Landesarbeitsgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.11.2004, Az.: 5 Sa 576/04
Zulässigkeit des Anstrebens einer neuen Entscheidung über die Bewerbung (Konkurrentenklage) auch im Falle einer bereits erfolgten Besetzung der streitbefangenen Stelle ; Geltendmachung einer erneuten Besetzung einer Geschäftsführerstelle im Wege einer so genannten Konkurrentenklage ; Folgen einer Anwendung der Dienstordnung für die Angestellten der Gesundheitskasse für Niedersachsen (AOKN) auf das Arbeitsverhältnis der Parteien ; Verpflichtung des öffentlichen Arbeitgebers zur mehrfachen Vergabe eines Amts im Falle einer Feststellung der Benachteilung des Bewerbers nach der Stellenbesetzung ; Anspruch des abgelehnten Bewerbers auf Freimachen der Stelle durch das verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes ; Notwendigkeit einer rechtzeitigen Mitteilung der Erfolglosigkeit einer Bewerbung durch den öffentlichen Arbeitgeber ; Zulässigkeit einer Verweisung des nicht berücksichtigten Bewerbers auf Sekundäransprüche; Bedeutung des Bestehens der tatsächlichen Möglichkeit eines Vorgehens gegen die rechtswidrige Besetzung der Stelle durch ein verwaltungsgerichtliches einstweiliges Anordnungsverfahren und durch ein einstweiliges Verfügungsverfahren im Arbeitsrecht
Bibliographie
- Gericht
- LAG Niedersachsen
- Datum
- 08.11.2004
- Aktenzeichen
- 5 Sa 576/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 29643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LAGNI:2004:1108.5SA576.04.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- ArbG Lüneburg - 25.02.2004 - AZ: 3 Ca 347/03
Rechtsgrundlagen
- Art. 33 Abs. 2 GG
- Art. 19 Abs. 4 GG
- Art. 20 Abs. 3 GG
- Art. 20 Abs. 1 GG
- § 8 Abs. 1 NBG
- § 123 VwGO
- § 62 Abs. 2 ArbGG
Fundstelle
- ZTR 2005, 375 (amtl. Leitsatz)
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet den öffentlichen Arbeitgeber zwar grundsätzlich nicht dazu, ein Amt mehrfach zu vergeben, wenn nach der Stellenbesetzung festgestellt wird, das ein Bewerber benachteiligt worden ist,. Das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes erfordert kein Freimachen der Stelle. Der abgelehnte Bewerber ist in der Regel auf die Geltendmachung von Sekundäransprüchen verwiesen.
- 2.
Der Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4, 20 Abs. 3 GG i. V. m. den Grundsätzen nach Art. 33 abs. 2 GG setzt allerdings voraus, dass der öffentliche Arbeitgeber dem Bewerber rechtzeitig mitteilt, dass seine Bewerbung nicht erfolgreich sein wird. Es verstößt gegen die Grundsätze der Chancengleichheit und der Bestenauslese, wenn der bisherige Stelleninhaber am Freitag erfährt, dass seine Tätigkeit am darauffolgenden Montag in einer anderen Stelle aufgeht, über deren Besetzung schon entschieden sei, obwohl der Kläger dafür ebenso in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Unter diesen Umständen hat der Kläger tatsächlich eine Möglichkeit, sich im Wege einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Stellenbesetzung zu wehren, so dass ausnahmsweise eine (Neu) Ausschreibung und ggf. auch das Freimachen der Stelle verlangt werden kann.
Die 5. Kammer des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen hat
auf die mündliche Verhandlung vom 08.11.2004
durch
den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Dr. Kiel und
die ehrenamtlichen Richter Bartels und Kunze
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 25.02.2004 - 3 Ca 347/03 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, erneut unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Auswahl für die Stelle des Geschäftsführers der Marktregion Nord zu entscheiden.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Wege einer sogenannten Konkurrentenklage um die erneute Besetzung einer Geschäftsführerstelle.
Der geborene 1961, verheiratete Kläger ist seit 1980 bei der beschäftigt. Mit Wirkung vom 01.07.1993 wurde er zum Verwaltungsdirektor (A 15 Bundesbesoldungsordnung) ernannt. Ab dem 01.10.1995 bekleidete er das Amt eines Regionaldirektors der Regionaldirektion W.. Mit Wirkung zum 01.01.1997 wurde ihm die Aufgabe des Bezirksdirektors für den Bezirk ... übertragen, zunächst befristet bis zum 31.12.2001; zugleich blieb er Direktor der Regionaldirektion W.. Der Kläger erhielt ab diesem Zeitpunkt Bezüge nach der Besoldungsgruppe B 2 BBesO, und zwar durch Zahlung einer Ausgleichszulage in Höhe der Differenz zwischen seinen Bezügen aus der Tätigkeit als Regionaldirektor und derjenigen als Bezirksdirektor. Ab dem 01.01.2001 wurde ihm befristet bis zum 31.12.2006 das Amt eines Geschäftsführers der Marktregion Nord übertragen.
Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung die "Dienstordnung für die Angestellten der AOK - die Gesundheitskasse für Niedersachsen" (AOKN) Anwendung. Auf den Arbeitsvertrag sowie die Nachträge vom 29.12.2000, vom 03.09.2002 sowie auf die in Bezug genommene Dienstordnung wird verwiesen.
Am 07.02.2003 teilten der stellvertretende Vorstandsvorsitzende B... und der Geschäftsführer Personal M... dem Kläger mit, der Vorstand habe beschlossen, im Rahmen einer Neuorganisation zukünftig die 6 Marktregionen zu 3 Marktregionen zusammenzufassen und mit drei neuen Geschäftsführern zu besetzen. Nach einem Vorstandsbeschluss werde die Besetzung am 10.02.2003 erfolgen.
Die Geschäftsführung der Marktregion Nord wurde dem Geschäftsführer A... übertragen, der den Arbeitsvertrag allerdings erst in der 28. Kalenderwoche 2003 unterzeichnete.
Der Kläger wurde am 07.02.2003 von der Dienstleistung freigestellt, zunächst bis zum 31.03.2003. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung am 08.11.2004 war ihm noch kein neuer Aufgabenbereich zugewiesen.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe mit der Ernennung eines neuen Geschäftsführers gegen die Grundsätze aus Art. 33 Abs. 2 GG verstoßen, weil sie ihn, den Kläger, über diese Maßnahme nicht im Rahmen einer angemessenen Frist informiert habe. Auch inhaltlich sei die Entscheidung nicht fehlerfrei ergangen. Aktuelle dienstliche Beurteilungen für die Bewerber, die bei Auswahlentsheidungen im Sinne der Chancengleichheit einzuholen seien, hätten der Auswahl nicht zugrunde gelegen. Die Beförderungsstelle sei ohne das nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 NBG vorgeschriebene Bestenausleseverfahren durchgeführt worden. Der Kläger hat behauptet, bei einem ordnungsgemäßen Auswahlverfahren chancenreich gewesen zu sein und nimmt insoweit auf seinen Werdegang sowie darauf Bezug, dass ihm wegen 100 %-iger Erfüllung der Ziele im Jahr 2002 als Geschäftsführer der Marktregion Nord/Ost die vereinbarte Erfolgsprämie ausgezahlt worden sei.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, erneut unter Beachtung der Rechtsauffung des Gerichts über die Auswahl für die Stelle des Geschäftsführers der Marktregion Nord, vergütet mindestens entsprechend Besoldungsgruppe B 3 BBesO, zu entscheiden.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach Auffassung der Beklagten besteht kein Rechtsschutzinteresse für ein erneutes Auswahlverfahren, nachdem die neu zugeschnittene Stelle für einen Geschäftsführer am 10.02.2003 mit Herrn A... neu besetzt worden sei, der den Arbeitsvertrag in der 28. Kalenderwoche 2003 im Nachhinein unterzeichnet habe.
Erstinstanzlich hat der Kläger zusätzlich im Wege der einstweiligen Verfügung beantragt, der Beklagten zu untersagen, die Stelle eines Geschäftsführers der Marktregion Nord bis zum rechtskräftigen Abschluss des Klageverfahrens anderweitig zu besetzen und insbesondere mit Herrn A... einen Vertrag abzuschließen, nachdem er Anfang Juli 2003 erfahren hat, dass es bis zu diesem Zeitpunkt entgegen seiner Annahme nicht zu einem schriftlichen Vertragsschluss gekommen war. Im Laufe des Rechtsstreits haben die Parteien das Verfahren jedoch in der Hauptsache für erledigt erklärt.
Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, über die Auswahl für die Stelle des Geschäftsführers der Marktregion Nord, vergütet mindestens entsprechend der Besoldungsgruppe B 3 BBesO, erneut zu entscheiden und das Urteil im Wesentlichen folgendermaßen begründet: Nach § 15 der Dienstordnung AOKN könne der Kläger von der Beklagten verlangen, dass diese über seine Bewerbung wie bei Beamten ermessens- und beurteilungsfrei entscheide. Dieser Anspruch sei auch nicht durch Besetzung der Stelle untergegangen. Selbst wenn in solchen Fällen regelmäßig das Rechtsschutzinteresse entfalle und der übergangene Arbeitnehmer sich auf eine Schadensersatzklage verweisen lassen müsse, könne er Neubescheidung verlangen, wenn ihm durch die Besetzung die Möglichkeit des effektiven Rechtsschutzes genommen worden sei. Dieser Rechtsschutz setze voraus, dass der Arbeitgeber dem abgelehnten Bewerber seine beabsichtigte Entscheidung rechtzeitig mitteile, damit er seinerseits vor Gericht Rechtsschutz in Anspruch nehmen könne. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs habe der Kläger am 07.02.2003 nur eine theoretische Möglichkeit besessen, sich über das Wochenende für diese Stelle zu bewerben und deren Besetzung am Montag, den 10.02.2003 zu verhindern. Tatsächlich habe er die Besetzung der Stelle durch eine Bewerbung jedoch nicht aufhalten können, weil der Wille des Vorstandes für die Besetzung der Stelle unumstößlich festgestanden habe. Es sei nicht zu erwarten gewesen, dass die Beklagte über eine Bewerbung nach sachlichen Argumenten, insbesondere nach dem Grundsatz der Bestenauswahl und neutral entscheiden werde. Da die Beklagte im Übrigen die vom Kläger behauptete Qualifikation nicht bestritten habe, zähle er zu jenem Personenkreis, den die Beklagte als Bewerber für die Position habe in Betracht ziehen müssen. Daher müsse sie erneut in das Auswahlverfahren eintreten.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Lüneburg vom 25.02.2004 ist der Beklagten am 04.03.2004 zugestellt worden. Mit ihrer Berufung vom 01.04.2004, die am letzten Tag der bis zum 04.06.2004 verlängerten Frist begründet worden ist, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag nach Maßgabe des Schriftsatzes vom 04.06.2004, auf dessen vollständigen Inhalt Bezug genommen wird, weiter. Sie nimmt den Standpunkt ein, der Kläger könne eine erneute Auswahlentscheidung nicht verlangen, nachdem die Stelle besetzt worden sei und bezieht sich dazu auf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sowie des Bundesverwaltungsgerichts. Im Urteil vom 28.05.2002 (9 AZR 751/00) habe das Bundesarbeitsgericht zwar erwogen, eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass nach Besetzung des Amts nur eine Entschädigung in Geld in Betracht komme, zuzulassen, wenn durch das Verhalten der Verwaltung ein effektiver Rechtsschutz verhindert worden sei oder ein öffentlicher Arbeitgeber und ein eingestellter Bewerber kollisiv zusammen wirkten. Letztlich habe das Bundesarbeitsgericht aber offen gelassen, unter welchen Voraussetzungen es einen entsprechenden Anspruch ausurteilen würde. Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.09.2001 (2 C 39.00) enthalte hierzu lediglich ein obiter dictum, dem beispielsweise das OVG Münster in seinem Beschluss vom 12.05.2003 (ZBR 2004, 178) nicht gefolgt sei. Der weiteren Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.08.2003 (2 C 14.02) habe ein nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde gelegen. Der dortige Kläger habe eine einstweilige Anordnung erwirkt, durch die der Beklagten die Ernennung des ausgewählten Bewerbers vorläufig untersagt worden sei. Die dortige Beklagte habe sich über die einstweilige Anordnung hinweggesetzt. Dieser Sachverhalt sei mit der vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar.
Außerdem stützt die Beklagte ihre Berufung darauf, dass der Kläger jedenfalls nicht die Stelle des Geschäftsführers der Marktregion Nord mit einer Vergütung mindestens entsprechend der Besoldungsgruppe B 3 der Bundesbesoldungsordnung beanspruchen könne. Die Stelle des Geschäftsführers der Marktregion Nord werde lediglich nach der Besoldungsgruppe B 2 BBesO vergütet.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach dem Schlussantrag der Beklagten in erster Instanz zu erkennen.
Der Kläger hat, nach entsprechendem gerichtlichen Hinweis, beantragt,
die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Beklagte zu verurteilen, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Auswahl für die Stelle des Geschäftsführers der Marktregion Nord zu entscheiden.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe seines Schriftsatzes vom 05.07.2004, auf den ebenfalls ergänzend Bezug genommen wird. Das Arbeitsgericht habe zu Recht festgestellt, dass ihm das Recht abgeschnitten worden sei, sich noch auf eine der drei Positionen der Geschäftsführer zu bewerben und vorläufigen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Nach Auffassung des Klägers unterliege es keinem Zweifel, dass die von der Beklagten zitierten Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts in einem Fall wie dem Vorliegenden den zu Unrecht übergangenen Bewerber nicht auf eine Entschädigung in Geld allein verweisen würden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Akte befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die vom Arbeitsgericht zugelassene, frist- und formgerecht eingelegte und insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet, soweit der Kläger an seiner Klage im Berufungsverfahren festgehalten hat. Die Klage ist folglich begründet, soweit der Kläger seinen Antrag auf den gerichtlichen Hinweis im Berufungsverfahren eingeschränkt und ohne den Zusatz "vergütet mindestens entsprechend der Besoldungsgruppe B 3 Bundesbesoldungsordnung" gestellt hat. In der Neufassung des Antrags liegt eine teilweise Rücknahme der Klage nach § 269 ZPO, der die Beklagte konkludent zugestimmt hat.
1.
Die Klage ist mit dem im Berufungsverfahren gestellten Antrag zulässig. Einem Stellenbewerber steht es frei, eine neue Entscheidung über seine Bewerbung auch für den Fall anzustreben, dass die streitbefangene Stelle bereits besetzt sein sollte. Ob es einen derartigen Anspruch gibt, ist eine Frage der Begründetheit der Klage (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - AP Nr. 56 zu Art. 33 Abs. 2 GG = NZA 2003, 324 [BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00] = EzA Art. 33 GG Nr. 23 unter A I 2 der Gründe).
2.
Die Klage ist auch begründet. Insoweit kann auf die im Wesentlichen zutreffenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen werden, der sich das Berufungsgericht anschließt (§ 69 Abs. 3 ArbGG).
a)
Nach § 15 Abs. 1 der Dienstordnung für die Angestellten der AOKN, die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien kraft einzelvertraglicher Bezugnahme Anwendung findet, stehen die Angestellten auf Lebenszeit in einem Dienstverhältnis, das dem von Landesbeamten auf Lebenszeit entspricht. Für die Vergabe von Stellen gilt damit der Grundsatz der Chancengleichheit und das Prinzip der Bestenauslese nach Maßgabe von Art. 33 Abs. 2 GG, welcher ausdrücklich in § 8 Abs. 1 NBG wiederholt ist. Die Festlegung auf die in Art. 33 Abs. 2 GG und § 8 Abs. 1 Satz 1 NBG genannten Kriterien gibt jedem Bewerber ein subjektives Recht auf chancengleiche Teilnahme am Bewerbungsverfahren. Sie dient nicht nur dem Interesse des einzelnen Bewerbers, sondern als Prinzip der sogenannten Bestenauslese auch dem öffentlichen Interesse an einer funktionierenden Verwaltung (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/ 00 - a. a. O. unter A II. 1. der Gründe mit zahlreichen weiteren Nachweisen).
Art. 33 Abs. 2 GG verpflichtet den öffentlichen Arbeitgeber zwar grundsätzlich nicht dazu, ein Amt mehrfach zu vergeben, wenn nach der Stellenbesetzung festgestellt wird, dass ein Bewerber benachteiligt worden ist. Denn der Anspruch eines Bewerbers setzt voraus, dass die Stelle nicht schon besetzt ist. Ist sie rechtlich verbindlich anderweitig vergeben, kann das Amt nicht mehr besetzt und der Bewerber folglich kein subjektives Recht mehr geltend machen. Hier findet das Prinzip des Zugangsrechts von Bewerbern in öffentliche Ämter seine Grenze in der Organisationsgewalt der öffentlichen Hand. Es obliegt allein dem Haushaltsgesetzgeber, darüber zu bestimmen, wieviele Planstellen im öffentlichen Dienst geschaffen werden. Die Verwaltung als vollziehende Gewalt hat dann zu entscheiden, ob und wie die Stellen besetzt werden. Mit einer Doppelbesetzung der Stelle würde in die Organisationsgewalt der öffentlichen Hand unzulässig eingegriffen (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - a. a. O. unter II. 2. a)).
Diese Grundsätze gelten auch, wenn die Auswahlentscheidung fehlerhaft war. In diesem Fall wird der erfolglose und zu Unrecht nicht berücksichtigte Bewerber auf Sekundäransprüche verwiesen, die sich auf Geldersatz richten (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - a. a. O. unter I. 5. der Gründe mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Einem Freimachen der Stelle steht das öffentliche Interesse an einer effizienten Verwaltung entgegen. Auch wenn man davon ausgeht, es könnten die subjektiven Rechte der Bewerber vorrangig sein, dürfen die Erfordernisse effizienten Verwaltungshandelns nicht vollständig vernachlässigt werden. Zudem ist eine praktische Konkordanz mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG) herzustellen. Diese Prinzipien schützen die wirksame Erfüllung des Amtsauftrages. Die dafür erforderlichen personellen, organisatorischen und sonstigen innerdienstlichen Bedingungen müssen sach- und zeitgerecht geschaffen werden (BVerfG 24.05.1995 - 2 BvF 1/92 - BVerfG 93, 37). Die Erhaltung der Funktionsfähigkeit und das Kontinuitätsinteresse der öffentlichen Verwaltung setzt voraus, dass Ämter in absehbarer Zeit endgültig besetzt werden können (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 - a. a. O unter II. 3. a) der Gründe).
Auch das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 33 Abs. 2 GG erfordert kein Freimachen der Stelle, solange dem nicht ausgewählten Bewerber vor der Stellenbesetzung die Möglichkeit einstweiligen Rechtsschutzes gewährt wird. Der ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Justizgewährleistungsanspruch (BVerfG 09.05.1989 - 1 BvF 35/86 - BVerfG 80, 103) ist erfüllt, wenn der abgelehnte Bewerber die Möglichkeit, vorläufigen Rechtsschutz vor der Besetzung des Amtes in Anspruch zu nehmen, hatte (BVerfG 19.09.1989 - 2 BvF 1576/88 - NJW 1990 501). Der zu Unrecht nicht berücksichtigte Bewerber kann dann nicht die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens verlangen (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 unter II. 3. b) der Gründe).
Allerdings bedeutet dies im Umkehrschluss, dass der Stellenbewerber tatsächlich die Möglichkeit haben muss, sich im einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 123 Verwaltungsgerichtsordnung im Beamtenrecht und im einstweiligen Verfügungsverfahren nach § 62 Abs. 2 ArbGG im Arbeitsrecht gegen die rechtswidrige Besetzung der Stelle wehren zu können. Der Justizgewährleistungsanspruch aus Art. 19 Abs. 4 GG, Art. 20 Abs. 3 GG setzt damit voraus, das die öffentliche Verwaltung bzw. der öffentliche Arbeitgeber dem Bewerber rechtzeitig mitteilt, er sei abgelehnt worden (BAG 28.05.2002 - 9 AZR 751/00 unter II. 3. b) der Gründe). Ist dies nicht der Fall, kann der nicht berücksichtigte Bewerber nicht auf Sekundäransprüche verwiesen werden.
So hat auch das Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 21.08.2003 (2 C 14/02 - NJW 2004, 870 = ZTR 2004, 272) entschieden, dass Art. 19 Abs. 4 GG nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle garantiert. Werde die Verletzung des Rechts auf gleichen Zugang zu einem bestimmten öffentlichen Amt (Art. 33 Abs. 2 GG), gerügt, fordere das Gebot effektiven Rechtsschutzes die Möglichkeit einer vollständigen rechtlichen und tatsächlichen Nachprüfung durch ein Gericht und dessen ausreichende Entscheidungsmacht, um drohende Rechtsverletzungen abzuwenden und geschehene Rechtsverletzungen wirksam zu beheben. Praktische Schwierigkeiten rechtfertigten es nicht, den durch Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisteten Rechtsschutz einzuschränken. Das Verwaltungsverfahren dürfe nicht so ausgestaltet werden, dass es den gerichtlichen Rechtsschutz vereitele oder unzumutbar erschwere. Der Dienstherr müsse seine Auswahlentscheidung dem Unterlegenen deshalb rechtzeitig vor der Ernennung des Mitbewerbers mitteilen, um ihm die erfolgreiche Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes zu ermöglichen (unter Hinweis auf BVerfG, 19.09.1989 a. a. O.). So hat das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 21.08.2003 (2 C 14/02 a. a. O.) erkannt, dass der im vorläufigen Rechtsschutz obsiegende Beamte seinen Bewerbungsanspruch im Hauptsacheverfahren weiterverfolgen kann, wenn die Verwaltung den Mitbewerber entgegen einer einstweiligen Verfügung befördert habe.
Allerdings ist auch in einem solchen Fall Voraussetzung, dass die geltend gemachte materielle Rechtsposition grundsätzlich sicherungsfähig ist. Wird das subjektive Recht aus Art. 33 Abs. 2 GG durch eine fehlerhafte Auswahlentscheidung des Dienstherrn verletzt, kann der unterlegene Bewerber eine erneute Entscheidung für seine Bewerbung nur dann beanspruchen, wenn seine Aussichten, im Fall der Neubescheidung ausgewählt zu werden, offen sind, wenn seine Auswahl also zumindest möglich erscheint (BVerfG 24.09.2002 - 2 BvR 857/02 - DVBl 2022, 1633).
b)
Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze hat der Kläger einen Anspruch auf erneute Durchführung des Bewerbungsverfahrens um die Besetzung der Geschäftsführerstelle der Marktregion Nord. Denn die Beklagte hat ihm erst am Freitag, dem 07.02.2003, mitgeteilt, dass ab dem darauffolgenden Montag, dem 10.02.2003, aufgrund einer Umstrukturierung die bisher 6 Marktregionen auf 3 Marktregionen zusammengefasst und die dann zu besetzenden Stellen durch drei bereits feststehende Geschäftsführer besetzt würden. Keiner der bisherigen sechs Geschäftsführer werde auf den neu geschaffenen Stellen eingesetzt.
Die Beklagte hat dem Kläger, dessen bisherigen Aufgaben in der neu geschaffenen Stelle des Geschäftsführers für die Region Nord aufgehen, weder Gelegenheit eingeräumt, eine qualifizierte Bewerbung vorzulegen noch effektiven Rechtsschutz wahrzunehmen. Es ist praktisch nahezu ausgeschlossen, dass der Kläger von Freitag auf Montag eine einstweilige Verfügung im Konkurrentenverfahren erwirkt. Vielmehr lässt dieser zeitliche Zusammenhang den Schluss zu, dass die Beklagte, die ihren Umstrukturierungsplan mit den Geschäftsführern zuvor nicht erörtert hat, vollendete Tatsachen schaffen wollte. Sie wollte die geplante Maßnahme und Stellenbesetzung durchführen, ohne sich mit einer Bewerbung des Klägers bzw. seiner Kollegen auseinandersetzen und befürchten zu müssen, dass diese eine kurzfristige Stellenbesetzung durch die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes blockieren. Eine solche offensichtlich gegen das Prinzip der Chancengleichheit und Bestenauslese einerseits (Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 NBG) sowie gegen den Justizgewährleistungsanspruch andererseits (Art. 19 Abs. 4 GG, Art 20 Abs. 3 GG) verstoßende Vorgehensweise ist dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall, in dem sich die Verwaltung über eine einstweilige Verfügung hinweggesetzt hat, durchaus vergleichbar.
Es musste der Beklagten klar sein, dass der 1961 geborene Kläger, dessen Tätigkeit in der Position des Geschäftsführers für die Marktregion Nord alten Zuschnitts bis zum 31.12.2006 befristet war, sich im Februar 2003 um die neu zugeschnitte Stelle beworben hätte und aufgrund der seit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 1980 erworbenen Erfahrungen sowie seiner bisherigen Leistungen auch in Betracht zu ziehen gewesen wären. Insoweit wird auf die in der Akte befindlichen Leistungsnachweise des Klägers Bezug genommen, insbesondere auf das von dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Landig erstellte Zwischenzeugnis vom 12.07.2000 sowie das von der jetzigen Vorstandsvorsitzenden unterzeichnete Schreiben vom 10.07.2002, mit dem dem Kläger die Zielerreichung für das Jahr 2001 bestätigt worden ist.
Es führt auch zu keinem anderen Ergebnis, dass der am 10.02.2003 für die Marktregion dort eingesetzte Geschäftsführer A... seinen Anstellungsvertrag erst im Juli 2003 unterzeichnet hat. Denn die Beklagte hat dem Kläger sowohl am 07.02.2003 als auch auf anwaltliches Schreiben am 13.02.2003 unmissver ständlich mitgeteilt, dass die neuen Geschäftsführer am 10.02.2003 benannt, also auf den Stellen eingesetzt würden. Der Kläger musste davon ausgehen, dass die Inanspruchnahme einstweiligen Rechtsschutzes zum damaligen Zeitpunkt aussichtslos sein würde, weil er eine rechtsverbindliche Besetzung der Stellen damit nicht mehr würde aufhalten können.
c)
Die Beklagte wird folglich eine erneute Auswahlentscheidung treffen müssen, nachdem sie - zumindest auch - dem Kläger die Möglichkeit eingeräumt hat, sich auf die Stelle des Beschäftsführers für die Marktregion Nord zu bewerben. Sie wird über die Bewerbungen nach Art. 33 Abs. 2 GG, § 8 Abs. 1 NBG unter Berücksichtigung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung erneut zu entscheiden und die beabsichtigte Stellenbesetzung den Bewerbern rechtzeitig mitzuteilen haben.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Ziff. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Soweit der Kläger die Klage auf gerichtlichen Hinweis im Berufungsverfahren zurückgenommen hat, sind die dadurch veranlassten Kosten verhältnismäßig geringfügig. Mit dem ursprünglichen Antrag ist es dem Kläger nicht um Gewährleistung einer entsprechenden Vergütung gegangen, sondern um Beschreibung der Stelle, die seiner Auffassung nach nach Besoldunggruppe B 3 zu bewerten ist.
Es bestehen keine Gründe zur Zulassung der Revision.