Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.09.2010, Az.: 5 ME 156/10

Einflussnahme eines Beamten auf die Bewirtschaftung von Planstellen seines Dienstherrn im Wege einer einstweiligen Anordnung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.09.2010
Aktenzeichen
5 ME 156/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2010, 25584
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2010:0922.5ME156.10.0A

Fundstelle

  • NdsVBl 2011, 24-25

Amtlicher Leitsatz

Zur Frage, ob ein Beamter (hier: Hochschulprofessor) im Wege einer einstweiligen Anordnung auf die Bewirtschaftung von Planstellen seines Dienstherrn Einfluss nehmen kann

Gründe

1

Der am ... geborene Antragsteller, der im Mathematischen Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik der Antragsgegnerin eine C 4 Professur innehat, beantragte am 15. September 2009, seinen Eintritt in den Ruhestand bis zur Vollendung seines 68. Lebensjahres hinauszuschieben. Mit Bescheid vom 5. Februar 2010, zugestellt am 1. März 2010, lehnte die Antragsgegnerin den Antrag ab. Dagegen hat der Antragsteller am 10. März 2010 vor dem Verwaltungsgericht Göttingen Klage erhoben (3 A 160/10), über die noch nicht entschieden ist.

2

Im Mai 2010 schrieb die Antragstellerin für das Mathematische Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik eine zum frühest möglichen Zeitpunkt zu besetzende W 2 Professur für Geometrische Aspekte in der Reinen Mathematik aus. Der Antragsteller hat daraufhin am 18. Mai 2010 bei dem Verwaltungsgericht Göttingen beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von ihr ausgeschriebene W 2 Professur für Geometrische Aspekte in der Reinen Mathematik im Mathematischen Institut an der Fakultät für Mathematik und Informatik einstweilen nicht zu besetzen, bis eine rechtskräftige Entscheidung über seinen Antrag, seinen Eintritt in den Ruhestand über den 31. März 2011 bis zur Vollendung seines 68. Lebensjahres hinauszuschieben, ergangen ist.

3

Mit Beschluss vom 19. Mai 2010 hat das Verwaltungsgericht den Antrag mangels Vorliegens eines Anordnungsgrundes abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

4

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

5

Die von dem Antragsteller mit seiner Beschwerde vorgetragenen Gründe, auf deren Prüfung der beschließende Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen die Änderung des angefochtenen erstinstanzlichen Beschlusses nicht. Der Antragsteller hat die für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen Voraussetzungen nicht gemäß § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.

6

Es kann letztlich offen bleiben, ob der Antragsteller das Vorliegen eines Anordnungsgrundes glaubhaft gemacht hat. Insoweit ist allerdings - um Missverständnisse auszuräumen - darauf hinzuweisen, dass die Annahme des Verwaltungsgerichts, ein Anordnungsgrund sei deshalb nicht gegeben, weil die Besetzung der ausgeschriebenen W 2 Professur "erst ab dem Zeitpunkt zulässig" sei, "in dem die Versetzung des Antragstellers bestands- oder rechtskräftig geworden" sei, wobei "eine Klage des Antragstellers gegen den Verwaltungsakt, durch den er mit Ablauf des 31.03.2011 in den Ruhestand versetzt würde, ... gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 105 NBG aufschiebende Wirkung" hätte, fehlerhaft ist. Der Antragsteller würde mit der Vollendung der für ihn gemäß § 72 Abs. 8 NHG i.V.m. § 35 Satz 2 NBG maßgeblichen regulären Altersgrenze (Vollendung des 65. Lebensjahres) nicht in den Ruhestand versetzt. Er würde vielmehr gemäß § 35 Satz 1 NBG kraft Gesetzes in den Ruhestand treten, und zwar nach Maßgabe des § 21 Abs. 5 Satz 1 NHG mit Ablauf des 31. März 2011 (Ablauf des letzten Monats des Semesters). Eine besondere Verfügung über die Zurruhesetzung ist weder zulässig noch erforderlich. Ein dennoch erlassener Verwaltungsakt hätte allenfalls deklaratorische Bedeutung (vgl. Schmidt/Ritter in: Plog/Wiedow, BBG, Band 5, § 35 NBG Rn 9).

7

Der Antragsteller hat jedenfalls das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Er kann nicht beanspruchen, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die von ihr ausgeschriebene W 2 Stelle einstweilen nicht zu besetzen, bis eine rechtskräftige Entscheidung über seinen Antrag, seinen Eintritt in den Ruhestand über den 31. März 2011 bis zur Vollendung seines 68. Lebensjahres hinauszuschieben, ergangen ist.

8

Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht, hinsichtlich des Begehrens, das Gegenstand seiner am 10. März 2010 vor dem Verwaltungsgericht Göttingen erhobenen Klage ist, eine vorläufige Regelung zu treffen. Es geht ihm in diesem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vielmehr darum, die Besetzung der von der Antragsgegnerin im Mai 2010 für das Mathematische Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik ausgeschriebenen W 2 Stelle einstweilen zu untersagen. Durch die von der Antragsgegnerin geplante Stellenbesetzung werden die Rechte des Antragstellers jedoch - wie das Verwaltungsgericht insoweit zutreffend in dem angefochtenen Beschluss ausgeführt hat - lediglich mittelbar betroffen. Dies reicht zur Begründung eines Anordnungsanspruchs nicht aus.

9

Der von der Antragsgegnerin beabsichtigten Stellenbesetzung liegt eine auf das Jahr 2007 zurückgehende Planung zugrunde. Die Antragsgegnerin hat hierzu glaubhaft und nachvollziehbar vorgetragen, dass im Jahr 2007 zur so genannten Rufabwehr die C 3 Stelle (entspricht W 2 der neuen Besoldungsordnung) von Prof. Dr. B. nach W 3 (entspricht C 4 der alten Besoldungsordnung) aufgestockt worden sei. Zum Ausgleich für diese Höherstufung sei geplant worden, die nächste am Mathematischen Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik frei werdende C 4 Stelle (entspricht W 3 der neuen Besoldungsordnung) nach W 2 (entspricht C 3 der alten Besoldungsordnung) abzustufen, um die langfristige Finanzierung der W 3 Stelle von Prof. Dr. B. zu gewährleisten. Die nächste am Mathematischen Institut der Fakultät für Mathematik und Informatik frei werdende C 4 Stelle sei die des Antragstellers. Die nunmehr ausgeschriebene W 2 Stelle sei bis November 2008 nach W 1 bewertet und zur so genannten Rufabwehr auf W 2 angehoben worden. Nachdem der Inhaber dieser W 2 Stelle zum 1. Oktober 2009 ausgeschieden sei, sei geplant worden, diese Stelle durch die am 1. April 2011 frei werdende und nach W 2 abzustufende Stelle des Antragstellers abzulösen. Durch diese Abstufung würde ab dem 1. April 2011 auch wieder die W 1 Stelle zur Verfügung stehen, die bis November 2008 existiert hatte.

10

Die vorstehend skizzierte Stellenplanung der Antragsgegnerin, auf die der Antragsteller mit seinem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung Einfluss zu nehmen versucht, berührt dessen subjektive Rechte nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der beschließende Senat folgt, ist das aus dem Organisationsrecht des Dienstherrn erwachsende organisations- und verwaltungspolitische Ermessen bei der haushaltsrechtlichen Ausbringung und der Bewirtschaftung von Planstellen des öffentlichen Dienstes ein anderes als das bei einer Stellenbesetzung zu beachtende Auswahlermessen (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2000 - 2 C 31.99 -, IÖD 2001, 113). Die Ausbringung von Planstellen im Haushaltsplan durch den Haushaltsgesetzgeber erfolgt gemäß dessen organisatorischer Gestaltungsfreiheit gemessen an den Bedürfnissen der staatlichen Verwaltung. Die gleiche Dispositionsfreiheit kommt dem Dienstherrn - soweit dies nicht bereits durch den Haushaltsgesetzgeber geschehen ist - im Rahmen der Stellenbewirtschaftung zu (vgl. BVerwG, Beschluss vom 6.3.2001 - 1 WB 120.00 -, BVerwGE 114, 84; Urteil vom 26.10.2000, a.a.O.; Urteil vom 25.4.1996 - 2 C 21.95 -, BVerwGE 101, 112). Für einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Organisationsermessens fehlt die notwendige Rechtsgrundlage (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2000, a.a.O., m.w.N.). Rechtsvorschriften, die der Verwaltung ein Ermessen einräumen, begründen einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einräumende Regelung - zumindest auch - dem Interesse des Betroffenen zu dienen bestimmt ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2000, a.a.O., m.w.N.). Eine lediglich mittelbar-tatsächliche Begünstigung reicht dagegen zur Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2000, a.a.O., m.w.N.). Die Schaffung und Bewirtschaftung von Planstellen dient allein dem öffentlichen Interesse an der bestmöglichen Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Sie erfolgt nicht in Wahrnehmung einer Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten. Deren Rechte werden nicht berührt (vgl. BVerwG, Urteil vom 26.10.2000, a.a.O.; Urteil vom 25.4.1996, a.a.O.). Der Antragsteller hat hiernach die durch die Ausübung des Organisationsrechts hervorgerufene Situation der Stellenbesetzung in der Fakultät einzunehmen.

11

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe kann der Antragsteller den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung nicht beanspruchen.

12

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

13

Die Streitwert ist entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG auf 5.000,00 EUR, sondern gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG auf 13.641,23 EUR festzusetzen, da es dem Antragsteller darum geht, die Besetzung der im Mai 2010 ausgeschriebenen W 2 Stelle einstweilen zu untersagen. Der Streitwert beträgt danach die Hälfte desjenigen Betrages, der gemäß §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG in einem Hauptsacheverfahren maßgeblich wäre (1/2 x 6,5 x 4.197,30 EUR [Grundgehalt der Besoldungsgruppe W 2] = 13.641,23 EUR). Die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung ist gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG entsprechend zu ändern.