Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.09.2010, Az.: 10 ME 108/10
Maßgeblichkeit der Zweckbestimmung für die Zuordnung eines Stoffes zu den Pflanzenschutzmitteln; Rechtfertigung des Erlasses pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen nach § 34a Pflanzenschutzgesetz (PflSchG) infolge einer fehlenden Zulassung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 13.09.2010
- Aktenzeichen
- 10 ME 108/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2010, 25757
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2010:0913.10ME108.10.0A
Rechtsgrundlagen
- § 34a PflSchG
- § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO
Fundstellen
- DVBl 2010, 1391
- StoffR 2010, 292
Amtlicher Leitsatz
Für die Zuordnung eines Stoffes zu den Pflanzenschutzmitteln ist allein dessen Zweckbestimmung maßgeblich, nicht aber die Art seiner Herstellung oder seine chemischen Eigenschaften. Bereits das Fehlen einer Zulassung des Pflanzenschutzmittels kann den Erlass pflanzenschutzrechtlicher Maßnahmen nach § 34a PflSchG unter Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO rechtfertigen.
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen Anordnungen der Antragsgegnerin nach § 34a Pflanzenschutzgesetz (PflSchG).
Im Rahmen von Überwachungen seit September 2007 stellte die Antragsgegnerin in mindestens zehn Handelsbetrieben in Niedersachsen fest, dass dort das damals vom Antragsteller vertriebene Produkt B. C. angeboten wurde. Die Antragsgegnerin sieht es als erwiesen an, dass dieses Produkt in den näher bezeichneten Handelsbetrieben aufgrund der mündlichen und schriftlichen Auslobungen allgemein zur Anwendung gegen Wühler angeboten worden sei. Das o.a. Produkt ist nicht als Pflanzenschutzmittel zugelassen.
Mit Bescheid vom 13. Oktober 2009 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller, das Produkt B. C. mit der Zweckbestimmung eines Pflanzenschutzmittels weiterhin in den Verkehr zu bringen und drohte für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- EUR an. Weiter gab sie dem Antragsteller auf, eine vollständige Kundenliste der Empfänger des Produkts C. seit dem 1. Januar 2007 mit Angabe der Namen der Empfänger, der vollständigen Anschriften und der gelieferten Produktmengen innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Bescheids zu übermitteln. Ferner ordnete sie an, dass der Antragsteller die zuvor genannten Empfänger des Produkts C. innerhalb von vier Wochen nach Eingang des Bescheides schriftlich informiert, dass das Produkt nicht angewendet werden darf, um damit Pflanzen vor Wühlmäusen oder anderen Schadorganismen zu schützen, verbunden mit dem Hinweis, dass hierfür nur als Pflanzenschutzmittel zugelassene und auf dem Markt erhältliche Produkte in Verkehr gebracht und angewendet werden dürfen; die erfolgte Absendung sei innerhalb einer Woche nach Versendung unter Beifügung des Informationsschreibens schriftlich mitzuteilen. Die Antragsgegnerin ordnete zugleich die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an.
Der Antragsteller hat am 16. November 2009 gegen den vorgenannten Bescheid Klage erhoben und ferner beantragt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage wiederherzustellen.
Gegen den Antragsteller ist durch Beschluss des Amtsgerichts D. vom 28. Januar 2010 (E.) rechtkräftig eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- EUR wegen fahrlässigen Inverkehrbringens eines nicht zugelassenen Pflanzenschutzmittels (§§ 11 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG) festgesetzt worden.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 8. Juli 2010 den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der unter Androhung eines Zwangsgeldes ausgesprochenen pflanzenschutzrechtlichen Anordnungen der Antragsgegnerin überwögen das Interesse des Antragstellers an einer aufschiebenden Wirkung seiner hiergegen gerichteten Klage. Bei summarischer Prüfung erweise sich der angegriffene Bescheid als offensichtlich rechtmäßig; insoweit werde in vollem Umfang auf die zutreffenden Erwägungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen. Die Antragsgegnerin habe ihre pflanzenschutzrechtlichen Anordnungen zutreffend auf § 34a Satz 1 und Satz 2 Ziffer 2 in Verbindung mit § 11 Abs. 1 PflSchG gestützt und das ihr eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Antragsgegnerin habe festgestellt, dass erhebliche Mengen des Produktes C. des Antragsstellers neben den zugelassenen Pflanzenschutzmitteln und aufgrund entsprechender mündlicher und schriftlicher Auslobungen des Antragstellers allgemein zur Anwendung gegen Wühler abgegeben worden seien. Der Antragsteller könne sich nicht darauf berufen, er habe auf den Etiketten seines Produktes auf Hinweise der Einsatzmöglichkeit zur Bekämpfung von Wühlern verzichtet und die Produktinformationen mit dem Hinweis "kein Pflanzenschutzmittel" versehen. Es sei rechtlich unerheblich, ob die Zweckbestimmung des Produkts auf dessen Verpackung abgedruckt sei. Die Zweckbestimmung eines Produkts ergebe sich keineswegs nur aus der offiziellen Kennzeichnung. Für die rechtliche Beurteilung sei eine sonstige Auslobung in schriftlicher oder mündlicher Form in gleicher Weise von Bedeutung. Für die tatsächliche Auslobung des Produkts C. als Pflanzenschutzmittel gegen Wühler sprächen bereits die an Verkaufsregalen vorgefundenen Produktinformationen zur Verwendbarkeit des Produkts. Der Hinweis "gegen Wühler z.B. unter Terrassen und Gehwegen" stelle die Auslobung des Produkts als Pflanzenschutzmittel trotz des Zusatzes "kein Pflanzenschutzmittel" nicht in Frage. Es handele sich lediglich um eine exemplarische Aufzählung von Anwendungsorten, welche für die Praxis kaum relevant sein dürfte. Dem potentiellen Kunden eines landwirtschaftlichen Großhandels werde damit suggeriert, dass das Produkt auch für die Vergrämung von Wühlern an deren typischen Aufenthaltsorten geeignet sei. Das noch im November 2008 vorgefundene identische Hinweisblatt weise ausdrücklich auf den Wirkstoff Calciumcarbid als "bewährtes Hausmittel zum Einsatz gegen Wühler" mit Dosierungsanleitung hin. Die Produktinformationen seien dem Antragsteller zuzurechnen. Auch der Verweis des Antragstellers auf eine Stellungnahme der Antragsgegnerin vom 28. Juli 1993 sei nicht geeignet, die Zulassungsbedürftigkeit als Pflanzenschutzmittel in Frage zu stellen. Es sei in der Stellungnahme darauf verwiesen worden, dass beim Verkauf des Produkts nicht der Eindruck vermittelt werden dürfe, dass eine pflanzenschützende Wirkung vorhanden sei. Dieser Forderung sei der Antragsteller mit den vorliegenden Produktinformationen gerade nicht nachgekommen. Die Antragsgegnerin habe das ihr zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Die Antragsgegnerin habe ausgeführt, dass sie das rechtswidrige Inverkehrbringen des Produkts C. mit der Zweckbestimmung als Pflanzenschutzmittel und die damit verbundenen Risiken keineswegs als erledigt betrachten könne, weil der Antragsteller wegen seines in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens keine Gewähr biete, nicht weiterhin gesetzwidrig zu handeln; dabei habe die Antragsgegnerin berücksichtigt, dass der Antragsteller sein Gewerbe abgemeldet und seine Reisegewerbekarte zurückgegeben habe. Es sei nicht ersichtlich, dass sich die Antragsgegnerin dabei von sachfremden Erwägungen habe leiten lassen oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei.
Auch die Anordnung der Antragsgegnerin, ihr eine vollständige Liste der Empfänger des Produkts C. für den Zeitraum seit dem 1. Januar 2007 zu übermitteln, sei rechtlich nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin habe die Maßnahme für erforderlich gehalten, um im Rahmen ihrer Überwachungstätigkeit geeignete Maßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Abgabe des Produktes ergreifen zu können. Dabei seien noch erhebliche Mengen des beanstandeten Produkts im Handel zur Abgabe mit der Zweckbestimmung eines Pflanzenschutzmittels vorhanden, die ohne die für Pflanzenschutzmittel erforderlichen Sicherheitshinweise zu Risiken für Mensch, Tier und Naturhaushalt führen könnten. Diese Erwägungen seien trotz der Einstellung des Betriebs des Antragstellers sachgerecht und berücksichtigten, dass durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden müsse, dass das in großen Mengen im Handel vorrätige Produkt C. nicht weiterhin ohne Zulassung als Pflanzenschutzmittel mit dieser Bestimmung angeboten und an einen nicht überschaubaren Kreis von Verbrauchern abgegeben werde. Die Antragsgegnerin habe darauf hingewiesen, dass die Übermittlung der Kundenliste nicht dem Zweck der Verfolgung von Handels- oder Anwenderbetrieben diene. Eine gezielte Überwachung und ggf. weitere Maßnahmen seien nur möglich, wenn die Antragsgegnerin über eine vollständige Liste der Kunden des Antragsstellers verfüge. Dem Gebot der Verhältnismäßigkeit habe die Antragsgegnerin Genüge getan, indem sie die Auskunft auf den Zeitraum der Kontrollen und der festgestellten Verstöße gegen dasPflanzenschutzgesetz beschränkt habe. Der mit der Verfügung vorgegebene Zeitraum zur Vorlage der Kundenliste von vier Wochen nach Eingang des Bescheides sei erledigt; es sei davon auszugehen, dass eine Frist von zwei Wochen nach Vollstreckbarkeit ausreichend sei, um die Übermittlung der Kundenliste zu gewährleisten.
Die Anordnung der Antragsgegnerin, die Empfänger des Produkts auf Handelsebene schriftlich darüber zu informieren, dass das Produkt C. nicht angewendet werden dürfe, um damit Pflanzen vor Wühlmäusen oder anderen Schadorganismen zu schützen, sei ebenfalls ermessenfehlerfrei. Die Antragsgegnerin halte diese Maßnahme zur Vermeidung künftiger Verstöße gegen das Verbot, das Produkt C. mit der Zweckbestimmung eines Pflanzenschutzmittels weiterhin in Verkehr zu bringen, für geboten, weil die Gefahr bestünde, dass die Empfänger des Produkts dieses ohne die entsprechende Information aus Unkenntnis für mehrere Jahre in erheblicher Menge in Verkehr brächten. Der Antragsteller könne insofern nicht einwenden, diese Information sei durch eine Mehrzahl von Schreiben allen früheren Kunden zugeleitet worden. Der Antragsteller habe bislang nicht glaubhaft gemacht, dass eine den Anforderungen der Antragsgegnerin entsprechende Information tatsächlich an seine Kunden versandt worden sei. Auch habe die Antragsgegnerin bei ihren Kontrollen in den Handelsbetrieben keine entsprechenden Schreiben vorgefunden.
Auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht zu beanstanden. Das öffentliche Interesse der Gefahrenabwehr überwiege das private Interesse des Antragsstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehbarkeit. Die Androhung des Zwangsgeldes lasse ebenfalls Ermessensfehler nicht erkennen.
Der Antragsteller hat am 23. Juli 2010 zunächst vollumfänglich Beschwerde eingelegt. Auf Hinweis des Senats hat er mit Schriftsatz vom 24. August 2010 den mit der Beschwerde weiter verfolgten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf die Anordnungen der Antragsgegnerin unter Nr. 2 (Vorlage einer Kundenliste) und Nr. 3 (Versendung eines Informationsschreibens) des Bescheids vom 13. Oktober 2009 beschränkt.
II.
Das Beschwerdeverfahren ist in entsprechender Anwendung des§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit der Antragsteller seine Beschwerde nachträglich beschränkt hat. In der Beschränkung ist eine teilweise Rücknahme seiner Beschwerde zu sehen.
Die im Übrigen nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Der Antragsteller hat geltend gemacht, er habe kein Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht. Das von ihm in Verkehr gebrachte Produkt (Calciumcarbit) sei kein Pflanzenschutzmittel und unterliege nicht dem Pflanzenschutzgesetz. Die Antragsgegnerin habe schon im Jahre 1993 an Handelsbetriebe geschrieben, das betreffende Produkt nicht neben zugelassenen Pflanzenschutzmitteln in die Regale zu stellen. Auch er habe in gleicher Weise darauf hingewirkt. Jedoch sei er nicht in der Lage, die Platzierung in einem offenen Verkaufsgeschäft anzuordnen. Auf den Behältnissen des Produkts sei der Hinweis "kein Pflanzenschutzmittel" aufgedruckt. Es könne richtig sein, dass die Zweckbestimmung eines Produkts nicht nur aus der offiziellen Kennzeichnung abgeleitet werde. Es sei aber keineswegs richtig, wenn entgegen der offiziellen Kennzeichnung eines Produkts ein Verhalten Dritter, die das Produkt in sonstiger Weise auslobten, anböten oder platzierten, dem Lieferanten angelastet werde. Ein gegen Wühler wirksames Präparat, das unter Terrassen und Gehwegen angewendet werden könne, und für das gerade wegen dieser Anwendung Dosierungs- und Anwendungshinweise gegeben würden, könne nicht als Pflanzenschutzmittel bezeichnet werden. Die grüne Farbe des Plakats (Produktinformation) sei in gleicher Weise unverfänglich. Ob nun und ggf. wem gegenüber irgendeine Suggestion auf andere Verwendungsarten einsetze, sei eine völlig hypothetische und durch nichts belegte Vermutung, ebenso wie die Wertung des Verwaltungsgerichts in Bezug auf die Bedeutung der Gebindegrößen für eine Nutzung des Produkts für Karbidlampen oder durch Hobby-Schweißer. Das Verwaltungsgericht habe die Anwendungsbreite des Produkts völlig übersehen.
Diese Einwände greifen nicht durch. Zu Recht ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Produkt C. als Pflanzenschutzmittel in den Verkehr gebracht worden ist, obwohl die hierfür erforderliche Zulassung nach § 11 Abs. 1 Satz 1 PflSchG fehlt, und das dies dem Antragsteller zuzurechnen ist. Das Verwaltungsgericht hat hinsichtlich der Zuordnung des Produkts als Pflanzenschutzmittel maßgeblich darauf abgestellt, dass die Zweckbestimmung eines Produkts sich nicht nur aus der offiziellen Kennzeichnung, sondern in gleicher Weise auch aus der sonstigen Auslobung in schriftlicher oder mündlicher Form ergebe. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die für die Zuordnung als Pflanzenschutzmittel maßgebliche Zweckbestimmung eines Produkts sich aus der stofflichen Zusammensetzung, seiner Aufmachung und der Art seines Vertriebs erschließt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. September 1996 - BVerwG 3 B 43.96 -, Buchholz 424.4 PflSchG Nr. 4 = NVwZ-RR 1997, 215). Für die tatsächliche Auslobung des Produkts C. als Pflanzenschutzmittel gegen Wühler sprechen die o.a. Produktinformationen zur Verwendbarkeit des Produkts. Darin sind u.a. die Hinweise "gegen Wühler z.B. unter Terrassen und Gehwegen" und "bewährtes Hausmittel zum Einsatz gegen Wühler" zu finden. Der Senat tritt der Bewertung des Verwaltungsgerichts bei, einem durchschnittlich informierten Verbraucher als potentieller Kunde werde damit suggeriert, dass das Produkt generell für die Vergrämung von Wühlern an deren typischen Aufenthaltsorten geeignet sei. Der Zusatz "z.B. unter Terrassen und Gehwegen" enthält gerade keine Beschränkung auf diesen Anwendungsbereich, sondern beinhaltet eine nicht abschließende, exemplarische Aufzählung. Dementsprechend ist dieser Zusatz in der Produktinformation nicht geeignet, die damit verbundene Zweckbestimmung des Produkts als Pflanzenschutzmittel in Frage zu stellen. Ebenso uneingeschränkt und offen ist der o.a. Hinweis "bewährtes Hausmittel zum Einsatz gegen Wühler". Dass das vom Antragsteller vertriebene Produkt auch in anderen Anwendungsbereichen (etwa zum Betreiben von Karbidlampen oder zum Schweißen) verwendet werden kann, für das es keiner Zulassung als Pflanzenschutzmittel bedarf, hat nicht zur Folge, dass dieses Produkt in der konkreten Auslobung nicht als Pflanzenschutzmittel im Sinne des § 2 Nr. 9 PflSchG anzusehen wäre. Denn für die Zuordnung eines Stoffes zu den Pflanzenschutzmitteln ist allein die Zweckbestimmung des Stoffes oder der Zubereitung entscheidend. Nicht maßgeblich sind dagegen die Art der Herstellung oder die chemischen Eigenschaften eines Stoffes oder einer Zubereitung (vgl. Schiwy, Deutsches Pflanzenschutzrecht, Kommentar, Stand: September 2009, § 2 Rdnr. 13; für den Fall einer mehrfachen Zweckbestimmung eines Produkts vgl.OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18. August 2000 - 21 A 1491/98 -, RdL 2001, 74 = AgrarR 2001, 292).
Auch ist der Antragsteller für die Zweckbestimmung des Produkts C. als Pflanzenschutzmittel verantwortlich. Die Zweckbestimmung dieses Produkts ergibt sich maßgeblich - wie zuvor ausgeführt - aus den o.a. Produktinformationen, die der Antragsteller für die Vermarktung zur Verfügung gestellt hat.
Daneben spricht für die Zuordnung des vom Antragsteller vertriebenen Produkts als Pflanzenschutzmittel und die Verantwortlichkeit des Antragstellers die Festsetzung einer Geldbuße gegen ihn zur Ahndung einer Ordnungswidrigkeit (Beschluss des Amtsgerichts D. vom 28. Januar 2010) wegen verbotswidrigen Inverkehrbringens nicht zugelassener Pflanzenschutzmittel gemäß §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG).
Des Weiteren hat der Antragsteller eingewendet, die Antragsgegnerin berufe sich zu Unrecht auf bestimmte Schutzziele und auf die Gefahrenabwehr. Diese setze die Möglichkeit von Gefahren voraus. Der Stoff Calciumcarbit sei aber völlig ungefährlich. Dieser Stoff könne ohne jegliche Beschränkung in jeglicher Verpackung frei gehandelt werden. Insoweit habe bereits das Pflanzenschutzamt der Rechtsvorgängerin der Beklagten im Juli 1993 ausgeführt, dass das vertriebene Produkt C. mit der veränderten Auslobung nicht als zulassungspflichtiges Pflanzenschutzmittel gelte und daher aus pflanzenschutzrechtlicher Sicht vertrieben werden dürfe. Das betreffende Produkt sei in jeder Weise frei verkäuflich, so dass das Vorhandensein gewisser geringer Restmengen des Produkts keinerlei Gefahrensituation darstelle, die einen sofortigen Vollzug vor endgültiger Entscheidung in der Hauptsache rechtfertige. Dass der Stoff Calciumcarbit ungefährlich sei, zeige das Informationsblatt des Produkts "F." der Firma G..
Auch diese Einwände verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Es unterliegt keinen rechtlichen Bedenken, dass die angefochtenen Verfügungen Maßnahmen der Gefahrenabwehr sind. Eine Maßnahme dient dann der Gefahrenabwehr, wenn eine konkrete Gefahr abgewendet werden soll. Dabei ist unter Gefahr eine Sachlage zu verstehen, bei der die hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht, dass in absehbarer Zeit ein Schaden für die öffentliche Sicherheit eintreten wird. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst neben dem Schutz zentraler Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit, Eigentum und Vermögen des Einzelnen insbesondere auch die Unversehrtheit der Rechtsordnung (BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1985 - 1 BvR 233/81, 1 BvR 341/81 -, BVerfGE 69, 315; Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehrrecht, 9. Aufl. 1986, § 15 Nr. 2 Buchst. c; Denninger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechtes, 4. Aufl. 2007, Rdnr. 53). Es ist deshalb mit Blick auf die Rechtmäßigkeit der pflanzenschutzrechtlichen Anordnungen der Antragsgegnerin hier nicht entscheidungserheblich, ob von dem beanstandeten Produkt - hier Calciumcarbit - tatsächlich eine Gefahr für Leben und Gesundheit ausgeht. Denn es steht fest, dass ein Inverkehrbringen des Produkts als Pflanzenschutzmittel mangels Zulassung gegen §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 6 PflSchG verstößt und damit die Rechtsordnung beeinträchtigt. Die Maßnahme stellt eine solche der Gefahrenabwehr dar, weil durch sie verhindert werden soll, dass das Produkt C. künftig als Pflanzenschutzmittel in Verkehr gebracht wird. In gleicher Weise dient es der Gefahrenabwehr, die Abgabe (von im Handel noch vorhandenen Restmengen) an den Endverbraucher zu verhindern - wie dies in den Jahren 2007 und 2008 geschehen ist -.
Außerdem hat der Antragsteller zur Begründung seiner Beschwerde angeführt: Die Verfügungen unter den Nummern 2 und 3 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 13. Oktober 2009 verstießen gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Er habe ein "Einmann-Gewerbe" betrieben, wobei er von seiner Ehefrau und gelegentlich von seinem Sohn unterstützt worden sei. Er sei schwer erkrankt und deshalb nicht mehr in der Lage, den Betrieb fortzuführen. Er müsste, um der Verfügung unter Nr. 2 nachzukommen, die Kundenlisten unter Angabe der Adressen und Liefermengen für einen Zeitraum von etwas mehr als zwei Jahren fertigen. Er müsste darüber hinaus nach Nr. 3 der Verfügung, die keiner zeitlichen Begrenzung unterliege, auch weit darüber hinausgehend belieferte Kunden anschreiben. Dies sei für ihn angesichts seiner Erkrankung ein nicht unerheblicher Arbeitsaufwand.
Daneben könne er den Anordnungen objektiv nicht nachkommen. Im Rahmen eines Umzugs habe mangels entsprechender Räumlichkeiten in der neuen Wohnung vieles zurückgelassen werden müssen. Die geschäftlichen Unterlagen seien ohne seine Beteiligung in Kartons verpackt worden, die noch nicht wieder aufgetaucht seien. Er sei nicht in der Lage, die erforderlichen Angaben aus dem Gedächtnis zu machen.
Ferner ergebe sich ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit daraus, dass sein Produkt nicht giftig sei und lediglich eine Zulassung als Pflanzenschutzmittel fehle. Für Letzteres sei er durch die Festsetzung einer Geldbuße zur Rechenschaft gezogen worden. Er habe eine Ordnungswidrigkeit begangen und sich seiner Verantwortung gestellt. Nun aber über diese dafür verhängte Geldbuße noch Kundenlisten zu verlangen und ihm aufzuerlegen, Briefe an Kunden zu schreiben, obwohl keinerlei Gefährdung von der Verwendung des Calciumcarbits ausgehe und deshalb auch Gesichtspunkte der Gefahrenabwehr keinen Raum hätten, sei unverhältnismäßig.
Auch mit diesen Einwänden dringt der Antragsteller nicht durch. Die angeführten Umstände vermögen eine Unverhältnismäßigkeit der genannten pflanzenschutzrechtlichen Maßnahmen nicht zu begründen. Sofern der Antragsteller krankheitsbedingt den Anordnungen selbst nicht nachkommen kann, ist er gehalten, sich anderweitig - etwa wie in der Vergangenheit in dem Kreis seiner Familienangehörigen - um Unterstützung zu bemühen. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Antragsteller nicht mehr über die erforderlichen Informationen verfügen kann. Es hat nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Unterlagen tatsächlich endgültig verloren gegangen sind, sondern lediglich vorgetragen, bestimmte Umzugskartons seien "noch nicht wieder aufgetaucht". Aber selbst wenn bestimmte Unterlagen verloren gegangen sein sollten, folgt hieraus nicht ohne weiteres, dass es nicht möglich ist, den Anordnungen jedenfalls teilweise nachzukommen (etwa anhand der - ggf. eingeschränkten - Erinnerungen des Antragstellers, mit Hilfe von Bankunterlagen und Auskünften mithelfender Familienangehöriger etc.). Aus all diesen Gründen ergibt sich für den Antragsteller keine objektive Unmöglichkeit, den Anordnungen der Antragsgegnerin nachzukommen. Die Verhältnismäßigkeit der Anordnungen kann auch nicht mit der Erwägung verneint werden, mit der Verwendung des Produkts sei keine Gefährdung verbunden. Wie bereits dargelegt, verstößt bereits das Inverkehrbringen des beanstandeten Produkts als Pflanzenschutzmittel gegen §§ 11 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 1 Nr. 6, so dass eine Verletzung der Rechtsordnung droht und damit eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gegeben ist. Schließlich ergibt sich keine Unverhältnismäßigkeit der Anordnung zu Nr. 3 der Verfügung (Versendung eines Informationsschreibens an frühere Kunden des Antragstellers), daraus, dass diese nach Ansicht des Antragstellers in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt worden sei. Vielmehr ist der Antragsteller nach Nr. 3 der Verfügung verpflichtet, lediglich die unter Nr. 2 der Verfügung genannten Empfänger des Produkts H. entsprechend den näher beschriebenen Anforderungen schriftlich zu informieren. Mit der Bezugnahme auf Nr. 2 der Verfügung ist die Anordnung unter Nr. 3 in zeitlicher Hinsicht dahingehend beschränkt, dass der Antragsteller allein die Kunden schriftlich zu informieren hat, die seit dem 1. Januar 2007 das Produkt bezogen haben.