Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 02.09.2004, Az.: 7 Sa 2085/03

Ersatz für Schäden wegen Steinschläge an einem als Dienstwagen anerkannten privaten Pkw ; Zeitpunkt des Entstehens eines Sachschadens; Anspruch auf Ersatz des Schadens, wenn die Schäden ohne Kosten beseitigt worden sind

Bibliographie

Gericht
LAG Niedersachsen
Datum
02.09.2004
Aktenzeichen
7 Sa 2085/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 33076
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LAGNI:2004:0902.7SA2085.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
ArbG Nienburg - 16.10.2003 - AZ: 2 Ca 147/03

Fundstellen

  • NZA-RR 2005, 64-65 (Volltext mit red. LS)
  • NZA-RR 2005, VI Heft 1 (amtl. Leitsatz)

In dem Rechtsstreit
hat die 7. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen
auf die mündliche Verhandlung vom 02.09.2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Leibold und
die ehrenamtlichen Richter Frau G. Behrbohm und Herrn M. Zaffke
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 16.10.2003, 2 Ca 147/03, abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger von dem beklagten Land Ersatz für Schäden an seinem als Dienstwagen anerkannten privaten Pkw verlangen kann, obwohl die Schäden ohne Kosten beseitig worden sind.

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Der Kläger ist als Bauüberwachungs-Ingenieur bei dem Straßenbauamt in

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des beklagten Landes beschäftigt. Zu seinen Aufgaben gehört auch das Aufsuchen auswärtiger Baustellen. Hierzu nutzt er seinen privaten Pkw als einen von dem beklagten Land anerkannten Dienstwagen.

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Am 08.08.2002 meldete der Kläger Steinschlagschäden am Frontbereich und an der Windschutzscheibe seines Pkw's. Der Kostenvoranschlag des Vertragshändlers weist einen Betrag von 947,52 EUR nebst Umsatzsteuer für die Schadensbeseitigung aus (Bl. 60 d.A.).

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Mit Schreiben vom 26.08.2002 meldete der Kläger dem beklagten Land einen weiteren Schaden, der am 22.08.2002 durch ein fünfjähriges Kind mit dessen Fahrrad an der rechten vorderen Ecke des Fahrzeuges verursacht worden ist. Der Kostenvoranschlag vom 28.08.2002 für die Beseitigung dieses Schadens beläuft sich auf 562,00 EUR nebst Umsatzsteuer (Bl. 9 d.A.).

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Die Reparatur der Schäden erfolgte nicht in einer Werkstatt. Vielmehr ließ der Kläger die Schäden beseitigen, ohne dass ihm hierfür Kosten entstanden sind.

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Im Oktober 2002 wurde das Fahrzeug in Polen als gestohlen gemeldet.

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Das Arbeitsgericht hat .nach Vernehmung der Zeugen P- und L durch ein den Parteien am 20.11.2003 zugestelltes Urteil vom 16.10.2003, auf dessen Inhalt zur weiteren Darstellung des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und dessen Würdigung durch das Arbeitsgericht Bezug genommen wird (Bl. 94 - 100 d.A.), das beklagte Land zur Zahlung von 1.130,12 EUR netto nebst Zinsen verurteilt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, anerkannt sei, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Pkw des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden ersetzen müsse, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt werde. Dabei sei ein Sachschaden nicht erst dann entstanden, wenn der Geschädigte Kosten aufwende, um den Schaden zu beseitigen.

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Etwas anderes folge auch nicht aus § 96 NBG, da diese Vorschrift den Ersatz von Sachschäden regele und nicht lediglich den Fall der Erstattung der Kosten, die zur Beseitigung der Sachschäden aufgewendet werden müssten. Insoweit bestimme sich die Rechtsfolgenseite des § 96 NBG nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechtes der §§ 249 ff. BGB.

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Nach Durchführung der Beweisaufnahme sei das Arbeitsgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die im Streit stehenden Schäden anlässlich der dienstlichen Tätigkeit des Klägers entstanden seien. Nach Abzug der in den beiden Kostenvoranschlägen doppelt auftauchenden bzw. sich überschneidenden Positionen und nach Abzug der Umsatzsteuer verbleibe ein Schaden in Höhe von 1.130,12 EUR, den das beklagte Land ersetzen müsse.

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Hiergegen richtet sich die am 08.12.2003 eingelegte und nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 2 0.02.2 0 04 am 2 0.02.20 04 begründete Berufung des beklagten Landes.

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Das beklagte Land ist der Auffassung, es sei zwar grundsätzlich dazu verpflichtet, die am Pkw des Klägers entstandenen Schäden zu ersetzen. Zu berücksichtigen sei jedoch, dass § 96 NBG lediglich eine Ermessensvorschrift beinhalte, nach der ein eingetretener Schaden ersetzt werden könne. In den Verwaltungsvorschriften zu § 96 NBG sei geregelt, dass Kraftfahrzeugschäden als Schäden an sonstigen Gegenständen anerkannt und damit auch durch den Dienstherrn zu ersetzen seien. Der Schadensersatz werde im Rahmen der Fürsorgepflicht des Dienstherren geleistet. Es. handele sich um eine Billigkeitsregelung, die dem Beamten lediglich einen Schadensersatzanspruch in Höhe einer angemessenen Entschädigung für erlittene Sachschäden vermittele. Dies bedeute, dass der Kläger nur die Schäden ersetzt bekommen solle, die auch entstanden seien. Die Rechtsfolgenseite bestimme sich mithin nicht nach den allgemeinen Grundsätzen des Schadensrechts der §§ 249 ff. BGB, sondern es seien die besonderen Verwaltungsvorschriften und Grundsätze für die Verwaltung zu beachten. Dadurch, dass der Kläger die Schäden am Fahrzeug habe beseitigen lassen, ohne dafür Kosten aufwenden zu müssen, sei ihm auch kein Schaden entstanden. Es gehe um die Erstattung von Aufwendungen und nicht um einen reinen Schadensersatzanspruch. Es müssten mithin nur die tatsächlich entstandenen Kosten erstattet werden, die zur Beseitigung des Schadens erforderlich gewesen seien. Eine fiktive Schadensberechnung sei nicht zulässig.

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Das beklagte Land beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Nienburg vom 16.10.2003 abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

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Er verteidigt das angefochtene Urteil nach Maßgabe des Schriftsatzes seiner Prozessbevollmächtigten vom 24.03.2004.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung des beklagten Landes ist statthaft, sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden und damit insgesamt zulässig, §§ 519, 520 ZPO, 64, 66 ArbGG.

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Die Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat gegen das beklagte Land keinen Anspruch auf Zahlung von 1.130,12 EUR als Ersatz für die Schäden, die im August 2002 an seinem Privat-Pkw entstanden sind.

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Zutreffend geht das Arbeitsgericht davon aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die ohne Verschulden des Arbeitgebers am Pkw des Arbeitnehmers entstandenen Unfallschäden ersetzen muss, wenn das Fahrzeug mit Billigung des Arbeitgebers in dessen Betätigungsbereich eingesetzt wurde (BAG v. 14.12.1995, 8 AZR 875/94, AP Nr. 13 zu §611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers). Anspruchsgrundlage ist dabei § 670 BGB. Diese Vorschrift, die die Verpflichtung zum Ersatz für Aufwendungen regelt, die der Beauftragte den Umständen nach für erforderlich halten durfte, wird seit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 10.11.1961 (GS 1/60, AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers) entsprechend angewandt für vom Arbeitgeber nicht verschuldete Sachschäden des Arbeitnehmers, wenn diese im Gesamtzusammenhang mit der Entfaltung einer Tätigkeit für und im Interesse des Arbeitgebers entstanden sind. Es ist sinnvoll und gerecht, derart erlittene Schäden in bestimmten Fällen als besonderes Opfer und damit als "Aufwendung" im Sinne des § 670 BGB anzusehen.

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Aus dieser Begründung des Schadensersatzanspruches folgt aber zugleich, dass die §§ 249 ff. BGB nicht unmittelbar gelten. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass es sich vorliegend nicht um einen Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger handelt, für den anerkannt ist, dass in Anwendung des § 249 Satz 2 BGB die für eine Reparatur in einer Kundendienstwerkstatt erforderlichen Kosten unabhängig davon verlangt werden können, ob die Reparatur auch tatsächlich durchgeführt wird. Denn dem Schädiger soll es nicht zugute kommen, ob der Geschädigte die Reparatur in einer Werkstatt oder selbst durchführt.

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Anders ist die Interessenlage bei dem Ersatzanspruch nach § 670 BGB gegen den Arbeitgeber, der den Schaden nicht verursacht und nicht verschuldet hat. Es ist deshalb nach Sinn und Zweck des Erstattungsanspruches nicht geboten, dem Geschädigten entsprechend § 249 Satz 2 BGB einen Anspruch auf Sachschadenersatz in der gleichen Höhe wie im Falle der Wiederherstellung durch einen Dritten zuzubilligen. Vielmehr muss nur der Schaden ersetzt werden, der tatsächlich im Vermögen des Geschädigten eingetreten ist.

21

Durch die im Streit stehenden Vorfälle ist dem Kläger tatsächlich kein Schaden in diesem Sinne entstanden. Der Kläger hat nämlich nach dem bindenden Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unstreitig die Schäden an dem Fahrzeug beseitigen lassen, ohne dass ihm hierfür Kosten entstanden sind. Ihm sind deshalb auch keine Aufwendungen entstanden, deren Ersatz er gemäß § 670 BGB von dem beklagten Land verlangen kann. Es besteht kein Anlass, den Kläger besser zu stellen, als er bei einer Reparatur durch die Kundendienstwerkstatt gestanden hätte. In diesem Falle wäre das beklagte Land verpflichtet gewesen, die tatsächlich entstandenen Aufwendungen zu beheben. Soweit der Schaden ohne Aufwendungen des Klägers behoben werden konnte, würde eine Ersatzleistung durch das beklagte Land darauf hinauslaufen, dass der Kläger durch das schädigende Ereignis besser gestellt würde als ohne. Dies ist nicht. Sinn und Zweck des Aufwendungserstattungsanspruches des § 670 BGB für Sachschäden.

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Etwas anderes ergibt sich nicht, wenn man als Anspruchsgrundlage § 14 BAT analog in Verbindung mit § 96 NBG heranzieht. Denn auch wenn für die Angestellten des beklagten Landes die Vorschriften über den Ersatz von Sachschäden für Beamte Anwendung finden (vgl. hierzu BAG v. 08.. 05.1980, 3 AZR 82/79, AP Nr. 6 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers), besteht kein Schadensersatzanspruch des Klägers im vorliegenden Fall.

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Nach § 96 NBG "kann" für Gegenstände, die bei Ausübung des Dienstes beschädigt worden sind, Ersatz geleistet werden. Es handelt sich hier um eine Kannvorschrift, die in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn ihre Grundlage hat. Nach Ziff. 4.1 der Verwaltungsvorschrift zur § 96 darf Ersatz aber nur geleistet werden, wenn der Schaden nicht auf andere Weise ersetzt wird. Dies ist vorliegend jedoch geschehen, da die Schäden beseitigt wurde, ohne dass dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Nach Ziff. 6.3 der Verwaltungsvorschrift werden grundsätzlich nur die Sachschäden am Kraftfahrzeug ersetzt. "Ist eine Instandsetzung möglich ... sind die Kosten der Instandsetzung zu erstatten." Sind dem Kläger Kosten für die Instandsetzung nicht entstanden, hat er mithin hiernach auch keinen Erstattungsanspruch.

24

Das vorliegend gefundene Ergebnis entspricht im Übrigen in vollem Umfange der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt- v. 26.11.1992, 2 C 21/91, NVwZ 1993, S. 1110, 1111) [BVerwG 26.11.1992 - 2 C 21/91], wonach kein Anspruch auf Ersatz für ersparte Aufwendungen bei einer selbst ausgeführten Kfz-Reparatur besteht.

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Auf die Berufung des beklagten Landes war das arbeitsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

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Als unterliegende Partei hat der Kläger gem. § 91 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

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Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Gegen dieses Urteil ist deshalb ein Rechtsmittel nicht gegeben.

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Auf die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.

Leibold
Behrbohm
Zaffke