Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
v. 06.09.2010, Az.: 5 LA 329/09
Klage auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge eines sich im Ruhestand befindenden Polizeihauptkommissars; Relevanz des Zeitpunkts der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer zum Nachteil des Betroffenen angewandten Norm im Rahmen einer Wiederaufgreifensentscheidung; Verstoß gegen die guten Sitten oder den Grundsatz von Treu und Glauben aufgrund des Verbleibens von wirtschaftlichen Vorteilen bei der Rentenversicherung durch die Berufung auf die Bestandskraft des Versorgungsfestsetzungsbescheides zu Lasten des Beamten
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 06.09.2010
- Aktenzeichen
- 5 LA 329/09
- Entscheidungsform
- Entscheidung
- Referenz
- WKRS 2010, 24026
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0906.5LA329.09.0A
Rechtsgrundlagen
- Art. 33 Abs. 5 GG
- § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG
- § 51 VwVfG
- § 5 Abs. 3 S. 1 BeamtVG i.d.F. vom 16. März 1999
Redaktioneller Leitsatz
Im Hinblick auf die Mindestverweildauer im statusrechtlichen Amt als Voraussetzung für einen Versorgungsanspruch des Beamten ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme der zuständigen Behörde von der Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 3 S. 1 BeamtVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1999 zulässiger zeitlicher Anknüpfungspunkt für ihre Ermessensausübung bei der Rücknahme eines bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheides im Rahmen des § 48 Abs. 1 S. 1 VwVfG. Ein Anspruch des betroffenen Beamten auf rückwirkende Aufhebung des Bescheides kommt, wenn er eine Korrektur seiner Versorgungsbezüge vor Bekanntwerden des bundesverfassungsgerichtlichen Beschlusses nicht gefordert hat, nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" erscheint. Das ist indes nicht schon aufgrund behaupteter wirtschaftlicher Nachteile des Beamten der Fall; vielmehr muss in diesem Zusammenhang das Bestehen einer wirtschaftlichen Notlage aufgezeigt werden.
Gründe
Der Kläger wurde am 27. Februar 200 zum Polizeihauptkommissar (Besoldungsgruppe A 11 BBesO) ernannt und mit Ablauf des 31. Dezember 200 wegen Erreichens der für ihn als Beamter der Bundespolizei geltenden Altersgrenze in den Ruhestand versetzt. Die Beklagte setzte durch zwischenzeitlich bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 3. Dezember 2003 die Versorgungsbezüge auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 10 BBesO fest, weil der Kläger die damals noch geltende Mindestverweildauer im Amt von drei Jahren zum Zeitpunkt der Zurruhesetzung noch nicht erfüllt hatte. Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit dem durch Pressemitteilung vom 13. April 2007 bekannt gemachten Beschluss vom 20. März 2007 (- 2 BvL 11/04 -, BVerfGE 177, 372 ff.) die Vorschrift des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322) für mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und nichtig erklärt hatte, beantragte der Kläger mit Schreiben vom 13. Juni 2007 die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 11 BBesO. Diesen Antrag lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 25. Juni 2007 ab. Auf den Widerspruch des Klägers hob die Beklagte mit Bescheid vom 31. August 2007 ihren ablehnenden Bescheid vom 25. Juni 2007 auf, nahm den bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 3. Dezember 2003 mit Wirkung vom 13. April 2007 zurück und setzte ab diesem Zeitpunkt die Versorgungsbezüge des Klägers - insoweit wie beantragt - neu fest.
Mit seiner anschließend erhobenen Klage hat der Kläger die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge auch für die Zeit vom 1. Januar 2004 bis zum 12. April 2007 auf der Grundlage seines letzten Beförderungsamtes geltend gemacht. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG liege mangels Änderung der Rechtslage nicht vor. Selbst wenn eine Änderung der Rechtslage vorläge, hätte der Kläger keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens für die Zeit vor Bekanntgabe des bundesverfassungsgerichtlichen Beschlusses.
Denn die Beklagte habe dem Wiederaufgreifen in diesem Fall bereits durch ihren Abhilfe bescheid vom 31. August 2007 Rechnung getragen. Ein anderer Wiederaufgreifensgrund sei für den Zeitraum vor dem 13. April 2007 nicht ersichtlich. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergreife auch nicht rückwirkend die bereits mit bestandskräftigem Bescheid festgesetzte Versorgung. Einen Anspruch auf rückwirkende Aufhebung des Versorgungsfestsetzungsbescheides nach§ 48 VwVfG bestehe ebenfalls nicht. Die Be klagte habe ihr Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag auf Zulassung der Berufung, mit dem der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend macht.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
1.
Ernstliche Zweifel im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zutage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (BVerfG, Beschl. v. 23.6.2000 - 1 BvR 830/00 -, DVBl. 2000, 1458). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hin reichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 30.4.2008 - 5 LA 200/07 -; BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, DVBl. 2004, 838).
Der Kläger meint zunächst, es könne dahingestellt bleiben, ob vorliegend ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens im engeren Sinne nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG oder im weiteren Sinne nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG bestehe. Die Beklagte habe sich durch ihren Bescheid vom 31. August 2007 hinsichtlich des Wiederaufgreifens als solchem gebunden, sodass es nur noch um die Frage gehe, ob sie sich im Rahmen des Wiederaufgreifens des Verfahrens zur Neufestsetzung der Versorgungsbezüge in zeitlicher Hinsicht auf den Zeitraum ab dem 13. April 2007 habe beschränken dürfen oder ob sie die Versorgungsbezüge in zeitlicher Hinsicht vollumfänglich hätte neu festsetzen müssen.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die verwaltungsgerichtliche Prüfung, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Wiederaufgreifens nach § 51 VwVfG einerseits und einer Rücknahme gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG mit Wirkung ab dem 1. Januar 2004 andererseits vorliegen, schlüssig in Frage zu stellen. Denn es beruht auf einer Verkennung des Bescheides der Beklagten vom 31. August 2007. Sowohl der Tenor des Bescheides, der ausdrücklich von einer Rücknahme des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheides vom 3. Dezember 2003 spricht, als auch die Begründung in diesem Bescheid, insbesondere die zum Zeitpunkt der Rücknahme beziehungsweise Neufestsetzung der Versorgungsbezüge angestellten Ermessenserwägungen, lassen keinen Raum für die Annahme, die Beklagte habe vorliegend eine Entscheidung auf der Grundlage von§ 51 VwVfG getroffen. Von einer Bindung der Beklagten an ein Wiederaufgreifen im Anwendungsbereich von § 51 VwVfG ist daher nicht auszugehen. Der Bescheid der Beklag ten vom 31. August 2007 lässt nicht einmal ansatzweise erkennen, dass die Beklagte von dem Vorliegen eines Wiederaufgreifensgrundes im Sinne von § 51 Abs. 1 VwVfG ausgegangen ist. Wäre dieses der Fall gewesen, wären die von ihr angestellten Ermessenserwägungen nicht erforderlich gewesen. Denn die Beklagte hätte, wenn sie ihrem Bescheid die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG zugrunde gelegt hätte, im Sinne eines Zweitbescheides eine Neufestsetzung der Versorgungsbezüge unter Beachtung der aktuellen Rechtslage - mithin unter Anwendung der zweijährigen Mindestverweildauer im statusrechtlichen Amt - ohne zeitliche Einschränkungen und ohne Ausübung von Ermessen vornehmen müssen (vgl. zum Maßstab für die Abänderung des ursprünglichen Verwaltungsakts Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 51, Rn. 20). Eine solche Regelung hat sie ersichtlich nicht getroffen, weshalb es nicht zu beanstanden ist, dass das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen der §§ 51 und 48 VwVfG gesondert geprüft hat. Hier aus folgt zugleich, dass das weitere Vorbringen des Klägers hinsichtlich seiner Rüge einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens im Anwendungsbereich des § 51 VwVfG ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel begründet.
Hinzu kommt, dass das Verwaltungsgericht einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 VwVfG mit der selbständig tragenden Begründung abgelehnt hat, eine Änderung der Rechtslage sei vorliegend nicht gegeben (ebenso Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 51, Rn. 30 a. E.; Lechner/Zuck, BVerfGG, 5. Aufl. 2006, § 79, Rn. 12), ohne dass sich der Kläger hiermit im Rahmen der von ihm geltend gemachten Zulassungsgründe auseinandergesetzt hat.
Die Auffassung des Verwaltungsgerichts, es bestehe auch kein Anspruch auf Neufestsetzung der Versorgungsbezüge nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG für die Zeit vor dem 13. April 2007, hat der Kläger ebenfalls nicht mit seinem Vorbringen schlüssig in Frage gestellt.
Der Kläger ist der Auffassung, es stelle kein sachgerechtes Kriterium dar, im Rahmen einer Wiederaufgreifensentscheidung in zeitlicher Hinsicht darauf abzustellen, wann die Verfassungswidrigkeit einer zum Nachteil des Betroffenen angewandten Norm seitens des zuständigen Verfassungsgerichts festgestellt worden sei und wann dieses Gericht seine Entscheidung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht habe.
Dem ist nicht zu folgen. Da das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1999 (BGBl. I S. 322) ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entschieden hat, war es zunächst nach § 30 Abs. 3 BVerfGG gehalten, den Beschluss den Beteiligten des dortigen Verfahrens bekannt zu geben. Bei öffentlichem Interesse an einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergehen - wie vorliegend - Presseverlautbarungen, die vom Vorsitzenden und Berichterstatter gebilligt werden müssen und erst veröffentlicht werden dürfen, wenn anzunehmen ist, dass die Entscheidung den Beteiligten zugegangen ist (§ 32 der Geschäftsordnung des BVerfG). Da vorliegend das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss am 13. April 2007 durch Pressemitteilung bekannt gemacht hat, konnte die am Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht nicht beteiligte Beklagte auch erst ab diesem Zeitpunkt von der Unvereinbarkeitserklärung und der Nichtigkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der genannten Fassung Kenntnis nehmen und sich bei der Festsetzung der Versorgungsbezüge hierauf einstellen. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem bundesverfassungsgerichtlichen Beschluss seitens der Beklagten erweist sich mithin als objektiver Anhaltspunkt für die Ermessensausübung im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (siehe zur Bedeutung der Kenntnis von Entscheidungen des BVerfG: BFH, Urt. v. 19.4.2007 - III R 34/06 -, BFH/NV 2007, 2083 ff.).
Ernstlichen Richtigkeitszweifeln begegnet das angefochtene Urteil nach Ansicht des Klägers des Weiteren, weil entgegen der verwaltungsgerichtlichen Auffassung im Rahmen der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG zu treffenden Ermessensentscheidung vorliegend entscheidend sei, ob im konkreten Fall Umstände gegeben seien, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit eines auf einer nachträglich als verfassungswidrig er kannten Rechtsnorm basierenden Verwaltungsakts als einen Verstoß gegen die guten Sitten und von Treu und Glauben erscheinen ließen. Da die Maßstäbe hierfür maßgeblich durch die Ausgestaltung der konkreten Rechtsbeziehungen zwischen der Behörde und dem Betroffenen bestimmt seien, sei hierfür von entscheidender Bedeutung, dass das zwischen den Beteiligten bestehende (Ruhestands-)Beamtenverhältnis kraft Gesetzes als besonderes Treue- und Fürsorgeverhältnis ausgestaltet sei. Die Fürsorgepflicht schränke das Ermessen hinsichtlich der Frage einer rückwirkenden Korrektur eines bestandskräftigen Verwaltungsakts ein, wenn dieser zum Nachteil des Beamten auf der Grundlage einer mittlerweile als verfassungswidrig erkannten Norm erlassen worden sei. Diese fordere, damit der Beamte nicht wie jeder andere Bürger behandelt werde, zwingend den Vorrang der materiellen Gerechtigkeit im Rahmen von Wiederaufgreifensentscheidungen vor dem Prinzip der Bestandskraft. Dies gelte insbesondere dann, wenn - wie vorliegend - nur eine geringe Anzahl von relevanten Fällen vorhanden sei, sodass die haushaltswirtschaftlichen Auswirkungen einer kompletten Fehlerkorrektur vernachlässigbar gering seien. Die Beklagte mache sich ansonsten zu seinen Lasten die damalige verfassungswidrige Änderung des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil. Derartige, durch einen Rechtsbruch erlittene wirtschaftliche Vorteile seien indes nicht schutzwürdig, weshalb die Beklagte mit Wirkung vom 1. Januar 2004 die Festsetzung der Versorgungsbezüge hätte korrigieren müssen. Dem könne § 79 Abs. 2 BVerfGG nicht entgegengehalten werden, der die Ermessensentscheidung nicht präjudiziere.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Im diesem Sinne erweist sich der Versorgungsfestsetzungsbescheid vom 3. Dezember 2003 als rechtswidrig, weil er auf § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG in der für mit Art. 33 Abs. 5 GG unvereinbar und nichtig erklärten Fassung beruht. Dies führt jedoch nicht aus den von dem Kläger mit seinem Zulassungsvorbringen angeführten Gründen zu einer Verdichtung des Rücknahmeermessens dahingehend, dass nur die vollständige Rücknahme des Versorgungsfestsetzungsbescheides ermessensfehlerfrei wäre.
Die Ermessensentscheidung hat sich daran zu orientieren, ob nach den Umständen des Einzelfalles dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Einzelfallgerechtigkeit oder aber dem Interesse der Allgemeinheit am Eintritt von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit der Vorzug zu geben ist, ohne dass allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts die Ermessensentscheidung intendiert. Denn die Rechtswidrigkeit, auch wenn sie auf einem Verstoß gegen hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums verstößt, ist lediglich nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme des Verwaltungsakts und einen darauf zielenden Anspruch (vgl. BVerwG, Urt. v. 20.3.2008 - BVerwG 1 C 33.07 -, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 12). Sie begründet daher für sich gesehen einen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheides nicht (vgl. dazu Nds. OVG, Urt. v. 13.01.2009 - 5 LB 312/08 -, Nds. Rpfl. 2009, 143, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 32).
In Anbetracht dessen erweist sich die Möglichkeit der Kenntnisnahme von der Verfassungswidrigkeit des § 5 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1999 - wie bereits ausgeführt - als zulässiger zeitlicher Anknüpfungspunkt für die Rücknahme bestandskräftiger Versorgungsfestsetzungsbescheide, weil erst ab diesem Zeitpunkt sich die Beklagte hierauf hat einstellen können.
Ein Anspruch auf Rücknahme des rechtswidrigen bestandskräftigen Verwaltungsakts - hiervon ist das Verwaltungsgericht rechtsfehlerfrei ausgegangen - besteht demgegenüber ausnahmsweise nur dann, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" er scheint, was von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte abhängt. Das Festhalten an einem solchen Verwaltungsakt ist immer dann "schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder das Gebot von Treu und Glauben erscheinen lassen. Darüber hinaus kann die offensichtliche Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts im Zeitpunkt seines Erlasses oder aber das einschlägige Fach recht die Annahme rechtfertigen, dass das Festhalten an dem Verwaltungsakt sich als "schlechthin unerträglich" erweist (vgl. nur Nds. OVG, Urt. v. 13.01.2009 - 5 LB 312/08 -, Nds. Rpfl. 2009, 143, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 33 und 43 m.w.N. aus der bundesverwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung).
Allein aus dem Umstand, dass mit der Berufung auf die Bestandskraft des Versorgungsfestsetzungsbescheides zu Lasten des Klägers insoweit die wirtschaftlichen Vorteile der Beklagten verbleiben, lässt sich ein Verstoß gegen die guten Sitten oder den Grundsatz von Treu und Glauben nicht herleiten. Der Kläger hat die von ihm behaupteten wirtschaftlichen Nachteile nicht in einer Weise konkretisiert, dass sie die Annahme eines Verstoßes gegen die guten Sitten oder den Grundsatz von Treu und Glauben im Falle der nicht voll ständigen Aufhebung der bestandskräftigen Festsetzung der Versorgungsbezüge begründen könnten. Sein Hinweis auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn in diesem Zusammenhang führt zu keiner anderen Einschätzung, weil die Fürsorgepflicht nur in wirtschaftlichen Notlagen für vorläufige Besoldungs- und Versorgungsleistungen herangezogen werden kann (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 25.3.2010 - BVerwG 2 C 52.08 -, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 14 m. N.). Das Bestehen einer wirtschaftlichen Notlage im vorliegen den Falle hat der Kläger nicht aufgezeigt. Der Gesetzgeber hat im Übrigen im Rahmen der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gebotenen Ermessenserwägungen den durch die Bestandskraft manifestierten wirtschaftlichen Auswirkungen eines rechtswidrigen Verwaltungsakts keinen Vorrang eingeräumt, sondern es den Umständen des Einzelfalles über lassen, ob dem Interesse der Allgemeinheit am Eintritt von Rechtsfrieden und Rechtssicherheit Vorrang vor dem Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Einzelfallgerechtigkeit gebührt.
Ein Anspruch auf rückwirkende Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 3. Dezember 2003 zum 1. Januar 2004 lässt sich auch nicht aus dem einschlägigen Fachrecht herleiten. Der Kläger stellt mit seinem Vorbringen einseitig die Fürsorgepflicht in den Vordergrund, ohne die ihm obliegende Treuepflicht zu berücksichtigen. Zwar greift eine Mindestverweildauer im statusrechtlichen Amt von drei Jahren in mitArt. 33 Abs. 5 GG unvereinbarer Weise in den Grundsatz der amtsgemäßen Versorgung ein. Zu berücksichtigen ist aber, dass die Alimentation regelmäßig nur einen gegenwärtigen Bedarf deckt, während der Kläger aber für einen abgelaufenen Zeitraum eine Korrektur der Versorgungsbezüge verlangt. Dementsprechend ist nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung, der sich der Senat angeschlossen hat, eine Korrektur derartiger Verstöße aus dem wechselseitigen Treueverhältnis nur dann erforderlich, wenn der Beamte während der Dauer des Verstoßes eine solche Korrektur gefordert hat und über dieses Begehren noch nicht abschließend entschieden worden ist (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 13.01.2009 - 5 LB 312/08 -, Nds. Rpfl. 2009, 143, zitiert nach [...] Langtext, Rn. 45 m. w.
N. aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Da der Kläger eine Korrektur seiner Versorgungsbezüge vor Bekanntwerden des bundesverfassungsgerichtlichen Beschlusses nicht gefordert hat, begegnet es keinen ernstlichen Richtigkeitszweifeln, dass das Verwaltungsgericht die Rücknahme des bestandskräftigen Versorgungsfestsetzungsbescheides mit Wirkung vom 13. April 2007 als ermessensfehlerfrei erachtet hat.
2.
Eine Zulassung der Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kommt mangels ordnungsgemäßer Darlegung gemäß § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht in Betracht. Der Kläger hat zwar als Zulassungsantragsteller die aus seiner Sicht für fallübergreifend gehaltenen, konkreten Fragen formuliert. Er hat jedoch bis auf einen Hinweis auf das Fehlen höchstrichterlicher Rechsprechung nicht näher begründet, weshalb die Fragen eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung haben und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Ebenso wenig hat er dargelegt, dass die Fragen entscheidungserheblich sind und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. zu den Darlegungsanforderungen Nds. OVG, Beschl. v. 23.12.2009 - 5 LA 488/09 -, zitiert nach [...]; Beschl. v. 29. 2. 2008 - 5 LA 167/04 -, zitiert nach [...] m.w.N.). Der Kläger hat sich nicht mit der einschlägigen aufgezeigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Ausübung des Rücknahmeermessens auseinander gesetzt. Soweit er die Bedeutung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Rahmen der nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gebotenen Ermessensausübung zum Gegenstand seiner für rechtsgrundsätzlich bedeutsam erachteten Fragen macht, ist nicht ersichtlich, dass an der Klärung dieser Fragen ein allgemeines Interesse besteht. Denn zum einen ist geklärt, dass sich die Ausübung des Rücknahmeermessens auch am Maßstab des einschlägigen Fachrechts orientiert, und zum anderen erweist sich die Ausübung des Ermessens auch am Maßstab der Fürsorgepflicht als Einzelfallentscheidung, sodass die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich sind.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).