
Im übrigen hätte man den Kläger auch mit der Leitung der Personalabteilung betrauen können.
Andere Kündigungsgründe sind nicht vorgetragen worden. Es musste deshalb festgestellt werden, dass die Kündigung vom 09. August 2001 sozial ungerechtfertigt ist und das Arbeitsverhältnis nicht zum 30.November 2001 beendet hat. Die Anschlussberufung des Beklagten war mithin insoweit zurückzuweisen.
II.
Der Auflösungsantrag des Beklagten ist unbegründet, weshalb auf die Berufung des Klägers das arbeitsgerichtliche Urteil entsprechend abzuändern war.
1.
Die Kammer hat dahinstehen lassen, ob die Kündigung wegen der fehlenden Zustimmung des Beirates der Insolvenzschuldnerin unwirksam ist. Offen bleiben konnte auch, ob die Stellung des Klägers als leitender Angestellter im Sinne von § 14 KSchG mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens weggefallen ist. Denn die Voraussetzungen zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Beklagten gemäß den §§ 9,10, 14 KSchG liegen nicht vor.
2.
Gemäß § 14 Abs.2 KSchG bedarf der Antrag des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses keiner Begründung, wenn der Kläger leitender Angestellter und zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben.
Unstreitig ist der Kläger als Mitglied des sogenannten Management-Teams der Insolvenzschuldnerin leitender Angestellter. Unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der mündlichen Verhandlungen und des Ergebnisses der durchgeführten Beweisaufnahme steht jedoch nicht zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts fest, dass er auch zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt war.
Der Kläger hat zwar als Gesamtpersonalleiter für die Werke in O. und G. mit insgesamt mehr als 1000 Beschäftigten eine Position inne, von der in der Regel erwartet werden kann, dass sie auch die Befugnis zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern umfasst. Jedoch muss nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG vom 27.09.2001, 2 AZR 176/00, AP Nr.6 zu § 14 KSchG 1969) die selbständige Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis sowohl im Innen- wie auch im Aussenverhältnis gegeben sein. Von einer Berechtigung zur "selbständigen" Einstellung oder Entlassung kann deshalb nicht mehr gesprochen werden, wenn die personelle Maßnahme von der Zustimmung einer anderen Person abhängig ist. Keine Beschränkung der selbständigen Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis liegt demgegenüber vor, wenn der Angestellte interne Richtlinien bzw. interne Beratungspflichten beachten oder Zweitunterschriften lediglich zu Kontrollzwecken einholen muss.
Der Beklagte, der für die ihn günstigen Voraussetzungen des § 14 Abs.2 KSchG nach allgemeinen Grundsätzen darlegungs- und beweisverpflichtet ist, konnte nicht zur Überzeugung des Landesarbeitsgerichts nachweisen, dass der Kläger zur selbständigen Einstellung oder Entlassung von einer nicht unerheblichen Zahl von Arbeitnehmern berechtigt war und diese ohne Zustimmung einer anderen Person durchführen durfte.
Die Zeugin Z., die Personalleiterin der Insolvenzschuldnerin, hat zar zunächst bekundet, sie habe für den gewerblichen Bereich selbständig entschieden, wer eingestellt werde. Nach ihrer Darstellung wurde allerdings eine gemeinsame Entscheidung mit dem Fachvorgesetzten getroffen. Die Frage, ob sie berechtigt war, auch gegen den Willen des Fachvorgesetzten eine Einstellung vorzunehmen, hat die Zeugin demgegenüber nicht mit einem eindeutigen Ja beantwortet, sondern dazu gesagt, dies sei nie der Fall gewesen.
Die Zeugin Z. hatte auch keine Kenntnis darüber, ob interne Absprachen des Management-Teams und des Geschäftsführers bestanden haben. Sie wusste nicht, was innerhalb des Management-Teams bei anstehenden Entlassungen oder Einstellungen besprochen worden ist. Vor diesem Hintergrund ist ihre Aussage nicht dazu geeignet, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Kläger auch ohne Zustimmung eines Mitglieds des Management-Teams oder des Geschäftsführers eine Einstellung oder Entlassung vornehmen durfte.
Der Zeuge Bo. hat den Sachvortrag des Klägers im Wesentlichen bestätigt. Nach seiner Darstellung war der Personalleiter nicht in der Lage, über den Kopf des Fachvorgesetzten Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen. Vielmehr war jedesmal die Zustimmung des Fachvorgesetzten erforderlich. Der Zeuge Bo. hat zudem bestätigt, dass bei Kündigungen und Neueinstellungen für den Bereich der Angestellten die Geschäftsleitung einzubeziehen war. Zur Frage der Einstellungbefugnis ohne Rücksprache mit dem Geschäftsführer gab der Zeuge an, er sei als leitender Angestellter berichtspflichtig und hätte eine derartige Maßnahme nicht ohne Rücksprache durchgeführt.
Zusammenfassend muss festgestellt werden, dass auch die Aussage des Zeugen Bo. nicht geeignet ist, das Gericht von der Berechtigung zur selbständigen Einstellung oder Entlassung des Klägers zu überzeugen.
Dies gilt schließlich auch für die Aussage des Zeugen F. Der Zeuge F. hat für den gewerblichen Bereich bekundet, dass Einstellungen oder Entlassungen gegen seinen Willen nicht erfolgt seien. vielmehr habe das Konsensprinzip geherrscht und wichtige Leute hätten zudem der Geschäftsführung vorgestellt werden müssen.
Der Zeuge F. hat allerdings auch ausgesagt, der Kläger habe in seinem Bereich selbständig einstellen und entlassen dürfen. Er hat dies dann aber wieder dahingehend eingeschränkt, dass er, dies "genauso wie ich..." durfte und dass in der Regel eine Abstimmung mit dem Geschäftsführer erfolgte. Für die Abteilung des Klägers hat er ferner angegeben, dass hier Personalmaßnahmen immer mit dem Geschäftsführer abgestimmt worden sind. Letztlich hat der Zeuge F. bestätigt, dass der Kläger nicht gegen den Willen des Fachvorgesetzten entscheiden durfte, es sei denn er hatte die Zustimmung des Geschäftsführers.
Zusammenfassend konnte die Kammer angesichts dieser Zeugenaussagen nicht zu der Überzeugung gelangen, dass der Kläger in der Tat berechtigt war, selbständig Einstellungen oder Entlassungen vorzunehmen. Vielmehr waren diese Maßnahmen jeweils mit dem Fachvorgesetzten und/oder den anderen Mitgliedern des Management-Teams und /oder der Geschäftsführung abzustimmen. Dass der Kläger diese personellen Maßnahmen ohne Zustimmung einer anderen Person durchführen durfte, steht demgegenüber nicht fest.
3.
Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil des Gerichts ist somit nur möglich, wenn Gründe vorliegen, die eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht erwarten lassen, § 9 Abs.l KSchG. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Insbesondere sind keine konkreten Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Kläger die wirtschaftlichen Schwierigkeiten und die eingetretene Insolvenz mit zu verantworten hat, und dass eine Weiterbeschäftigung des Klägers den Betriebsfrieden auf Dauer erheblich stören würde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit zu erwarten ist, ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den Auflösungsantrag. Dass die in dem Schreiben des Betriebsrats vom 23.10.01 (B1.151 d.A.) dargestellte Verweigerung der Zusammenarbeit mit dem Kläger "aufgrund der Ereignisse und deren Verwicklungen darin" noch Fortbestand hat, nachdem die Vermögenswerte der Insolvenzschuldnerin vor mehr als einem Jahr veräußert worden sind, ist nicht dargelegt worden. Dagegen spricht auch die tatsächliche Weiterbeschäftigung des Zeugen Bo., der ebenfalls in dem Schreiben vom 23.10.01 zusammen mit dem Kläger genannt ist. Der Beklagte hat im Übrigen auch im Berufungsverfahren Auflösungsgründe nach § 9 KSchG nicht geltend gemacht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.
IV.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor. Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.
Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.