Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 26.10.2023, Az.: 4 A 238/20

Ehegattennachzug; Eritrea; Familiennachzug; Reiseausweis; Reueerklärung; Unzumutbarkeit der Passbeschaffung bei Erfordernis einer Reueerklärung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
26.10.2023
Aktenzeichen
4 A 238/20
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 50596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2023:1026.4A238.20.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Einem Ausländer darf die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer nicht mit der Begründung verweigert werden, er könne einen Pass seines Herkunftsstaates auf zumutbare Weise erlangen, wenn der Herkunftsstaat für die Ausstellung eines Passes an die Unterzeichnung einer "Reueerklärung" knüpft, die mit der Selbstbezichtigung einer Straftat verbunden ist, und der Ausländer plausibel darlegt, dass er die Erklärung nicht abgeben will.

  2. 2.

    Dies gilt unabhängig davon, ob der Ausländer über einen asylrechtlichen Schutzstatus verfügt oder im Rahmen des Familiennachzugs in die Bundesrepublik eingereist ist.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer von dem Beklagten.

Der Ehemann (E.) der Klägerin reiste im November 2013 in die Bundesrepublik ein und stellte einen Asylantrag. Er ist eritreischer Staatsbürger. Als Fluchtgrund gab er an, dass er ein Deserteur der eritreischen Armee sei. Er sei zwangsrekrutiert worden und bereits zuvor dreimal in Haft gewesen, da er sich oft unerlaubt von der Truppe entfernt habe, um seine Heimat und seine Familie zu besuchen. Auch seine Frau und seine Kinder seien schon verhaftet worden. Mit Bescheid vom 3. Januar 2014 wurde ihm die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Er ist seit dem 22. Januar 2014 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 und eines Reiseausweises für Flüchtlinge.

Die 1985 geborene Klägerin, welche ebenfalls die eritreische Staatsangehörigkeit besitzt, stellte am 10. März 2015 einen Antrag auf Erteilung eines nationalen Visums zur Familienzusammenführung für sich und ihre drei Kinder bei der deutschen Botschaft in Addis Abeba (Äthiopien). Sie legte u.a. ein "Emergency Travel Dokument", ausgestellt durch die äthiopischen Behörden, vor (Gültigkeit: 10. Juni 2015 bis 9. August 2015).

Da keine Unterlagen zur Eheschließung beziehungsweise Geburt der Kinder vorgelegt worden, wurde hilfsweise ein DNA- Gutachten zur Klärung der biologischen Abstammung der Kinder zu beiden Elternteilen erstellt. Dieses Abstammungsgutachten vom 5. November 2015 bestätigte, dass die Klägerin und Herr F. die Eltern der drei Kinder seien. Dies spreche nach Auffassung des Bundesverwaltungsamts dafür, dass aufgrund der örtlichen traditionellen Verhältnisse vorliegend auch von einer wirksamen Ehe auszugehen sei (vgl. VV, nicht paginiert).

Der Klägerin und ihren Kindern wurde am 15. September 2016 das Visum zum Familiennachzug erteilt. Sie reisten am 10. Oktober 2016 mit einem von den äthiopischen Behörden ausgestelltem "Travel Document" auf dem Luftweg in die Bundesrepublik ein und meldeten sich am 11. Oktober 2016 in A-Stadt an.

Die Klägerin erhielt am 21. Oktober 2016 erstmals eine Aufenthaltserlaubnis nach § 30 AufenthG (gültig bis zum 15. Juli 2018).

Die Klägerin beantragte am 05. Juli 2018 die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer. Die Aufenthaltserlaubnis wurde am 9. Juli 2018 mit Gültigkeit bis zum 4. Januar 2020 verlängert. Zudem wurde der Klägerin ein Reiseausweis für Ausländer mit Gültigkeit vom 15. Juli 2018 bis zum 4. Januar 2020 ausgestellt.

Die Klägerin beantragte am 15. Dezember 2019 die Verlängerung ihres Aufenthaltstitels und die Verlängerung des Reiseausweises für Ausländer (der diesbezügliche Verlängerungsantrag findet sich nicht im VV). Mit Schreiben vom 19. Februar 2020 hörte der Beklagte die Klägerin zu einer beabsichtigten Ablehnung ihres Antrages auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer an, da die Klägerin nicht über einen Pass oder Passersatz verfüge und sie bisher nicht nachgewiesen habe, dass ihr die Beschaffung eines solchen unzumutbar sei.

Hierzu nahm sie mit Schreiben vom 10. März 2020 und vom 15. März 2020 Stellung und machte geltend, dass es ihr als aus Eritrea geflüchtete Person unzumutbar sei, bei der eritreischen Auslandsvertretung vorzusprechen und die verlangte Zwangssteuer sowie eine Unterschrift unter ein "Reuebekenntnis" zu leisten, nur um eine Unterstützung bei der Beschaffung eines Passes zu erhalten. Durch die Vorsprache dort würde sie ihren Aufenthaltsort offenbaren. Dadurch würden ihre noch in Eritrea lebende Mutter und Schwester einer lebensbedrohlichen Gefahr durch eritreische Sicherheitskräfte ausgesetzt werden. Auch die Familie ihres Mannes würde dann Probleme bekommen. Außerdem befürchte sie, dass man sie dort festhalten werde, um sie als Druckmittel für die Ergreifung ihres Mannes zu benutzen.

Sie habe gemeinsam mit ihren Kindern nach ihrer Flucht aus Eritrea seit Mai 2015 als Flüchtlinge in Addis Abeba gelebt. Da sie seinerzeit über keine Reisepässe verfügt hätten, seien ihnen aus ihrem Heimatland Ersatzpässe durch die UNHCR in Addis Abeba ausgestellt worden. Nach ihrer Einreise in Deutschland sei ihr ohne Forderung der Vorlage eines Passes aus Eritrea ein Reiseausweis ausgestellt worden. In Eritrea habe für sie keine Notwendigkeit bestanden, einen Reisepass zu besitzen. Wer dort einen solchen beantragt hätte, wäre verhaftet worden, da die Behörden in solchen Fällen eine dauerhafte Ausreise befürchtet haben.

Nachdem ihr Mann 2012 desertiert sei, hätten bewaffnete Soldaten sie mehrmals unter Drohungen aufgefordert, ihnen seinen Aufenthaltsort zu nennen. Deshalb habe sie sich mit den Kindern bei Verwandten verstecken müssen. Im Sommer 2014 habe sie einen Fluchtversuch nach Äthiopien unternommen. Allerdings seien sie auf eine bewaffnete Streife getroffen, die das Feuer auf sie eröffnet habe. Dabei sei es zu einer Festnahme eines sie begleitenden jungen Mannes und ihres vierjährigen Sohnes gekommen. Sie selbst und ihre beiden anderen Kinder seien unbemerkt davongekommen. Allerdings seien sie vier Tage später zurückgekehrt und hätten sich zum Gefängnis begeben, da sie ihren Sohn dort nicht habe alleine zurücklassen können. Daraufhin seien sie alle inhaftiert und für zwei Monate festgehalten worden. Während der Inhaftierung sei sie immer wieder nach dem Aufenthaltsort ihres Mannes befragt worden. Nach ihrer Freilassung sei sie erneut - und diesmal erfolgreich - mit ihren drei Kindern aus Eritrea geflohen. Im November 2014 seien sie in einem Flüchtlingscamp in Äthiopien angekommen.

Weder in Eritrea noch nach der Flucht habe für sie die Möglichkeit bestanden, einen in ihrem Heimatland ausgestellten Reisepass zu erhalten.

Der Beklagte stellte ihr am 12. März 2020 eine Fiktionsbescheinigung aus. Diese wurden im Folgenden fortlaufend verlängert (siehe zuletzt Fiktionsbescheinigung vom 4. Mai 2023).

Mit Bescheid vom 19. Mai 2020, der der Klägerin am 30. Mai 2020 zugestellt wurde, lehnte der Beklagte den Antrag auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer der Klägerin und ihrer drei Kinder ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Bundesregierung derzeit keinerlei Erkenntnisse dahingehend vorliegen würden, dass die Unterzeichnung des "Letter of regret" grundsätzlich die rechtliche Position der Unterzeichnenden verschlechtern würde oder Angehörige der Unterzeichnenden in Eritrea Repressalien ausgesetzt wären. Es lägen auch keine gesicherten Erkenntnisse vor, dass die Unterzeichnung der Reueerklärung überhaupt eine Voraussetzung für den Erhalt eine Nationalpasses sei.

Die Klägerin hat am 30. Juni 2020 Klage gegen den Bescheid erhoben.

Am 23. Juli 2020 haben die Kinder der Klägerin Asylanträge gestellt. Diese wurden als Flüchtlinge anerkannt und haben Reiseausweise für Flüchtlinge erhalten.

Die Klägerin begründet ihre Klage wie folgt:

Ihr sei es unzumutbar, sich bei der Botschaft ihres Heimatlandes zu melden und vor Ort entgegen ihrer inneren Überzeugung eine Reueerklärung abzugeben. Die Reueerklärung sei hier gegenüber dem Verfolgerstaat ihrer Familie abzugeben. Es sei das Formular B4/4.2 "Immigration an Citizenship Services Request Form - letter of regret" zu unterzeichnen. Darin bestätige der Erklärende, dass er es bereue, durch das unvollständige Ableisten des Nationaldienstes einen Gesetzesverstoß begangen zu haben, und bereit sei, zu gegebener Zeit die hierfür angemessene Strafe zu akzeptieren. Ihr Mann sei vom Militärdienst desertiert und nach Deutschland geflohen. Hier habe er eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG als anerkannter Flüchtling erhalten.

Sie selbst sei nach seiner Flucht wegen seines Verschwindens ins Visier des eritreischen Militärs gelangt. Man habe sie und die Kinder bedroht. Daraufhin sei sie geflohen, was zunächst gescheitert sei und mit einer Inhaftierung für zwei Monate geendet habe.

Aufgrund der Fluchtgeschichte ihres Mannes und ihrer eigenen Inhaftierung sei es ihr unzumutbar, bei der Botschaft des Verfolgerstaates vorzusprechen und dort eine Reueerklärung zu unterzeichnen.

Es sei ihr unzumutbar eine selbst nur symbolische Bestrafung für die Entziehung von dem unrechtmäßigen Nationaldienst zu akzeptieren. Dies sei für sie eine nicht überwindbare Frage der Moral. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Entscheidung vom vom 11.Oktober 2022 (1 C 9.21) bestätigt, dass die Abgabe einer Reueerklärung unzumutbar sei.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids zu verpflichten, ihr einen Reiseausweis für Ausländer auszustellen,

hilfsweise

hierüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es lägen keine gesicherten Kenntnisse darüber vor, dass die Unterzeichnung einer Reueerklärung eine Voraussetzung für den Erhalt eines eritreischen Nationalpasses sei. Nach Auffassung der Bundesregierung bedinge die Abgabe einer Erklärung vor den Behörden des Herkunftsstaates im Rahmen der Passbeschaffung für sich genommen keine Unzumutbarkeit. Der Bundesregierung lägen keine Erkenntnisse dahingehend vor, dass die Unterzeichnung der Reueerklärung grundsätzlich die rechtliche Position der Unterzeichnenden verschlechtern würde oder Angehörige der Unterzeichnenden in Eritrea Repressalien ausgesetzt wären. Die von dem Klägervertreter zitierte Entscheidung des Eufach0000000030s fände nur auf subsidiär Schutzberechtigte Anwendung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und dieser beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten, deren wesentliche Inhalte Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, sowie das Sitzungsprotokoll verwiesen

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage der Klägerin auf Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer, über die die Einzelrichterin nach Übertragung des Rechtsstreits mit Beschluss vom 24. August 2023 gemäß § 6 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) entscheiden konnte, ist begründet. Die Klägerin hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 18.03.2021 - 8 LB 97/20 -, juris Rn. 24) einen Anspruch auf Ausstellung des begehrten Reiseausweises durch den Beklagten.

I.

Gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) kann einem Ausländer, der nachweislich keinen Pass oder Passersatz besitzt und ihn nicht auf zumutbare Weise erlangen kann, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt werden. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.

Nach § 6 Satz 1 Nr. 1 Var. 2 AufenthV darf ein Reiseausweis für Ausländer im Inland nach Maßgabe des § 5 AufenthV ausgestellt werden, wenn dem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, sobald er als Inhaber eines Reiseausweises für Ausländer die Passpflicht erfüllt. Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin verfügt über eine Fiktionsbescheinigung, ein Aufenthaltstitel aus familiären Gründen soll ihr erst nach Klärung der Erfüllung der Passpflicht erneut ausgestellt werden (vgl. auch VG Karlsruhe, Urteil vom 20.10.2021 - 4 K 4266/20 -, juris Rn. 24 ff.)

II.

Die Klägerin besitzt zudem unstreitig keinen eritreischen Pass. Sie kann einen eritreischen Pass auch nicht auf zumutbare Weise erlangen.

Welche konkreten Anforderungen an das gerichtlich vollständig überprüfbare (BVerwG, Beschluss vom 20.06.2011 - 1 B 1.11 -, juris Rn. 6 m.w.N.) Vorliegen einer Unzumutbarkeit zu stellen sind, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Dabei ist es im Hinblick auf den mit der Ausstellung eines Passes regelmäßig verbundenen Eingriff in die Personalhoheit eines anderen Staates grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Ausländerbehörde den Ausländer zunächst auf die Möglichkeit der Ausstellung eines Passes durch seinen Herkunftsstaat verweist und die Erteilung eines Reiseausweises für Ausländer erst dann in Betracht zieht, wenn diese Bemühungen nachweislich ohne Erfolg geblieben sind. Als zumutbar im Sinne des Absatzes 1 gilt es gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV insbesondere in der den Bestimmungen des deutschen Passrechts (vgl. §§ 6 und 15 des Passgesetzes in der jeweils geltenden Fassung) entsprechenden Weise an der Ausstellung oder Verlängerung mitzuwirken und die Behandlung eines Antrages durch die Behörden des Herkunftsstaates nach dem Recht des Herkunftsstaates zu dulden, sofern dies nicht zu einer unzumutbaren Härte führt. Nach § 5 Abs. 3 AufenthV wird ein Reiseausweis für Ausländer in der Regel nicht ausgestellt, wenn der Herkunftsstaat die Ausstellung eines Passes oder Passersatzes aus Gründen verweigert, auf Grund derer auch nach deutschem Passrecht, insbesondere nach § 7 des Passgesetzes oder wegen unterlassener Mitwirkung nach § 6 des Passgesetzes, der Pass versagt oder sonst die Ausstellung verweigert werden kann.

Eine Unzumutbarkeit, sich zunächst um die Ausstellung eines Nationalpasses des Herkunftsstaates zu bemühen, kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Die einen Ausnahmefall begründenden Umstände sind von dem Ausländer darzulegen und nachzuweisen. Bei den Anforderungen an den Nachweis ist zu differenzieren. Je gewichtiger die von dem Ausländer plausibel vorgebrachten Umstände sind, desto geringer sind die Anforderungen an das Vorliegen einer daraus resultierenden Unzumutbarkeit (Nds. OVG, Urteil vom 25.03.2014 - 2 LB 337/12 -, m.w.N. juris Rn. 34).

Bestehen belastbare Anhaltspunkte dafür, dass dem Ausländer im Rahmen der Beantragung eines Passes in der Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates Gefahren drohen, ist von einer Unzumutbarkeit der Vorsprache auszugehen (vgl. VG Köln, Urteil vom 04.12.2019 - 5 K 7317/18 -, juris Rn. 58). Das gleiche gilt, wenn der Ausländer substantiiert Umstände vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er seine im Bundesgebiet oder im Herkunftsstaat lebenden Familienangehörigen durch das Bemühen um Ausstellung eines Nationalpasses unmittelbar in Gefahr bringen könnte. In diesen Fällen muss sich der Ausländer nicht darauf verweisen lassen, sich zunächst mit der Auslandsvertretung seines Herkunftsstaates in Verbindung zu setzen, um durch deren Reaktion die behauptete Gefährdung nachzuweisen (VGH Baden- Württemberg, Urteil vom 29.02.1996 - 11 S 2744/95 -, juris Rn. 2; Nds. OVG, Urteil vom 18.03.2021 - 8 LB 97/20 -, juris Rn. 27).

Die Unzumutbarkeit der Passerlangung kann sich darüber hinaus aus den Bedingungen ergeben, die der Herkunftsstaat an die Ausstellung eines Passes knüpft. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Erfüllung zumutbarer staatsbürgerlicher Pflichten - darunter die Wehrpflicht, sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen unzumutbar ist - ebenso wie die Zahlung der vom Herkunftsstaat für die behördlichen Maßnahmen allgemein festgelegten Gebühren nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 und 4 AufenthV als zumutbare Bedingungen gelten.

Gemessen an diesen Grundsätzen kann die Klägerin den eritreischen Pass nicht auf zumutbare Weise erlangen.

1.

Dabei kann vorliegend dahinstehen, ob der Klägerin und ihrer in Deutschland lebenden Familie durch den Botschaftsbesuch mögliche Nachteile entstehen könnten sowie ob die Unzumutbarkeit der Passerlangung auch daraus folgt, dass ihren noch in Eritrea lebenden Familienangehörigen aufgrund ihrer Vorsprache Repressalien drohen könnten, was nach den vorliegenden Erkenntnissen zwar unwahrscheinlicher als noch vor einigen Jahren, aber auch nicht auszuschließen ist (vgl. zuletzt EASO, Country of Origin Information Report: Eritrea - National service, exit and return, September 2019, S. 41; ferner Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea vom 27.01.2020, S.23; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Auskunft der SFH-Länderanalyse Eritrea: Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.09.2018, S. 6-7; Amnesty International, Stellungnahme Asylstreitverfahren Eritrea, 03.08.2018, S. 7-8, vgl. auch Mekonnen/Palacios Arapiles, Expert Report: Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification, April 2021, S.48 f., abrufbar unter https://refugeerights.org/news-resources/access-to-documents-by-eritrean-refugees-in-the-context-of-family-reunification-april-2021, zuletzt aufgerufen am 24.10.2023 zu möglichen Nachteilen auch für im Ausland lebende Eritreer aufgrund von extraterritorialem Einfluss der eritreischen Regierung sowie Tilburg University, The 2 % Tax, S. 127 ff und Ujkasevic, ZAR 2022, 263, 265 f. zu Gefährdungen der Antragsteller und in Eritrea lebender Familienangehöriger).

Offenbleiben kann auch, ob und gegebenfalls unter welchen Voraussetzungen die Zahlung der sog. Diaspora-Steuer bzw. Aufbausteuer, die Voraussetzung für die Inanspruchnahme konsularischer Dienstleistungen ist, unzumutbar ist (die Unzumutbarkeit verneinend VG Gießen, Urteil vom 28.07.2016 - 6 K 3108/15.GI -, juris Rn. 23, vgl. hierzu ausführlich VG Hannover, Urteil vom 20.05.2020 - 12 A 2452/19 -, juris Rn. 32, siehe zur möglichen Illegalität der Steuer auch Mekonnen/Palacios Arapiles, Expert Report: Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification, April 2021, S.33 ff. und S.38 f.).

2.

Die Klägerin kann einen eritreischen Pass jedenfalls deshalb nicht auf zumutbare Weise erlangen, weil es ihr nicht zuzumuten ist, die vom eritreischen Staat an die Passausstellung geknüpfte Bedingung der Abgabe einer Reueerklärung zu erfüllen.

Als "Reueformular" bzw. Reueerklärung ("letter of regret") wird das von den eritreischen Auslandsvertretungen vorgehaltene Formular "B4/4.2" ("Immigration and Citizenship Services request form") bezeichnet (Abdruck des eritreischen Originalformulars sowie englischer Übersetzungen bei UN Security Council, Letter dated 11 July 2012 concerning Somalia and Eritrea, 13.07.2012, UN-Doc. S/2012/545, S. 62 f., sowie Tilburg University, The 2 % Tax, Appendix). Der auszufüllende Vordruck besteht aus insgesamt 15 Punkten, die Angaben zur Person (Name, Geburtsort/-datum etc.), zur Ausreise aus Eritrea (Ausreisegründe, -ort und -datum), zu Zwischenaufenthalten in anderen Staaten, zum derzeitigen Aufenthalt (aktuelle berufliche Tätigkeit, aktuelle Anschrift) sowie zu den von dem Betroffenen nach Verlassen des Landes erfüllten "nationalen Verpflichtungen" ("national obligations") umfassen. Mit seiner Unterschrift hat der Erklärende nach dem Wortlaut der als Anlage zu der Studie der Universität Tilburg beigegebenen englischen Übersetzung des Formulars neben der Richtigkeit seiner Angaben abschließend zu bestätigen, dass er bereue, einen Gesetzesverstoß begangen zu haben, indem er seine nationalen Verpflichtungen nicht erfüllt habe, und dass er bereit sei, die dafür gegebenenfalls verhängten angemessenen Maßnahmen zu akzeptieren ("that I regret having committed an offence by failing to fulfill my national obligation and that I am willing to accept the appropriate measures when decided"). Dies entspricht auch der beim Auswärtigen Amt bekannten Fassung (vgl. (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea in der Fassung vom 25.02.2021, S. 26).

Die seitens des UN-Sicherheitsrates veröffentlichte Übersetzung unterscheidet sich davon insoweit, als darin nicht auf die Nichterfüllung nationaler Verpflichtungen, sondern auf die Nichtableistung des Nationaldienstes Bezug genommen wird ("by not completing the national service" (vgl. zu alledem VG Hannover, Urteil vom 20.05.2020 - 12 A 2452/19 -, juris Rn. 34).

a)

Das Gericht geht nach den ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnissen davon aus, dass konsularische Leistungen wie die Ausstellung und Erneuerung von Ausreisevisa, Geburts- oder Heiratsurkunden und Reisepässen von den eritreischen Auslandsvertretungen grundsätzlich gegenüber allen illegal ausgereisten Staatsangehörigen, die im dienstpflichtigen Alter sind (18 bis 47 Jahre für Frauen und 57 Jahre bei Männern), nur gegen Unterzeichnung einer solchen Reueerklärung erbracht werden.

Das Niedersächsische OVG führt hierzu aus (Urteil vom 18.07.2023, 4 LB 8/23, juris Rn. 64 ff.):

" Bei qualifizierender Gesamtbetrachtung und Würdigung der hierzu vorliegenden Erkenntnismittel geht der Senat davon aus, dass der eritreische Staat grundsätzlich allen illegal ausgereisten eritreischen Staatsangehörigen im dienstfähigen Alter und unabhängig davon, ob sie sich nach dem Verständnis eritreischer Behörden dem Wehrdienst entzogen haben oder gar desertiert sind, für die Inanspruchnahme konsularischer Dienstleistungen und zur Erlangung des Diaspora-Status die Unterzeichnung der "Reueerklärung" abverlangt (so auch der 8. Senat des Nds. OVG, Urt. v. 18.3.2021 - 8 LB 97/20 -, juris Rn. 45). Dies ergibt sich aus Folgendem:

Dr. Daniel Mekonnen und Sara Palacios-Arapiles weisen in ihrem Gutachten aus April 2021 darauf hin, dass die Praxis, konsularische Dienste eritreischer diplomatischer Vertretungen von der Unterzeichnung des "Reueformulars" abhängig zu machen, uneingeschränkt für all diejenigen gelte, die das Land nach dem von 1998-2000 währenden Grenzkonflikt mit Äthiopien verlassen haben. Denn die eritreische Regierung betrachte alle diese Personen als "Flüchtige" oder "Personen, die das Land illegal verlassen haben". Bevor sie konsularische Dienstleistungen in Anspruch nehmen könnten, müssten sie sich formell schuldig bekennen (Mekonnen/Palacios-Arapiles, Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification", April 2021, S. 36). Die Unterzeichnung des "Reueformulars" bilde zusammen mit der Erhebung der Diaspora-Steuer ein untrennbar verbundenes Tandemverfahren (Mekonnen/Palacios-Arapiles, Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification", April 2021, S. 41 f.). Eine Person, die bereit sei die Steuer zu zahlen, könne dies nicht tun, ohne das Reueformular zu unterschreiben, insbesondere wenn diese Person nach dem Grenzkonflikt mit Äthiopien 1998-2000 aus dem Land geflohen sei und sich innerhalb der Altersgrenze für den nationalen Militärdienst (NMSP) befinde oder sich dieser nähere (Mekonnen/Palacios-Arapiles, Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification", April 2021, S. VI).

Diese Einschätzung deckt sich im Ergebnis mit der Angabe verschiedener Quellen, die Reueerklärung sei von denjenigen abzugeben, die Eritrea illegal verlassen und den Nationaldienst nicht geleistet oder nicht abgeschlossen haben.

So hat EASO festgestellt, dass das "Reueformular" von allen Eritreern unterzeichnet werden müsse, die das Land illegal verlassen haben ohne den Nationaldienst abzuschließen. EASO stellt im Hinblick auf den Vorwurf der Dienstpflichtverletzung unmissverständlich klar, dass von dem Erfordernis der Unterzeichnung des Reueformulars nur Personen befreit seien, die vom Nationaldienst ausgenommen sind oder die den Dienst bereits abgeschlossen haben (EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, Herkunftsländer-Informationsbericht, September 2019, S. 60 f.).

Auch der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen weist darauf hin, dass die "Reueerklärung" von allen Eritreern verlangt werde, die das Land widerrechtlich ("unlawfully") verlassen haben (HRC, Report of the detailed findings of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea (Advance Version), 5.6.2015, S. 117). Ähnlich hat die Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH, Eritrea: Reflexverfolgung, Rückkehr und "Diaspora-Steuer", 30.9.2018, S. 8) ausgeführt, dass die Unterzeichnung des "Reueformulars" von Deserteuren und Personen verlangt werde, die das Land "in rechtswidriger Weise" verlassen haben.

Aufgrund der der vorstehend ausgewerteten Erkenntnismittel hält der Senat vereinzelte Quellen, wonach (nur) Deserteure und Wehrdienstverweigerer eine Reueerklärung abzugeben hätten (UK Home Office, Country Policy and Information Note - Eritrea: National service and illegal exit, Juli 2018, S. 55 "who have left Eritrea without having completed national service"; SEM, Focus Eritrea: Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (aktualisiert am 10.8.2016) S. 33), nicht für hinreichend aussagekräftig (so auch der 8. Senat des Nds. OVG, Urt. v. 18.3.2021 - 8 LB 97/20 -, juris Rn. 50). Demzufolge vermag der Senat aus der Erkenntnismittellage auch nicht zu erkennen, dass eritreische Staatsangehörige, die illegal aus Eritrea ausgereist sind und daher ihrer Dienstpflicht bislang nicht nachgekommen sind, denen aber aufgrund der Umstände ihrer Ausreise möglicherweise nicht der Vorwurf der Entziehung oder Desertion vom Nationaldienst gemacht wird, von der Abgabe einer "Reueerklärung" grundsätzlich befreit sind.

Gegen eine Praxis der eritreischen Behörden, nationaldienstverpflichtete Personen, die zwar ihrer Dienstpflicht bislang nicht nachgekommen sind, denen aber nicht der Vorwurf der Entziehung oder Desertion vom Nationaldienst gemacht wird, vom Erfordernis der Unterzeichnung des "Reueformulars" auszuklammern, spricht zudem auch der vorstehend festgestellte Tandemcharakter von Diaspora-Steuer und "Reueformular". In einem untrennbar verbundenen Tandem-Prozess aus Erhebung der Diaspora-Steuer und Abgabe der "Reueerklärung" würde aus dem Absehen von der "Reueerklärung" der Verzicht auf die Erhebung der Diaspora-Steuer folgen. Dass aber die vorstehend genannte Personengruppe von der Verpflichtung zur Zahlung der Diaspora-Steuer ausgenommen wäre, ist anhand der vorliegenden Erkenntnismittel nicht ersichtlich. Danach haben vielmehr uneingeschränkt alle im Ausland wohnhaften Eritreer die Diaspora-Steuer zu zahlen (vgl. AA, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, 3.1.2022, S. 21; BS, Country Report Eritrea, 29.4.2020, S. 5; EASO, Eritrea, Nationaldienst, Ausreise und Rückkehr, Herkunftsländer-Informationsbericht, September 2019, S. 60).

Soweit es in der Praxis in Einzelfällen vorkommen sollte, dass bei eritreischen Staatsangehörigen für die Inanspruchnahme konsularischer Leistungen auf die Unterzeichnung des "Reueformulars" verzichtet worden ist, rechtfertigt dies keine Rückschlüsse auf die regelmäßige Vorgehensweise der eritreischen Auslandsvertretungen. Im Übrigen werden Behauptungen, dass die eritreischen Botschaften, insbesondere die in Deutschland befindliche, in den letzten Jahren die 2%-Diaspora-Einkommenssteuer nicht mehr einziehen und/oder die Unterzeichnung des "Reueformulars" nicht mehr durchführen würden, als unzutreffend gewertet (Mekonnen/Palacios-Arapiles, Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification", April 2021, S. 41). Eine Befragung gut unterrichteter Eritreerinnen und Eritreer aus Deutschland habe vielmehr ergeben, dass die eritreische Botschaft zwar eine diskretere Art und Weise der Handhabung des Reueformulars eingeführt habe, diese Praxis aber keineswegs eingestellt worden sei (Mekonnen/Palacios-Arapiles, Access to Documents by Eritrean Refugees in the Context of Family Reunification", April 2021, S. 41)."

Dieser Auffassung schließt sich das Gericht nach eigener Prüfung der Erkenntnismittel an. Die Einzelrichterin geht davon aus, dass die Klägerin, die mit einem Alter von 38 Jahren noch der Dienstpflicht unterfällt und die nach eritreischem Recht das Land illegal verlassen hat, da sie nicht über ein gültiges Reisedokument und ein gültiges Ausreisevisum verfügt hat (vgl. Art. 10 Abs. 1 und Art. 11 der Proklamation Nr. 24/1992 issued to regulate the issuing of travel documents, entry and exit visa from Eritrea, and to control residence permits of foreigners in Eritrea, abrufbar in englischer Sprache unter http://www.refworld.org/cgi-bin/texis/vtx/rwmain/opendocpdf.pdf?reldoc=y&docid=54c0d9d44), mit weit überwiegender Wahrscheinlichkeit zur Inanspruchnahme konsularischer Dienste die Reueerklärung abgeben müsste.

b)

Die Abgabe dieser Erklärung ist der Klägerin jedoch unzumutbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat hierzu im Falle eines subsidiär schutzberechtigten Eritreers festgestellt, dass die Reueerklärung neben einem Ausdruck des Bedauerns oder Bereuens als solchem auch die Selbstbezichtigung einer Straftat - nämlich der nach eritreischem Recht strafbaren illegalen Ausreise - enthalte und dass diese Selbstbezichtigung dem Kläger gegen seinen ausdrücklich und plausibel bekundeten Willen nicht zumutbar sei und begründet dies wie folgt (BVerwG, Urteil vom 11.10.2022 - 1 C 9.21 - , juris Rn. 17 ff.):

"Bei der erforderlichen Interessenabwägung zwischen dem staatlichen Interesse einerseits, das auf die Pass- und Personalhoheit des Herkunftsstaates Rücksicht zu nehmen hat, und den Grundrechten des Ausländers andererseits ist neben dessen Ausreisefreiheit hier auch dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht zu berücksichtigen. Das durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den Schutz vor einem Zwang zur Selbstbezichtigung. Es schützt davor, dass in einem deutschen Strafverfahren Aussagen verwendet werden, die aufgrund eines Zwangs zur Selbstbezichtigung getätigt worden sind. Der Einzelne soll vom Staat grundsätzlich nicht in eine Konfliktlage gebracht werden, in der er sich selbst strafbarer Handlungen oder ähnlicher Verfehlungen bezichtigen muss (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Februar 1997 - 1 BvR 2172/96 - BVerfGE 95, 220 ). Der vom Bundesverfassungsgericht so umschriebene Schutz ist auf das Strafverfahren ausgerichtet und bezeichnet ergebnishaft diejenigen Fälle, in denen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzt ist, also ein verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigter Eingriff in dessen Schutzbereich vorliegt. Der Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist indessen nach Auffassung des Senats weiter gefasst. Er ist auch dann eröffnet, wenn zwar kein mit Beugemitteln durch setzbarer oder strafrechtlich sanktionierter Zwang zur Selbstbelastung vorliegt, aber der Einzelne zur Erlangung einer staatlichen Leistung, auf die er grundsätzlich einen Anspruch hat, auf die Abgabe einer Selbstbezichtigung verwiesen wird. So liegt der Fall hier [...] Der Begriff der Zumutbarkeit muss deshalb zum einen so ausgelegt und angewendet werden, dass die grundrechtlich geschützte Ausreisefreiheit keinen unverhältnismäßigen, in einem demokratischen Staat nicht notwendigen Einschränkungen unterworfen wird. Zum anderen liegt in dem positiven Verweis auf die die Abgabe einer Selbstbezichtigung erfordernde Beschaffung eines Nationalpasses und der damit einhergehenden Versagung eines Reiseausweises für Ausländer durch die Ausländerbehörde auch ein mittelbarer Eingriff in das all gemeine Persönlichkeitsrecht (ebenso VG Hannover, Urteil vom 20. Mai 2020 - 12 A 5005/18 [ECLI:DE:VGHANNO:2020:0520.12A5005.18.00] - juris Rn. 40; VG Schleswig, Urteil vom 25. Juni 2021 - 11 A 270/20 [ECLI:DE:VGSH: 2021:0625.11A270.20.00] - juris Rn. 42 f.; Ujkasevic, ZAR 2022, 263 ). Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene plausibel darlegt, dass er zu der Selbstbezichtigung freiwillig nicht bereit ist. Die Grundrechte verpflichten den Staat nach Maßgabe des faktisch und rechtlich Möglichen auch dazu, den Einzelnen vor Verletzungen der Menschenwürde oder elementarer rechtsstaatlicher Grundsätze von Seiten ausländischer Staatsgewalt zu schützen (vgl. BVerfG, Ur teil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09, 1 BvR 1140/09 [ECLI:DE:BVerfG:2016: Seite 12 von 17 rs20160420.1bvr096609] - BVerfGE 141, 220 Rn. 326 - 328; Kunig/Kotzur, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 7. Aufl. 2021, Art. 1 Rn. 49). 23 24 25 26

b) Die hiernach vorzunehmende Abwägung zwischen der grundrechtlich geschützten Ausreisefreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Klägers einerseits und den staatlichen Interessen, namentlich dem Interesse an gebührender Rücksichtnahme auf die Pass- und Personalhoheit Eritreas, andererseits, geht vorliegend zugunsten des Klägers aus.

aa) Die für die Passerteilung geforderte Erklärung, unter Verletzung der nationalen Pflichten illegal ausgereist zu sein und eine eventuell dafür verhängte Strafe zu akzeptieren, ist unter Berücksichtigung der widerstreitenden Belange für einen eritreischen Staatsangehörigen, der plausibel bekundet, die Erklärung nicht abgeben zu wollen, weder eine nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV zumutbare Mitwirkungshandlung noch eine "zumutbare staatsbürgerliche Pflicht" im Sinne von § 5 Abs. 2 Nr. 3 AufenthV. Unter zumutbaren staatsbürgerlichen Pflichten versteht der Verordnungsgeber insbesondere "jeweils auch im Einzelfall zumutbare Anforderungen der Registrierung bei Auslandsvertretungen auswärtiger Staaten einschließlich der Erteilung zumutbarer Auskünfte, der Beantragung einer Befreiung von Präsenzpflichten im Herkunftsstaat, der Zahlung von Steuern und Abgaben, der Erfüllung von Zivilschutzaufgaben nach dem Recht des Herkunftsstaates oder zur Ableistung eines Zivildienstes" (vgl. BR-Drs. 731/04 S. 152 f.). Vom Herkunftsstaat geforderte Mitwirkungshandlungen, die in den Bestimmungen des deutschen Passrechts keine Entsprechung haben, sind dem Ausländer unter Berücksichtigung dieser Vorgaben gegen seinen Willen nur zuzumuten, soweit sie mit grundlegenden rechtsstaatlichen Anforderungen vereinbar sind. Das ist bei der Reueerklärung nicht der Fall. Die Verknüpfung einer Selbstbezichtigung mit der Ausstellung eines Reisepasses entfernt sich so weit von einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung, dass der Ausländer sich darauf gegen seinen Willen von der Ausländerbehörde nicht verweisen lassen muss. Dabei fällt ins Gewicht, dass es sich nicht um eine - grundsätzlich zumutbare - Auskunftspflicht handelt, der ein legitimes Interesse staatlicher Aufgabenerfüllung zugrunde liegt. Ein legitimes Auskunftsinteresse des eritreischen Staates ist vielmehr auch und gerade auf der Grundlage der Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts nicht erkennbar. Zudem ist nach den tatrichterlichen Feststellungen nichts dafür ersichtlich, dass diese von den eritreischen Auslandsvertretungen praktizierte Voraussetzung im "Recht des Herkunftsstaates" (vgl. § 5 Abs. 2 Nr. 2 AufenthV) irgendeine formelle Grundlage hätte. Mit der Erklärung, die bei illegal ausgereisten Eritreern der Legalisierung des "Status gegenüber ihrem Herkunftsstaat" (UA S. 18) dient, soll der Unterzeichner nach der Auslegung des Berufungsgerichts zu erkennen geben, "dass er den eritreischen Staat akzeptiert" (UA S. 21). Damit verbunden ist nicht nur eine "Anerkennung der staatlichen Souveränität und Vorherrschaft Eritreas" (UA S. 21), sondern dem Wortlaut nach auch eine rechtsstaatliche Grenzen nicht ein fordernde Unterwerfung unter die eritreische Strafgewalt. Im Unterschied zu der "Freiwilligkeitserklärung", an die der iranische Staat die Passausstellung an ausreisepflichtige Staatsbürger knüpft und die der Senat für zumutbar erachtet hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. November 2009 - 1 C 19.08 - BVerwGE 135, 219 Rn. 15), wird eritreischen Staatsangehörigen mit der Reueerklärung somit auch ein Loyalitätsbekenntnis zu ihrem Herkunftsstaat abgefordert. Eine solche Selbstbezichtigung ist dem Kläger gegen seinen ausdrücklichen Willen nicht zu zumuten. Dies gilt umso mehr, als es in Eritrea nach den Feststellungen des Berufungsgerichts kein rechtsstaatliches Verfahren gibt (UA S. 18) und dem Kläger gerade deshalb subsidiärer Schutz gewährt worden ist, weil ihm wegen der Straftat, die er mit der Reueerklärung schriftlich eingestehen soll, in Eritrea ein mit Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Behandlung verbundenes Strafverfahren oder eine ebensolche Bestrafung droht (so auch VG Sigmaringen, Urteil vom 16. Februar 2022 - 5 K 4651/20 [ECLI:DE:VGSIGMA:2022: 0216.5K4651.20.00] - juris Rn. 45). Angesichts der gravierenden Menschenrechtsverletzungen und der willkürlichen Strafverfolgungspraxis, die das Berufungsgericht selbst dem eritreischen Staat attestiert hat (UA S. 20, 22, 24), kann ein Eritreer gegen seinen Willen auf die Unterzeichnung einer derartigen Selbstbezichtigung mit bedingungsloser Akzeptanz einer wie auch immer gearteten Strafmaßnahme auch dann nicht zumutbar verwiesen werden, wenn die Abgabe der Erklärung - wie das Berufungsgericht für den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellt hat - die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung und einer Bestrafung wegen der illegalen Ausreise nicht erhöht, sondern unter Umständen sogar verringert. Vielmehr muss der Ausländer unter den beschriebenen Umständen kein auch noch so geringes Restrisiko eingehen und ist allein der - nachvollziehbar bekundete - Unwille, die Erklärung zu unterzeichnen, schutzwürdig. Die willkürliche und menschenrechtswidrige Strafverfolgungspraxis mindert auf der anderen Seite zugleich die Schutzwürdigkeit der Personalhoheit des eritreischen Staates, die in der Abwägung hier zurücktreten muss."

Dieser Rechtsprechung ist nach Auffassung des Gerichts zu entnehmen, dass zur Beantwortung der Frage, ob die Abgabe einer Reueerklärung gegen den Willen des Betroffenen zumutbar ist, eine Abwägung zwischen der grundrechtlich geschützten Ausreisefreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 2 Nr. 2 Zusatzprotokoll Nr. 4 zur EMRK) und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) des Betroffenen einerseits und den staatlichen Interessen, namentlich dem Interesse an gebührender Rücksichtnahme auf die Pass- und Personalhoheit Eritreas, andererseits, vorzunehmen ist.

Auf diese vom Bundesverwaltungsgericht benannten betroffenen Grundrechte kann sich jedoch auch die Klägerin unabhängig davon berufen, dass sie über keinen asylrechtlichen Schutzstatus verfügt, sondern im Rahmen des Familiennachzugs rechtmäßig nach Deutschland eingereist ist (zur Übertragbarkeit auf weitere Fallkonstellationen auch Ujkasevic, ZAR 2022, 263, 269). Denn das Recht der allgemeinen Handlungsfreiheit in Art. 2 Abs. 1 GG ist als Menschenrecht ausgestaltet; auf seinen Schutz kann sich daher jede natürliche Person berufen (Lang, in: BeckOK GG, 56. Ed. 15.8.2023, GG Art. 2 Rn. 43).

Lediglich auf die speziell in Art. 25 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU enthaltene Verpflichtung der Mitgliedsstaaten, Personen, denen der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden ist und die keinen nationalen Pass erhalten können, Dokumente für Reisen außerhalb ihres Hoheitsgebiets aus, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen, kann sich die Klägerin nicht berufen.

Dies ist vorliegend jedoch unschädlich. Denn der deutsche Gesetzgeber hat auch für die Inhaber von Aufenthaltstiteln, die nicht auf einem asylrechtlichen Schutzstatus beruhen, die Möglichkeit von Auslandsreisen vorgesehen (vgl. Umkehrschluss aus § 51 Abs.1 Nr. 6 und Nr.7 AufenthG).

Bei Abwägung der grundrechtlich geschützten Ausreisefreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin mit den staatlichen Interessen, namentlich dem Interesse an gebührender Rücksichtnahme auf die Pass- und Personalhoheit Eritreas, andererseits, überwiegt das Interesse der Klägerin aus den vom Bundesverwaltungsgericht benannten Gründen. Denn auch zu ihren Gunsten kann ins Feld geführt werden, dass es sich bei dem zu erwartenden Loyalitätsbekenntnis im Austausch für konsularische Dienste um eine Anforderung handelt, welche nicht mit einer rechtsstaatlichen Verfahrensgestaltung in Einklang zu bringen ist und dass die willkürliche und menschenrechtswidrige Strafverfolgungspraxis Eritreas wegen der Straftat, die sie mit der Reueerklärung schriftlich eingestehen soll, zugleich die Schutzwürdigkeit der Personalhoheit des eritreischen Staates in einem Maße mindert, dass diese in der Abwägung zurücktreten muss.

Aus der Rechtsprechung des Eufach0000000030s wird hierbei auch hinreichend deutlich, dass in diesem Kontext gerade nicht an eine einem subsidiär Schutzberechtigtem mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohende tatsächliche Gefahr der Strafverfolgung aufgrund der Abgabe der Reueerklärung angeknüpft wird. So verweist das Gericht darauf, dass ein Eritreer gegen seinen Willen auf die Unterzeichnung einer derartigen Selbstbezichtigung mit bedingungsloser Akzeptanz einer wie auch immer gearteten Strafmaßnahme auch dann nicht zumutbar verwiesen werden darf, wenn die Abgabe der die Wahrscheinlichkeit einer Strafverfolgung und einer Bestrafung wegen der illegalen Ausreise nicht erhöht, sondern unter Umständen sogar verringert und dass ebenso dahinstehen könne, dass ihm aufgrund seines subsidiären Schutzstatus keine Rückkehr nach Eritrea - und damit auch keine Strafmaßnahmen - drohe. Das Bundesverwaltungsgericht stellt vielmehr das aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitete Recht, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, in den Mittelpunkt der Abwägung.

Auch das Bundesministerium des Inneren und für Heimat weist mit einem Länderschreiben vom 16. August 2023 (Az: MI2.20105/45#43) auf das Folgende hin:

"Die Unzumutbarkeit, eine "Reueerklärung" unter diesen Voraussetzungen abzugeben, gilt unabhängig von Alter, Geschlecht, Aufenthaltszweck sowie Aufenthalts- und (asylrechtlichen) Schutzstatus."

Im Erlass des Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport vom 12. September 2023 findet sich (Az: 63.23 - 12231-2 ERI/03) diese Aussage ebenfalls.

Dem Gericht ist bekannt, dass der Erlass dennoch im Folgenden darauf verweist, dass Eritreer ohne Schutzstatus dennoch glaubhaft machen sollen, dass sie sich bemüht haben, bei der eritreischen Auslandsvertretung vorzusprechen und dass sie zur Forderung, eine Reueerklärung abzugeben plausibel und ausdrücklich erklären, dass sie diese nicht abgeben wollen.

Ein solches Vorgehen hält das Gericht jedoch in Fällen, in denen der Betroffenen von Vornherein plausibel macht, die Reueerklärung nicht abgeben zu wollen, ebenfalls für unzumutbar. Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb eritreische Staatsangehörige, die nicht über einen Schutzstatus verfügen, weiterhin bei der Botschaft vorsprechen sollen, um dann im Folgenden bei der Ausländerbehörde geltend zu machen, dass sie zur Abgabe einer entsprechenden Reueerklärung aufgefordert worden sind und aus welchen Gründen sie diese nicht abgeben wollen. Denn unter Berücksichtigung der Tatsache, dass kaum Zweifel daran bestehen, dass der Betroffene zur Abgabe der Reueerklärung aufgefordert werden wird (siehe hierzu Ausführungen oben), ist ein solches Vorgehen in diesen Fällen als von vornherein aussichtslos hinsichtlich der Passbeschaffung zu bewerten, während erschwerend ein bestehendes Rest-Risiko bezüglich negativer Konsequenzen für den Betroffenen selbst sowie gegebenfalls noch in Eritrea verbleibende Familienangehörige nicht ausgeschlossen werden kann.

c)

Die Klägerin erfüllt auch die subjektive Voraussetzung für eine Unzumutbarkeit der Reueerklärung. Sie hat plausibel bereits im Rahmen ihrer Anhörung durch den Beklagten bekundet, die Reueerklärung aufgrund der von ihr und ihrer Familie erfahrenen Bedrohung und zwischenzeitlichen Inhaftierung durch den eritreischen Staat nicht abgeben zu wollen. Dies hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung noch einmal wiederholt. Diese Angaben sind unter Berücksichtigung der Flüchtlingsanerkennung des Ehemanns der Klägerin und ihrer nachgewiesenen Flucht nach Äthiopien als glaubhaft zu erachten.

Weitergehende Anforderungen sind an die Plausibilisierung der Weigerung nicht zu stellen; insbesondere bedarf es nicht der Glaubhaftmachung einer Gewissensentscheidung oder einer unauflöslichen inneren Konfliktlage (BVerwG, Urteil vom 11.10.2022 - 1 C 9.21 -, juris Rn. 31).

III.

Die Klägerin hat auch einen gebundenen Anspruch auf die Ausstellung des Reiseausweises.

Auf der Rechtsfolgenseite steht die Ausstellung eines Reiseausweises für Ausländer gemäß § 5 Abs. 1 AufenthV grundsätzlich im Ermessen der Ausländerbehörde ("kann"). Eine solche Ermessensentscheidung hat sie jedoch im angefochtenen Bescheid ausdrücklich nicht getroffen, weil nach ihrer - unzutreffenden - Auffassung schon die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt waren.

Vorliegend ist das Ermessen zur Überzeugung des Gerichts indes ausnahmsweise "auf Null" reduziert, nämlich dergestalt, dass nur die Ausstellung des Reiseausweises als pflichtgemäß angesehen werden kann. Dies ergibt sich hier mit Blick auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) bereits daraus, dass die Allgemeine Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz vom 26. Oktober 2009 in Ziffer 3.3.1.8 Satz 2 bestimmt: "Die Ausstellung soll im Allgemeinen nur versagt werden, wenn die Ausstellungsvoraussetzungen des § 5 AufenthV nicht erfüllt werden, wenn kein Ausstellungsgrund nach den §§ 6 und 7 gegeben ist oder wenn öffentliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland der Ausstellung entgegenstehen" (vgl. hierzu VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 16.01.2020 - 11 S 3282/19 -, juris Rn. 10 f.; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.01.2017 - OVG 3 N 79.16 -, juris Rn. 3; a. A. VG Dresden Urteil vom 12.03.2015 - 3 K 687/13, juris Rn. 37; VG Augsburg, Urteil vom 9. Oktober 2012 - Au 1 K 12.872 -, juris Rn. 23).

Derartige entgegenstehende öffentliche Interessen können sich - abgesehen von den Regelversagungstatbeständen des § 5 Abs. 3 und 4 AufenthV und dem hier nicht gegebenen Fall nicht zweifelsfrei geklärter Identität (die Identität der Klägerin wurde vorliegend von der deutschen Botschaft im Visumsverfahren geprüft) - vor allem aus den Gesichtspunkten der Passhoheit des Herkunftsstaates und der erheblichen abstrakten Missbrauchsgefahr (vgl. die Begründung der Bundesregierung, BR-Drs 731/04, S. 151 f.) ergeben (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 25.01.2017 - OVG 3 N 79.16, juris Rn. 3). Es sind im Fall der Klägerin keine Umstände ersichtlich, die eine Abweichung von der verwaltungsinternen Festlegung, die Ausstellung des Reiseausweises in Fällen wie dem vorliegenden "im Allgemeinen" nicht zu versagen, rechtfertigen könnten.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.