Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.09.2010, Az.: 13 LA 28/09
Pflicht zur Kennzeichnung von unverpacktem zur Stabilisierung der roten Fleischfarbe einer Sauerstoffhochdruckbehandlung unterzogenem Frischfleisch im Lebensmitteleinzelhandel in der Frischfleischtheke; Irreführung durch fehlende Kenntlichmachung von mit Sauerstoffhochdruck behandeltem Fleisch aufgrund der Möglichkeit der Enttäuschung der Verbrauchererwartung durch die "Frischeoptik"
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.09.2010
- Aktenzeichen
- 13 LA 28/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 24033
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0909.13LA28.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 11 LFGB
- § 39 Abs. 2 LFGB
- § 7 Abs. 2 ZZulV
- Art. 5 Abs. 3 S. 1 RL 2000/13/EG
Fundstellen
- GRUR-Prax 2010, 470
- LMuR 2010, 167
Amtlicher Leitsatz
Unverpacktes Frischfleisch, das zur Stabilisierung der roten Fleischfarbe einer Sauerstoffhochdruckbehandlung unterzogen wurde, darf im Lebensmitteleinzelhandel in der Frischfleischtheke nicht ohne eine Kenntlichmachung dieser Behandlung angeboten werden. Fehlt eine Kenntlichmachung, liegt eine Irreführung vor, weil die Verbrauchererwartung durch die bloße "Frischeoptik" enttäuscht werden kann.
Gründe
I.
Der Kläger betreibt einen Lebensmitteleinzelhandel mit einer Bedienungstheke, an der den Verbrauchern frisches, nicht vorverpacktes Fleisch angeboten wird. Im Sortiment befindet sich auch Fleisch, das nach dem "Master-Depot-System" unter Hochdruck mit Sauerstoff behandelt wurde. Bei diesem Verfahren wird Sauerstoff unter hohem Druck mehrere Stunden lang in einen Behälter mit dem Fleisch eingeleitet. Die Behandlung dient dazu, die rote Färbung des Fleisches und damit die optischen Eigenschaften über mehrere Tage stabil zu halten und einem "Vergrauen" entgegenzuwirken. Sie stellt bei unverpacktem Fleisch das Pendant zu "unter Schutzatmosphäre verpacktem" Fleisch in Fertigpackungen dar, wenn bei der Schutzatmosphäre ein hoher Sauerstoffanteil Verwendung findet. Der Beklagte beanstandete aus Anlass einer amtlichen Kontrolle, dass die Kunden auf die Sauerstoffhochdruckbehandlung des Fleischs nicht hingewiesen werden. Bei fehlender Kenntlichmachung der Behandlung sei von einer Irreführung der Verbraucher auszugehen. Die dagegen gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Verfügung des Beklagten, die nach einer Klarstellung in der mündlichen Verhandlung bedeute, dass die Kenntlichmachung durch den Hinweis "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" erfolgen solle, sei rechtmäßig. Ohne ausreichende Kenntlichmachung liege eine Irreführung vor. Die nach allgemeiner Verkehrsauffassung bestehende Erwartung eines Durchschnittsverbrauchers, Fleisch mit kräftiger, roter Farbe sei frisch und befinde sich nicht länger als einen Tag in der Fleischtheke, werde bei sauerstoffhochdruckbehandeltem Fleisch nicht erfüllt. Gegen diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts richtet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die Zulassung der Berufung setzt nach § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO voraus, dass einer der in § 124 Abs. 2 VwGO genannten Zulassungsgründe dargelegt ist und vorliegt. Eine hinreichende Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert, dass in der Begründung des Zulassungsantrags im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, weshalb der benannte Zulassungsgrund erfüllt sein soll. Zwar ist bei den Darlegungserfordernissen zu beachten, dass sie nicht in einer Weise ausgelegt und angewendet werden, welche die Beschreitung des eröffneten (Teil-)Rechtswegs in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert (BVerfG, 2. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 12.03.2008 - 2 BvR 378/05 -; BVerfG, 2. Kammer des 1. Senats, Beschl. v. 24.01.2007 - 1 BvR 382/05 -; BVerfG, 1. Kammer des 2. Senats, Beschl. v. 21.01.2000 - 2 BvR 2125/97 -, jeweils zit. nach [...]). Erforderlich sind aber qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.
1.
Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) ist nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils setzen voraus, dass gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gründe sprechen. Das ist regelmäßig der Fall, wenn ein die Entscheidung tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -; BVerwG, Beschl. v. 10.03.2004 - 7 AV 4/03 -, jeweils zit. nach [...]).
a)
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im vorstehend beschrieben Sinne ergeben sich nicht daraus, dass - wie der Kläger meint - das Verwaltungsgericht über einen Verwaltungsakt entschieden habe, der nicht zum Streitgegenstand des Verfahrens gemacht worden sei. Insoweit ist bereits eine fristgerechte Darlegung nicht erfolgt. Sein diesbezügliches Vorbringen hat der Kläger innerhalb der Frist zur Begründung des Berufungszulassungsantrags ausdrücklich (nur) dem Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zugeordnet. Erst in seiner Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 zur Erwiderungsschrift des Beklagten vom 25. August 2009 und damit außerhalb der am 6. April 2009 abgelaufenen Darlegungsfrist hat der Kläger sein entsprechendes Vorbringen auch dem Berufungszulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugeordnet. Davon abgesehen greift die Argumentation des Klägers, der Beklagte habe seine ursprüngliche Verfügung in der mündlichen Verhandlung in unzulässiger Weise durch eine andere Verfügung ersetzt und das Verwaltungsgericht habe diesen ersetzenden Bescheid unzutreffend zum Gegenstand seiner Entscheidung gemacht, auch in der Sache nicht durch (vgl. dazu unten 4.).
b)
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass als Rechtsgrundlage für die Verfügung des Beklagten § 39 Abs. 2 LFGB i.V.m. mit der generalklauselartigen Verbotsvorschrift des § 11 LFGB heranzuziehen ist, so dass auch insoweit die Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils keinen Zweifeln ausgesetzt ist. Die Anwendbarkeit dieser allgemeinen Regelungen ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht durch Spezialvorschriften gesperrt.
aa)
Eine Sperrwirkung für die Anwendbarkeit des § 11 LFGB ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie 2000/13/EG. Nach dieser Bestimmung muss die Verkehrsbezeichnung einer Angabe über den physikalischen Zustand des Lebensmittels oder über die besondere Behandlung, die es erfahren hat (z.B. pulverförmig, gefriergetrocknet, tiefgekühlt, konzentriert, geräuchert) enthalten, sofern die Unterlassung einer solchen Angabe geeignet wäre, beim Käufer einen Irrtum herbeizuführen. Die Argumentation, § 11 LFGB hätte diese Richtlinienbestimmung im Hinblick auf "besondere Behandlungen" nicht ordnungsgemäß umgesetzt, so dass sich eine Heranziehung des§ 11 LFGB für solche Fallgestaltungen verbiete, erschließt sich nicht. Der Kläger unterstellt bei seinem Argumentationsgang bereits im Ansatz in unzutreffender Weise, dass das Verwaltungsgericht über den Auffangtatbestand des § 11 LFGB letztlich doch die nicht umgesetzte Richtlinienbestimmung herangezogen hätte. Dies trifft jedoch nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr ausdrücklich ausgeführt, dass die Richtlinie 2000/13/EG keine unmittelbare Anwendung finde; es hat eine Auslegung des§ 11 LFGB auch nicht im Lichte einer nicht umgesetzten Richtlinienbestimmung vorgenommen. Eine originäre Anwendung des§ 11 LFGB kann jedoch durch eine (vermeintlich) nicht erfolgte Umsetzung einer Richtlinienbestimmung nicht gesperrt werden. Die vom Kläger aufgeworfene Problematik einer Anwendbarkeit von Richtlinienvorgaben bei nicht hinreichender Richtlinienumsetzung zu Lasten des Individuums stellt sich daher hier von vornherein nicht.
bb)
Auch aus der Zusatzstoffzulassungsverordnung (ZZulV) ergibt sich keine Sperre für die Anwendbarkeit der generalklauselartigen Verbotsnorm des § 11 LFGB. Die in § 9 ZZulV vorgeschriebenen Kenntlichmachungen können bereits deshalb keine abschließenden Regelungen darstellen, weil sich aus § 1 Abs. 2 ZZulV ergibt, dass Rechtsvorschriften, die eine Kenntlichmachung abweichend von der ZZulV regeln, unberührt bleiben. Ob - wie das Verwaltungsgericht meint - die Regelung des § 1 Abs. 2 ZZulV, die auf Rechtsvorschriften für bestimmte Lebensmittel Bezug nimmt, eine generelle Öffnungsklausel zum Irreführungsverbot des § 11 LFGB darstellen kann, kann indessen dahinstehen. Eine ausdrückliche Öffnungsklausel ergibt sich vorliegend nämlich aus § 7 Abs. 2 ZZulV. Nach dieser Bestimmung dürfen die in den Anlagen "quantum satis (qs)" zugelassenen Zusatzstoffe für Lebensmittel nach der guten Herstellungspraxis nur in der Menge verwendet werden, die erforderlich ist, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, wobei zusätzlich die Voraussetzung gilt, dass der Verbraucher dadurch nicht irregeführt werden darf. Vorliegend geht es mit dem bei der Hochdruckbehandlung zum Einsatz kommenden Sauerstoff (E 948) um einen allgemein zugelassenen Lebensmittelzusatzstoff. Die Voraussetzungen eines Lebensmittelzusatzstoffes im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) Nr. 1333/2008 liegen vor: Der Sauerstoff wird dem Fleisch zugesetzt, auch eine technologische Wirkung im Endprodukt als ein typisches Abgrenzungsmerkmal zu den Verarbeitungshilfsstoffen im Sinne von Art. 3b VO (EG) Nr. 1333/2008 ist unzweifelhaft gegeben. Kann ein Lebensmittelzusatzstoff zum Erzielen der gewünschten technologischen Wirkung - hier einer Stabilisierung der roten Fleischfarbe - zunächst ohne mengenmäßige Begrenzung im Sinne des § 7 Abs. 1 ZZulV "quantum satis" zugesetzt werden, liegt die Grenze bei einer Irreführung der Verbraucher. Ob von einer Irreführung im Sinne des § 7 Abs. 2 ZZulV auszugehen ist, ist unter Rückgriff auf die allgemein dafür geltenden Kriterien in § 11 LFGB zu beantworten. Als Korrektiv zur grundsätzlich mengenmäßig nicht beschränkten Möglichkeit des Zusetzens eines Lebensmittelzusatzstoffes enthält § 7 Abs. 2 ZZulV mithin eine Öffnungsklausel zum allgemeinen Irreführungsverbot, aus dem sich dann die Grenzen für die mengenmäßig nicht beschränkte Möglichkeit des Zusetzens ergeben. Dies kann in zweifacher Hinsicht der Fall sein: Zum einen kann im Einzelfall der Irreführungsvorbehalt in § 7 Abs. 2 ZZulV seinerseits zu einem Verwendungsverbot oder einer mengenmäßigen Begrenzung führen; zum anderen kann eine Irreführung durch eine Verwendung in der vom Lebensmittelunternehmer gewünschten Menge dadurch ausgeschlossen werden, dass eine ausreichende Kennzeichnung oder Kenntlichmachung erfolgt. Mit der im Irreführungsvorbehalt des § 7 Abs. 2 ZZulV angelegten Öffnungsklausel zur Verbotsvorschrift des § 11 LFGB, auf die auch das Verwaltungsgericht ausdrücklich abgestellt hat, setzt sich der Kläger in der Begründung seines Zulassungsantrages nicht näher auseinander. Seine allgemeinen Erwägungen, dass aufgrund bestimmter gesetzlicher Änderungen von einer bewussten Nichtregelung des Gesetzgebers in Bezug auf die Sauerstoffhochdruckbehandlung auszugehen sei, geht vor dem skizzierten Hintergrund nach Auffassung des Senats ins Leere. Dies gilt insbesondere für das Argument, dass durch eine Änderung derVerordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs - Tier-LMHV - in Zukunft neben den Angaben in § 9 ZZulV auch ein Hinweis auf das Auftauen bei loser Ware erforderlich sein soll (vgl. den mittlerweile m. W. v. 21.05.2010 eingefügten § 16a Tier-LMHV), der zuvor nur für verpackte Ware geregelt war. Auch geht seine Argumentation fehl, dass neben den Anforderungen der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung oder der Zusatzstoffzulassungsverordnung ein Rückgriff auf § 11 LFGB stets unzulässig sei. Wie aufgezeigt enthält die Zusatzstoffzulassungsverordnung für die vorliegende Konstellation eine ausdrückliche Öffnungsklausel zum allgemeinen Irreführungsverbot. Auf die weiteren allgemeinen Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Möglichkeit des Rückgriffs auf eine Generalklausel kommt es vor diesem Hintergrund entscheidungserheblich ebenso wenig an wie auf die dagegen gerichtete Kritik des Klägers.
c)
Ernstliche Zweifel hinsichtlich der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es liege eine Irreführung i.S.d.§ 11 LFGB vor, die die Verfügung nach § 39 Abs. 2 LFGB rechtfertige, sind nicht hinreichend dargelegt worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen der genannten Bestimmungen für den Erlass der angegriffenen Verfügung liegen vor: Auch im Übrigen bestehen gegen die ausgesprochene Verpflichtung zur Kenntlichmachung der Sauerstoffhochdruckbehandlung keine rechtlichen Bedenken.
aa)
Mit der Annahme des Verwaltungsgerichts, das Anbieten des Fleischs ohne Hinweis auf die Sauerstoffhochdruckbehandlung erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen (jedenfalls) des Täuschungs- bzw. Irreführungsverbots aus § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB, hat sich der Kläger innerhalb der Frist für die Begründung des Berufungszulassungsantrags überhaupt nicht auseinandergesetzt. Er hat sich im Schriftsatz vom 1. April 2009 vielmehr darauf beschränkt, geltend zu machen, dass ein Rückgriff auf die Generalklausel des § 11 LFGB aufgrund spezieller Vorschriften von vornherein ausscheide. Erst mit seiner Stellungnahme vom 9. Oktober 2009 - und damit außerhalb der Frist zur Darlegung der Zulassungsgründe - hat sich der Kläger näher mit der Argumentation des Verwaltungsgerichts befasst, das behandelte Fleisch sei nach dessen Aufmachung irreführend, weil es auch nach drei bis vier Tagen Lagerung (in der Frischfleischtheke) dieselbe rote Farbe wie am ersten Tag der Lagerung habe, während der Durchschnittsverbraucher davon ausgehe, dass das Fleisch ganz frisch sei. Schon wegen der verspäteten inhaltlichen Auseinandersetzung des Klägers mit dieser Argumentation scheidet eine darauf gestützte Zulassung der Berufung aus.
bb)
Abgesehen davon hat der Kläger die Auffassung des Verwaltungsgerichts auch inhaltlich nicht ernstlichen Zweifeln auszusetzen vermocht. Der Senat teilt vielmehr die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass ohne Kenntlichmachung der Sauerstoffhochdruckbehandlung jedenfalls ein Verstoß gegen das Irreführungsverbot des § 11 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Satz 2 Nr. 1 LFGB gegeben ist, weil mit der nicht kenntlich gemachten Farbstabilisierung eine zur Täuschung geeignete Aufmachung verwendet wird. Entscheidend dafür ist auch aus Sicht des Senats, dass durch die Aufmachung des Fleischs in Gestalt der Farbstabilisierung die Erwartung eines durchschnittlichen Verbrauchers enttäuscht wird, dass es sich in jedem Fall bei dem kräftig rot gefärbten und nicht angegrauten Fleisch um ganz frisches Fleisch handelt. Der Senat hält die Argumentation des Klägers, dass schon fraglich sei, ob eine bestimmte Fleischfarbe überhaupt die Vorstellung über eine bestimmte Lagerdauer hervorrufen könne, für abwegig. Dem Kläger kommt es doch ersichtlich darauf an, durch die Sauerstoffhochdruckbehandlung die Frischeerwartung des Verbrauchers durch eine ansprechende "Frischeoptik" zu "bedienen", ohne dass es sich in jedem Falle um ganz frisches Fleisch handelt. Es ist letztlich auch irrelevant, worauf die Verbrauchererwartung in Bezug auf die Sollbeschaffenheit eines Lebensmittels (hier: kräftige rote Farbe = ganz frisches Fleisch) beruht. Es kommt vielmehr allein darauf an, dass sich der Kläger diese Assoziation zu Nutze macht, während das Lebensmittel den geweckten Erwartungen an die Frische keineswegs zwingend entspricht. Die mithin zur Täuschung geeignete Aufmachung entfällt ersichtlich nicht durch die Möglichkeit der Nachfrage beim Verkaufspersonal, wenn dem Verbraucher jegliche Anhaltspunkte dafür fehlen, dass eine kräftige und anhaltende Rotfärbung nicht auf den Frischezustand des Fleischs zurückzuführen ist. Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass vom Verwaltungsgericht keine Feststellungen dazu getroffen worden seien, dass das mit Sauerstoff hochdruckbehandelte Fleisch auch noch nach mehreren Tagen Lagerung im Bedientresen verkauft werde. Darauf kommt es letztlich nicht an. Eine Irreführung des Verbrauchers kann sich nicht nur aus einem Abgleich der Verbrauchererwartung mit der Beschaffenheit des Produkts zum Zeitpunkt des Verkaufs ergeben; das produktbezogene Irreführungsverbot verliert seinen Geltungsanspruch ersichtlich nicht an der Ladentheke oder der Supermarktkasse. Vielmehr ist eine dem Lebensmittelunternehmer zuzurechnende Enttäuschung der Verbrauchererwartung auch darin zu sehen, dass das Fleisch nach dem Erwerb durch den Verbraucher noch über mehrere Tage eine "Frischeoptik" aufweist, die aufgrund der nicht kenntlich gemachten Sauerstoffhochdruckbehandlung nicht die tatsächliche Beschaffenheit des Fleischs widerspiegelt.
cc)
Es kann dahinstehen, ob - anders als das Verwaltungsgericht meint - (auch) ein Verstoß gegen das Täuschungsverbot aus § 11 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. c) LFGB anzunehmen ist, wonach es verboten ist, Lebensmittel, die geeignet sind, den Anschein einer besseren als der tatsächlichen Beschaffenheit zu erwecken, ohne ausreichende Kenntlichmachung in den Verkehr zu bringen.
dd)
Eine Irreführung scheidet auch nicht deshalb aus, weil - wie der Kläger meint - seitens der Lebensmittelüberwachung über einen längeren Zeitraum nicht eingeschritten worden sei. Schon die Behauptung, es sei eine entsprechende Herstellungspraxis über mehrere Jahre unbeanstandet geblieben, weil Sauerstoffbehandlungsanlagen bereits seit 1993 vertrieben würden, kann nicht überzeugen. Der Kläger legt schon nicht dar, dass es bis zur Beanstandung durch den Beklagten schon Anhaltspunkte für eine verbreitete Anwendung des Verfahrens gegeben hat, die über die bloße Existenz von Sauerstoffbehandlungsanlagen hinausgehen. Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass ein Lebensmittelunternehmer nicht in tatsächlicher Hinsicht "Fakten schaffen" kann, die zur Folge hätten, dass ein zunächst angewandtes Verfahren unbeanstandet bleiben müsste, weil die Lebensmittelüberwachung nicht sogleich reagiert hat.
d)
Die - ebenfalls verspäteten - Ausführungen des Klägers zur Unverhältnismäßigkeit der Vorgabe "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" gehen ins Leere. Die Beklagte hat einen Verwaltungsakt dieses Inhalts nicht erlassen und daher eine entsprechende rechtlich verbindliche Vorgabe nicht gemacht, sondern lediglich das Fehlen jeglicher Kennzeichnung oder Kenntlichmachung als irreführend beanstandet (vgl. dazu unten 4.).
2.
Eine Zulassung der Berufung kann auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) erfolgen. Der Streitfall müsste dafür einen Schwierigkeitsgrad aufweisen, der signifikant über dem Durchschnitt verwaltungsgerichtlicher Fälle liegt. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten in diesem Sinne weist die Rechtssache entgegen der Auffassung der Klägerin nicht auf. Die vom Kläger als besonders schwierig bezeichnete Frage nach der Anwendbarkeit des Irreführungsverbots lässt sich aus den unter 1. ausgeführten Gründen ebenso klar beantworten, wie diejenige nach der Reichweite der Rechtskraft des verwaltungsgerichtlichen Urteils (vgl. dazu unten 4.).
3.
Auch der von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) wird nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt bzw. liegt nicht vor. Grundsätzliche Bedeutung weist eine Rechtsstreitigkeit dann auf, wenn sie eine rechtliche oder tatsächliche Frage aufwirft, die für die Berufungsinstanz entscheidungserheblich ist und im Sinne der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung einer Klärung bedarf. Die klärungsbedürftige Frage muss dabei mit Auswirkungen über den Einzelfall hinaus in verallgemeinerungsfähiger Form beantwortet werden können (vgl. Kopp/Schenke: VwGO-Kommentar, 16. Aufl. § 124 Rdnr. 10; Bader/Funke-Kaiser/Kuntze/von Albedyll, VwGO-Kommentar, 4. Auflage, § 124 Rdnr. 43; jeweils m.w.N.). Allein der vom Kläger hervorgehobene Umstand, dass viele Lebensmittelunternehmer das Verfahren der Sauerstoffhochdruckbehandlung von unverpacktem Fleisch anwenden oder anwenden wollen, vermag keine grundsätzlich bedeutsame Rechts- oder Tatsachenfrage aufzuwerfen. Zudem lassen sich die Rechtsfragen des Falles beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens bedarf.
4.
Ein zur Zulassung der Berufung führender Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) in Gestalt einer unzulässigen Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten oder einer unzulässigen Verböserung folgt nicht daraus, dass - wie der Kläger meint - der Beklagte erst in der mündlichen Verhandlung an die Stelle des angegriffenen Verwaltungsaktes einen anderen Verwaltungsakt gesetzt bzw. das Verwaltungsgericht diesen zum Gegenstand seiner Prüfung gemacht hätte. Zwar hat das Verwaltungsgericht zur Begründung seiner Entscheidung zunächst darauf verwiesen, dass der Beklagte in der mündlichen Verhandlung klargestellt habe, dass der Hinweis auf die Sauerstoffbehandlung durch die Bezeichnung "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" erfolgen solle. Dem kann aber keine inhaltliche Änderung des ursprünglichen Verwaltungsakts entnommen werden, der sich aus der Nr. 7 des Prüfprotokolls der amtlichen Veterinär- und Lebensmittelkontrolle des Beklagten vom 5. Juni 2007 (Beiakte A, Bl. 14) und dem Schreiben vom 11. Juni 2007 zusammensetzt. Im Prüfprotokoll wurde festgehalten, dass der Verbraucher auf das im Tresen angebotene sauerstoffbehandelte Fleisch hingewiesen werden müsse; im Schreiben vom 11. Juni 2007 wurde hervorgehoben, dass die Anwendung von Sauerstoff in einer Druckbehandlung bei fehlender Kenntlichmachung als irreführend beurteilt werde. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt aber keine Änderung dieses ursprünglichen Inhalts des Verwaltungsakts und der Erlass einer neuen Regelung in der mündlichen Verhandlung vor. Insbesondere hat der Beklagte keinen neuen Verwaltungsakt des Inhalts erlassen, dass das in Rede stehende Fleisch des Klägers mit dem Hinweis "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" zu kennzeichnen sei. Der Beklagte hat vielmehr in der mündlichen Verhandlung lediglich die Begründung seiner Verfügung, die einen unzutreffenden Hinweis auf die für lose Fleischware nicht anwendbare Lebensmittelkennzeichnungsverordnung enthielt, geändert. Auch hat er die Begründung aufgegeben, dass es sich bei dem behandelten Fleisch um eine Fleischzubereitung im Sinne von Anhang I Nr. 1.15. VO (EG) 853/2004 handele und die Veränderung des Produktcharakters nach der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung in geeigneter Weise mit der Verkehrsbezeichnung kenntlich gemacht werden müsse. Eine Änderung der Begründungselemente einer Verfügung ist nach§ 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 VwVfG ohne weiteres möglich, ohne dass der Verwaltungsakt dadurch geändert wird. Lediglich und ausdrücklich als "Vorschlag im Sinne eines kommunikativen Verwaltungshandelns" hat der Beklagte auf die Formulierung mit "Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" hingewiesen. Dass es sich bei dieser Spezifizierung lediglich um einen Vorschlag handelte, konnte durch die Entscheidungsgründe des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht geändert werden. Der maßgebliche Inhalt der angegriffenen Verfügung, nämlich die Feststellung einer Irreführung bei fehlender Kenntlichmachung der Sauerstoffdruckbehandlung, ist somit unverändert geblieben. Nur dies hat letztlich auch das Verwaltungsgericht seiner näheren inhaltlichen Prüfung zugrunde gelegt; es hat keine Prüfung dahingehend vorgenommen, ob die vom Beklagten vorgeschlagene Kenntlichmachung die einzig denkbare ist. Das Verwaltungsgericht hat den Konkretisierungsvorschlag des Beklagten damit auch nicht - wie der Kläger meint - zur Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Verfügung gemacht. Das zeigen die weiteren inhaltlichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts, in denen auf diesen Vorschlag im Einzelnen nicht eingegangen wird. Vielmehr beschränkt sich die Prüfung des Verwaltungsgerichts (zutreffend) ausschließlich auf die Frage, ob ohne jegliche Kenntlichmachung von einer Irreführung auszugehen ist oder nicht. Diese Erwägungen gelten entsprechend für den Verzicht des Beklagten auf das ursprüngliche Begründungselement, es handele sich bei dem vom Kläger angebotenen Fleisch nicht mehr um frisches Fleisch, sondern um eine Fleischzubereitung. Auch dies hat weder zu einer inhaltlichen Veränderung der Verfügung als solcher geführt, noch hat das Verwaltungsgericht aufgrund der Aufgabe dieses Begründungselements einen inhaltlich veränderten Verwaltungsakt geprüft. Schon aus dem Grund, dass eine inhaltliche Ersetzung der früheren Verfügung durch eine neue Verfügung nicht gegeben ist, scheidet die vom Kläger angenommene unzulässige Verkürzung des Rechtsschutzes und eine unzulässige Verböserung aus. Die Frage einer Umdeutung stellt sich nicht. Auch ist das Verwaltungsgericht nicht dadurch über das Klagebegehren des Klägers hinausgegangen, dass es in der Urteilsbegründung ausgeführt hat, es handele sich bei dem Hinweis mit "Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" um eine ausreichende Kenntlichmachung. Das Verwaltungsgericht ist vielmehr schon deshalb nicht entgegen § 88 VwGO über das Klagebegehren hinausgegangen, weil es letztlich seiner inhaltlichen Prüfung nicht die Annahme einer verbindlichen Änderung der ursprünglichen Verfügung des Beklagten zugrunde gelegt hat. Eine Unklarheit über die Reichweite der Entscheidung des Verwaltungsgerichts besteht mithin nicht. Dass die Presseerklärung des Verwaltungsgerichts vom 10. Dezember 2008 zuspitzend und vereinfachend auf die konkrete Formulierung "mit Sauerstoff unter Hochdruck farbstabilisiert" abgestellt hat, vermag daran entgegen der Auffassung des Klägers nichts zu ändern. Maßgeblich bleibt insoweit, dass sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ausdrücklich ergibt, dass es sich bei dieser Wendung lediglich um einen Vorschlag des Beklagten gehandelt hat. Zudem hat der Kläger einer aus seiner Sicht eingetretenen Ersetzung der früheren Verfügung durch eine andersartige auch nicht dadurch Rechnung getragen, dass er seinen Klageantrag entsprechend modifiziert hätte. Vielmehr hat er lediglich beantragt, Ziffer 7 des Prüfberichts des Beklagten vom 5. Juni 2007 in Verbindung mit seiner Verfügung vom 11. Juni 2007 aufzuheben. Auch durch diese Antragstellung blieb der Streitgegenstand klar umrissen.
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).