Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 01.06.2004, Az.: 1 Sa 1748/03
Annahmeverzug; Auswirkung auf den Annahmeverzug; Eintritt; Kündigungsschutzklage; Leistungsbereitschaft; Rücknahme; Rücknahme des Weiterbeschäftigungsantrags; Weiterbeschäftigungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 01.06.2004
- Aktenzeichen
- 1 Sa 1748/03
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50743
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG - 08.08.2003 - AZ: 2 Ca 162/02
Rechtsgrundlagen
- § 615 S 1 BGB
- § 297 BGB
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Zwar trifft es zu, dass die Klägerin ihren Weiterbeschäftigungsantrag in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zurückgenommen hat. Darin lässt sich jedoch ihre fehlende Leistungsbereitschaft nicht ohne weiteres festmachen. Auf Grund des ärztlichen Zeugnisses vom 20. August 2002 stand nämlich fest, dass die Klägerin bis zum Beginn des Mutterschutzes infolge der bestehenden Arbeitsplatzbedingungen von der Arbeit freizustellen war (§ 3 Abs. 1 MuSchG). Danach stand ihr bis zum 8. September 2002 Arbeitsentgelt nach § 11 Abs. 1 MuSchG in Höhe ihres Durchschnittsverdienstes zu. Der Beklagte hat das ärztliche Beschäftigungsverbot nicht in Frage gestellt.
Tenor:
Die Berufung des Beklagten gegen das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 8. August 2003 - 2 Ca 162/02 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten im zweiten Rechtszug noch um die durch Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 8. August 2003 der Klägerin zugesprochenen Entgelt und Entgeltfortzahlungsansprüche für den Monat Januar 2002 sowie um Zahlungsansprüche aus Annahmeverzug für die Zeiträume 9. April bis 8. September 2002.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Arbeitsgericht u. a. ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Zahlung von Verzugslohn nach §§ 615, 293, 296 BGB in Höhe von 5.857,12 € brutto abzüglich erhaltenen Arbeitslosengeld in Höhe von 3.655,08 € erfüllt seien. Im Vorprozess sei rechtskräftig entschieden worden, dass die der Klägerin am 7. Februar 2002 ausgehändigte Kündigung des Beklagten vom 21. Dezember 2001 das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst habe. Ein wörtliches Angebot der Klägerin zur Arbeitsleistung gemäß § 295 BGB sei entbehrlich gewesen, da der beklagte Arbeitgeber durch (unwirksame) Kündigung einen funktionsfähigen Arbeitsplatz nicht zur Verfügung gestellt habe. Wenngleich die der Klägerin am 7. Februar 2002 überreichte Kündigung des Beklagten wegen Verstoßes gegen das Kündigungsverbot nach § 9 MuSchG unwirksam gewesen sei, so habe doch die Klägerin ihre Leistungsbereitschaft erst durch Erhebung der dem Beklagten am 8. April 2002 zugestellten Kündigungsschutzklage zu erkennen gegeben. Bis zu diesem Zeitpunkt fehle es daher nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme an einer Leistungsbereitschaft der Klägerin. Da die Klägerin ihrerseits nur Ansprüche bis zum 8. September 2002 geltend mache und für die Zeit der Schutzfristen keine Gehaltszahlung begehrt habe, könne ihr der Annahmeverzugslohn nur bis zum letzten möglichen Arbeitstag, dem 8. September 2002 zugestanden werden. Schließlich stehe ihr für den Restmonat Januar 2002 aus § 611 BGB i. V. m. dem Arbeitsvertrag die volle Vergütung in Höhe von 1.175,97 € brutto zu, soweit sie Arbeitsleistung erbracht habe,im Übrigen als gesetzliche Entgeltfortzahlung nach §§ 2, 3 EFZG.
Weitergehende Ansprüche der Klägerin hat das Arbeitsgericht zurückgewiesen. Zu den Einzelheiten des Vorbringens erster Instanz und den Entscheidungsgründen wird auf Bl. 285 bis 295 d. A. Bezug genommen.
Gegen das ihm am 9. September 2003 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Beklagte am 8. Oktober 2003 Berufung eingelegt und diese beim Landesarbeitsgericht eingehend am 23. Oktober 2003 begründet.
Der Beklagte behauptet, die Klägerin sei auch nach Erhebung der Kündigungsschutzklage nicht leistungsbereit gewesen; es sei ihr nur um finanzielle Interessen gegangen. Die Klägerin habe einen schriftlichen Aufhebungsvertrag nur wegen der befürchteten Sperrzeit vermieden. Vor diesem Hintergrund sei es auch zu der ihr am 7. Februar 2002 übergebenen Kündigung gekommen (Zeugnis Frau N. B.-B.; Bl. 314 d. A.). Die fehlende Leistungsbereitschaft der Klägerin sei schließlich daran zu erkennen, dass sie dem Beklagten nach erstinstanzlichen Obsiegen im Kündigungsschutzprozess ihre Arbeitskraft nicht angeboten und den zunächst gestellten Antrag auf Weiterbeschäftigung zurückgenommen habe. Eine Beschäftigung der Klägerin sei in der Kleinpraxis des Beklagten gar nicht mehr möglich gewesen, was die Klägerin gewusst habe.
Der Beklagte beantragt,
das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 8. August 2003 teilweise abzuändern und die Klage soweit nicht im Schlussurteil abgewiesen voll umfänglich abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie bestreitet, dass sich die Parteien darüber einig gewesen seien das Arbeitsverhältnis zu beenden. Nach Obsiegen in der Kündigungsschutzklage habe sie durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 21. August 2002 dem Beklagten eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des behandelnden Frauenarztes vom 20. August 2002 übersandt, aus der sich ergebe, dass die Klägerin bis zum Beginn des Mutterschutzes, d. h. bis zum 9. September 2002 von der Arbeit freizustellen sei (Bl. 349 d. A.). Dies sei der Grund für die Rücknahme des Weiterbeschäftigungsantrags gewesen. Die Klägerin habe inzwischen - insoweit unstreitig - Erziehungsurlaub (Elternzeit) für die Dauer von 2 Jahren beantragt.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird auf den Akteninhalt und das Terminsprotokoll vom 6. April 2004 Bl. 368 bis 370 d. A. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Beklagten bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Arbeitsgericht hat zutreffend Zahlungsansprüche aus Arbeitsvertrag, auf Entgeltfortzahlung und aus Annahmeverzug für die Zeiten von Januar 2002 und vom 9. April bis 8. September 2002 zu Gunsten der Klägerin angenommen. Dabei hat es sich auf die grundlegenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 24. Oktober 1991 und 18. Januar 2000 = EzA § 615 BGB Nr. 70, 98 gestützt, wonach mit Erhebung der Kündigungsschutzklage grundsätzlich Annahmeverzug des Arbeitgebers auch im Falle von Arbeitsunfähigkeit und selbst bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit bestehe, und es insoweit keiner besonderen Anzeige des Arbeitnehmers bedürfe um seine Leistungsbereitschaft zu bezeugen (Stahlhacke/Preis/Vossen Kündigung und Kündigungsschutz, 2002 8 Aufl. Rz. 1770).
Diesen Ausführungen im Schlussurteil des erstinstanzlichen Gerichts vom 8. August 2003 ist nichts hinzuzufügen. Die dortigen rechtlichen Erwägungen werden von der Berufungskammer geteilt. Sie macht sich hiermit diese Begründung zu Eigen.
Soweit der Beklagte die fehlende Leistungsbereitschaft der Klägerin nach Erhebung der Kündigungsschutzklage behauptet, hat er hierfür über seine Beweisantritte erster Instanz hinaus keine neuen Beweismittel angeboten. Fehler in der Beweiswürdigung des Arbeitsgerichts hat der Beklagte nicht dargelegt. Zwar trifft es zu, dass die Klägerin ihren Weiterbeschäftigungsantrag in der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht zurückgenommen hat. Daran lässt sich jedoch ihre fehlende Leistungsbereitschaft nicht ohne weiteres festmachen. Auf Grund des ärztlichen Zeugnisses vom 20. August 2002 stand nämlich fest, dass die Klägerin bis zum Beginn des Mutterschutzes infolge der bestehenden Arbeitsplatzbedingungen von der Arbeit freizustellen war (§ 3 Abs. 1 MuSchG). Danach stand ihr bis zum 8. September 2002 Arbeitsentgelt nach § 11 Abs. 1 MuSchG in Höhe ihrer Durchschnittsverdienstes zu. Der Beklagte hat das ärztliche Beschäftigungsverbot nicht in Frage gestellt.
Als unterlegener Rechtsmittelkläger trägt der Beklagte die Kosten des Berufungsverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Eine Zulassung der Revision kam nicht in Betracht. Von den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist nicht abgewichen worden; eine Divergenz zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe oder eines Spruchkörpers auf der Ebene der Landesarbeitsgerichte ist nicht ersichtlich.