Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 09.09.2004, Az.: 7 Sa 1902/03

Befristung; Berechnung; Darlegung; Höchstbefristungsgrenze; Laufzeit; Sachgrund; sachlicher Grund; Überschreiten

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
09.09.2004
Aktenzeichen
7 Sa 1902/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 50918
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BAG - 22.06.2005 - AZ: 7 AZR 499/04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. In die Berechnung der Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG a.F. sind die Laufzeiten der Verträge einzubeziehen, die zwar keinen Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 - 4 und Abs. 3 HRG a.F. benennen, aber hierauf hätten gestützt werden können.

2. Dies gilt auch, wenn der letzte Arbeitsvertrag mit einem allgemeinen Sachgrund hätte befristet werden können, da dies zu einer Umgehung des § 57 c HRG a.F. führen würde.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen vom 11.09.2003, 2 Ca 52/03, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30.04.2003.

2

Der am 29.10.1950 geborene, verheiratete und zwei Kindern unterhaltsverpflichtete Kläger war vom 01.04.1989 bis zum 31.03.1997 sowie vom 01.11.1997 bis zum 30.04.2003 auf der Grundlage von 5 befristeten Arbeitsverträgen, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 6 – 19 d. A.) als Diplom-Mathematiker beschäftigt. Während der gesamten Dauer des Arbeitsverhältnisses war er für das Projekt SOHO/SUMER tätig. Dabei handelt es sich um eine Raumsonde (SOHO) und einer Teleskop mit Spektrometer (SUMER), welches von dem Beklagten mit internationaler Beteiligung entwickelt und gebaut worden ist. Die Tätigkeit des Klägers bestand zunächst überwiegend in der Programmierung der für die Herstellung der Raumsonde bzw. des Teleskops erforderlichen Software. Nach dem Start der Raumsonde im Jahre 1995 wurde der Kläger unter anderem mit der Auswertung der von der Raumsonde gesandten Daten beschäftigt.

3

In der Zeit vom 01.04.1997 bis zum 31.10.1997 war der Kläger bei der NASA beschäftigt. Er hatte dort ebenfalls im Bereich SUMER gearbeitet.

4

Zuletzt war das Arbeitsverhältnis gemäß Arbeitsvertrag vom 15.09.2000 für die Zeit vom 01.11.2000 bis 30.04.2003 befristet. Als Befristungsgrund wurde in diesem Vertrag angegeben:

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"die überwiegende Vergütung aus Mitteln Dritter und die Beschäftigung entsprechend der Zweckbestimmung dieser Mittel für das Projekt SUMER/SOHO mit dem Titel "The Morphologie and Dynamics of the Solar Upper Atmosphere: An Atlas of the Cromosphere, Transition Region and the Corona of the Sun from SUMER/SOHO Images" gem. § 57b Abs. 2 Nr. 4 HRG."

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Ferner wurde für das Arbeitsverhältnis die Geltung des Bundesangestelltentarifvertrages vereinbart mit dem Zusatz, dass von den in den SR 2y BAT enthaltenen Regelungen die Nummern 1, 2 und 7 nicht gelten. Zuletzt bezog der Kläger eine monatliche Brutto-Vergütung in Höhe von ca. 4.800,00 EUR nach der Vergütungsgruppe I b Fallgruppe VI BAT. Seit dem 01.11.1997 wird er überwiegend aus den von der Deutschen Anstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Verfügung gestellten Drittmitteln vergütet.

7

Das Arbeitsgericht hat durch ein den Parteien am 06.10.2003 zugestelltes Urteil vom 11.09.2003, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 62 – 68 d.A.), festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die Befristung vom 15.09.2000 zum 30.04.2003 nicht beendet worden ist. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, gemäß § 57 c Abs. 2 Satz 1 HRG in der bis zum 22.02.2002 geltenden Fassung sei die Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG a. F. nur für die Dauer von maximal 5 Jahren zulässig. Dabei komme es nicht darauf an, ob die einzelnen Arbeitsverträge ausdrücklich auf die Befristungsmöglichkeit nach dem HRG gestützt worden seien, vielmehr reiche es aus, dass die zuvor vereinbarten Befristungen auf das HRG hätten gestützt werden können. Da der Kläger seit dem 01.11.1997 ausschließlich aufgrund zeitlich beschränkter Drittmittel beschäftigt worden sei, hätten auch die befristeten Arbeitsverträge für den Zeitraum vom 01.11.1997 bis zum 31.10.1999 und für den Zeitraum vom 01.11.1999 bis zum 31.10.2000 auf § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG a. F. gestützt werden können, weshalb die 5-Jahres-Grenze überschritten worden sei.

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Hiergegen richtet sich die am 04.11.2003 eingelegte und am 24.11.2003 begründete Berufung des Beklagten.

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Der Beklagte ist der Auffassung, durch die Befristungsabrede vom 15.09.2000 sei die 5-Jahres-Grenze des § 57 c Abs. 2 HRG a. F. nicht überschritten worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sei die Nichteinrechnung eines vorherigen Arbeitsvertrages an der selben Hochschule dann gerechtfertigt, wenn entweder dieser vorausgegangene Arbeitsvertrag auf einem Befristungsgrund beruhe, der nicht unter § 57 b Abs. 2, Abs. 3 HRG a. F. subsumiert werden könne, oder wenn die Befristung des letzten Arbeitsvertrages nicht von den besonderen Befristungsmöglichkeiten des § 57 b Abs. 2, Abs. 3 HRG a. F. abhängig gewesen sei, weil der Arbeitgeber diesen letzten Arbeitsvertrag auch nach dem schon bisher anerkannten allgemeinen Sachgründen hätte befristen können. Denn in diesen beiden Fallgestaltungen beruhe die Befristung nicht auf den erleichterten Befristungsmöglichkeiten des § 57 b Abs. 2, 3 HRG a. F..

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Der Arbeitsvertrag vom 18.11.1997 beruhe auf § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz und damit auf einem Befristungsgrund, der nicht unter § 57 b Abs. 2, 3 HRG a. F. subsumiert werden könne. Ein nach § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz wirksam befristetes Arbeitsverhältnis beanspruche für die Höchstbefristungsdauer nach dem HRG keine Geltung.

11

Zudem sei der Beklagte bei dem Abschluss des letzten Arbeitsvertrages vom 15.09.2000 nicht auf die Befristungsmöglichkeit aus § 57 b HRG a. F. angewiesen gewesen. Vielmehr hätte die Befristungsabrede auch auf Nr. 1 b der SR 2y BAT gestützt werden können. Der Kläger sei in der Zeit vom 01.11.2000 bis einschließlich 30.04.2003 entsprechend der Vereinbarung im Arbeitsvertrag mit einer spezifischen, eng umgrenzten Projektarbeit betraut gewesen. Er habe die bislang gewonnenen Daten zu Dokumentationszwecken und auch auf Wunsch der amerikanischen Forschungspartner des Beklagten in einem Bildatlas zusammengestellt. Alle Beteiligten seien bei Abschluss des Zeitvertrages mit Recht davon ausgegangen, dass mit Ablauf des 30.04.2003 die Erstellung des geplanten Atlasses abgeschlossen und der Bedarf für eine Beschäftigung des Klägers entfallen würde. Diese Einschätzung habe sich schließlich auch bestätigt.

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Während der Beklagte in der Berufungsbegründung noch behauptet hat, der Kläger sei in der Zeit vom 01.11.1997 bis 31.10.2000 nicht aus Drittmitteln, sondern aus Haushaltsmitteln des Beklagten vergütet worden, hat er in der mündlichen Verhandlung vom 24.06.2004 klargestellt, dass die beiden dem letzten Vertrag vorhergehenden Verträge überwiegend aus Drittmitteln finanziert worden sind.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrages des Beklagten im Berufungsverfahren wird Bezug genommen auf die Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 21.11.2003, 13.01.2004, 08.03.2004 und 14.06.2004.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Arbeitsgerichts Göttingen abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe der Schriftsätze seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.12.2003, 23.02.2004 und 14.05.2004.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des Beklagten ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

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Sie ist jedoch nicht begründet.

21

Das Arbeitsgericht hat zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Befristung zum 30.04.2003 nicht beendet worden ist. Das Landesarbeitsgericht macht sich die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils zu eigen und nimmt hierauf zur Vermeidung von Wiederholungen gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug.

22

Zusammenfassend und ergänzend ist im Hinblick auf den Vortrag der Parteien im Berufungsverfahren folgendes auszuführen:

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Das Arbeitsgericht hat in seinem Urteil die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend berücksichtigt und auf den vorliegenden Fall umgesetzt. Das Bundesarbeitsgericht hat in seinem Urteil vom 20.10.1999 (7 AZR 738/98, AP Nr. 22 zu § 57 b HRG) daran festgehalten, dass in die Berechnung der Höchstbefristungsgrenze des § 57 c Abs. 2 HRG die Laufzeiten auch solcher Verträge einzubeziehen sind, die zwar keinen Sachgrund nach § 57 b Abs. 2 Nr. 1 – 4 und Abs. 3 HRG benennen, jedoch nach der vertraglichen Vereinbarung auf solche Sachgründe hätte gestützt werden können. Das Bundesarbeitsgericht nimmt dabei eine Umgehung der Befristungshöchstgrenze des HRG in den Fällen an, in denen ein dem letzten Vertrag vorausgegangener Zeitvertrag nach der vertraglichen Vereinbarung auf einen Befristungsgrunde im Sinne des § 57 b Abs. 2 u. 3 HRG hätte gestützt werden können und die Einbeziehung dieses Vertrages in die Berechnung der 5-Jahres-Frist nur aus formalen Gründen unterbleiben müsste.

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Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Der letzte von den Parteien abgeschlossene Arbeitsvertrag für die Zeit ab 01.11.2000 führt als Befristungsgrund ausdrücklich § 57 b Abs. 2 Nr. 4 HRG an. Die Befristung wurde mithin darauf gestützt, dass der Kläger überwiegend aus Mitteln Dritter vergütet und der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt wurde.

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Auf genau diesen Sachgrund hätten die beiden vorherigen befristeten Arbeitsverträge vom 18.11.1997 und vom 02.09.1999 ebenfalls gestützt werden können. Ausweislich des erstinstanzlichen Tatbestandes war es zwischen den Parteien unstreitig, dass der Kläger seit dem 01.11.1997 überwiegend aus den von der deutschen Anstalt für Luft- und Raumfahrt (DLR) zur Verfügung gestellten Drittmitteln vergütet wurde. Der Beklagte hat diesen Sachverhalt dann zwar in der Berufungsbegründung zunächst bestritten, in der Sitzung vom 24.06.2004 jedoch zu Protokoll erklärt, dass auch die beiden dem letzten Vertrag vorhergehenden Verträge überwiegend aus Drittmitteln finanziert worden sind. Damit steht fest, dass die dem letzten Vertrag vorausgegangenen Zeitverträge ebenfalls auf den Befristungsgrund des § 57 b Abs. 2 Ziff. 4 HRG a. F. hätten gestützt werden können. Dies hat nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Folge, dass die Dauer der Befristungen der drei letzten Verträge zusammen gerechnet werden muss. Hierdurch kommt es zu einer Überschreitung der Befristungshöchstdauer nach § 57 c Abs. 2 HRG a. F., was zur Unwirksamkeit der Befristung des letzten Vertrages führt.

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Der Beklagte kann sich vorwiegend nicht darauf berufen, der letzte Arbeitsvertrag hätte nach den schon bisher anerkannten allgemeinen Sachgründen befristet werden können. Das Bundesarbeitsgericht differenziert danach, ob die Befristung des letzten Vertrages nach dem HRG oder auf andere Gründe gestützt wurde. Sofern der letzte zur Überprüfung anstehende Vertrag auf die Befristungserleichterung des HRG a. F. gestützt wurde, erkannte das Bundesarbeitsgericht auf eine Umgehung der Begrenzungsnorm und rechnete auch die sogenannten SR 2y-Verträge mit ein. Umgekehrt wurde ein letzter Vertrag, der auf eine andere Norm, wie beispielsweise § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz 1996 gestützt wurde, nicht mitgerechnet (BAG vom 26.06.2002, 7 AZR 92/01, AP Nr. 16 zu § 1 Beschäftigungsförderungsgesetz 1996; Dörner, Der befristete Arbeitsvertrag, RZiff. 806 m. w. N.).

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Im Übrigen hätte die Befristungsabrede in dem letzten Vertrag entgegen der von dem Beklagten vertretenen Auffassung nicht auch auf die Nr. 1b der SR 2y BAT gestützt werden können. Die Parteien haben nämlich in dem Vertrag vom 15.09.2000 ausdrücklich vereinbart, dass von den in den SR 2y BAT enthaltenen Regelungen die Nrn. 1, 2 und 7 nicht gelten. Die Parteien haben damit vertraglich gerade ausgeschlossen, dass der Kläger für eine Aufgabe von begrenzter Dauer eingestellt worden ist.

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Die Berufung des Beklagten war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

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Leibold

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Strautmann

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Hollinger